Index
66/01 Allgemeines SozialversicherungsgesetzNorm
B-VG Art140 Abs1 Z1 litcLeitsatz
Zurückweisung des Individualantrags einer Gebietskrankenkasse auf Aufhebung von Bestimmungen des ASVG betreffend die "Ausgabenbremse" für Sozialversicherungsträger infolge zwischenzeitiger Änderung der angefochtenen BestimmungenSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Antrag
Gestützt auf Art140 Abs1 Z1 litc B-VG, begehrt die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, "der Verfassungsgerichtshof möge […] folgende Teile von §716 ASVG idF BGBI I 2018/59 […]:
[…] 1. in §716 Abs2 ASVG:
a) die Wortfolge 'diesem Bundesgesetz,' im 1. Satz, in eventu
b) die Buchstabenfolge '- und Bau' im 1. Satz, in eventu
c) §716 Abs2 ASVG zur Gänze;
[…] 2. betreffend §716 Abs3 ASVG:
a) in §716 Abs3 Z1 ASVG die Wortfolge 'und des höheren', in eventu
b) §716 Abs3 Z1 ASVG zur Gänze, in eventu
c) §716 Abs3 Z1 ASVG zur Gänze und in §716 Abs4 ASVG die Wortfolge 'leitenden Angestellten oder', in eventu
d) §716 Abs3 ASVG zur Gänze, in eventu
e) §716 Abs3 und 4 ASVG zur Gänze;
[…] 3. §716 Abs5 ASVG zur Gänze;
[…] 4. §716 Abs6 ASVG zur Gänze;
[…] 5. in §716 Abs7 ASVG:
a) in Satz 2 die Wortfolge 'und sonstigen Vereinbarungen' sowie Satz 3 zur Gänze, in eventu
b) §716 Abs7 ASVG zur Gänze"
als verfassungswidrig aufheben.
II. Rechtslage
1. Art10 Z2 BGBl I 59/2018 hat dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl 189/1955, folgenden §716 samt Überschrift angefügt (die mit den jeweiligen Hauptanträgen angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"Schlussbestimmungen zu Art10 des Bundesgesetzes BGBl I Nr 59/2018
§716. (1) Die Abs2 bis 7 sowie die §§86 Abs3 Z1 und 106 Abs1 letzter Satz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 59/2018 treten mit Ablauf des Tages ihrer Kundmachung in Kraft.
(2) Bis zum Ablauf des Jahres 2019 sind Beschlüsse der Versicherungsträger nach diesem Bundesgesetz, dem GSVG, dem BSVG, dem B-KUVG und dem NVG sowie des Hauptverbandes in Liegenschafts- und Bauangelegenheiten nur dann zulässig, wenn sie die laufende Instandhaltung und Instandsetzung betreffen. Nicht davon betroffen sind Maßnahmen der Neuorganisation der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, die zur Hebung von Synergien und Strukturbereinigungsmaßnahmen notwendig sind. Dies gilt auch nicht für Beschlüsse, die zur Abwendung eines drohenden Schadens für den Versicherungsträger oder den Hauptverband unbedingt erforderlich sind.
(3) Bis zum Ablauf des Jahres 2019 dürfen die im Abs2 genannten Versicherungsträger und der Hauptverband
1. Leiter/innen des gehobenen und des höheren Dienstes sowie Angestellte des bereichsleitenden und des leitenden Dienstes nach der DO. A, soweit diese im Verwaltungsdienst tätig sind, und
2. Ärzte und Ärztinnen, die nach §37 Z1 und 2 DO. B eingereiht sind,
nur befristet (wieder)bestellen, und zwar längstens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2019.
(4) Fällt der Beendigungszeitpunkt einer befristeten Bestellung eines/einer leitenden Angestellten oder leitenden Arztes/leitenden Ärztin sowie von deren ständigen Stellvertretern/Stellvertreterinnen eines der im Abs2 genannten Versicherungsträger oder des Hauptverbandes in die Zeit vom 1. Juli 2018 bis zum 31. Dezember 2019, so verlängert sich diese befristete Bestellung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2019.
(5) Bis zum Ablauf des Jahres 2019 sind bei den im Abs2 genannten Versicherungsträgern und beim Hauptverband keine Personalaufnahmen im Verwaltungsbereich zulässig. Nachbesetzungen von Personalabgängen im Verwaltungsbereich können jedoch erfolgen, wenn diese von dem zum 1. Jänner 2018 gültigen Dienstpostenplan gedeckt sind.
(6) Höherreihungen außerhalb der am 30. Juni 2018 gültigen Dienstpostenpläne sind bis zum Ablauf des Jahres 2019 unzulässig.
