TE Lvwg Beschluss 2019/4/4 LVwG-AV-249/001-2018

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Veröffentlicht am 04.04.2019
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Entscheidungsdatum

04.04.2019

Norm

AWG 2002 §1 Abs3
AWG 2002 §73 Abs1
VwGVG 2014 §28 Abs3

Text

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch MMag. Horrer als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn A gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom 18. Jänner 2018, Zl. ***, betreffend einen Entfernungsauftrag nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 den

BESCHLUSS

gefasst:

1.   Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Z. 2 und Abs. 3 Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz – VwGVG Folge gegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Bezirkshauptmannschaft Tulln zurückverwiesen.

2.   Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG eine ordentliche Revision im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Begründung:

Aus dem von der Bezirkshauptmannschaft Tulln (im Folgenden: belangte Behörde) vorgelegten Verwaltungsakt und dem Akt des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich ergibt sich für das gegenständliche Gerichtsverfahren im Wesentlichen folgender relevanter Sachverhalt:

Aufgrund einer Anzeige über konsenslose Ablagerungen von Streusplitt, der durch die B Ges.m.b.H. auf den beiden Grundstücken Nrn. *** und ***, je KG ***, abgeladen und anschließend mit einem Bagger planiert worden sei, und der dadurch möglichen Verunreinigungen führte die Technische Gewässeraufsicht der Bezirkshauptmannschaft Tulln über Ersuchen der belangten Behörde am 24. August 2017 eine Erhebung durch und führte diese in ihrem Erhebungsbericht vom 4. September 2017 im Wesentlichen aus, dass auf diesen beiden Grundstücken augenscheinlich Straßenkehricht aufgebracht worden sei. Betroffen sei eine Fläche von insgesamt ca. 700 m², was bei vorsichtiger Schätzung der durchschnittlichen Schütthöhe von ca. 10 cm eine Kubatur von ca. 70 m³ Straßenkehricht ergebe. Auf dem Grundstück Nr. *** seien ca. 25 m³ der insgesamt 70 m³ Straßenkehricht und die restlichen ca. 45 m³ auf dem Grundstück Nr. *** abgelagert worden.

Nach augenscheinlicher Beurteilung des angeschütteten Materials könne festgehalten werden, dass diese Anschüttung vor Ort hauptsächlich aus eingekehrtem Streusplitt bestehe. Weitere Bestandteile in dieser Anschüttung hätten zumindest augenscheinlich nur geringfügig vorgefunden werden können.

Vor Ort habe ein stechender Geruch nach Schwefel (faule Eier) wahrgenommen werden können, was auf organische Bestandteile in bzw. unter dieser Anschüttung schließen lasse. Wann diese Anschüttung durchgeführt worden sei, habe vor Ort nicht festgestellt werden können. Auch könne keine definitive Aussage über Herkunft des Materials bzw. Zweck der Anschüttung angegeben werden. Eine Entledigungsabsicht hinsichtlich des auf dieser Fläche angeschütteten Materials könne jedenfalls nicht ausgeschlossen werden.

Als Straßenkehricht verstehe man die bei der Straßenreinigung und die bei der Reinigung größerer Betriebsflächen anfallenden Abfälle. Straßenkehricht im Gesamten bestehe aus Materialien wie Streusplitt, Staub, dem Abrieb der Fahrbahn, durchsetzt mit organischen Anteilen aus Erde, Straßenbegleitgrün, Blättern, Nadeln u. a., weiters aus Schadstoffen aus dem Kfz- und Straßenbereich wie Salze und Streumittel (Auftaumittel), Reifen- und Bremsabrieb, aus Fahrbahnverschleiß und Bodenmarkierungen, in geringem Ausmaß von Schwermetallen aus motorischen Abgasen, aus Rückständen der Tropfverluste von Motoren und von Einzelereignissen (zumeist Unfällen) sowie – zumeist in städtischen Bereichen – von auf Straßen liegen gebliebenen Abfällen bzw. von den Abfällen aus Sammelbehältern an Straßen, in Parkanlagen und von öffentlichen Plätzen.

