Index
CZ-40 Verwaltungsverfahren Tschechien (früher Tschechoslowakei);Norm
AufG 1992 §1 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der IS in Wien, geboren 1965, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. Oktober 1996, Zl. 120.594/2-III/11/96, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheiten einer Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der tschechischen Republik beantragte am 12. Februar 1996 im Weg über die österreichische Botschaft in Prag die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Dieser Antrag langte am 1. März 1996 bei der zuständigen Behörde erster Instanz ein.
Der Landeshauptmann von Wien wies diesen Antrag mit Bescheid vom 17. Juni 1996 gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z 4 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) ab. Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin im Weg über die österreichische Botschaft in Prag zugestellt. Im Akt findet sich eine in tschechischer Sprache verfaßte Zustellbestätigung vom 15. Juli 1996, die neben der Bezeichnung des erstinstanzlichen Bescheides die Adresse der Beschwerdeführerin sowie deren Unterschrift und das Datum "15. Juli 1996" aufweist.
Mit Schreiben vom 29. Juli 1996, zur Post gegeben laut Poststempel am 8. August 1996, eingelangt bei der Behörde erster Instanz am 9. August 1996, erhob die Beschwerdeführerin Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 18. Oktober 1996 wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurückgewiesen. Die belangte Behörde stellte fest, die Zustellung sei rechtswirksam am 15. Juli 1996 erfolgt, die Berufung sei erst am 8. August 1996 und daher verspätet eingebracht worden, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Beschwerdeführerin vorbrachte, es sei ihr tatsächlich der Bescheid "erst am 26. Juli 1996" in die Hände gelangt und habe sie umgehend, nach ihrer Einreise Anfang August 1996 nach Österreich und nachdem ihr durch ihren Onkel der Inhalt des in deutscher Sprache abgefaßten Bescheides übersetzt worden sei, die Berufung verfaßt.
Der Verwaltungsgerichtshof hielt der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 19. November 1998 vor, sie sei in ihrem - zusätzlich zur Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof - eingebrachten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 25. November 1996, im Gegensatz zu den Ausführungen in der Beschwerde, von einer am 15. Juli 1996 erfolgten rechtswirksamen Zustellung an sie ausgegangen. Dazu und zu dem in Kopie übermittelten Rückschein der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides erstattete die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme vom 11. Dezember 1998, in der sie ausführte, den in deutscher Sprache abgefaßten erstinstanzlichen Bescheid durch Ausfolgung in der tschechischen Republik am 15. Juli 1996 erhalten zu haben. Der Bedeutungsinhalt dieses Schriftstückes sei ihr jedoch erst nach Übersetzung durch ihren Onkel verdeutlicht worden, worauf umgehend die Berufung an die belangte Behörde verfaßt worden sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
§ 63 Abs. 5 AVG lautet:
"§ 63. (5) Die Berufung ist von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Verkündung mit dieser. Wird eine Berufung innerhalb dieser Frist bei der Berufungsbehörde eingebracht, so gilt dies als rechtzeitige Einbringung; die Berufungsbehörde hat die bei ihr eingebrachte Berufung unverzüglich an die Behörde erster Instanz weiterzuleiten."
§ 11 Abs. 1 des Zustellgesetzes (ZustG) lautet:
"§ 11. (1) Zustellungen im Ausland sind nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen."
Unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 11. Dezember 1998 steht unbestritten fest, daß diese am 15. Juli 1996 den erstinstanzlichen Bescheid durch Zustellung (durch persönliche Übernahme) an ihrer Wohnadresse in der tschechischen Republik erhalten hatte. In der Beschwerde erklärt die Beschwerdeführerin zum Zustellvorgang, dieser entspreche nicht den Vorschriften des Europäischen Übereinkommens über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland, BGBl. Nr. 67/1983, insbesondere nicht dessen Art. 6 und Art. 15. Damit wird aber schon deshalb keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt, weil das genannte Übereinkommen des Europarates im Verhältnis zur Republik Tschechien, die dem Europarat (erst) seit 30. Juni 1993 angehört und die das Übereinkommen nicht ratifiziert hat, nicht gilt (vgl. Walter-Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze2, S. 2059), weshalb die Behörde erster Instanz nicht gehalten war, sich bei der Zustellung des Schriftstückes an die Regeln des zitierten Abkommens zu halten.
Hinsichtlich der Zustellung von Schriftstücken österreichischer Behörden in Verwaltungssachen existieren im Gegensatz zur Zustellung von Schriftstücken österreichischer Gerichte und Behörden in Strafsachen (vgl. den Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen, BGBl. Nr. 744/1995) bzw. in bürgerlichen Rechtssachen (vgl. den Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik über wechselseitigen rechtlichen Verkehr in bürgerlichen Rechtssachen, über Urkundenwesen und über Erteilung von Rechtsauskünften, BGBl. Nr. 309/1962) keine Vereinbarungen. Die Behörde erster Instanz hatte die Zustellung ihres Bescheides somit gemäß § 11 Abs. 1 ZustG "auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, ..., erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden" vorzunehmen. Der Bescheid erster Instanz wurde unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörde mittels eines durch einen Rückschein in tschechischer Sprache dokumentierten Zustellvorganges vorgenommen (vgl. zu einem ähnlichen Zustellvorgang das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1995, Zl. 95/19/0236). Daß dieser Zustellvorgang dem tschechischen Zustellrecht, insbesondere dem § 24 des Gesetzes Nr. 71/1967 Slg. über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsordnung), nicht entsprochen hätte, wurde von der Beschwerdeführerin nicht behauptet und geht auch aus dem Verwaltungsakt nicht hervor.
Auch aus Art. 6 MRK ist im gegenständlichen Fall nichts zu gewinnen, weil eine Entscheidung darüber, ob einem Fremden der weitere Aufenthalt im Inland gestattet werden soll, keine Entscheidung über zivile Rechte oder strafrechtliche Anschuldigungen im Sinn des Art. 6 MRK betrifft (vgl. in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom 21. November 1997, Zl. 96/19/3392). Gleiches gilt für die im gegenständlichen Fall vorliegende Entscheidung darüber, ob es einem Fremden gestattet werden soll, im Bundesgebiet seinen Hauptwohnsitz zu begründen.
Die Zustellung des Bescheides erster Instanz erfolgte somit in rechtswirksamer Weise am 15. Juli 1996. Die unbestritten erst am 8. August 1996 zur Post gegebene Berufung der Beschwerdeführerin erweist sich somit als verspätet; die Zurückweisung der Berufung durch die belangte Behörde kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Die Beschwerde erweist sich somit zur Gänze als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 26. Februar 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1996193573.X00Im RIS seit
13.06.2001Zuletzt aktualisiert am
23.03.2018