TE Vwgh Erkenntnis 1999/3/12 97/19/1005

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Veröffentlicht am 12.03.1999
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §7 Abs3;
AsylG 1991 §8 Abs1;
AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde des 1976 geborenen AB in Wels, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in Wels, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. April 1997, Zl. 307.490/3-III/11/97, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte erstmals im Mai 1994 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, der vom Bürgermeister der Stadt Wels namens des Landeshauptmannes von Oberösterreich mit Bescheid vom 21. Oktober 1994 gemäß § 9 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen wurde. Der Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Am 6. Februar 1995 stellte der Beschwerdeführer erneut einen mit 25. Jänner 1995 datierten, als "Erstantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, der am 21. Februar beim Magistrat der Stadt Wels einlangte. Am 5. April 1996 stellte der Beschwerdeführer schließlich auf dem Postweg einen dritten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. In den vorgelegten Verwaltungsakten erliegt eine Kopie eines Bescheides des Bundesasylamtes vom 13. März 1995 (vgl. OZ 22), wonach dem Beschwerdeführer, dessen am 31. Jänner 1995 gestellter Asylantrag mit Bescheid des Bundesasylamtes vom selben Tag abgewiesen worden sei, gemäß § 8 Abs. 1 und 2 des Asylgesetzes 1991 der befristete Aufenthalt im Bundesgebiet vom 31. Jänner 1995 bis zum 31. Juli 1995 bewilligt werde. Mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 2. August 1995 bzw. vom 22. Februar 1996 wurde dem Beschwerdeführer erneut der befristete Aufenthalt im Bundesgebiet vom 1. August 1995 bis zum 1. März 1996 bzw. vom 1. März 1996 bis zum 30. Juni 1996 bewilligt (vgl. OZ 26 und 29 des Verwaltungsaktes).

Mit Bescheid vom 6. Dezember 1996 wies der Bürgermeister der Stadt Wels namens des Landeshauptmannes von Oberösterreich die Anträge vom 6. Februar 1995 und vom 5. April 1996 gemäß § 5 Abs. 1 AufG i.V.m. § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) ab. Begründend wurde ausgeführt, dem Beschwerdeführer sei mit Bescheiden des Bundesasylamtes, zuletzt vom 22. Februar 1996, der befristete Aufenthalt im Bundesgebiet, zuletzt vom 1. März 1996 bis zum 13. Juni 1996, bewilligt worden. Es stehe fest, dass sich der Beschwerdeführer nach Ablauf der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung "bis dato" unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, seit 14. September 1996 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet zu sein und verwies auf den rechtmäßigen Aufenthalt seines Vaters in Österreich seit mehr als 20 Jahren. Die Behörde erster Instanz habe unberücksichtigt gelassen, dass sich sein Aufenthalt in Österreich auf eine Art übergesetzlichen Notstand gründe, da sich seit dem Ablauf seiner vorläufigen Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 1 und 2 des Asylgesetzes 1991 seine Gefährdungssituation als politisch Verfolgter in Bosnien-Herzegowina in keiner Weise geändert habe.

Der Bundesminister für Inneres wies die Berufung mit Bescheid vom 2. April 1997 gemäß § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ab. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, es stehe nach der vorliegenden Aktenlage fest, dass der Beschwerdeführer vom 31. Jänner 1995 bis zum 31. Juli 1995, vom 1. August 1995 bis zum 1. März 1996 sowie zuletzt vom 1. März 1996 bis zum 30. Juni 1996 gemäß § 8 Abs. 1 und 2 des Asylgesetzes 1991 im Besitz eines befristeten Aufenthaltsrechtes nach dem Asylgesetz gewesen sei. Seit Ablauf dieses Aufenthaltsrechts mit 30. Juni 1996 befinde er sich jedoch entgegen § 15 FrG, sohin unerlaubt und ohne jegliche Aufenthaltsberechtigung, "bis dato" im österreichischen Bundesgebiet. Dieser Umstand stelle eine Gefährdung für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar. § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG finde in § 5 Abs. 1 AufG direkte Anwendung. Damit liege ein Sichtvermerksversagungsgrund gemäß dem Fremdengesetz vor, weshalb keine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden könne. Die öffentlichen Interessen überwögen daher, auch im Hinblick auf Art. 8 MRK und unter Bedachtnahme auf die familiären bzw. privaten Verhältnisse des Beschwerdeführers seine privaten Interessen. Ungeachtet des Aufenthalts sowohl des Vaters als auch der Ehegattin des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sei aufgrund des unerlaubten Aufenthaltes den öffentlichen Interessen "absolute Priorität" einzuräumen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte am 10. April 1997) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 201/1996 maßgeblich.

§ 5 Abs. 1 AufG lautete (auszugsweise):

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, ..."

     § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG lautete:

     § 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen,

wenn

     ...

4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"

§ 8 des Asylgesetzes 1991 lautete:

"§ 8. (1) Die Asylbehörde kann aus Anlaß der Erlassung eines Bescheides, mit dem ein Asylantrag abgewiesen wird, in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen einem Fremden von Amts wegen den befristeten Aufenthalt im Bundesgebiet bewilligen, wenn die Abschiebung rechtlich oder tatsächlich unmöglich ist oder ihm wegen der Situation in seinem Heimatstaat oder - sofern er staatenlos ist - in den Staat, in dem er zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, aus wichtigen Gründen nicht zugemutet werden kann.

(2) Die befristete Aufenthaltsbewilligung ist für höchstens ein Jahr zu bewilligen. Sie kann um jeweils höchstens ein weiteres Jahr verlängert werden, wenn die Gründe für ihre Bewilligung andauern.

(3) Ein Fremder verliert die befristete Aufenthaltsberechtigung

1.

mit Ablauf ihrer Gültigkeitsdauer;

2.

aufgrund eines Bescheides der Asylbehörde, mit dem festgestellt wird, daß in bezug auf seine Person sinngemäß einer der Tatbestände des § 5 Abs. 1 eingetreten ist."

Weder nach seinem Vorbringen noch nach der Aktenlage verfügte der Beschwerdeführer jemals über einen gewöhnlichen Sichtvermerk oder über eine Aufenthaltsbewilligung. Die belangte Behörde wertete seinen Antrag zu Recht nicht als Verlängerungsantrag. Der angefochtene Bescheid ist demnach auch nicht gemäß § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, sich seit dem Ablauf der ihm zuletzt gemäß § 8 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991 erteilten Aufenthaltsberechtigung am 30. Juni 1996 im Bundesgebiet aufgehalten zu haben.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997, Zl. 96/19/2429) rechtfertigt ein länger dauernder unrechtmäßiger Aufenthalt eines Fremden im Bundesgebiet die Annahme, sein weiterer Aufenthalt aufgrund einer zu erteilenden Bewilligung werde die öffentliche Ordnung gefährden, wenn dieser Fremde bisher weder über einen gewöhnlichen Sichtvermerk noch über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte. Grundsätzlich ist der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch dann verwirklicht, wenn ein Asylwerber nach rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens seinen Inlandsaufenthalt unrechtmäßig fortsetzt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 12. September 1997, Zl. 95/19/1491). Nichts anderes gilt, wenn - wie im Falle des Beschwerdeführers - ein Fremder nach Ablauf einer ihm aus Anlass der Abweisung seines Asylantrages erteilten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991 weiterhin im Bundesgebiet verbleibt.

Droht hingegen einem Fremden, sei es auch nicht aus asylrelevanten Gründen, in seinem Heimatstaat eine unmenschliche Behandlung (oder eine solche Strafe oder die Todesstrafe), und ist ihm auch eine Ausreise in ein Drittland nicht möglich, weil er dort keine Aufnahme findet, so ist ihm sein unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet nicht vorwerfbar (vgl. das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 12. September 1997). Da bereits die Behörde erster Instanz ihre Heranziehung des Sichtvermerksversagungsgrundes nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG darauf gegründet hat, dass der Beschwerdeführer nach Ablauf der ihm zuletzt erteilten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991 unerlaubt im Bundesgebiet verblieben ist, wäre es Sache des Beschwerdeführers gewesen, bereits im Verwaltungsverfahren vorzubringen, dass ihm eine Ausreise in ein Drittland nicht möglich ist. Ein derartiges Vorbringen hat der Beschwerdeführer in seiner Berufung jedoch unterlassen und sich darauf beschränkt hervorzuheben, dass ihm eine Rückkehr nach Bosnien-Herzegowina nicht möglich ist. Das nunmehr in der Beschwerde erstattete Vorbringen, er könne auch in ein anderes Land nicht ausreisen, unterliegt demnach dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot. Es erübrigt sich daher auch ein Eingehen auf das Vorbringen, die belangte Behörde habe sich nicht mit der Frage auseinander gesetzt, ob sich der Beschwerdeführer in einem übergesetzlichen Notstand befand.

Im Hinblick auf den unbestrittenen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit dem Ablauf seines Aufenthaltsrechtes gemäß § 8 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991, den die belangte Behörde zu Recht als unrechtmäßig qualifizierte, kann nach dem bisher Gesagten die Auffassung der belangten Behörde, der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet werde die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde bei Heranziehung des Sichtsvermerksversagungsgrundes nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG (im Regelfall) auf die privaten und familiären Interessen des Fremden in der Weise Bedacht zu nehmen, dass sie zu prüfen hat, ob ein Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit derart gefährden würde, dass die in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen einen Eingriff in sein Recht auf Privat- und Familienleben rechtfertigen.

Ungeachtet des Umstandes, dass die belangte Behörde diese Prüfung im angefochtenen Bescheid in äußerst knapper Form vorgenommen hat, erweist sich dieser auch im Hinblick auf Art. 8 MRK nicht als rechtswidrig. Nach Ablauf der dem Beschwerdeführer zuletzt erteilten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991 wäre dieser verpflichtet gewesen, das Bundesgebiet zu verlassen. Er hat dies unbestritten nicht getan. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Versagung einer erstmaligen Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung überhaupt in ein Recht eines abgewiesenen Asylwerbers auf Familiengemeinschaft (im Falle des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin) eingreift. Im Hinblick auf die Zielsetzung des Aufenthaltsgesetzes, die Umgehung von Einwanderungsvorschriften durch die Stellung von Asylanträgen derart zu verhindern, dass abgewiesene Asylwerber nicht darauf sollen zählen können, bei Ablehnung ihrer Asylanträge im Bundesgebiet zu verbleiben und Niederlassungsanträge stellen zu können (vgl. die RV 525 BlgNR 18. GP.) wäre ein (allfälliger) Eingriff in das durch Art. 8 MRK gewährleistete Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens im Interesse eines geordneten Fremdenwesens, und damit der öffentlichen Ordnung jedenfalls nach Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt (vgl. für den Fall eines abgewiesenen Asylwerbers und Angehörigen einer österreichischen Staatsbürgerin das hg. Erkenntnis vom 4. September 1998, Zl. 95/19/1483).

Soweit der Beschwerdeführer schließlich auf eine mangelnde Bedachtnahme der belangten Behörde auf die §§ 19 und 20 FrG verweist, verkennt er, dass diese Bestimmungen nur in den Fällen einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes gemäß §§ 17 und 18 FrG maßgeblich sind.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 12. März 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997191005.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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