TE Lvwg Erkenntnis 2019/5/23 VGW-123/046/4871/2019

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.05.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

23.05.2019

Index

97 Öffentliches Auftragswesen

Norm

BVergG 2018 §137 Abs1
BVergG 2018 §137 Abs2
BVergG 2018 §137 Abs3
BVergG 2018 §140 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

gekürzte Ausfertigung

gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Schmied über den Antrag der A. Gesellschaft m.b.H., vertreten durch Rechtsanwälte GmbH, vom 04.04.2019 auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 26.03.2019 betreffend das Vergabeverfahren des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 34, "B." nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung durch Verkündung am 8.5.2019

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 13 Abs. 1 WVRG 2014 in Verbindung mit § 137 und 140 Abs. 1 BVergG 2018 wird dem Nachprüfungsantrag Folge gegeben und die Zuschlagsentscheidung vom 26.3.2019 im Vergabeverfahren der Stadt Wien „Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 34 – B.“ für nichtig erklärt.

II. Die Stadt Wien hat der Antragstellerin die von dieser entrichteten Pauschalgebühren in der Höhe von 4681,50 Euro gemäß § 16 Abs. 1 WVRG 2014 zu ersetzen.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

W e s e n t l i c h e E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Gemäß § 137 Abs. 1 BVergG 2018 ist die Angemessenheit der Preise in Bezug auf die ausgeschriebene oder alternativ angebotene Leistung und unter Berücksichtigung aller Umstände, unter denen sie zu erbringen sein wird, zu prüfen. Dabei ist von vergleichbaren Erfahrungswerten, von sonst vorliegenden Unterlagen und von den jeweils relevanten Marktverhältnissen auszugehen.

Gemäß § 137 Abs. 2 BVergG 2018 muss der öffentliche Auftraggeber Aufklärung über die Positionen des Angebotes verlangen und gemäß Abs. 3 vertieft prüfen, wenn

1. Angebote einen im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreis aufweisen, oder

2. Angebote zu hohe oder zu niedrige Einheitspreise in wesentlichen Positionen aufweisen, oder

3. nach der Prüfung gemäß Abs. 1 begründete Zweifel an der Angemessenheit von Preisen bestehen.

Gemäß § 137 Abs. 3 BVergG 2018 ist bei einer vertieften Angebotsprüfung zu prüfen, ob die Preise betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar sind. Geprüft werden kann insbesondere, ob      

1. im Preis von Positionen alle direkt zuordenbaren Personal-, Material-, Geräte-, Fremdleistungs- und Kapitalkosten enthalten sind und ob die Aufwands- und Verbrauchsansätze sowie die Personalkosten, diese insbesondere im Hinblick auf die dem Angebot zugrunde gelegten Kollektivverträge, nachvollziehbar sind,

2. der Einheitspreis (Pauschalpreis, Regiepreis) für höherwertige Leistungen grundsätzlich höher angeboten wurde als für geringerwertige Leistungen, und

3. die gemäß § 105 Abs. 2 geforderte oder vom Bieter gemäß § 128 Abs. 2 vorgenommene Aufgliederung der Preise oder des Gesamtpreises (insbesondere der Lohnanteile) aus der Erfahrung erklärbar ist.

Gemäß § 140 Abs. 1 BVergG 2018 ist die Prüfung der Angebote so zu dokumentieren, dass alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände nachvollziehbar sind.

Nach der einschlägigen höchstgerichtlichen Judikatur zur vertieften Angebotsprüfung nach § 125 BVergG 2006 ist es Aufgabe des Auftraggebers, die Angemessenheit der Preise (gegebenenfalls im Rahmen einer vertieften Angebotsprüfung) zu beurteilen. Die Vergabekontrollbehörde hat nicht nur zu prüfen, ob die betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit von sachkundigen Personen auf Grund ausreichend detaillierter Unterlagen geprüft worden ist. Sie hat vielmehr - ebenso wie der Auftraggeber bei der vertieften Angebotsprüfung - unter Berücksichtigung der auch dem Auftraggeber zur Verfügung gestandenen Unterlagen die Preisgestaltung auf ihre betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit in der Regel aus sachverständiger Sicht zu prüfen, wobei im Einzelnen die in § 125 Abs. 4 Z. 1 bis 3 BVergG 2006 genannten Kriterien maßgeblich sind. Da es sich hiebei um eine Plausibilitätsprüfung handelt, muss zweifellos nicht die gesamte Kalkulation des Bieters minutiös nachvollzogen, sondern nur - grob - geprüft werden, ob ein seriöser Unternehmer die angebotenen Leistungen zu den angebotenen Preisen erbringen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. September 2011, Zl. 2007/04/0102, mit Verweis auf die Erkenntnisse vom 25. Jänner 2011, Zl. 2008/04/0082, und den dortigen Verweis auf das Erkenntnis vom 5. November 2010, Zl. 2006/04/0245, mwN, sowie die Erkenntnisse vom 22. Juni 2011, Zl. 2011/04/0011 und Zl. 2007/04/0076, letzteres auch mit Verweis auf das Erkenntnis vom 15. September 2004, Zl. 2004/04/0032).