(7) Für die nach §342 abzuschließenden Gesamtverträge oder bei Änderungen von Gesamtverträgen ist bis zum Ablauf des 31. Dezember 2019 der nachhaltig ausgeglichenen Gebarung gegenüber den im §342 Abs2a sonst angeführten Zielsetzungen der Vorrang zu geben. Dies gilt auch für alle anderen Gesamtverträge und sonstigen Vereinbarungen mit Anbieter/inne/n von Gesundheitsdienstleistungen. Honorarabschlüsse, durch die das Honorarvolumen (einschließlich Frequenzentwicklung) stärker ansteigt als die prognostizierte Beitragseinnahmenentwicklung des jeweiligen Trägers, sind unzulässig. Kommt im Falle eines befristeten Ablaufes kein neuer Gesamtvertrag zustande, so bleibt der bisherige Gesamtvertrag bis zum Ablauf des 31. Dezember 2019 aufrecht.
(8) Rückwirkend mit 1. Jänner 2014 treten die §§143a Abs1, 255b, 273b und 280b in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 59/2018 in Kraft."
2. Mit Art1 Z191, 192 und 193 des Sozialversicherungs-Organisationsgesetzes (SV-OG), BGBl I 100/2018, kundgemacht am 22. Dezember 2018, werden mit Wirkung vom 1. April 2019 die Absätze 2, 3, 5 und 6 in §716 ASVG aufgehoben und §716 Abs7 leg. cit. dahingehend abgeändert, dass er künftig wie folgt lautet:
"(7) Kommt im Falle des Erlöschens eines befristet abgeschlossenen Gesamtvertrages nach §342 oder eines anderen Gesamtvertrages oder einer sonstigen Vereinbarung mit Anbieter/inne/n von Gesundheitsdienstleistungen kein neuer Gesamtvertrag zustande, so bleibt der bisherige Gesamtvertrag bis zum Ablauf des 31. Dezember 2019 aufrecht."
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Die antragstellende Gebietskrankenkasse legt die Zulässigkeit ihrer Anträge sowie ihre Bedenken wie folgt dar (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"1. Allgemeines
1.1 Zu den angefochtenen Regelungen allgemein
(2) Die mit dem vorliegenden Antrag angefochtenen Teile von §716 ASVG gehen wie bereits oben erwähnt auf die Novelle BGBI I 2018/59 zum ASVG zurück.
(3) Durch sie (und andere, im vorliegenden Antrag mangels unmittelbarer Betroffenheit nicht angefochtene Teile des §716 ASVG) wurde die sog 'Ausgabenbremse' in der Sozialversicherung eingeführt. Diese beruht auf einem Abänderungsantrag in der 36. Sitzung des NR in der 26. Gesetzgebungsperiode zur RV des Erwachsenenschutz-AnpassungsG (191 BIgNR 26. GP). Durch diesen Abänderungsantrag (AA-39 26. GP) wurde die ursprünglich geplante Übergangsbestimmung des §716 ASVG insofern erweitert, als in den Abs2 bis 7 gewisse Verwaltungsmaßnahmen der Sozialversicherungsträger und des Hauptverbandes bis 31.12.2019 verboten wurden (die spätere Hinzufügung eines weiteren Abs8 durch den Abänderungsantrag AA-40 26. GP ist im vorliegenden Kontext ohne Relevanz).
(4) Der im vorliegenden Fall relevante Abänderungsantrag AA-39 26. GP betreffend die Einfügung von §716 Abs2 bis 7 ASVG wird dabei wie folgt begründet:
'Vor dem Hintergrund der im Regierungsprogramm vorgesehenen und im Ministerratsvortrag vorn 23. Mai 2018 präzisierten umfassenden Neuordnung der Sozialversicherungsorganisation sollen die Versicherungsträger und der Hauptverband angehalten werden, streng nach den Grundsätzen einer einnahmenorientierten Ausgabenpolitik vorzugehen, um den Fusionierungsprozess nicht zu konterkarieren.'
(5) Im Ministerratsvortrag vom 23.5.2018, auf den der Abänderungsantrag Bezug nimmt, war das Ziel erklärt worden, die sich aus der Struktur der derzeit bestehenden 21 Sozialversicherungsträger ergebenden hohen Verwaltungskosten zu senken und dazu die Anzahl der Sozialversicherungsträger auf vier, maximal fünf zu senken (BKA-351.000/0030-MRD/2018, BMöDS-11220/0012-1/A/5/2018; BMASGK-21117/0001-11/A/1/2018).
