Entscheidungsdatum
27.03.2019Norm
ASVG §18aSpruch
W164 2191672-1/7E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle Wien, vom 29.01.2018, Zl. XXXX , beschlossen:
A)
Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3, zweiter Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Pensionsversicherungsanstalt zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid vom 29.01.2018 sprach die Pensionsversicherungsanstalt (im Folgenden: PVA) aus, dass die Selbstversicherung der Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege ihres behinderten Kindes
XXXX , mit 30.09.2017 ende.
Begründend wurde angeführt, dass kein Bezug einer erhöhten Familienbeihilfe vorliege und damit die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.
2. Gegen diesen Bescheid erhob die BF mit Schreiben vom 05.03.2018 (eingelangt am 08.03.2018) Beschwerde und gab betreffend die Rechtzeitigkeit ihrer Beschwerde an, dass ihr der angefochtene Bescheid am 09.02.2018 zugestellt worden sei. Zudem führte sie an, dass ein neuerlicher Antrag auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gestellt worden sei. Sie erhalte außerdem Pflegegeld der Stufe 4 und könne aufgrund der Pflegebedürftigkeit ihres Kindes keiner Berufstätigkeit nachgehen. Ihr Sohn lebe nach wie vor bei ihr zuhause. Sie beantragte die Abänderung des angefochtenen Bescheides dahingehend, dass ihr der Beitrag zur Selbstversicherung ab September 2017 bis laufend weitergewährt werde.
3. Die Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 03.04.2018 vorgelegt.
4. Die PVA gab mit Schreiben vom 18.04.2018 bekannt, dass kein Zustellnachweis hinsichtlich des Bescheides vorliege. Gemäß in § 26 ZustG normierten Vermutung sei von einer Zustellung am 01.02.2018 und von einer verspäteten Beschwerde auszugehen. Das Kuvert der Beschwerde sei zwischenzeitlich schon vernichtet worden. Die PVA beantragte die Zurückweisung der gegenständlichen Beschwerde.
5. Über ein Rechtshilfeersuchen des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.09.2018 gab das zuständige Finanzamt mit Schreiben vom 18.09.2018 bekannt, dass für den Sohn der BF die Familienbeihilfe ab 01.10.2017 bis einschließlich 30.11.2017 gewährt worden sei. Betreffend die Zuerkennung ab Dezember 2017 sei ein Rechtsmittelverfahren gegen den Abweisungsbescheid anhängig.
6. Mit Schreiben vom 22.01.2019 gab das zuständige Finanzamt bekannt, dass die Familienbeihilfe einschließlich des Erhöhungsbetrages nunmehr bis 30.11.2021 bescheinigt sei. Dem Schreiben wurde die entsprechende Beschwerdevorentscheidung des zuständigen Finanzamtes vom 21.11.2018 angeschlossen, gegen die kein Rechtsmittel erhoben wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der angefochtene Bescheid wurde der BF am 09.02.2018 zugestellt. Die gegenständliche Beschwerde langte am 08.03.2018 bei der PVA ein.
Die BF ist leibliche Mutter des Kindes XXXX . Die BF wohnt mit ihrem Sohn seit seiner Geburt bis laufend im gemeinsamen Haushalt.
Für den Sohn der BF wurde im verfahrensgegenständlichen Zeitraum (ab 01.10.2017 bis dato) erhöhte Familienbeihilfe gewährt.
Die BF übte seit 01.10.2017 bis dato keine Erwerbstätigkeit aus.
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auskünften des zuständigen Finanzamtes, sowie den aktuellen Auszügen aus dem Zentralen Melderegister und dem aktuellen Versicherungsdatenauszug betreffend die BF.
Das Zustelldatum des angefochtenen Bescheides ergibt sich aus den Angaben der BF in der Beschwerde. Da der angefochtene Bescheid nicht nachweislich zugestellt wurde, war im Zweifel von der Richtigkeit dieser Datumsangabe auszugehen, die nicht lebensfremd erscheint. Die belangte Behörde ist dieser Behauptung nicht wirksam entgegengetreten. Die BF hat die gesetzliche Vermutung des § 26 ZustG damit widerlegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Zu A)
Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde:
Da der angefochtene Bescheid - wie oben festgestellt - der BF am 09.02.2018 zugestellt wurde, endete die Frist zur Beschwerdeerhebung mit 09.03.2018. Die Beschwerde langte damit jedenfalls fristgerecht am 08.03.2018 bei der PVA ein.
