TE Vwgh Erkenntnis 1999/4/20 97/19/0756

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Veröffentlicht am 20.04.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
ZustG §22;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde der 1967 geborenen KB in Wien, vertreten durch Mag. E, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. Mai 1996, Zl. 118.653/2-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte am 12. April 1994 im Weg über die österreichische Botschaft in Bukarest erstmals die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung.

In diesem Antrag, welcher am 19. April 1994 bei der Aufenthaltsbehörde erster Instanz einlangte, gab sie als derzeitigen Wohnsitz eine näher bezeichnete Adresse in Rumänien an. Der Landeshauptmann von Wien wies den Antrag der Beschwerdeführerin mit einer als Bescheid intendierten Erledigung vom 22. Juni 1995 gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) ab. Die Zustellung dieses Schriftstückes, welches als Anschrift der Beschwerdeführerin diejenige ihres österreichischen Ehegatten aufwies, wurde an dieser (inländischen) Adresse versucht; die Sendung wurde jedoch nicht behoben und nach Ablauf der Hinterlegungsfrist wieder an die Behörde retourniert.

Mit Schriftsatz vom 5. Februar 1996 beantragte die Beschwerdeführerin, nunmehr rechtsfreundlich vertreten, die "neuerliche Zustellung des Bescheides" und brachte vor, ihrem Rechtsfreund sei anläßlich telefonischer Recherchen bekannt geworden, dass ein Bescheid, der ihren Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung abweise, durch Hinterlegung an der Adresse (ihres Ehegatten) im 3. Wiener Gemeindebezirk zugestellt worden sein solle. Diese Hinterlegung sei jedoch rechtsunwirksam, weil sich die Beschwerdeführerin in diesem Zeitraum und bis August 1995 in ihrer Heimat in Rumänien (an der im Antrag näher bezeichneten Adresse) befunden habe. Die Beschwerdeführerin meinte weiters, dieser Bescheid sei ihr daher bis heute nicht rechtsgültig zugestellt worden, weshalb sie den Antrag stelle, diesen zu Handen ihres ausgewiesenen Rechtsfreundes zuzustellen. Unter einem erhob sie gegen den Bescheid Berufung und brachte vor, in ihrem Fall lägen sämtliche Gründe vor, eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 9. Mai 1996 wies der Bundesminister für Inneres die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ab. Die belangte Behörde ging von einem über fünf Jahre andauernden unrechtmäßigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin (mit kurzen Unterbrechungen) im Bundesgebiet sowie davon aus, dass die Beschwerdeführerin ein nicht erlaubtes Beschäftigungsverhältnis eingegangen sei, weshalb der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich die öffentliche Ruhe, näherhin das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen, gefährde.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluss vom 24. September 1996, B 2283/96-3, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die ergänzte Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Wie schon in ihrem Antrag auf Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides vom 5. Februar 1996 bringt die Beschwerdeführerin auch in der Beschwerde vor, die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides sei gesetzwidrigerweise an ihrer ehemaligen österreichischen Adresse durchgeführt worden. Im verfahrensgegenständlichen Antrag hatte die Beschwerdeführerin als derzeitigen Wohnsitz ihre Adresse in Rumänien angegeben und während des Verwaltungsverfahrens darauf hingewiesen, sich bis August 1995 in ihrer Heimat in Rumänien aufgehalten zu haben, weshalb der Ende Juni 1995 erfolgte Zustellvorgang nicht rechtmäßig sei.

Die belangte Behörde hat sich mit der Frage, ob der erstinstanzliche Bescheid der Beschwerdeführerin rechtswirksam zugestellt wurde, nicht erkennbar befaßt, sondern die ebenfalls mit dem Schriftsatz vom 5. Februar 1996 vorgelegte Berufung als rechtzeitig erhoben akzeptiert und mit dem angefochtenen Bescheid darüber abgesprochen. Dass die Behörde erster Instanz (oder die belangte Behörde) dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin eine Ausfertigung des erstinstanzlichen Bescheides zukommen habe lassen, geht weder aus dem Verwaltungsakt, noch aus dem angefochtenen Bescheid oder dem Beschwerdevorbringen hervor. Die belangte Behörde ist vielmehr der Darstellung in der Beschwerde, wonach die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides nicht rechtmäßig erfolgt sei, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht entgegengetreten.

Wird aber - wie hier - bereits im Verwaltungsverfahren die Rechtmäßigkeit der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides ausdrücklich bestritten, so ist die belangte Behörde verpflichtet, den maßgeblichen Sachverhalt amtswegig zu ermitteln und in ihrem Bescheid Feststellungen über jene Tatsachen zu treffen, aus denen sich der rechtliche Schluss ableiten lässt, der erstinstanzliche Bescheid sei durch Zustellung an die Parteien (hier: an die Beschwerdeführerin) erlassen worden. Allein aus dem Umstand der Berufungserhebung kann nicht der Schluss gezogen werden, diese Erledigung sei der Beschwerdeführerin auch zugestellt worden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1996, Zl. 95/19/0899).

Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren Feststellungen darüber zu treffen haben, ob eine Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an die Beschwerdeführerin erfolgte. Bejahendenfalls ist sie berechtigt, eine Sachentscheidung zu fällen. Verneinendenfalls darf die Behörde zweiter Instanz die Berufung eines Berufungswerbers, dem gegenüber der Bescheid erster Instanz nicht erlassen wurde und der daher zur Erhebung einer Berufung nicht legitimiert ist, nicht in sachliche Behandlung nehmen, sondern muss sie als unzulässig zurückweisen.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs.2 Z 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Stempelgebührenersatz für die (neuerliche) Vorlage des bekämpften Bescheides war nicht zuzusprechen, weil diese schon im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof vorgelegt wurde.

Wien, am 20. April 1999

Schlagworte

Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der RechtswirkungenInhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997190756.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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