Eingekehrter Streusplitt (als Teil des Straßenkehrichts) bestehe zum Großteil aus mineralischem, scharfkantig gebrochenem Gestein (Kalk, Dolomit, Diabas, etc. mit 2 bis 8 mm Korngröße). Untergeordnet seien dabei Laub, Gras, Wurzeln und Bodenmaterial aus angrenzenden Feldern. In sehr geringem Umfang würden sich Materialien wie Salze und Auftaumittel, Fahrbahnabrieb, Reifen- und Bremsabrieb finden.

Straßenkehricht besitze laut Abfallverzeichnis, gemäß Österreichischer Abfallverzeichnisverordnung, die Schlüsselnummer 91501. Er werde hier als „nicht gefährlicher Abfall“ geführt.

Ob von der gegenständlichen Anschüttung von Straßenkehricht eine Gefahr der Gewässerverunreinigung ausgehe, könne nicht ausgesagt und nicht ausgeschlossen werden. Um eine Beurteilung hinsichtlich einer etwaigen Gefahr einer Gewässerverunreinigung durchführen zu können, seien/sei:

1.   der Behörde das Datum des Einbaus des gegenständlichen Materials bekannt zu geben,

2. der Behörde die Menge des eingebauten/angeschütteten Materials zu nennen,

3.   der Behörde der Anfalls-, Behandlungs- und der Herkunftsort des gegenständlichen Materials bekannt zu geben,

4. der Behörde der Zweck der Anschüttung mitzuteilen,

5.   eine Untersuchung des gegenständlichen Materials erforderlich, die Parameter seien hier vom zuständigen Amtssachverständigen festzulegen.

Am 3. Oktober 2017 sagte Herr A (im Folgenden: Beschwerdeführer) in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde im Wesentlichen aus, dass das verfahrensgegenständliche Material zur Befestigung des Weges auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, aufgebracht worden sei. Beim Material handle es sich um reines Felsbruchmaterial und werde die Untersuchung dieses Materials von der B Ges.m.b.H. vorgelegt werden. Sollte aufgrund des Untersuchungsergebnisses festgestellt werden, dass das Material auf dem Grundstück Nr. *** belassen werden könne, sei beabsichtigt, das auf dem Grundstück Nr. *** aufgebrachte Material bis Ende November 2017 vollständig zu entfernen. Anschließend werde diese Fläche der natürlichen Sukzession überlassen.

Schließlich wurde festgehalten, dass beabsichtigt sei, einen Entfernungsauftrag für das verfahrensgegenständliche Material zu erlassen, sollte dieses aufgrund des Untersuchungsberichtes nicht den Vorgaben des Bundesabfallwirtschaftsplanes entsprechen.

In der Folge legte die B Ges.m.b.H. der belangten Behörde am 9. Oktober 2017 einen Prüfbericht der C GmbH, staatlich akkreditierte Prüf- und Überwachungsstelle für Baustoffuntersuchungen und Umweltanalytik, für Prüfungen gemäß EN 13043 betreffend den Widerstand gegen Zertrümmerung, Widerstand gegen Sonnenbrand, Widerstand gegen Polieren, Rohdichte und Wasseraufnahme, Widerstand gegen Frost-Tau-Wechsel, Dichte und Hohlraumgehalt von Füller, Haftverhalten vor.

Mit Schreiben vom 12. Oktober 2017 ersuchte die belangte Behörde sodann die Amtssachverständige für Deponietechnik und Gewässerschutz des Amtes der NÖ Landesregierung, Frau D, um Überprüfung und Stellungnahme, ob Maßnahmen im Zusammenhang mit den verfahrensgegenständlichen Ablagerungen zur Wahrung der im Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (im Folgenden: AWG 2002) genannten öffentlichen Interessen vorzuschreiben seien, und führte diese in ihrer Stellungnahme vom 7. November 2017 im Wesentlichen aus, dass die Technische Gewässeraufsicht eine Überprüfung der verfahrensgegenständlichen Ablagerungen vorgenommen und dabei festgestellt habe, dass auf den beiden Grundstücken auf einer Fläche von rund 700 m² mit einer durchschnittlichen Schütthöhe von 10 cm (also rund 70 m³) augenscheinlich Straßenkehricht aufgebracht worden sei, wobei dieser hauptsächlich aus Einkehrsplitt bestehe.