1.2 Zur Antragstellerin
(6) Die Antragstellerin ist gemäß §23 Abs1 Z1 ASVG Trägerin der Krankenversicherung nach dem ASVG, wobei sich ihr örtlicher Wirkungsbereich gemäß §23 Abs2 ASVG auf das Bundesland Niederösterreich und ihr sachlicher Wirkungsbereich gemäß §26 ASVG auf jene Versicherten bezieht, für die nicht ein anderer Krankenversicherungsträger zuständig ist. Derzeit verfügt die Antragstellerin über rund 1,227 Mio Anspruchsberechtigte (davon 936.000 Versicherte)
[…]
(7) Die Sozialversicherung nach dem ASVG ist entsprechend den Prinzipien der nicht territorialen Selbstverwaltung iSd Art120a ff B-VG organisiert (zB VfSlg 11.013, 16.585; Eberhard, Nichtterritoriale Selbstverwaltung [2014] 64f; dementsprechend handelt es sich bei der Antragstellerin um einen Selbstverwaltungskörper.
(8) Der Aufgabenbereich der Antragstellerin ergibt sich insb aus den §§116 bis 168 ASVG betreffend die Leistungen der Krankenversicherung sowie aus dem 6. Teil des ASVG betreffend die Regelungen über die Beziehungen zu den Vertragspartnern (Sicherstellung der Sachleistungsversorgung).
(9) Gemäß §434 Abs1 ASVG bedarf der vorliegende Individualantrag eines Vorstandsbeschlusses. Dieser wurde in der Vorstandssitzung der Antragstellerin vom 19.9.2018 gefasst.
[…]
2. Zum Aufbau des vorliegenden Individualantrags
(10) Der vorliegende Individualantrag richtet sich gegen mehrere Teile des §716 ASVG. Da schon die Frage der Antragslegitimation im Hinblick auf jeden einzelnen Teil des §716 ASVG gesondert zu prüfen ist, ist der vorliegende Antrag so aufgebaut, dass die einzelnen angefochtenen Teile nacheinander abgehandelt werden, wobei jedoch dort, wo dies zur Vermeidung von Wiederholungen zweckmäßig ist, auf Ausführungen weiter vorne verwiesen wird.
3.1 Antragslegitimation
3.1.1 Unmittelbare Betroffenheit
(11) Ein Antrag auf Gesetzesprüfung nach Art140 Abs1 Z1 litc B-VG ist nur zulässig, wenn der Antragsteller unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.
(12) Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt:
(13) §716 Abs2 ASVG idF der Novelle BGBI I 2018/59 ist gemäß §716 Abs1 ASVG mit Ablauf des Tages seiner Kundmachung im BGBI in Kraft getreten. Dies war, da die Kundmachung am 14.8.2018 erfolgt ist, sohin mit Ablauf des 14.8.2018.
(14) §716 Abs2 ASVG lautet wie folgt:
'Bis zum Ablauf des Jahres 2019 sind Beschlüsse der Versicherungsträger nach diesem Bundesgesetz, dem GSVG, dem BSVG, dem B-KUVG und dem NVG sowie des Hauptverbandes in Liegenschafts- und Bauangelegenheiten nur dann zulässig, wenn sie die laufende Instandhaltung und Instandsetzung betreffen. Nicht davon betroffen sind Maßnahmen der Neuorganisation der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, die zur Hebung von Synergien und Strukturbereinigungsmaßnahmen notwendig sind. Dies gilt auch nicht für Beschlüsse, die zur Abwendung eines drohenden Schadens für den Versicherungsträger oder den Hauptverband unbedingt erforderlich sind.'
(15) Die Antragstellerin ist, wie oben in Rz 6 ausgeführt, Trägerin der Krankenversicherung iSd ASVG und damit einer der in §716 Abs2 ASVG angeführten 'Versicherungsträger nach diesem Bundesgesetz'. Sie ist sohin Normadressat der Bestimmung.
(16) Durch §716 Abs2 ASVG wird der Antragstellerin bis Ende 2019, dh bis 31.12.2019, die Fassung von Beschlüssen in Liegenschafts- und Bauangelegenheiten grundsätzlich verboten. Vom Verbot ausgenommen sind bloß Beschlüsse, die die laufende Instandhaltung und Instandsetzung betreffen, sowie Beschlüsse, die zur Abwendung eines drohenden Schadens unbedingt erforderlich sind (§716 Abs2 2. Satz ASVG ist auf die Antragstellerin hingegen nicht anwendbar, da Normadressat nur die AUVA ist).
(17) Die Antragstellerin ist durch das Verbot des §716 Abs2 ASVG nicht bloß theoretisch, sondern aktuell betroffen, weil die Bestimmung die Antragstellerin derzeit an einer konkreten Beschlussfassung in Liegenschafts- und Bauangelegenheiten hindert, nämlich am Beschluss betreffend die Sanierung und Adaptierung ihrer Außenstelle Neunkirchen ('Servicecenter Neunkirchen').
