TE Vfgh Beschluss 1997/3/6 B2359/95, G1288/95, V109/95

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Veröffentlicht am 06.03.1997
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Index

82 Gesundheitsrecht
82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art144 Abs1 / Form der Beschwerde
SuchtgiftberatungsV des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 14.09.81 §2 Z8
VfGG §15 Abs2
SuchtgiftG §22 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung der Individualanträge auf Aufhebung einer Bestimmung des SuchtgiftG über die Verordnungsermächtigung des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz zur Kundmachung der anerkannten Suchtgiftberatungseinrichtungen sowie auf Aufhebung einer Verordnungsbestimmung über die in Vorarlberg anerkannten Einrichtungen mangels Legitimation; Zurückweisung der bedingt erhobenen Beschwerde gegen eine Erledigung des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz als unzulässig mangels eines bestimmten Begehrens

Spruch

I. Die Individualanträge werden zurückgewiesen.

II. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Der Einschreiter betreibt in Bregenz eine Einrichtung und Vereinigung zur Beratung und Betreuung von suchtgiftabhängigen Personen. Am 3. Mai 1990 stellte er einen Antrag auf Anerkennung dieser Einrichtung und Vereinigung gemäß §22 Suchtgiftgesetz (im folgenden: SGG). Der Antrag wurde mit Schreiben der Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz vom 30. Mai 1995 erledigt, welches - abgesehen von der Anrede - wie folgt lautet:

"Im Zusammenhang mit dem von Ihnen gestellten Antrag auf Anerkennung Ihrer psychosozialen Beratungsstelle gemäß §22 SGG sowie der am 08.02.1995 stattgefundenen Visitation teilt das Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz mit, daß aufgrund mangelhafter Unterlagen und nicht ausreichend präziser Angaben eine positive fachliche Stellungnahme zu Ihrer Einrichtung durch das Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz nicht möglich war.

Ihrem Antrag auf Anerkennung Ihrer Beratungsstelle kann daher nicht entsprochen werden. Gleichzeitig wird informiert, daß eine Anerkennung Ihrer Einrichtung seitens des Amts der Vorarlberger Landesregierung nicht befürwortet wurde.

Mit freundlichen Grüßen

30. Mai 1995

Für die Bundesministerin:

..."

2. Mit beim Verfassungsgerichtshof am 26. Juli 1995 eingelangtem Schriftsatz begehrt der Einschreiter, gestützt auf die Art140, 139 und 144 B-VG, die Aufhebung des §22 Abs1 SGG idF BGBl. Nr. 319/1980 sowie des §2 Z8 der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 14. September 1981, BGBl. Nr. 435/1981 idF BGBl. Nr. 211/1993, und erhebt in eventu, d.h. "(f)ür den Fall, daß der angerufene Gerichtshof diesen Individualantrag (gemeint offensichtlich: diese Individualanträge) nicht zulassen sollte, oder ihn (sie) abweisen sollte", Beschwerde gegen die (vom Einschreiter für diesen Fall) als Bescheid gewertete, oben wiedergegebene Erledigung der Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz vom 30. Mai 1995.

3. Die Rechtslage stellt sich wie folgt dar: Gemäß §17 Abs1 SGG hat der Staatsanwalt dann, wenn eine Person ausschließlich deshalb angezeigt wird, weil sie den bestehenden Vorschriften zuwider eine geringe Menge Suchtgift zum eigenen Gebrauch erworben oder besessen hat, unter den in den weiteren Absdes §17 genannten Voraussetzungen und Bedingungen die Anzeige für eine Probezeit von zwei Jahren vorläufig zurückzulegen.

Gemäß §17 Abs5 Z2 SGG hat der Staatsanwalt die vorläufige Zurücklegung der Anzeige davon abhängig zu machen, daß sich der Angezeigte - im Falle, daß er einen gesetzlichen Vertreter hat, mit dessen Zustimmung - bereit erklärt, sich, "soweit es erforderlich oder zweckmäßig ist, durch einen Bewährungshelfer oder eine anerkannte Einrichtung oder Vereinigung (§22) betreuen zu lassen."

Nach §18 Abs3 SGG kann der Staatsanwalt dann, wenn die vorläufige Zurücklegung der Anzeige davon abhängig gemacht ist, daß sich der Angezeigte durch eine anerkannte Einrichtung oder Vereinigung gemäß §22 leg.cit. betreuen läßt, dem Angezeigten auftragen, in bestimmten Zeitabständen eine Bestätigung der Einrichtung oder Vereinigung beizubringen, daß die Betreuung stattgefunden hat.

§22 SGG idF BGBl. Nr. 319/1980 (Abs2 idF BGBl. Nr. 184/1985) - der angefochtene Abs1 ist hervorgehoben - hat folgenden Wortlaut:

"§22. (1) Der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz hat durch Verordnung kundzumachen, welche Einrichtungen und Vereinigungen zur Beratung und Betreuung von Personen im Hinblick auf Suchtgiftmißbrauch anerkannt sind.

(2) Die Tätigkeit der im Abs1 angeführten Einrichtungen und Vereinigungen kann vom Bund gefördert werden. Die Förderung hat durch die Gewährung von Zuschüssen nach Maßgabe der hiefür nach dem jeweiligen Bundesfinanzgesetz verfügbaren Bundesmittel zu erfolgen, wobei die Förderung von Zuschüssen aus Mitteln anderer Gebietskörperschaften abhängig zu machen ist. Sofern Gebietskörperschaften Träger dieser Einrichtungen oder Vereinigungen sind, ist die Förderung durch den Bund an die Voraussetzung mindestens gleich hoher Zuschüsse anderer Gebietskörperschaften gebunden.

(3) Zuschüsse nach Abs2 dürfen physischen und juristischen Personen nur zur Einrichtung und zum Betrieb solcher Stellen der im Abs1 bezeichneten Art gewährt werden, die mit Rücksicht auf die Zahl der Personen, die die dort gebotenen Hilfen in Anspruch nehmen, zweckmäßig und wirtschaftlich erscheinen. Jeder geförderten Einrichtung oder Vereinigung muß ein mit Fragen des Suchtgiftmißbrauches hinreichend vertrauter Arzt zur Verfügung stehen.

(4) ..."

Die Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 14. September 1981 über die Suchtgiftberatung, BGBl. Nr. 435/1981 idF BGBl. Nr. 211/1993, - die angefochtenen, im Anfechtsungszeitpunkt noch in der Stammfassung in Geltung stehenden Bestimmungen sind hervorgehoben - hat folgenden

Wortlaut:

"§1. Zur Beratung und Betreuung von Personen im Hinblick auf

Suchtgiftmißbrauch sind anerkannt:

1. Einrichtungen der Gebietskörperschaften, die zur Beratung und Betreuung von Suchtgiftabhängigen oder Suchtgiftkonsumenten bestimmt sind;

2. für die Beratung und Betreuung von Suchtgiftabhängigen oder Suchtgiftkonsumenten bestimmte Abteilungen oder Anstaltsambulatorien von Krankenanstalten und Krankenanstalten in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums.

§2. Weiters werden nachstehende Einrichtungen oder Vereinigungen anerkannt:

1. im Burgenland:

...

8. in Vorarlberg:

a)

Sozialmedizinischer Dienst der Diözese Feldkirch;

b)

Sektion Drogenberatung des Arbeitskreises für Vorsorge- und Sozialmedizin;

              9.              in Wien:

..."