Der Beschwerdeführer habe vor der belangten Behörde angegeben, dass er dieses Material zur Befestigung des Weges auf dem Grundstück Nr. *** aufgebracht habe und dass es sich dabei um reines Felsbruchmaterial handle. Er werde einen Untersuchungsbefund der B Ges.m.b.H. übermitteln. Der vorgelegte Prüfbericht der C GmbH sei nahezu unleserlich, es sei aber offensichtlich eine Prüfung gemäß EN 13043, Widerstand gegen Zertrümmerung, Widerstand gegen Sonnenbrand, Widerstand gegen Polieren, Rohdichte und Wasseraufnahme, Widerstand gegen Frost-Tau-Wechsel, Dichte und Hohlraumgehalt von Füller, Haftverhalten gemacht worden.

Weiters führte sie sodann aus, dass der vom Winterdienst aufgebrachte Streusplitt, nachdem er im Frühjahr wieder eingekehrt worden sei, zu Abfall im Sinne des AWG 2002 werde; zuzuordnen sei er gemäß Österreichischer Abfallverzeichnisverordnung der Schlüsselnummer 91501 Spezifikation 21 (Straßenkehricht; nur Einkehrsplitt als natürliche Gesteinskörnung).

In der Recycling-Baustoffverordnung sei im § 3 (Begriffsbestimmungen) Punkt 7 hiezu ausgeführt, dass Einkehrsplitt ein Kehrgut aus der Straßenbewirtschaftung im Zuge der Frühjahrskehrung von Splittstreustrecken mit mehr als 60 % Splittanteil und weniger als ein Masseprozent an sonstigen Siedlungsabfällen (Littering) sei.

Im § 10 (Qualitätssicherung) sei dann im Punkt 2 angeführt, dass abweichend zum Punkt 1 für den Einsatz von Streusplitt als Recycling-Baustoff nicht unbedingt eine analytische Untersuchung notwendig sei, wenn folgendes Qualitätssicherungssystem eingehalten werde:

a.   der Feinanteil kleiner 2 mm und das Überkorn größer 12 mm sei abgetrennt worden;

b.   vor und während der Behandlung seien keine anderen Abfälle zugemischt worden und

c.   keine Verunreinigungen oder Schadstoffbelastungen des Einkehrsplitts z.B. mit Mineralöl seien bekannt oder offensichtlich.

Diese Punkte seien für jede Charge vom Hersteller des Recycling- Baustoffes zu dokumentieren. Andernfalls sei davon auszugehen, dass es sich um keinen qualitätsgeprüften bzw. aufbereiteten Baustoff handle und die Verwertung somit betreffend Schadstoffbelastung nicht als Produkt möglich sei und eine Untersuchung gemäß Baustoff-Recyclingverordnung jedenfalls durchzuführen sei (siehe Anhang 2 und Anhang 3).

Es sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer den Recycling-Baustoff nicht selbst hergestellt habe, sondern diesen von einem Abfallsammler und -behandler übernommen habe. Es seien deshalb betreffend Qualitätsnachweis des eingesetzten Streusplitts folgende Unterlagen vorzulegen:

?   Angaben des „Abgebers“ bzw. „Abfallsammlers“ betreffend Menge, Herkunftsort und Nachweis der Einhaltung des Qualitätssicherungssystems gemäß § 10 Punkt 2 der Baustoff-Recyclingverordnung.

?   Sollte dieses Qualitätssicherungssystem betreffend Umweltverträglichkeit nicht nachvollziehbar eingehalten worden sein, so sei am bereits eingebauten Streusplitt eine entsprechende Untersuchung zu veranlassen und die Einhaltung der Grenzwerte der Qualitätsklasse U-A gemäß Baustoff-Recyclingverordnung mit einem Prüfbefund zu belegen.

Sollte der Nachweis der vorgeschriebenen Qualität des eingesetzten Streusplitts nicht möglich sein, so sei der Streusplitt vollständig und nachweislich wieder zu entfernen.

Schließlich hielt sie zum Zweck dieser Anschüttung fest, dass sie die Frage der bautechnischen Eignung einer 10 cm starken Wegbefestigung mit Streusplitt nicht beantworten könne.