(18) Beim Servicecenter Neunkirchen handelt es sich um eine Außenstelle der Antragstellerin iSd §418 Abs1 ASVG, demzufolge die Verwaltung der Versicherungsträger durch Hauptstellen, Landesstellen und Außenstellen zu führen ist. Nach §418 Abs4 ASVG können die Versicherungsträger Außenstellen führen, soweit eine im Verhältnis zu den Versicherten und den Dienstgebern örtlich nahe Verwaltung zweckmäßig ist. Die Zweckmäßigkeit des Servicecenters Neunkirchen erklärt sich daraus, dass der politische Bezirk Neunkirchen ca 86.000 Einwohner hat und dass es zahlreichen Leistungsempfängern die Erreichbarkeit eines Servicecenters innerhalb von 30 Minuten ermöglicht (andernfalls müssten zahlreiche Leistungsempfänger zum zweitnächstgelegenen Servicecenter eine Anfahrtszeit von weit über 30 Minuten auf sich nehmen, was deshalb von großer Bedeutung ist, weil der politische Bezirk Neunkirchen mit einem Anteil der über 60-jährigen von 27,3 % einen Wert aufweist, der über dem Nö-Durchschnitt von 25,5 % liegt). Im Jahr 2017 wies das Servicecenter mehr als 38.000 persönliche Kundenkontakte auf, insb zu den Themen Krankengeld, Wahl(zahn)arztrechnungen, chefärztliche Bewilligungen, Kinderbetreuungsgeld und Case-Management (individuelle, qualifizierte Beratungsgespräche). Nur der Vollständigkeit halber sei zudem darauf hingewiesen, dass aufgrund der hohen Nachfrage in der Region in den Räumlichkeiten des Servicecenters Neunkirchen auch dreimal wöchentlich ein Sprechtag der Pensionsversicherungsanstalt stattfindet und dass im Servicecenter laufend Präventionsprogramme ('Schlank mit der NÖGKK', 'ambulante Raucherentwöhnung', 'Rücken-Fit') durchgeführt sowie Präventionsvorträge und Workshops abgehalten werden.
(19) Hintergrund der geplanten Sanierung und Adaptierung des Servicecenters Neunkirchen ist, dass auf Grund des Alters des Gebäudes eine Fülle an baulichen und wärme- sowie brandschutztechnischen Mängeln vorliegt (zB Risse und Schäden im Mauerwerk, Sprünge in den Wandfliesen, keine Brandabschnitte, altes Wärmedämmverbundsystem, Fenster- und Türkonstruktionen nicht Stand der Technik, fehlende Be- und Entlüftungsmöglichkeiten, usw); außerdem können derzeit die organisatorischen Anforderungen an ein modernes Kundencenter durch die räumlichen Gegebenheiten nicht optimal gelöst werden.
(20) Die Sanierung und Adaptierung des Servicecenters geht dabei über die laufende Instandhaltung und Instandsetzung klar hinaus: Auszugehen ist nämlich davon, dass die Terminologie in §716 Abs2 ASVG an die Weisungen für die Rechnungslegung und Rechnungsführung bei den Sozialversicherungsträgern und dem Hauptverband – Rechnungsvorschriften RV ('RechnVorschrSV')anknüpft. Dies folgt daraus, dass in §716 Abs2 ASVG wie in den RechnVorschrSV von 'laufender' Instandhaltung und Instandsetzung die Rede ist. Dementsprechend ist für den vorliegenden Fall die Abgrenzung zwischen laufender Instandhaltung und Instandsetzung einerseits und Herstellung andererseits nach den Abs4 und 8 des mit 'Erläuterungen zum Kontenrahmen' übertitelten §22 RechnVorschrSV wie folgt vorzunehmen:
? §22 Abs4: 'In den Fällen von Zu-, Um- bzw Ausbauten und sonstigen Investitionen ist aktivierungspflichtiger Herstellungsaufwand anzunehmen, wenn mindestens eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:
1. Ein Vermögensgegenstand wird in seiner Substanz vermehrt. Unter Vermehrung der Substanz ist nicht nur eine Vergrößerung der Kubatur, sondern auch eine qualitative Verbesserung zu verstehen.
2. Die Gebrauchs- oder Verwertungsmöglichkeit eines Wirtschaftsgutes wird verändert.
3. Die Lebensdauer des Vermögensgegenstandes wird verlängert.
Aufwendungen im Zusammenhang mit einem umfangreichen Herstellungsaufwand sind zur Gänze als Herstellungsaufwand anzusehen, auch wenn einzelne Ausgaben für sich betrachtet zum Erhaltungsaufwand zählen.'
? §22 Abs8: 'Zum Erhaltungsaufwand (erfolgswirksam) gehören ausschließlich die Aufwendungen für die laufende Instandhaltung und Instandsetzung (Nachholung zurückgestellter Instandhaltungsarbeiten), durch die ein Gebäude in einem ordnungsgemäßen Zustand erhalten wird. Diese Aufwendungen werden im allgemeinen durch die gewöhnliche Benützung des Gebäudes veranlasst.'
[…]
(21) Die Anknüpfung von §716 Abs2 ASVG an die Terminologie der RechnVorschrSV hat zur Folge, dass die Sanierung und Adaptierung des Servicecenters Neunkirchen keine laufende Instandhaltung und Instandsetzung iSd §716 Abs2 ASVG darstellt. Die für die Beseitigung der oben in Rz 19 beschriebenen Mängel erforderlichen Maßnahmen sind vielmehr deshalb als eine über eine laufende Instandhaltung bzw Instandsetzung hinausgehende Herstellung zu qualifizieren, weil durch sie zweifellos eine qualitative Verbesserung iSd §22 Abs4 Z1 RechnVorschrSV erfolgt, durch sie aber auch die Gebrauchsmöglichkeit des Gebäudes iSd §22 Abs4 Z2 RechnVorschrSV verändert wird und schließlich dessen Lebensdauer iSd §22 Abs4 Z3 RechnVorschrSV verlängert wird.
(22) Auch handelt es sich bei der Sanierung und Adaptierung des Servicecenters Neunkirchen nicht um eine Maßnahme, die iSd §716 Abs2 letzter Satz ASVG zur Abwendung eines drohenden Schadens für die Antragstellerin unbedingt erforderlich ist: Dies ergibt sich schon daraus, dass laut ursprünglicher Beschlussvorlage für die Vorstandssitzung vom 16.8.2018 die unaufschiebbaren Reparaturarbeiten bereits in den letzten Jahren stattgefunden haben.
(23) Die Beschlussvorlage für betreffend die Sanierung und Adaptierung des Servicecenters Neunkirchen war von der Antragstellerin bereits vor Inkrafttreten des §716 ASVG mit Ablauf des 14.8.2018 aufbereitet worden und sollte in der Vorstandssitzung der Antragstellerin vom 16.8.2018 beschlossen werden. Im Hinblick auf das Inkrafttreten von §716 ASVG mit Ablauf des 14.8.2018 musste dieser Tagesordnungspunkt jedoch wieder von der Tagesordnung dieser Vorstandssitzung abgesetzt werden.
[…]
(24) Die Organe der Antragstellerin werden sohin durch den §716 Abs2 ASVG daran gehindert, einen bereits zuvor geplanten Beschluss in einer konkreten Liegenschafts- und Bauangelegenheit zu fassen, nämlich betreffend die Sanierung und Adaptierung des Servicecenters Neunkirchen. Darin liegt ein unmittelbarer und aktueller Eingriff in die Rechtssphäre der Antragstellerin: Die Antragstellerin wird durch §716 Abs2 ASVG daran gehindert, im Rahmen ihres Rechts auf Selbstverwaltung unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben autonom in Liegenschafts- und Bauangelegenheiten zu entscheiden. Dadurch wird auch in ihr Recht auf Führung von Außenstellen nach §418 Abs4 ASVG eingegriffen, welches, da dieses Recht Ausfluss der Selbstverwaltung der Antragstellerin ist, auch das Recht inkludiert, solche Außenstellen entsprechend zu adaptieren und zu sanieren.
(25) Die Unmittelbarkeit des Eingriffs in die Rechtssphäre der Antragstellerin ergibt sich daraus, dass §716 Abs2 ASVG in den von ihm erfassten Fällen bereits die Beschlussfassung in Liegenschafts-und Bauangelegenheiten als solche verbietet Die Antragstellerin hat dieses Verbot sohin ex lege zu befolgen, ohne dass es dazu einer Effektuierung durch einen anderen behördlichen oder gerichtlichen Rechtsakt, etwa einen aufsichtsbehördlichen Bescheid, bedarf.
3.1.2 Keine Umwegzumutbarkeit
(26) Auch steht der Antragstellerin kein anderer zumutbarer Weg als der vorliegende Individualantrag zur Verfügung, um die Verfassungswidrigkeit des §716 Abs2 ASVG geltend zu machen.
(27) Zu erwägen wäre zwar, dass die Antragstellerin im Zusammenhang mit der Sanierung und Adaptierung des Servicecenters Neunkirchen einen gesetzwidrigen Beschluss fasst und ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §716 Abs2 ASVG über ein aufsichtsbehördliches Verfahren mit anschließender Beschwerde an das BVwG und folgender Erkenntnisbeschwerde gemäß Art144 Abs1 B-VG an den VfGH heranträgt. Im Lichte des Erk VfSlg 18.257/2007 stellt diese Vorgangsweise jedoch aus mehreren Gründen keinen zumutbaren Umweg dar:
(28) Bei der Sanierung und Adaptierung des Servicecenters Neunkirchen handelt es sich weder um die Errichtung oder Erweiterung von Gebäuden noch um einen Umbau, mit dem eine Änderung des Verwendungszwecks verbunden wäre, soll doch die bisherige Widmung als Servicecenter samt Zahnambulatorium erhalten bleiben. Somit ist für einen entsprechenden Beschluss des Verwaltungskörpers der Antragstellerin insoweit keine aufsichtsbehördliche Genehmigung nach §447 Abs1 ASVG erforderlich. Die Antragstellerin hat insoweit nicht die Möglichkeit, selbst ein aufsichtsbehördliches Verfahren einzuleiten. Ein aufsichtsbehördliches Verfahren könnte sohin nur von Amts wegen dadurch eingeleitet werden, dass der Vertreter der BMASGK nach §448 Abs4 ASVG gegen den betreffenden Beschluss Einspruch erhebt, sodass der Vorsitzende des Verwaltungskörpers die Entscheidung der Aufsichtsbehörde einzuholen hat. Ein solcher Einspruch kann durch die Antragstellerin jedoch nicht erzwungen werden. Wie der VfGH im Erk VfSlg 18.257/2007 zu einer ähnlichen Konstruktion eines Aufsichtsrechts nach dem damaligen §195 Abs3 ÄrzteG 1998 entschieden hat, wird dadurch aber nicht sichergestellt, dass die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit an den VfGH herangetragen werden kann.
(29) Dazu kommt, dass die wissentliche Fassung eines rechtswidrigen Beschlusses durch den Verwaltungskörper der Antragstellerin die realistische Gefahr birgt, dass die dem Beschluss zustimmenden Mitglieder des Verwaltungskörpers durch Vernachlässigung ihrer Pflichten nach §424 ASVG zivilrechtlich haftbar sind und darüber hinaus den Tatbestand des Amtsmissbrauchs iSd §302 StGB verwirklichen (zur Anwendbarkeit dieses Tatbestands auf Handlungen der Organe von Selbstverwaltungskörpern siehe nur Jerabek/Reindl-Krauskopf/Ropper/Schroll in Höpfel/Ratz [Hrsg], WK2 StGB §74 Rz 7 [Stand 1.1.2017, rdb.at]; Bertel in Höpfel/Ratz [Hrsg], WK2 StGB §302 Rz 2 [Stand 1.5.2010, rdb.at]). Laut VfSlg 18.257/2007 ist es aber Organen von Selbstverwaltungskörpern unter Umständen drohender strafrechtlicher Sanktionen nicht zumutbar, sich rechtswidrig zu verhalten, nur um einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erwirken, mit dem alleinigen Ziel, die behauptete Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Verpflichtung geltend zu machen.
(30) Schließlich wäre die Fassung eines gesetzwidrigen Beschlusses, um auf diese Art und Weise ein aufsichtsbehördliches Verfahren zu provozieren, auch deshalb nicht zumutbar, weil die Aufsichtsbehörde dies zum Anlass für eine schriftliche Verwarnung des Verwaltungskörpers iSd §451 Abs1 ASVG nehmen könnte. Hierdurch setzt sich die Antragstellerin dem Risiko aus, dass dies letztlich in die vorübergehende Bestellung eines vorläufigen Verwalters mündet. Nach §451 Abs1 ASVG ist nämlich die Aufsichtsbehörde berechtigt, die Verwaltungskörper, wenn sie ungeachtet zweimaliger schriftlicher Verwarnung gesetzliche oder satzungsmäßige Bestimmungen außer acht lassen, aufzulösen und die vorläufige Geschäftsführung und Vertretung vorübergehend einem vorläufigen Verwalter zu übertragen. Die Gefahr der Bestellung eines solchen Verwalters ist nicht zuletzt deshalb realistisch, weil die Antragstellerin vor derselben Problematik auch im Zusammenhang mit den übrigen hier angefochtenen Teilen des §716 ASVG steht. Würde die Antragstellerin zu jeder der hier angefochtenen Bestimmungen — es sind immerhin vier – einen rechtswidrigen Beschluss fassen, so würde sie mehr als genug Gründe für die Bestellung eines vorläufigen Verwalters setzen.
3.2 Darlegung der Bedenken im Einzelnen
3.2.1 Verstoß gegen die verfassungsrechtlichen Prinzipien der Selbstverwaltung
3.2.1.1 Zum Prinzip der Selbstverwaltung
(31) Wie bereits oben in Rz 7 ausgeführt, ist die Sozialversicherung nach dem ASVG entsprechend den Prinzipien der nicht territorialen Selbstverwaltung iSd Art120a ff B-VG organisiert und handelt es sich bei der Antragstellerin um einen Selbstverwaltungskörper. Bei den Art120a ff B-VG, welche auf die B-VGN BGBl I 2008/2 zurückgehen, handelt es sich im Wesentlichen um eine Klarstellung dessen, was im Lichte der zuvor ergangenen Rsp des VfGH für die nichtterritoriale Selbstverwaltung bereits zuvor gegolten hat (Stolzlechner in Kneihs/Lienbacher [Hrsg], Rill-Schäffer-Kommentar, Vorbem zu B. Sonstige Selbstverwaltung [6. Lfg 2010] Rz 12; Eberhard, Nichtterritoriale Selbstverwaltung [2014] 42).
