TE Lvwg Beschluss 2019/4/15 LVwG-AV-319/001-2019

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.04.2019
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Entscheidungsdatum

15.04.2019

Norm

GewO 1994 §13 Abs1
GewO 1994 §13 Abs2
GewO 1994 §26 Abs1
GewO 1994 §39 Abs1
VwGVG 2014 §28 Abs3

Text

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch MMag. Dr. Michaela Lütte als Einzelrichterin über die Beschwerde des A, vertreten durch B, Rechtsanwältin in ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 07. Februar 2019, Zl. ***, betreffend Ansuchen um Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs. 1 der Gewerbeordnung 1994, den:

BESCHLUSS

1.   Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha zurückverwiesen.

2.   Gegen diesen Beschluss ist eine Revision gemäß § 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) iVm Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) nicht zulässig.

Begründung:

1.   Sachverhalt und Feststellungen:

1.1. Der Verein „C" (in der Folge: der Verein) übt seit 08. November 2006 das freie Handelsgewerbe aus. A (in der Folge: Beschwerdeführer) ist der Obmann dieses Vereins.

1.2. Mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2018 wurde betreffend den Beschwerdeführer – neben dessen Anzeige zum gewerberechtlichen Geschäftsführer – der Antrag auf Nachsicht vom Gewerbeausschlussgrund gemäß § 13 Abs. 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) für die Bestellung zum gewerberechtlichen Geschäftsführer für das vom Verein ausgeübte Handelsgewerbe gestellt.

Begründend ist ausgeführt, dass der Beschwerdeführer vom Landesgericht *** zu einer teilbedingten Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen verurteilt worden sei. Die Strafe sei seit 28. August 2018 rechtskräftig und noch nicht getilgt. Die Verurteilung betreffe eine vom Landesgericht *** festgestellte falsche Beweisaussage des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall am 18. Juli 2017. In dem Verfahren betreffend den Verkehrsunfall sei die Aussage des Beschwerdeführers einer Zeugenaussage gegenübergestanden und habe das Gericht der Aussage des Zeugen Glauben geschenkt.

1.3. Darüber hinaus erstattete der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertreterin im Rahmen des eingeräumten Parteiengehörs mit Schriftsatz vom 25. Jänner 2019 eine Äußerung.

In dieser wird – auf das Wesentliche zusammengefasst – ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bereits 76 Jahre alt und zuvor nie straffällig geworden sei. Die Umstände, die zur Verurteilung vor dem Landesgericht *** geführt haben, seien äußerst unglücklich gewesen. Der Beschwerdeführer habe mit D (in der Folge: ehemalige Lebensgefährtin) in einer Lebensgemeinschaft gelebt und war diese Halterin eines Fahrzeugs. Mit diesem Fahrzeug sei ein Verkehrsunfall verursacht worden, wobei strittig gewesen sei, wer das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls gelenkt habe. Es sei eine eidesstattliche Erklärung der ehemaligen Lebensgefährtin vorgelegen, wonach diese den Pkw gelenkt habe. Die ehemalige Lebensgefährtin sei jedoch aufgrund gesundheitlicher Probleme nicht mehr in der Lage gewesen, an der darauffolgenden Gerichtsverhandlung teilzunehmen und habe sich in weiterer Folge ihrer Aussage entschlagen. In der Gerichtsverhandlung stand daher die Aussage des Beschwerdeführers der Aussage eines Zeugen gegenüber, welcher zwar nicht zwingend den Beschwerdeführer, jedoch einen Mann erkannt hätte. Der Beschwerdeführer sei in der Folge wegen falscher Beweisaussage verurteilt worden, wobei ein Teil der verhängten Geldstrafe bedingt nachgesehen worden sei. Der Beschwerdeführer engagiere sich im Verein seit dessen Gründung im Jahr 2006. Die Vereinsagenden, an welchen der Beschwerdeführer maßgeblich beteiligt sei, sowie die Vereinskasse seien ordnungsgemäß. Der Verein sei im Bereich Modelleisenbahn und Anlagenbau aktiv, halte monatlich einen Stammtisch ab und gebe es eine Weihnachtsfeier. Die Begehung einer gleichen oder ähnlichen Straftat sei durch den Beschwerdeführer bei Ausübung des gegenständlichen Gewerbes durch den Verein nicht zu befürchten. Bei der Verurteilung handle es sich um einen einmaligen unglücklichen Vorfall, zuvor sei der Beschwerdeführer 76 Jahre straffrei geblieben.