Mit Schreiben vom 9. November 2017 wurde dem Beschwerdeführer diese Stellungnahme der Amtssachverständigen für Deponietechnik und Gewässerschutz zur Kenntnisnahme übermittelt und ersuchte er mit Schreiben vom 15. November 2017 die belangte Behörde um Erstreckung der Entfernungsfrist, was ihm jedoch nicht gewährt wurde.

In der Folge stellte die Technische Gewässeraufsicht aufgrund einer neuerlichen Erhebung am 5. Dezember 2017 fest, dass bisher keine Ablagerungen entfernt worden seien.

Die belangte Behörde verpflichtete sodann mit Bescheid vom 18. Jänner 2018, Zl. ***, den Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 AWG 2002, den auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, abgelagerten Straßenkehricht in einer Menge von ca. 25 m³ bis spätestens 28. Februar 2018 zu entfernen und einem Befugten zur Entsorgung zu übergeben.

Der Entsorgungsnachweis sei ihr bis längstens 28. Februar 2018 vorzulegen.

Nach Darstellung des verfahrensgegenständlichen Sachverhaltes und der angewendeten Rechtsvorschriften wurde sodann begründend wörtlich lediglich festgehalten:

„Um eine Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen hintanzuhalten, insbesondere damit die Umwelt nicht über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt wird, war der Auftrag zu erteilen, die im Spruch genannten Abfälle zu entfernen und einer ordnungsgemäßen Entsorgung zuzuführen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.“

In der dagegen erhobenen Beschwerde behauptete der Beschwerdeführer im Wesentlichen, dass er Eigentümer des verfahrensgegenständlichen Grundstückes sei und handle es sich dabei um einen Weg. Auf diesem Grundstück sei von der B Ges.m.b.H. im Sommer des Jahres 2017 auf seinem Auftrag hin reiner Basaltsplitt geliefert und aufgebracht worden. Hiebei handle es sich um reines Felsbruchmaterial und sei dieser aufgebrachte Basaltsplitt niemals als Straßenkehricht verwendet worden, sodass dieser niemals auf einer Straße oder auf anderen Verkehrsanlagen aufgebracht und wieder eingekehrt worden sei, weshalb im gegenständlichen Verfahren die Bestimmungen des AWG 2002 und der Recycling-Baustoffverordnung nicht zur Anwendung gelangen würden, zumal es sich bei diesem reinen Basaltsplitt um keinen Abfall handle. Zudem sei auch ein Prüfbericht der C GmbH über das verfahrensgegenständliche Material vorgelegt worden.

Auch habe die belangte Behörde im gesamten angefochtenen Bescheid nicht erwähnt, dass der Geschäftsführer der B Ges.m.b.H., nämlich Herr E, gemeinsam mit ihm persönlich bei der belangten Behörde vorgesprochen und dabei bestätigt habe, dass es sich beim verfahrensgegenständlichen Basaltsplitt um einen reinen Basaltsplitt handle, welcher niemals irgendwo aufgebracht und wieder eingekehrt worden sei. Vielmehr handle es sich um einen übrig gebliebenen Basaltsplitt, welcher aufgrund milder Winter nicht verwendet worden sei.

Der Beschwerdeführer behauptete sodann, dass die belangte Behörde im gesamten Verfahren seine Angaben sowie jene des Herrn E niemals geprüft und sich mit diesen auch nicht auseinandergesetzt habe, weswegen das Ermittlungsverfahren der belangten Behörde daher mangelhaft sei. Die Qualifizierung als Straßenkehricht sei „augenscheinlich“ geschehen und habe niemals eine Untersuchung des aufgebrachten Materials stattgefunden; diese hätte zweifellos ergeben, dass es sich bei diesem Material um keinen bereits eingekehrten Straßenkehricht handle. Aufgrund der Unterlassung der genaueren Untersuchung des aufgebrachten Basaltsplitts habe es die belangte Behörde verabsäumt, den für die Erledigung maßgeblichen Sachverhalt festzustellen, obwohl ihr sein Vorbringen und jenes des Zeugen E bekannt gewesen sei.