Mit der Novelle BGBl. Nr. 91/1996 erhielt die Z8 des §2 der genannten Verordnung den folgenden Wortlaut:

"8. in Vorarlberg:

a)

DIE FAEHRE - Hilfe und Beratung für Suchtgiftgefährdete und deren Angehörige;

b)

Sozialmedizinischer Dienst der Diözese Feldkirch;

c)

Verein für Drogentherapie und Forschung;"

4.1. Zur Antragslegitimation wird ausgeführt, daß das Gesetz den Antragsteller unmittelbar in seinen Rechten verletze und ohne Erlassung eines Bescheides - vorsichtshalber werde angenommen, daß das Schreiben vom 30. Mai 1995 keinen Bescheid darstelle - wirksam geworden sei. Die Nachteiligkeit des gesetzlichen Eingriffes bestehe darin, daß die Beratungsstelle des Antragstellers mangels der Anerkennung gemäß §22 Abs1 SGG nicht gemäß §17 Abs5 Z2 und §18 Abs3 leg.cit. tätig werden könne. Außerdem sei diese von den Zuschüssen gemäß §22 Abs2 und 3 SGG ausgeschlossen, obwohl die in §22 Abs3 SGG genannten weiteren Voraussetzungen vorliegen würden. Die Interessen des Antragstellers seien aktuell beeinträchtigt, da er bereits seit mehreren Jahren die Voraussetzungen für die Anerkennung gemäß §22 Abs1 SGG erfülle, welche ihm jedoch zu Unrecht verweigert werde. Ein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des behaupteten rechtswidrigen Eingriffes stehe ihm nicht zur Verfügung, da gegen die Nichterlassung einer Verordnung im österreichischen Rechtssystem kein Rechtsbehelf vorgesehen sei.

Auch hinsichtlich der Z8 des §2 der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 14. September 1981 seien die Voraussetzungen einer Individualanfechtung gegeben; da die Beratungsstelle des Antragstellers nicht in der genannten Verordnungsbestimmung genannt werde, sei er dadurch von den Möglichkeiten der Tätigkeit gemäß den §§17 Abs5 Z2 und 18 Abs3 SGG sowie von den Förderungsmitteln gemäß §22 Abs2 und 3 SGG ausgeschlossen.

4.2. Zur Begründung der Anträge wird vorgebracht, daß die Gesetzesbestimmung des §22 Abs1 SGG gegen Art83 B-VG verstoße, da sie dem Antragsteller in unsachlicher Weise seine Parteistellung nehme. Da diese Vorschrift keine Bescheiderlassung vorsehe, werde das Verwaltungshandeln in rechtsstaatswidriger Weise von der verfassungsgerichtlichen Kontrolle ausgenommen. Bei der Anerkennung einzelner Einrichtungen und Vereinigungen zur Beratung und Betreuung von Personen im Hinblick auf Suchtgiftmißbrauch handle es sich eindeutig um einen (durch Erlassung eines Bescheides vorzunehmenden) Akt der Vollziehung, da sich diese Anerkennung an eine bestimmte Person oder an einen abgegrenzten Personenkreis richte.

Außerdem verstoße §22 Abs1 SGG gegen Art18 B-VG, da er keinerlei Vorgaben enthalte, nach welchen inhaltlichen Kriterien Einrichtungen und Vereinigungen gemäß §22 Abs1 SGG anzuerkennen seien.

Die Verordnung sei schließlich deshalb gesetzwidrig, weil bei richtiger Gesetzesauslegung einerseits die Beratungsstelle des Antragstellers nach §22 Abs1 SGG anzuerkennen sei; andererseits sei die Einrichtung des Antragstellers in willkürlicher Weise bislang nicht anerkannt worden, obwohl alle sachlichen Voraussetzungen von seiten des Antragstellers gegeben seien.

Die in eventu eingebrachte Beschwerde gemäß Art144 B-VG wird damit begründet, daß in der Erledigung des Bundesministers für Gesundheit und Konsumentenschutz vom 30. Mai 1995 materiell ein Bescheid liege. Bei seiner Erlassung habe die belangte Behörde einerseits Willkür geübt und andererseits mit §22 Abs1 SGG eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet.

5. Die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz als belangte Behörde im Beschwerdeverfahren hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie den Ausführungen des Einschreiters entgegentritt, die Abweisung der Beschwerde und den Zuspruch von Kosten begehrt.

6. Die Individualanträge sind unzulässig.

6.1. Gemäß den Art140 und 139 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen bzw. die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit (Gesetzwidrigkeit) in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz (die Verordnung) ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 und 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß das Gesetz (die Verordnung) in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall seiner Verfassungswidrigkeit (ihrer Gesetzwidrigkeit) - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 letzter Satz (Art139 Abs1 letzter Satz) B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 10353/1985, 11730/1988).

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß die generelle Norm selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Norm selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 11726/1988, 13912/1994).

6.2. Die bekämpfte Vorschrift des §22 Abs1 SGG enthält nur eine Ermächtigung an den Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz, durch Verordnung kundzumachen, welche Einrichtungen und Vereinigungen zur Beratung und Betreuung von Personen im Hinblick auf Suchtgiftmißbrauch anerkannt sind. Da diese Vorschrift ausschließlich eine Verordnungsermächtigung enthält, ist es ausgeschlossen, daß sie in die Rechtssphäre einer Person unmittelbar eingreift. Ein solcher Eingriff könnte erst durch eine auf sie gestützte Verordnung bewirkt werden

(VfSlg. 8829/1980, 8978/1980, 11730/1988). Es fehlt dem Antragsteller daher hinsichtlich des §22 Abs1 SGG an der Antragslegitimation.

6.3. Auch hinsichtlich der bekämpften Vorschrift des §2 Z8 der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 14. September 1981, mit welcher in Vorarlberg zwei Einrichtungen anerkannt werden, ermangelt es dem Antragsteller an der Antragslegitimation: Schafft nämlich die Vorschrift des §22 Abs1 SGG keine Rechtssphäre des Antragstellers, dann könnte durch die bekämpfte Verordnungsbestimmung gar nicht in diese eingegriffen werden. Liegt aber eine vom §22 Abs1 SGG geschaffene Rechtssphäre vor, dann ist diese Bestimmung verfassungskonform dahin zu interpretieren, daß der zuständige Bundesminister dann, wenn er keine Anerkennung vornehmen möchte, über einen Antrag auf Anerkennung, wenn auch negativ, bescheidmäßig abzusprechen hat (vgl. VfSlg. 11931/1988), womit dem Antragsteller ein zumutbarer Umweg eröffnet wäre, um seine Bedenken im Rahmen einer Bescheidbeschwerde an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Da sich der Antrag allein schon deshalb als unzulässig erweist, erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, ob durch die Neufassung der Z8 des §2 der bekämpften Verordnung mit der Novelle BGBl. Nr. 91/1996 ein weiterer Zurückweisungsgrund (vgl. zB VfSlg. 9868/1983, 12413/1990 und 12877/1991) entstanden ist.

6.4. Die Individualanträge waren somit zurückzuweisen.

7. Auch die Beschwerde ist unzulässig. Sie ist nämlich bloß bedingt erhoben worden (arg.: "Für den Fall, daß ...") und soll nur für den Fall in Erscheinung treten, daß der Verfassungsgerichtshof im Normenprüfungsverfahren zu einer bestimmten Rechtsauffassung kommen sollte. Einer bedingten Beschwerde dieser Art fehlt jedoch ein "bestimmtes Begehren" iSd §15 Abs2 VerfGG 1953 (vgl. VfSlg. 10196/1984 und VfSlg. 12722/1991), weshalb sie sich als unzulässig erweist.

Sie war daher zurückzuweisen.

8. Diese Beschlüsse konnten gemäß §19 Abs3 Z2 litc und e VerfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

Gesundheitswesen, Suchtgift, VfGH / Individualantrag, VfGH / Formerfordernisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B2359.1995

Dokumentnummer

JFT_10029694_95B02359_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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