Gegenständlich liegt der Gesamtpreis der präsumtiven Zuschlagsempfängerin recht deutlich unter dem Gesamtpreis der zweitgereihten Antragstellerin und aller danach gereihten Bieter. Die Differenz beträgt ca. ein Drittel.

In Anbetracht dieses ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreises hat die Auftraggeberin eine vertiefte Angebotsprüfung durchgeführt. Dabei hat sie alle wesentlichen Positionen anhand eines zu den jeweiligen Leistungspositionen erstellten Preisspiegels mit den Positionspreisen der übrigen Bieter verglichen, zur Prüfung der Preisangemessenheit auf im Preisspeicher der Auftraggeberin dokumentierte Erfahrungswerte zurückgegriffen und zu diversen Positionen die präsumtive Zuschlagsempfängerin um Aufklärung und um die Vorlage der K7 Blätter ersucht. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin hat diesem Ersuchen entsprochen und kam die Auftraggeberin letztendlich zu dem Schluss dass sowohl die Positionspreise als auch der Gesamtpreis im Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin schlüssig erklärbar und nicht spekulativ sind. Der mit der vertieften Angebotsprüfung befasste, sachkundige Mitarbeiter der Auftraggeberin, Ing. C., hat auszugsweise folgende zusammenfassende Beurteilung im Vergabeakt dokumentiert:

„Im Preisspiegel nach Positionen wurde die Preisangemessenheitsprüfung mit handschriftlichen Vermerken geprüft. Es wurde der Vergleich mit dem Preisspeicher dokumentiert. Es wurden Anmerkungen zum Leistungsbild und zum kalkulierten Zeitansatz vorgenommen. Von den gelb markierten Positionen im Preisspiegel wurden K7 Blätter verlangt. Diese wurden am 13.3.2019 eingereicht. Der Bieter hat die Annahmen zur Kalkulation in den K7 Blättern sowie die Zeitansätze, Materialmengen, Materialkosten dargestellt. Der Bieter hat die zum Teil günstigen Preise aufgeklärt. Im Ergebnis zeigen die K7 Blätter keine Auffälligkeiten.“

Erst im Verlauf des gegenständlich anhängigen Nachprüfungsverfahrens hat die Auftraggeberin noch zu weiteren Positionen im Leistungsverzeichnis, die einen im Vergleich zu anderen Bietern besonders auffällig niedrigen Preis aufweisen, insbesondere betrifft dies Leistungspositionen bei den Baustellengemeinkosten, Aufklärungen der präsumtiven Zuschlagsempfängerin eingeholt und nach Prüfung der vorgelegten K7-Blätter und der von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin gegebenen Aufklärung die angebotenen Preise als betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar beurteilt.

In der mündlichen Verhandlung hat Ing. C., der für die Auftraggeberin die Angebotsprüfung vorgenommen hat, erklärt, er kenne die Firma D. schon seit vielen Jahren als Auftragnehmer für vergleichbare Aufträge, auch im Rathaus. Bei all diesen Aufträgen habe die Firma D. im Bereich der Baustellengemeinkosten ähnlich niedrig kalkuliert und seien die Leistungen jeweils zur Zufriedenheit des Auftraggebers erbracht worden. Außerdem sei bekannt gewesen, dass diejenigen Leistungen, die in größeren Baufirmen von einer Vielzahl von Angestellten erbracht werden, etwa von einem Bauleiter, einem stellvertretenden Bauleiter, einem Abrechnungstechniker, einem Polier bzw. einem Baukaufmann erbracht werden, in der Firma D. von Ing. D. selbst bewältigt werden.

Die Auftraggeberin brachte weiters vor, dass sie im Zuge der Angebotsprüfung zulässigerweise auf Erfahrungen mit dem betreffenden Bieter aus vorangegangen Aufträgen zurückgegriffen habe, wobei diese Vorgangsweise wesentlich sinnvoller sei als ein strikter Vergleich von Zeitansätzen. Dies insbesondere deshalb, weil etwa die Anwesenheitszeiten eines Baupoliers von Auftragnehmer zu Auftragnehmer sehr unterschiedlich sein könnten und wesentlich davon abhängen würden, wie erfahren die Arbeiter bei den zu erbringenden Leistungen sind. Ein eingespieltes Team, das derartige Arbeiten schon öfter gemacht habe, und mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut sei, werde die Anwesenheit eines Poliers viel seltener benötigen, als ein anderes Arbeitsteam.

