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21/01 Handelsrecht;Norm
ASVG §67 Abs10;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des F in G, vertreten durch Dr. Richard Stengg, Rechtsanwalt in 7400 Oberwart, Wiener Straße 2/2/11, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 7. November 1996, Zl. VIII/1-N-462/3-1996, betreffend Haftung für Beitragsschuldigkeiten gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: Burgenländische Gebietskrankenkasse, Esterhazyplatz 3, 7001 Eisenstadt), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde - in Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse - festgestellt, dass der Beschwerdeführer als persönlich haftender Gesellschafter der Elektro M. KG gemäß § 67 Abs. 10 i.V.m. § 83 ASVG für die rückständigen Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von S 168.818,69 zuzüglich Verzugszinsen und Gebühren bis zur Konkurseröffnung (25. Juni 1995) von S 662,94 sowie zuzüglich der ab Konkurseröffnung laufenden Verzugszinsen in Höhe von S 10,5 % per anno berechnet aus S 168.818,69 zu entrichten habe.
Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei persönlich haftender Gesellschafter der Firma Elektro M. KG, seit 1. Jänner 1982 vertrete er die Gesellschaft selbständig. Ab April 1995 habe die Gesellschaft die Beitragsverbindlichkeiten an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse nicht vollständig entrichtet. Die Konkurseröffnung über das Vermögen der Kommanditgesellschaft sei am 26. Juni 1995 erfolgt. Mit Beschluss des Landesgerichtes E. vom 29. Dezember 1995 sei der Zwangsausgleich gemäß § 152 Abs. 1 KO bestätigt worden. Die Konkursgläubiger erhielten auf ihre Forderungen eine 20 %ige Quote, sodass 80 % als bei der Primärschuldnerin uneinbringlich zu qualifizieren seien.
Vor Konkurseröffnung seien einerseits die Beiträge für die Monate April und Mai 1995 von S 61.528,95 bzw. S 75.774,70, andererseits die Beiträge für die Beitragsmonate Dezember 1992 von S 13.826,02, Dezember 1993 von S 32.681,88 und für Dezember 1994 von S 27.211,80, fällig gewesen. Von diesen Beiträgen seien 80 % uneinbringlich.
Die Haftung eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Personengesellschaft nach § 67 Abs. 10 ASVG sei ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Vertreter nur dann und deshalb treffe, wenn und weil er seine gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehende gesetzliche Verpflichtung zur rechtzeitigen und ordnungsgemäßen Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen aus dem von ihm verwalteten Gesellschaftsvermögen (aus Gesellschaftsmitteln) schuldhaft (zumindest mit leichter Fahrlässigkeit) verletzt hat und die Beiträge infolge einer solchen schuldhaften Pflichtverletzung nicht eingebracht werden können. Eine solche Pflichtverletzung könne darin liegen, dass der Vertreter die Beitragsschulden ohne rechtliche Grundlage insoweit schlechter behandle als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bediene, jene aber unberichtigt lasse. Gegen die Verpflichtung zur Gleichbehandlung der Beitragsverbindlichkeiten mit anderen Schulden verstoße der Vertreter auch dann, wenn die Mittel, die ihm bei oder nach Fälligkeit der in Haftung gezogenen Sozialversicherungsbeiträge für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden seien, hiezu nicht ausreichten, er aber (zumindest fahrlässig) diese Mittel auch nicht anteilig für die Behandlung aller Verbindlichkeiten verwendet und dadurch die Beitragsschulden im Verhältnis zu anderen Verbindlichkeiten schlechter behandelt habe. Seine im Zusammenhang mit der Beitragsentrichtung bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen verletze der Vertreter auch dann, wenn er entgegen den Bestimmungen der §§ 60 i.V.m. § 114 ASVG einbehaltene Beiträge (Dienstnehmeranteile) nicht der Sozialversicherung abführe, weil dieser Bestimmung ein Gebot der Abfuhr tatsächlich einbehaltener Dienstnehmeranteile zugrundeliege. Wenn ein infolge einer solchen schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters nicht entrichteter Beitrag in der Folge uneinbringlich werde, so spreche die Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit durch die Pflichtverletzung und damit für den erforderlichen Rechtswidrigkeitszusammenhang. Nach Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Gesellschaft könne eine Haftung des Beschwerdeführers für Beiträge, die nach diesem Zeitpunkt fällig geworden seien, nicht eintreten. Der Beschwerdeführer könne daher nur für die nicht entrichteten Beiträge in den Monaten April und Mai 1995 sowie die nachverrechneten Beiträge für die Monate Dezember 1992, 1993 und 1994 im Rahmen der Uneinbringlichkeit herangezogen werden.