(32) Zwar ist es iZm der nicht territorialen Selbstverwaltung grundsätzlich dem Gesetzgeber überlassen, ob er einen Selbstverwaltungskörper einrichtet oder nicht (VfSlg 19.919/2014). Richtet der Gesetzgeber allerdings — wie im Fall der Antragstellerin — einen solchen Selbstverwaltungskörper ein, so ist er dabei an die verfassungsrechtlichen Vorgaben der Art120a ff B-VG gebunden.
(33) Die wesentlichen Eckpunkte dieser Strukturprinzipien sind:
(34) Der von den Selbstverwaltungskörpern in (relativer) Autonomie zu besorgende eigene Wirkungsbereich: Dieser ergibt sich bereits aus Art120a Abs1 B-VG, wonach Personen 'zur selbständigen Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben, die in ihrem ausschließlichen oder überwiegenden gemeinsamen Interesse gelegen und geeignet sind, durch sie gemeinsam besorgt zu werden', durch Gesetz zu Selbstverwaltungskörpern zusammengefasst werden können. Noch deutlicher ist freilich Art120b Abs1 1. Satz B-VG, der den Selbstverwaltungskörpern das Recht einräumt, ihre Aufgaben 'in eigener Verantwortung frei von Weisungen' zu besorgen und im Rahmen der Gesetze Satzungen zu erlassen. Der in Art120b Abs2 und 3 B-VG angesprochene übertragene Wirkungsbereich ist für Selbstverwaltungskörper dagegen nicht konstitutiv, da es sich hierbei um Aufgaben handelt, die bloß zusätzlich eingeräumt werden können.
(35) Die staatliche Aufsicht über den eigenen Wirkungsbereich der Selbstverwaltungskörper: Dabei handelt es sich im Regelfall um eine Rechtsaufsicht, eine Zweckmäßigkeitsaufsicht ist nur unter besonderen Voraussetzungen vorgesehen. Dies folgt aus Art120b Abs1 2. Satz B-VG, wonach dem Bund oder dem Land gegenüber den Selbstverwaltungskörpern nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsführung ein Aufsichtsrecht zukommt. Eine Zweckmäßigkeitsaufsicht ist nach Art120b Abs1 3. Satz B-VG, wonach sich das Aufsichtsrecht auch auf die Zweckmäßigkeit der Verwaltungsführung erstrecken kann, wenn dies auf Grund der Aufgaben des Selbstverwaltungskörpers erforderlich ist, hingegen nur ausnahmsweise dann vorgesehen und bedarf der zusätzlichen Rechtfertigung im Lichte der besonderen Aufgaben des Selbstverwaltungskörpers. Diesen Ausnahmecharakter der Zweckmäßigkeitsaufsicht betont auch der AB zur B-VGN BGBI I 2008/2, 370 BIgNR 23. GP, 5, wo es dazu heißt:
'Das Aufsichtsrecht ist zur Wahrung der Eigenverantwortlichkeit der Selbstverwaltungskörper und der ihnen zukommenden autonomen Handlungsspielräume auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsführung eingeschränkt, doch kann in Sonderfällen in Abhängigkeit von der Art der wahrzunehmenden Aufgaben (vgl §449 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl Nr 189/1955, in der Fassung des 2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes 2003, BGBl I Nr 145) — soweit erforderlich — auch eine Zweckmäßigkeitskontrolle vorgesehen werden.'
(36) Anhand dieser Aussagen im AB zur B-VGN BGBI I 2008/2, welche die 'Eigenverantwortlichkeit' und die 'autonomen Handlungsspielräume' der Selbstverwaltungskörper hervorheben, wird deutlich, dass die Aufsicht über nicht territoriale Selbstverwaltungskörper ihrem Anspruch nach 'die Existenz von Autonomie' voraussetzt (so auch schon Eberhard, Nichtterritoriale Selbstverwaltung [2014] 387). In diese Autonomie soll nur bei Rechtsverstößen und nur in Sonderfällen auch aus Gründen der Zweckmäßigkeit eingegriffen werden dürfen.
(37) Was speziell die Zweckmäßigkeitsaufsicht anlangt, so ist zudem zweierlei wesentlich:
? Zum einen, dass eine solche nach Art120b Abs1 3. Satz B-VG nur vorgesehen werden darf, wenn dies auf Grund der Aufgaben des Selbstverwaltungskörpers 'erforderlich' ist; an das Kriterium der Erforderlichkeit ist dabei, wie die Rsp des VfGH zu anderen diesen Begriff verwendenden Bestimmungen wie Art14 Abs2 und Art15 Abs9 B-VG zeigt, ein strenger Maßstab anzulegen.