Zu den Voraussetzungen für die Gewährung der Selbstversicherung nach § 18a ASVG:
Die Berechtigung zur Selbstversicherung nach § 18a ASVG ist zeitraumbezogen zu beurteilen. § 18a ASVG ist auf vergangene Zeiträume in seiner jeweils geltenden Fassung anzuwenden (vgl. VwGH 22.12.2004, 2002/08/0234 zu einem insoweit gleichgelagerten Fall der Selbstversicherung nach § 19a ASVG).
Gemäß § 18a Abs. 1 ASVG (in der maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 2/2015) können sich Personen, die ein behindertes Kind, für das erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376, gewährt wird, unter überwiegender Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, solange sie während dieses Zeitraumes ihren Wohnsitz im Inland haben, längstens jedoch bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres des Kindes, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Der gemeinsame Haushalt besteht weiter, wenn sich das behinderte Kind nur zeitweilig wegen Heilbehandlung außerhalb der Hausgemeinschaft aufhält. Eine Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes kann jeweils nur für eine Person bestehen.
Gemäß § 18a Abs. 2 ASVG ist die Selbstversicherung ist für eine Zeit ausgeschlossen, während der eine Ausnahme von der Vollversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Z 3 besteht oder auf Grund eines der dort genannten Dienstverhältnisse ein Ruhegenuß bezogen wird oder eine Ersatzzeit gemäß § 227 Abs. 1 Z 3 bis 6 oder § 227a vorliegt.
Gemäß § 18a ASb. 3 ASVG wird eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft im Sinne des Abs. 1 jedenfalls dann angenommen, wenn und so lange das behinderte Kind das Alter für den Beginn der allgemeinen Schulpflicht (§ 2 des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl. Nr. 76/1985) noch nicht erreicht hat und ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf (Z 1), während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht wegen Schulunfähigkeit (§ 15 des Schulpflichtgesetzes 1985) entweder von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf (Z 2), nach Vollendung der allgemeinen Schulpflicht und vor Vollendung des 40. Lebensjahres dauernd bettlägrig ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf (Z 3).
Im vorliegenden Fall sprach die PVA aus, dass der Anspruch der BF auf Selbstversicherung ende, da für ihren Sohn ab dem 01.10.2017 keine erhöhte Familienbeihilfe mehr gewährt werde und damit eine Voraussetzung für den Anspruch nach § 18a ASVG weggefallen sei. Der Verlust des Anspruchs auf erhöhte Familienbeihilfe basierte auf einer Entscheidung des zuständigen Finanzamtes, gegen die Beschwerde erhoben wurde. Dieser wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom 21.11.2018 stattgegeben und die erhöhte Familienbeihilfe ab Dezember 2017 gewährt. Außerdem bestätigte das zuständige Finanzamt mit Schreiben vom 18.09.2018, dass für den Sohn der BF von 01.10.2017 bis 30.11.2017 die erhöhte Familienbeihilfe gewährt wurde. Damit besteht - wie bereits oben festgestellt - im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe für den Sohn der BF. Der Grund für die Beendigung der Selbstversicherung der BF nach § 18a ASVG ist damit weggefallen.
Zudem ist festzuhalten, dass das Erfordernis des gemeinsamen Haushalts bis dato vorliegt, der Sohn der BF das 40.Lebensjahr noch nicht vollendet hat und auch keine der beiden Ausnahmen des § 18a Abs. 2 ASVG erfüllt sind.
Zu klären bleibt, wie hoch der Betreuungsaufwand der BF im verfahrensgegenständlichen Zeitraum ist, ob also die BF ihren Sohn unter überwiegender Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegt. Dazu enthält der angefochtene Bescheid jedoch keine Feststellungen und auch dem von der PVA übermittelten Verwaltungsakt sind keinerlei diesbezügliche Ermittlungsergebnisse zu entnehmen.
Zur Zurückverweisung:
Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn diese notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis 2015/04/0019 vom 24.06.2015 ausgesprochen hat, stellt die nach § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG 2014 bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Das mit § 28 VwGVG insgesamt normierte System verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.
Da dem Verwaltungsakt keinerlei Ermittlungen betreffend den Betreuungsaufwand zu entnehmen sind und die Frage, ob die BF ihren Sohn unter überwiegender Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegt, eine Voraussetzung für die Beurteilung der Weitergewährung der Selbstversicherung nach § 18a ASVG darstellt, war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die PVA zurückzuverweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich zudem auf eine klare Rechtslage stützen (vgl. VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).
Schlagworte
Arbeitskraft, Betreuungsbedarf-Angehöriger, Ermittlungspflicht,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W164.2191672.1.00Zuletzt aktualisiert am
17.05.2019