In der bis zur gegenständlich bekämpften Zuschlagsentscheidung durchgeführten vertieften Angebotsprüfung sind die in der mündlichen Verhandlung geäußerten Überlegungen der Auftraggeberin zur Preisangemessenheit der kalkulierten Baustellengemeinkosten nicht dokumentiert. Zu den betreffenden Positionen im Leistungsverzeichnis findet sich dazu lediglich ein schlichtes handschriftliches „Hakerl“. Dies verwundert umso mehr, als bei anderen Positionen im Leistungsverzeichnis, die in der Preisgestaltung wesentlich geringere Unterschiede zu Konkurrenzangeboten aufweisen, sehr wohl Aufklärungen verlangt wurden oder zumindest handschriftliche Vermerke die Überlegungen der Auftraggeberin dokumentieren. Es mag nun durchaus zutreffen, dass die Auftraggeberin aufgrund von Erfahrungswerten und aufgrund von Vergleichen mit früheren Angeboten der präsumtiven Zuschlagsempfängerin über Informationen verfügt hat, die es ihr erlaubten, selbst so große Preisdifferenzen wie sie bei den Baustellengemeinkosten festzustellen sind, nachvollziehbar zu erklären, doch findet sich diesbezüglich keinerlei Dokumentation im Vergabeakt.

Dazu kommt, dass anlässlich des Nachprüfungsverfahrens die Auftraggeberin nicht nur versucht hat, Argumente der Antragstellerin im Rahmen einer schriftlichen Stellungnahme zu entkräften, sondern vielmehr (ergänzende) Aufklärungsersuchen an die präsumtive Zuschlagsempfängerin gerichtet und deren Aufklärung entsprechend bewertet hat. Diese Vorgangsweise entspricht jener bei einer vertieften Angebotsprüfung, erfolgte allerdings nach der Zuschlagsentscheidung im Verlauf und aus Anlass des gegenständlichen Nachprüfungsverfahrens. Dadurch gibt die Auftraggeberin implizit zu verstehen, dass eine Prüfung der betreffenden Positionen samt entsprechender Dokumentation sehr wohl geboten gewesen wäre.

Zumal es sich bei den Baustellengemeinkosten um eine wesentliche Position im Leistungsverzeichnis handelt, die geeignet ist, den Gesamtpreis eines Angebots erheblich zu beeinflussen, erweisen sich die festzustellenden Mängel in der Dokumentation der vertieften Angebotsprüfung als so gravierend, dass eine vollständige Plausibilitätsprüfung durch das Verwaltungsgericht im Nachprüfungsverfahren, wie sie nach der Judikatur des VwGH geboten ist, nicht möglich war unbeschadet des Umstandes, dass gegenständlich ein Bauauftrag im Unterschwellenbereich vorliegt, die Zuschlagsentscheidung spruchgemäß für nichtig zu erklären war.

H i n w e i s

Gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG kann das Erkenntnis in gekürzter Form ausgefertigt werden, wenn von den Parteien auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof verzichtet oder nicht binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift gemäß § 29 Abs. 2a eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 von mindestens einem der hiezu Berechtigten beantragt wird.

Das Verwaltungsgericht Wien hat am 8.5.2019 in der gegenständlichen Beschwerdesache eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt und sodann das Erkenntnis mit den wesentlichen Entscheidungsgründen verkündet.

Die in der mündlichen Verhandlung angefertigte Niederschrift, welcher eine Belehrung gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG angeschlossen war, wurde der Antragstellerin, der Antragsgegnerin sowie der präsumtiven Zuschlagsempfängerin unmittelbar nach der Verkündung ausgefolgt.

Keine dieser zur Erhebung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof beziehungsweise Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof legitimierten Parteien hat innerhalb der gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG normierten Frist von zwei Wochen nach Ausfolgung der Niederschrift einen Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG gestellt, weswegen das Erkenntnis gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG gekürzt ausgefertigt wurde.

Gegen diese gekürzte Ausfertigung des Erkenntnisses ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 25a Abs. 4a VwGG und/oder eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof gemäß § 82 Abs. 3b VfGG nicht mehr zulässig.

Schlagworte

Nachprüfungsverfahren; Zuschlagsentscheidung; Nichtigerklärung; Preisangemessenheit; vertiefte Angebotsprüfung; Dokumentation; Plausibilitätsprüfung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.123.046.4871.2019

Zuletzt aktualisiert am

03.06.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten