TE Vwgh Erkenntnis 1999/3/4 99/06/0004

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Veröffentlicht am 04.03.1999
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Index

L80007 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Tirol;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);

Norm

B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
ROG Tir 1997 §71;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 99/06/0003 E 4. März 1999

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde der W Versicherungs-Aktiengesellschaft in W, vertreten durch V und H, Rechtsanwälte in I, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 16. September 1998, Zl. 1998/1/2-3, betreffend ein Begehren auf Entschädigung gemäß § 71 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1997 (mitbeteiligte Partei: Landeshauptstadt Innsbruck, vertreten durch den Bürgermeister; weitere Partei des Verfahrens: Tiroler Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund des Vorbringens in der Beschwerde, des vorgelegten, angefochtenen Bescheides und des ebenfalls vorgelegten erstinstanzlichen Bescheides geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:

Die Beschwerdeführerin ist Alleineigentümerin einer Liegenschaft in Innsbruck. Sie plante gemeinsam mit der G-GesmbH (das ist die Beschwerdeführerin im rechtlich gleichgelagerten Verfahren Zl. 99/06/0003) seit dem Jahr 1995, den Hof dieser Liegenschaft zu verbauen, wobei sich die Pläne an dem damals gegebenen Bebauungsplan orientierten. Es entstanden erhebliche Planungskosten (diese werden in der Beschwerde näher beziffert). Im Jahr 1997 wurde der Bebauungsplan geändert, wodurch die geplante Hofverbauung für die Beschwerdeführerin und die G-GesmbH "nicht mehr möglich" war. Die Beschwerdeführerin vertrat den Standpunkt, daß ihr hieraus bei einer zu verbauenden Wohnnutzfläche von 349 m2 und aufgrund eines berechneten Grundkostenanteiles von S 12.000,-- pro m2 Wohnnutzfläche ein Schaden von mehr als S 4.000.000,-- entstanden sei (wird in der Beschwerde näher beziffert). Die Beschwerdeführerin gab in weiterer Folge der Landeshauptstadt Innsbruck den Schaden mit Schreiben vom 29. September 1997 bekannt und forderte Schadenersatz gemäß § 71 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1997 (TROG 1997).

Dieser Antrag wurde mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 15. Dezember 1997 als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wurde zusammengefaßt ausgeführt, im Beschwerdefall sei wohl ein neuer Bebauungsplan mit der Bezeichnung 10/bj erlassen worden, der seit dem 1. Juli 1997 in Kraft stehe. Der gültige Flächenwidmungsplan sei aber weder geändert noch sei ein neuer Flächenwidmungsplan erlassen worden. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 71 TROG 1997 komme eine allfällige Vergütung jener Vermögensnachteile, die durch die im Vertrauen auf die bestehende Widmung erfolgte Baureifmachung entstanden seien, nur aufgrund einer Änderung der Flächenwidmung von Grundstücken in Betracht, nicht aber aufgrund der Änderung oder der Neuerlassung eines Bebauungsplanes.

Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Berufung an die belangte Behörde, die die Berufung mit dem angefochtenen Bescheid (unter Präzisierung des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides) als unbegründet abwies. Zusammengefaßt schloß sich die belangte Behörde der tragenden Auffassung der erstinstanzlichen Behörde an.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Tiroler Raumordnungsgesetz 1997

(TROG 1997), LGBl. Nr. 10, anzuwenden.

Der maßgebliche § 71 leg. cit. lautet (Stammfassung):

"§ 71

Entschädigung

Wird auf Grund der Änderung der Widmung von Grundstücken ihre Bebauung oder eine bestimmte Art der Bebauung verhindert, so haben die Eigentümer der betreffenden Grundstücke bzw. die sonst hierüber Verfügungsberechtigten gegenüber der Gemeinde Anspruch auf Vergütung jener Vermögensnachteile, die ihnen durch die im Vertrauen auf die bestehende Widmung erfolgte Baureifmachung der Grundstücke bis zur Auflegung des Entwurfes des Flächenwidmungsplanes bzw. über die Änderung des Flächenwidmungsplanes nach § 65 Abs. 1 oder 4 entstanden sind. Kommt eine Einigung über die Vergütung nicht innerhalb von drei Monaten nach dem Inkrafttreten des Flächenwidmungsplanes bzw. der Änderung des Flächenwidmungsplanes zustande, so kann der Eigentümer des von der Änderung der Widmung betroffenen Grundstückes bzw. der sonst hierüber Verfügungsberechtigte bei sonstigem Verlust des Anspruches innerhalb eines weiteren Jahres die Festsetzung der Vergütung durch die Bezirksverwaltungsbehörde beantragen. Gegen die Entscheidung der Bezirksverwaltungsbehörde über die Vergütung ist Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat zulässig."

In den Erläuternden Bemerkungen zur inhaltsgleichen Bestimmung des § 71 TROG 1994 (wiedergegeben in Hauer, Tiroler Baurecht2, Seite 469) heißt es, diese Bestimmung entspreche im wesentlichen dem § 30 des TROG 1984. Der Umfang der Entschädigungspflicht bleibe derselbe.

§ 30 TROG 1984, LGBl. Nr. 2 (Wiederverlautbarung des TROG 1972, LGBl. Nr. 10) lautete auszugsweise (soweit für den Beschwerdefall erheblich - es entspricht dies der Stammfassung gemäß LGBl. Nr. 10/1972):

"§ 30

Entschädigung

(1) Wenn durch die Wirkung eines Flächenwidmungsplanes die Bebauung eines im Sinne des § 11 Abs. 1 für die Bebauung geeigneten Grundstückes verhindert wird und ein vermögensrechtlicher Nachteil dadurch entsteht, daß vor dem Zeitpunkt der öffentlichen Auflegung des Entwurfes des Flächenwidmungsplanes (§ 26 Abs. 1) bzw. dessen Änderung (§ 26 Abs. 2) im Vertrauen auf die Rechtslage nachweisbar Kosten für die Baureifmachung des Grundstückes aufgewendet worden sind, ist den Betroffenen von der Gemeinde dafür eine angemessene Entschädigung zu leisten.

..."

Im Beschwerdefall ist strittig, ob ein Anspruch auf Entschädigung gemäß § 71 TROG 1997 (auch) bei einer Änderung des Bebauungsplanes bestehen kann. Das ist in Übereinstimmung mit der Auffassung der Behörden des Verwaltungsverfahrens deshalb zu verneinen, weil dies in § 71 leg. cit. nicht vorgesehen ist. Das wird insbesondere aus dem ersten Satz dieser Bestimmung deutlich, wo (nur) von der "Änderung der Widmung von Grundstücken, von der Auflegung des Entwurfes des Flächenwidmungsplanes" und von der "Änderung des Flächenwidmungsplanes", nicht aber auch von Bebauungsplänen, die Rede ist. Soweit die Beschwerdeführerin der Sache nach geltend macht, dieses Ergebnis sei nicht sachgerecht, ist ihr folgendes zu entgegnen:

Der VfGH hat sich in seinem Erkenntnis vom 21. Februar 1985, B 651/81 = VfSlg. 10.322, mit einem durchaus vergleichbaren Fall auf Grundlage der - soweit hier erheblich - im wesentlichen inhaltsgleichen Bestimmung des § 30 Abs. 1 TROG 1972 befaßt (auch damals hatten die Behörden die Auffassung vertreten, ein Entschädigungsanspruch gebühre nur bei einer Änderung des Flächenwidmungsplanes, nicht jedoch bei Änderung eines Bebauungsplanes). Der VfGH führte damals aus, die Bebaubarkeit von Grundstücken des (damaligen) Beschwerdeführers sei durch die Änderung des Verbauungs- (Bebauungs-)Planes wohl beeinträchtigt, widmungsmäßig aber keineswegs beseitigt worden. Auch wenn § 30 Abs. 1 TROG (1972) der von der belangten Behörde unterstellte Inhalt zukomme, daß eine Entschädigung nur bei Änderungen eines Flächenwidmungsplanes, nicht aber eines Bebauungsplanes zugesichert werde, könne dem Gesetzgeber nicht der Vorwurf gemacht werden, gleichheitswidrig vorgegangen zu sein, dies deshalb, weil sich die Wirkungen dieser Planungsinstrumente der Sache nach grundsätzlich unterschieden, also Verschiedenes unterschiedlich geregelt werde. Damit könne aber auch der (damals) belangten Behörde nicht angelastet werden, § 30 Abs. 1 TROG (1972) einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt zu haben. Daran anschließend teilte der Verwaltungsgerichtshof (dem der VfGH die Beschwerde abgetreten hatte) in seinem Erkenntnis vom 30. Mai 1985, Zl. 85/06/0078, die Auffassung der (damals) belangten Behörde, daß nach § 30 Abs. 1 TROG 1972 ein Entschädigungsanspruch nur durch bestimmte Wirkungen eines Flächenwidmungsplanes ausgelöst werde (nicht aber durch Änderung eines Verbauungs- bzw. Bebauungsplanes).

Vor diesem Hintergrund ist eine Interpretation des § 71 TROG 1997 dahin, daß - ungeachtet seines Wortlautes - ein Entschädigungsanspruch auch aus einer Änderung des Bebauungsplanes abgeleitet werden könne, aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten; der Verwaltungsgerichtshof sieht sich auch nicht zu einer Antragstellung an den VfGH gemäß Art. 140 B-VG veranlaßt.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren, und ohne daß der Beschwerdeführerin weitere Kosten entstünden, gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 4. März 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999060004.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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