Zusammen mit dieser Äußerung legte der Beschwerdeführer eine Auskunft des KSV1870 betreffend den Verein, ein Protokoll der Hauptverhandlung vom 20. März 2018 betreffend das vor dem Landesgericht *** geführte Strafverfahren gemäß § 288 Abs. 1 und 4 des Strafgesetzbuches (StGB) sowie Protokolle betreffend Zivilverhandlungen vor dem Bezirksgericht *** wegen 3.550,00 Euro (die ehemalige Lebensgefährtin gegen eine näher bezeichnete Versicherungsgesellschaft) vor.

1.4. Mit dem angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha (in der Folge: belangte Behörde) vom 07. Februar 2017, Zl. ***, wurde dem Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung der Nachsicht vom Gewerbeausschlussgrund gemäß § 13 Abs. 1 GewO 1994 für die Bestellung als gewerberechtlicher Geschäftsführer für den Verein für das Gewerbe „Handelsgewerbe mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe" im Standort ***, ***, keine Folge gegeben.

Begründend ist – nach Wiedergabe des Verfahrensgangs und der Stellungnahme des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren – alleine ausgeführt, dass laut Strafregisterauszug (Stand: 07. Februar 2019) der Tilgungszeitraum betreffend die Strafregistereintragung zur Zeit nicht errechenbar sei; aufgrund der erst seit 28. August 2018 rechtskräftigen Verurteilung, der Höhe der Verurteilung (540 Tagessätze) sowie der Tatsache, dass der Beschwerdeführer in der Erklärung gemäß § 13 GewO 1994 vom 12. November 2018 angegeben habe, dass gegen ihn keine nicht getilgten gerichtlichen Verurteilungen vorliegen würden, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

1.5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertreterin mit Schriftsatz vom 11. März 2019 Beschwerde.

Darin wird – auf das Wesentliche zusammengefasst – vorgebracht, dass sich die Behörde auf eine Scheinbegründung zurückgezogen habe. Im gegenständlichen Fall sei die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei der Ausübung des Gewerbes durch den Verein durch den Beschwerdeführer in seiner Funktion als gewerberechtlicher Geschäftsführer nicht zu befürchten. Der Beschwerdeführer sei seit 2006 im Verein tätig und habe es nie Probleme gegeben. Auch sei darauf abzustellen, ob der Beschwerdeführer mit vollem Bewusstsein die Erklärung gemäß § 13 GewO 1994 unterschrieben habe; die Behörde habe auch aus der Unterfertigung der Erklärung keine inhaltlichen Schlüsse gezogen. Die Behörde habe den ihr zur Verfügung stehenden Ermessensspielraum nicht ausgeschöpft bzw. das Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes geübt.

1.6. Im Strafregister der Republik Österreich scheint betreffend den Beschwerdeführer die folgende rechtskräftige, nicht getilgte Verurteilung auf:

"01) LG *** *** vom 02.05.2018 RK 28.08.2018 §§ 288 (1), 288 (4) StGB

Geldstrafe von 540 Tags zu je 4,00 EUR (2.160,00 EUR) im NEF 270 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, davon Geldstrafe von 270 Tags zu je 4,00 EUR (1.080,00 EUR) im NEF 135 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Nach dem derzeitigen Stand der Strafregistereintragung(en) ...

... ist der Tilgungszeitraum (zur Zeit) nicht errechenbar.

... ist die Auskunftsbeschränkung ausgeschlossen."

2.   Beweiswürdigung:

Die insoweit unstrittigen Feststellungen – einschließlich des dargelegten Verfahrensgangs – konnten im Hinblick auf die eindeutigen Inhalte des vorliegenden Verwaltungsaktes der belangten Behörde in Übereinstimmung mit dem vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eingeholten Strafregisterauszug betreffend den Beschwerdeführer, des Auszugs aus dem Gewerbeinformationssystem Austria (GISA) betreffend den Verein sowie dem Vorbringen des Beschwerdeführers getroffen werden.