Mit Schreiben vom 19. Februar 2018 legte der Beschwerdeführer sodann ein Schreiben des Herrn E vom 16. Februar 2018 vor, in welchem dieser festhielt, dass es sich beim verfahrensgegenständlichen gelieferten Basaltsplitt nicht im Kehricht, sondern um ungebrauchten Streusplitt handle. In der Wintersaison würden von seinem Betrieb mit diesem Basaltsplitt die Bedarfsstellen (Container und Lagerplätze) der Fa. F angeliefert und befüllt. Nach Wintersaisonende werde das nicht verwendete Streugut aus diesen Lagerstellen wieder abgeholt und auf ihrem Lagerplatz in *** gelagert. Dieses nicht verwendete und nicht verunreinigte Material sei an den Beschwerdeführer geliefert worden.

Das Landesverwaltungsgericht hat zu diesem Sachverhalt rechtlich erwogen:

Zu Spruchpunkt 1.:

Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen; andernfalls zufolge § 31 Abs. 1 VwGVG mit Beschluss.

Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.         der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.   die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Nach Abs. 3 dieser Gesetzesstelle hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z. 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

In seinem Verfahren hat das Verwaltungsgericht – soweit sich nicht aus dem VwGVG anderes ergibt – die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, in Verwaltungsstrafsachen jene des VStG mit Ausnahme des 5. Abschnittes des II. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§§ 17, 38 VwGVG).

Gemäß § 73 Abs. 1 AWG 2002 hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen dem Verpflichteten mit Bescheid aufzutragen oder das rechtswidrige Handeln zu untersagen, wenn

1.   Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnungen, nach EG-VerbringungsV oder nach EG-POP-V gesammelt, gelagert, befördert, verbracht oder behandelt werden oder

2.   die schadlose Behandlung der Abfälle zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) geboten ist.

Gemäß § 1 Abs. 3 AWG 2002 ist die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse erforderlich, wenn andernfalls

1.   die Gesundheit der Menschen gefährdet oder unzumutbare Belästigungen bewirkt werden können,

2.   Gefahren für Wasser, Luft, Boden, Tiere oder Pflanzen und deren natürlichen Lebensbedingungen verursacht werden können,

3.   die nachhaltige Nutzung von Wasser oder Boden beeinträchtigt werden kann,

4.   die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann,

5.   Brand- oder Explosionsgefahren herbeigeführt werden können,

6.   Geräusche oder Lärm im übermäßigen Ausmaß verursacht werden können,

7.   das Auftreten oder die Vermehrung von Krankheitserregern begünstigt werden können,

8.   die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört werden kann oder

9.   Orts- und Landschaftsbild sowie Kulturgüter erheblich beeinträchtigt werden können.

Voraussetzung für den verfahrensgegenständlichen Entfernungsauftrag ist sohin das Vorliegen von Abfall bzw. Abfällen. Wie bereits im Sachverhalt dieser Entscheidung dargestellt worden ist, hat der Beschwerdeführer im Jahr 2017 auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück Basaltsplitt aufgebracht.

Während der Beschwerdeführer sowie der Geschäftsführer der diesen Basaltsplitt liefernden Firma B vor der belangten Behörde wiederholt behaupteten und darauf hinwiesen, dass es sich bei diesem Basaltsplitt um ungebrauchten Streusplitt handelt, der nach dem Ende der Wintersaison an den Beschwerdeführer geliefert und auf den beiden Grundstücken aufgebracht wurde, sodass es sich bei diesem Basaltsplitt nicht um Abfall handelt und daher die Bestimmungen des AWG 2002 auf diesen nicht anzuwenden sind, und sie auch einen Prüfbericht der C GmbH vorgelegt haben, ignorierte die belangte Behörde dieses Vorbringen im gegenständlichen Verfahren und vertrat sie die Auffassung, dass der Beschwerdeführer auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück Abfall in Form eines Straßenkehrichts inklusive eingekehrten Streusplitts aufbrachte.

Hiezu ist festzuhalten, dass die belangte Behörde konkrete Untersuchungen des verfahrensgegenständlichen aufgebrachten Materials nicht durchgeführt hat bzw. durchführen hat lassen und darüber auch kein Gutachten eingeholt hat bzw. sich vorlegen hat lassen.