Zum Einwand des Beschwerdeführers, dass nach Bestätigung des Zwangsausgleiches eine Haftung erloschen wäre, werde bemerkt, dass von der Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG eine allfällige sonstige im Zivilrechtsweg geltend zu machende Haftung zu unterscheiden sei, die den persönlich haftenden Gesellschafter einer Personengesellschaft z.B. deshalb treffen könne, weil er durch eine Verzögerung der Antragstellung auf Konkurseröffnung im Sinne des § 69 KO, also durch die Verletzung eines Schutzgesetzes im Sinne des § 1311 ABGB, die Gläubiger (Sozialversicherungsträger) durch das Entstehen zusätzlicher Verbindlichkeiten geschädigt habe. Die Haftung oder fehlende Haftung in einem der beiden Haftungsbereiche müsse nicht notwendig jene im jeweils anderen ein- oder ausschließen. Die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG sei daher von einer allfälligen zivilrechtlichen Haftung zu trennen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben. Der Beschwerdeführer meint, in einem Konkursverfahren mit anschließendem Zwangsausgleich sei die rechtliche Beurteilung des § 67 Abs. 10 ASVG in einem anderen Licht zu sehen. Wie in § 156 Abs. 1 KO ausgeführt werde, werde durch den rechtskräftig bestätigten Ausgleich der Gemeinschuldner von der Verbindlichkeit befreit, seinen Gläubigern den Ausfall, den sie erleiden, nachträglich zu ersetzen oder für die sonst gewährte Begünstigung nachträglich aufzukommen, gleichviel, ob sie am Konkursverfahren oder an der Abstimmung über den Ausgleich teilgenommen oder gegen den Ausgleich gestimmt hätten oder ob ihnen ein Stimmrecht überhaupt nicht gewährt worden sei. Der rechtskräftig bestätigte Ausgleich führe zu einem teilweisen Erlöschen der Verbindlichkeit, der Schuldner brauche seinen Gläubigern den Ausfall, den sie erleiden, nachträglich nicht zu ersetzen. Durch § 164 Abs. 2 KO würden die Rechtswirkungen des Ausgleiches gegenüber den Gesellschaftsgläubigern, soweit im Ausgleich nichts anderes bestimmt sei, auf Gesellschafter erstreckt. Aus § 67 Abs. 10 ASVG ergebe sich nicht, dass der Komplementär des Privilegs des § 164 Abs. 2 KO verlustig gehe. Wenn seine Haftung zu bejahen sei, hätte der angefochtene Bescheid die Beträge in Dienstnehmer- und Dienstgeberanteile aufschlüsseln müssen. Es sei nicht einzusehen, warum Dienstgeberanteile gegenüber sonstigen Abgaben privilegiert sein sollten und davon eine Befreiung des Komplementärs gemäß § 164 Abs. 2 KO nicht eintreten sollte.
Die belangte Behörde legte den Verwaltungsakt vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Auffassung des Beschwerdeführers, die Bereinigungswirkung des Zwangsausgleiches komme ihm zugute, kann nicht gefolgt werden. Nach den die Wirkung eines Ausgleichs- bzw. Zwangsausgleichs regelnden Bestimmungen der §§ 48 AO und 151 KO können die Rechte der (Konkurs)Gläubiger gegen Bürgen oder Mitschuldner des (Gemein)schuldners sowie gegen Rückgriffsverpflichtete ohne ausdrückliche Zustimmung der Berechtigten durch den (Zwangs-)Ausgleich nicht beschränkt werden. Davon enthalten die §§ 73 Abs. 2 und 74 AO bzw. 164 Abs. 2 und 164a KO Ausnahmen hinsichtlich der persönlich haftenden Gesellschafter (bzw. gewesenen Gesellschafter) von Handelsgesellschaften. Im Beschwerdefall ist die auch in der Beschwerde relevierte Bestimmung des § 164 Abs. 2 KO einschlägig. Durch diese Vorschrift wird die Haftung des Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft abweichend von sonstigen Mitschuldnern der Gesellschaftsschuld (§ 18 AO) durch Erfüllung des Zwangsausgleiches der Gesellschaft überhaupt aufgehoben. Die Rechtswirkungen des Gesellschaftsausgleiches kommen, wenn darin nichts anderes bestimmt ist, einem jeden Gesellschafter gegenüber den Gesellschaftsgläubigern zu statten. Das bedeutet, dass zunächst der von einem Insolvenzverfahren über sein Privatvermögen nicht betroffene persönlich haftende Gesellschafter die Rechtswirkungen des Gesellschafts-(Zwangs-)Ausgleiches für sich in Anspruch nehmen kann. Wird die Forderung des Gesellschaftsgläubigers durch rechtzeitige Erfüllung der Ausgleichsverbindlichkeit getilgt, bleibt dem Gesellschaftsgläubiger keine Möglichkeit, auf § 128 HGB zurückzugreifen und für seinen Forderungsausfall den Gesellschafter heranzuziehen. § 164 Abs. 2 KO nimmt somit den Gläubigern der Kommanditgesellschaft die Möglichkeit, für ihren Forderungsausfall auf die Haftung des Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft gemäß § 128 HGB zu greifen. § 164 Abs. 2 KO erstreckt somit die Bereinigungswirkung des Zwangsausgleiches bzw. des Ausgleiches nur auf die Haftung des lediglich auf die Funktion als Gesellschafter abstellenden § 128 HGB. Davon zu unterscheiden ist jedoch die rein schadenersatzrechtliche Deliktshaftung eines Geschäftsführers, um die es der Sache nach in § 67 Abs. 10 ASVG geht. Die belangte Behörde hat daher auch ihren Haftungsbescheid zutreffend nicht auf § 128 HGB gestützt, sondern auf § 67 Abs. 10 ASVG. Das Vorliegen der im angefochtenen Bescheid zutreffend dargestellten Voraussetzungen dieser Bestimmung wird in der Beschwerde nicht bestritten. Demnach haftet der Beschwerdeführer nicht bloß aufgrund seiner Stellung als Gesellschafter einer Personengesellschaft, sondern weil er als Vertreter einer solchen seine gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehende gesetzliche Verpflichtung zur rechtzeitigen und ordnungsgemäßen Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen aus dem von ihm verwalteten Gesellschaftsvermögen schuldhaft verletzt hat. Den nach § 67 Abs. 10 ASVG Haftungspflichtigen kommt - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinen Erkenntnissen vom 21. Mai 1996, Zl. 95/08/0290, und vom 22. Dezember 1998, Zl. 94/08/0249, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgesprochen hat - die Bereinigungswirkung des Zwangsausgleiches der Primärschuldnerin nicht zugute.
Auch im Unterbleiben der Aufschlüsselung des Haftungsbetrages in Dienstnehmer- und Dienstgeberanteile liegt keine Rechtswidrigkeit. Die in § 67 Abs. 10 ASVG genannten Vertreter haften nämlich nicht nur für die Dienstnehmeranteile, sondern auch für die Dienstgeberanteile, wie die belangte Behörde zutreffend dargestellt hat.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das auf den Ersatz von Schriftsatzaufwand gerichtete Kostenbegehren der nicht durch einen Rechtsanwalt vertretenen mitbeteiligten Partei war abzuweisen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1998, Zl. 94/17/0385). Wien, am 4. Mai 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1996080385.X00Im RIS seit
08.02.2001