3.   Rechtslage:

3.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) lauten:

"[…]

Anzuwendendes Recht

§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B_VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

[…]

Verhandlung

§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn

der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

[…]

Erkenntnisse

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

[…]"

3.2. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) lauten:

"[…]

Allgemeine Grundsätze

§ 37. Zweck des Ermittlungsverfahrens ist, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Nach einer Antragsänderung (§ 13 Abs. 8) hat die Behörde das Ermittlungsverfahren insoweit zu ergänzen, als dies im Hinblick auf seinen Zweck notwendig ist.

[…]"

3.3. Die hier maßgeblichen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) lauten:

"[…]

§ 13. (1) Natürliche Personen sind von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn sie

1.   von einem Gericht verurteilt worden sind

a)   wegen betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (§ 153d StGB), organisierter Schwarzarbeit (§ 153e StGB), betrügerischer Krida, Schädigung fremder Gläubiger, Begünstigung eines Gläubigers oder grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§§ 156 bis 159 StGB) oder

b)   wegen einer sonstigen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen und

2.   die Verurteilung nicht getilgt ist.

Von der Ausübung eines Gastgewerbes sind natürliche Personen ausgeschlossen, wenn gegen sie eine nicht getilgte gerichtliche Verurteilung wegen Übertretung der §§ 28 bis 31a des Suchtmittelgesetzes, BGBl. I Nr. 112/1997, in der jeweils geltenden Fassung, vorliegt. Bei Geldstrafen, die nicht in Tagessätzen bemessen sind, ist die Ersatzfreiheitsstrafe maßgebend. Bei Verhängung einer Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe sind Freiheitsstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe zusammenzuzählen. Dabei ist ein Monat dreißig Tagen gleichzuhalten. Die Bestimmungen dieses Absatzes gelten auch, wenn mit den angeführten Ausschlussgründen vergleichbare Tatbestände im Ausland verwirklicht wurden.

[…]

§ 26. (1) Die Behörde hat im Falle des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 die Nachsicht von diesem Ausschluß zu erteilen, wenn nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes nicht zu befürchten ist.

[…]

§ 39. (1) Der Gewerbeinhaber kann für die Ausübung seines Gewerbes einen Geschäftsführer bestellen, der dem Gewerbeinhaber gegenüber für die fachlich einwandfreie Ausübung des Gewerbes und der Behörde (§ 333) gegenüber für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich ist. […]

(2) Der Geschäftsführer muss den für die Ausübung des Gewerbes vorgeschriebenen persönlichen Voraussetzungen entsprechen und in der Lage sein, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen, insbesondere dem Abs. 1 entsprechende, selbstverantwortliche Anordnungsbefugnis besitzen.

[…]"

4.    Erwägungen:

4.1. Die Beschwerde ist begründet.

4.2. Gemäß § 13 Abs. 1 Z 1 lit. b iVm Z 2 GewO 1994 ist eine natürliche Person von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn diese wegen einer sonstigen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen von einem Gericht rechtskräftig verurteilt wurde und diese Verurteilung nicht getilgt ist.

§ 26 Abs. 1 GewO 1994 regelt betreffend die in § 13 Abs. 1 leg.cit. genannten Gewerbeausschlussgründe die Erteilung der Nachsicht. Danach hat die Behörde im Falle des Ausschlusses von der Gewerbeausübung die Nachsicht zu erteilen, wenn nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei der Ausübung des Gewerbes nicht zu befürchten ist.

Gemäß § 39 Abs. 1 GewO 1994 ist der gewerberechtliche Geschäftsführer dem Gewerbeinhaber gegenüber für die fachlich einwandfreie Ausübung des Gewerbes und der Behörde gegenüber für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich. Nach Abs. 2 leg.cit. müssen gewerberechtliche Geschäftsführer insbesondere den für die Ausübung des Gewerbes vorgeschriebenen persönlichen Voraussetzungen entsprechen, wozu insbesondere auch das Nichtvorliegen eines Gewerbeausschlussgrundes gemäß § 13 Abs. 1 GewO 1994 zählt.

Die Gewerbeausschlussgründe gemäß § 13 GewO 1994 und das Ansuchen um Nachsicht von diesen (§ 26 leg.cit.) kommen daher auch für die Bestellung zum gewerberechtlichen Geschäftsführer in Betracht. Im Zusammenhang mit der Erteilung der Nachsicht vom Gewerbeausschlussgrund gemäß § 13 Abs. 1 GewO 1994 ist dabei auch zu beachten, dass den gewerberechtlichen Geschäftsführer gemäß § 39 Abs. 1 leg.cit. lediglich ein eingeschränkter Verantwortungsbereich für die fachlich einwandfreie Ausübung des Gewerbes sowie für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften trifft (vgl. hierzu VwSlg. 15308 A/1999).

4.3. Im vorliegenden Fall steht im Hinblick auf die oben getroffenen Feststellungen unstrittig fest, dass bestreffend den Beschwerdeführer eine rechtskräftige, nicht getilgte Verurteilung zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen vorliegt, weshalb der Gewerbeausschlussgrund gemäß § 13 Abs. 1 Z 1 lit. b GewO 1994 erfüllt ist.

Die begehrte Nachsicht von diesem Gewerbeausschlussgrund ist gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1994 zu erteilen, wenn die in dieser Bestimmung genannte Befürchtung – nämlich die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei der Tätigkeit als gewerberechtlicher Geschäftsführer für das vom Verein ausgeübte Handelsgewerbe – gar nicht besteht (vgl. VwGH 20.05.2015, Ra 2015/04/0031).

Diesbezüglich ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine – gebundene – Prognoseentscheidung über das zukünftige Verhalten des Betroffenen zu treffen, bei der auch auf seine Persönlichkeit bzw. auf sein Wohlverhalten abzustellen ist (vgl. zB VwGH 18.02.2015, Ra 2014/04/0035). Diese Prognoseentscheidung gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1994 ist mit jener in § 87 Abs. 1 Z 1 leg.cit. inhaltsgleich (vgl. etwa VwGH 2011/04/0418, mwN).

4.4. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Gewerbebehörde auf Grundlage des Verhaltens in der Vergangenheit eine begründete und nachvollziehbare Prognose über das zukünftige Verhalten einer Person anzustellen. Diese Prognose setzt – so der Verwaltungsgerichtshof betreffend die inhaltsgleiche Prognoseentscheidung gemäß § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 ausdrücklich – jedenfalls die Feststellung der Tathandlungen voraus, die der (hier den Ausschlussgrund nach § 13 Abs. 1 GewO 1994 bildenden) Verurteilung konkret zugrunde gelegen sind und von denen die Gewerbebehörde in Bindung an die rechtskräftige Verurteilung bei ihrer Prognose auszugehen hat (vgl. VwGH 12.06.2013, 2013/04/0064, VwGH 02.02.2012, 2011/04/0197, VwGH 22.06.2011, 2011/04/0014, jeweils mwN). Darüber hinaus ist die Prognose unter Berücksichtigung der mit der weiteren Ausübung der konkreten Gewerbeberechtigung im Zusammenhang stehenden Umstände (vgl. etwa VwGH 09.09.2015, Ro 2014/04/0012) sowie des eingeschränkten Verantwortungsbereichs des gewerberechtlichen Geschäftsführers gemäß § 39 Abs. 1 GewO 1994 zu erstellen (vgl. erneut VwSlg. 15308 A/1999; zu den Anforderungen an eine Prognoseentscheidung vgl. überdies Kreisl in Ennöckl/Raschauer/Wessely, GewO § 87, Rz. 16 ff).

4.5. Im vorliegenden Fall fehlt schon die Feststellung der Tathandlungen, die der den Ausschlussgrund gemäß § 13 Abs. 1 Z 1 lit. b GewO 1994 bildenden Verurteilung konkret zugrunde gelegen sind, und damit die Grundlage für die gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1994 zu treffende Prognoseentscheidung. Es wäre Sache der belangten Behörde gewesen, nach Durchführung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens, wie insbesondere etwa durch Einsichtnahme in den Gerichtsakt, unter Wahrung des Parteiengehörs (zur Bedeutung des persönlichen Eindrucks vgl. VwGH 18.02.2015, Ra 2014/04/0035) Feststellungen über die der Verurteilung konkret zugrunde liegenden Tathandlungen zu treffen und darauf aufbauend eine Prognoseentscheidung über das künftige Verhalten des Beschwerdeführers in dessen Funktion als gewerberechtlicher Geschäftsführer für das vom Verein ausgeübte Handelsgewerbe – unter Bedachtnahme auf die Eigenart der strafbaren Handlung und dessen sich ergebender Persönlichkeit – vorzunehmen.

Die belangte Behörde hat die Abweisung des Ansuchens auf Nachsicht vom Gewerbeausschlussgrund gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1994 im vorliegenden Fall auf das im Strafregister aufscheinende og. Urteil des Landesgerichtes *** gestützt. Dazu ist nur allgemein ausgeführt, dass aufgrund der erst seit 28. August 2018 rechtskräftigen Verurteilung, der Höhe dieser Verurteilung (540 Tagessätze) sowie der Tatsache, dass der Beschwerdeführer in der Erklärung gemäß § 13 GewO 1994 angegeben habe, dass keine nicht getilgten gerichtlichen Verurteilungen vorliegen würden, spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

Diese Ausführungen vermögen die im Verfahren gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1994 gebotenen Feststellungen über die der Verurteilung konkret zugrunde liegenden Tathandlungen – als Grundlage für die Prognoseentscheidung – nicht zu ersetzen. Die Behörde hat daher die für die Beurteilung der Nachsicht vom Gewerbeausschlussgrund gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1994 notwendig festzustellenden Sachverhaltselemente nicht ermittelt und – darauf aufbauend – eine Prognoseentscheidung über das zukünftige Verhalten des Beschwerdeführers in dessen Tätigkeit als gewerberechtlicher Geschäftsführer für das vom Verein konkret ausgeübte Handelsgewerbes nicht angestellt (vgl. etwa auch VwGH 02.02.2012, 2011/04/0197, wonach die Stützung der Entziehung der Gewerbeberechtigung gemäß § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 alleine auf einen Auszug aus dem Strafregister nicht ausreicht).

4.6. Da die belangte Behörde die notwendigen Ermittlungen unterlassen hat, steht der maßgebliche Sachverhalt iSd § 28 Abs. 2 VwGVG nicht fest. Damit stellt sich die Frage, ob die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich selbst nach § 28 Abs. 2 Z 2 VwGVG im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist, oder ob der Raschheit und Kostenersparnis besser durch eine Aufhebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG gedient ist.

Nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. 2 Z 2 iVm § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG ist in § 28 VwGVG ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann daher nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt hat oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwas schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. etwa VwGH 05.09.2018, Ro 2018/03/0017, VwGH 06.07.2016, Ra 2015/01/0123, jeweils mwN).

Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufgrund der dargestellten gravierenden Ermittlungslücken erfüllt. Indem die belangte Behörde keinerlei Feststellungen über die der angeführten Verurteilung konkret zugrunde gelegenen Tathandlungen getroffen hat, fehlt die sachverhaltsbezogene Grundlage für die gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1994 zu treffende Prognoseentscheidung (und wurde – wie dargelegt – eine solche Prognoseentscheidung auch nicht angestellt). Sie hat damit den für die Beurteilung des Ansuchens auf Nachsicht vom Gewerbeausschlussgrund gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1994 notwendig festzustellenden Sachverhalt nicht ermittelt.

4.7. Es war daher der angefochtene Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

5.   Zur Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung:

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

6.   Zur Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, da die gegenständliche Entscheidung nicht von der zitierten und einheitlichen (ständigen) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und sich im Übrigen auf die eindeutige Rechtslage stützt (vgl. zur Unzulässigkeit der Revision aus diesem Grund etwa VwGH 12.10.2017, Ra 2017/08/0046).

Schlagworte

Gewerbliches Berufsrecht; Handelsgewerbe; Ausschluss; Nachsicht; Verfahrensrecht; Ermittlungspflicht; Zurückverweisung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.AV.319.001.2019

Zuletzt aktualisiert am

20.05.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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