Zu Recht verweist der Beschwerdeführer darauf, dass im gesamten gegenständlichen Verfahren die Qualifizierung des aufgebrachten Materials niemals durch ein Gutachten erfolgt ist, sondern geschah die Qualifizierung des aufgebrachten Materials als Straßenkehricht und somit als Abfall durch die Technische Gewässeraufsicht lediglich „augenscheinlich“, ohne dass diese ihre diesbezügliche „Vermutung“ jemals in einer schlüssigen und nachvollziehbaren Weise verifiziert hat.

Auch die Amtssachverständige des Amtes der NÖ Landesregierung für Deponietechnik und Gewässerschutz hat hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Materials lediglich die diesbezüglichen Ausführungen der Technischen Gewässeraufsicht übernommen, ohne diese zu überprüfen bzw. ohne die Qualifizierung des aufgebrachten Materials vorzunehmen.

Dazu kommt, dass sowohl die Technische Gewässeraufsicht als auch die Amtssachverständige am Ende ihrer jeweiligen Ausführungen die belangte Behörde darauf hingewiesen haben, wie weiter vorzugehen ist, um im gegenständlichen Verfahren brauchbare und verwertbare Ergebnisse betreffend das verfahrensgegenständliche Material zu erzielen. Die von diesen geforderte diesbezügliche Untersuchung des verfahrensgegenständlichen Materials hat die belangte Behörde jedoch ohne Angabe von Gründen völlig unterlassen, sodass sich das erkennende Gericht nicht des Eindrucks erwehren kann, dass sie diese deshalb unterlassen hat, damit diese vom erkennenden Gericht vorgenommen wird.

Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass es die belangte Behörde im gegenständlichen Verfahren somit unterlassen hat, taugliche Maßnahmen zur Qualifizierung des verfahrensgegenständlichen aufgebrachten Materials als Straßenkehricht und somit als Abfall zu setzen, sodass sie in dieser Hinsicht völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt, und wenn, dann bloß ansatzweise ermittelt hat.

Zu Recht verweist der Beschwerdeführer daher darauf, dass es die belangte Behörde aufgrund der fehlenden Untersuchung des aufgebrachten Basaltsplitts verabsäumt hat, den für die Erledigung maßgeblichen Sachverhalt festzustellen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. VwGH vom 26. Juni 2014, Zl. Ro 2014/03/0063, sowie VwGH vom 17. März 2016, Zl. Ra 2015/11/0127) besteht nach den Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes - VwGVG ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht durch das Verwaltungsgericht, sodass dieses grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden hat, wobei diese meritorische Entscheidungsplicht bei einer Ergänzungsbedürftigkeit des Ermittlungsverfahrens nicht schlechthin gilt.

Vielmehr besteht in derartigen Fällen aufgrund der Bestimmungen des Art. 130 Abs. 4 B-VG und § 28 Abs. 2 und 3 VwGVG eine Verpflichtung des Verwaltungsgerichtes zu einer solchen Ergänzung und einer darauf folgenden Sachentscheidung nur dann, wenn dies im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist, also das Verfahren insgesamt schneller oder kostengünstiger zu einem Abschluss gebracht werden kann. Davon kann jedenfalls dann nicht ausgegangen werden, wenn krasse bzw. gravierende Ermittlungslücken – auch nur in Teilbereichen - vorliegen, weil die belangte Behörde jegliche erforderliche zentrale Sachverhaltsermittlungen unterlassen hat, sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat, oder weil sie Ermittlungen unterlassen hat, damit diese durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. u.a. VwGH vom 26. Juni 2014, Zl. Ro 2014/03/0063, sowie VwGH vom 17. März 2016, Zl. Ra 2015/11/0127, sowie VwGH vom 13. März 2019, Zl. Ra 2018/03/0064), sodass in derartigen Fällen eine Verpflichtung des Verwaltungsgerichtes zur Sachentscheidung nicht besteht und es sich auf eine Aufhebung und Zurückverweisung der Sache zurückziehen kann.

Untermauert wird dies durch das – aus ihrem in Art. 130 Abs. 1 B-VG umschriebenen Aufgabenbereich erschließbaren (EBRV 1618 BlgNR 24.GP 12) – Wesen der Verwaltungsgerichte als zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit, nicht jedoch zur Führung der Verwaltung berufene Einrichtungen. Mit diesem ist es nämlich – nicht zuletzt auch unter dem Gesichtspunkt der Gewaltentrennung – unvereinbar, dass es sich beim Verwaltungsgericht um jene Behörde handelt, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt – wenn auch nur in einem Teilaspekt – ermittelt und einer Beurteilung unterzieht (vgl. in diesem Sinn VwGH vom 21. November 2002, Zl. 2002/20/0315). Demgemäß statuiert die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 ein grundsätzlich eingliedriges Administrativverfahren mit nachgeordneter Kontrolle durch das Verwaltungsgericht und schließlich die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, wobei es den Verwaltungsbehörden zukommt, den gesamten für die Entscheidung relevanten Sachverhalt zu ermitteln. Dieses System würde aber völlig unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens – wenn auch nur zu einem wesentlichen Teilaspekt – vor das Verwaltungsgericht käme. Nicht nur, dass dadurch im Ergebnis der gesetzlich intendierte Instanzenzug verkürzt würde, was mit den allgemeinen Grundsätzen eines rechtstaatlichen Verfahrens nicht in Einklang stünde (vgl. u.a. VwGH vom 29. April 2013, Zl. 2010/16/0089 m.w.N.), würde die Einrichtung der verwaltungsbehördlichen Instanz damit zur bloßen Formsache (vgl. u.a. VwGH vom 21. November 2002, Zl. 2002/20/0315, sowie VwGH vom 12. September 2013, Zl. 2013/21/0118).

Wie bereits zuvor dargelegt worden ist, hat die belangte Behörde im gegenständlichen Fall keine sachverständige Beurteilung eines Amtssachverständigen zur Beurteilung des verfahrensgegenständlichen Materials als Abfall erhalten, sodass im gegenständlichen Fall keine brauchbaren, allenfalls in einer Verhandlung zu ergänzende Ermittlungsergebnisse vorliegen, sodass im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung nicht gegeben sind.

Im gegenständlichen Fall kann die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Landesverwaltungsgericht gegenüber der belangten Behörde weder rascher durchgeführt werden noch wäre die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Landesverwaltungsgericht mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden, zumal zu berücksichtigen ist, dass der belangten Behörde im Gegensatz zum erkennenden Gericht entsprechende Amtssachverständige beigegeben sind (z.B. Technische Gewässeraufsicht etc.), auf die sie jederzeit unmittelbar zugreifen kann, sie selbst vor Ort ist und die Gegebenheiten kennt und zudem auch die Möglichkeit besteht, dass diese eventuell – im Gegensatz zum gegenständlichen Gerichtsverfahren - auch andere Gesetze (WRG oder Naturschutzgesetz) zu beachten und gleichzeitig mitbehandeln kann.

Da die belangte Behörde im Rahmen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht (§ 39 Abs. 2 AVG) somit keinerlei geeignete Schritte gesetzt hat, um die fehlenden Beurteilungen vornehmen zu können, steht vor diesem Hintergrund die Aufhebung des Bescheides der belangten Behörde und die Zurückverweisung der Angelegenheit an dieselbe nach Ansicht des erkennenden Gerichts im Einklang mit der zuvor dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Aus diesen Gründen war der Beschwerde daher Folge zu geben, der angefochtene Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Zu Spruchpunkt 2.:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil es vorliegend bloß die Tatsache zu klären galt, ob gegen den Beschwerdeführer der verfahrensgegenständliche Entfernungsauftrag erlassen werden durfte, wobei die Beweiswürdigung auf jenen Grundsätzen aufbaut, wie sie in Lehre und Rechtsprechung anerkannt sind.

Die Entscheidung der Aufhebung und Zurückverweisung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, eine solche Rechtsprechung fehlt auch nicht und wird die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch einheitlich beantwortet.

Darüber hinaus betrifft die durchgeführte rechtliche Beurteilung lediglich den gegenständlichen Fall.

Schlagworte

Umweltrecht; Abfallwirtschaft; Entfernungsauftrag; Verfahrensrecht; Zurückverweisung; Ermittlungspflicht;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.AV.249.001.2018

Zuletzt aktualisiert am

13.05.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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