? Zum anderen gibt der AB zur B-VGN BGBl I 2008/2 selbst Hinweise, was als erforderliche und mit dem Prinzip der nicht territorialen Selbstverwaltung zu vereinbarende, mit Art120b Abs1 B-VG im Einklang stehende Zweckmäßigkeitskontrolle angesehen werden kann, indem der AB auf §449 ASVG verweist: Dort wird die Zweckmäßigkeitsaufsicht in §449 Abs1 Satz 2 ASVG dahingehend geregelt, dass die Aufsichtsbehörden ihre Aufsicht zwar auf Fragen der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit erstrecken können; sie sollen sich aber in diesen Fällen auf wichtige Fragen beschränken und in das Eigenleben und die Selbstverantwortung der Versicherungsträger (des Hauptverbandes) nicht unnötig eingreifen.
(38) Aus den vorstehenden Vorgaben ergibt sich somit, dass eine Zweckmäßigkeitsaufsicht, wenn überhaupt, so nur sehr zurückhaltend zum Einsatz kommen darf: Die Zweckmäßigkeitsaufsicht muss auf wichtige Fragen beschränkt sein und darf nicht unnötig in das Eigenleben der Selbstverwaltung eingreifen. Der VwGH nimmt in diesem Sinne an, dass den Organen der Selbstverwaltung bei der Beurteilung der Zweckmäßigkeit der beabsichtigten Maßnahmen und Vorhaben eine Einschätzungsprärogative zukommt, der die Aufsichtsbehörde — abgesehen von der ihr in erster Linie obliegenden Rechtmäßigkeitsaufsicht — nur dann mit Erfolg entgegenzutreten vermag, wenn sie eine grobe Verfehlung der von der Selbstverwaltung nach dem Gesetz grundsätzlich eigenverantwortlich zu berücksichtigenden Zielvorgaben darzulegen vermag (VwGH 18.12.2003, 2003/08/0134; siehe dazu auch Hauer, Aufsicht und Kontrolle, in ÖVG [Hrsg], Selbstverwaltung in Österreich [2009] 75 [86]).
(39) Die verfassungsrechtliche Vorgabe, wonach auch eine Zweckmäßigkeitsaufsicht die Eigenverantwortlichkeit des Selbstverwaltungskörpers zu wahren hat und nur zulässig ist, soweit sie erforderlich ist, beinhaltet aber auch das verfassungsrechtliche Verbot, die Autonomie der Verwaltungsführung im eigenen Wirkungsbereich durch zu enge gesetzliche Vorgaben für die zweckmäßige Verwaltungsführung zu determinieren. Dies folgt aus der Überlegung, dass andernfalls der Gesetzgeber die strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Zweckmäßigkeitskontrolle leicht unterlaufen könnte. Dies gilt insb dann, wenn der Gesetzgeber die Verwaltungsführung von Selbstverwaltungskörpern durch Verbote oder Gebote determiniert, die sich auf Zweckmäßigkeits-erwägungen gründen, weil auf diese Weise Kriterien der Zweckmäßigkeit als solche der Rechtmäßigkeit 'getarnt' werden; einzelne Teile des §716 ASVG sind, wie noch näher dargelegt werden wird, ein Paradebeispiel dafür.
(40) Auch verstößt es nach Ansicht der Antragstellerin gegen die verfassungsrechtliche Vorgabe, wonach die Zweckmäßigkeitsaufsicht auf Sonderfälle und das Erforderliche beschränkt sein muss und die autonomen Handlungsspielräume der Selbstverwaltungskörper zu wahren hat, wenn der einfache Gesetzgeber gewisse Maßnahmen im eigenen Wirkungsbereich generell verbietet oder gebietet, ohne dabei im Einzelfall eine Prüfung anhand des strengen Maßstabs der Erforderlichkeit des Eingriffs in die Autonomie der Selbstverwaltung zu ermöglichen.
3.2.1.2 Konkret zu den Bedenken gegen §716 Abs2 ASVG
(41) Im Lichte der in Unterkapitel 3.2.1.1 herausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Kriterien ist §716 Abs2 ASVG deshalb verfassungswidrig, weil er die Antragstellerin in ihrem Recht, die in ihren eigenen Wirkungsbereich fallenden Angelegenheiten entsprechend den Vorgaben der Art120a ff B-VG zu besorgen, unzulässig einschränkt. Die in §716 Abs2 ASVG normierten Beschränkungen der Verwaltungsführung in Liegenschafts- und Bauangelegenheiten betreffen wesentliche Elemente der Selbstverwaltung im eigenen Wirkungsbereich der Antragstellerin, was sich schon allein daraus ergibt, dass zahlreiche Aufgaben der Antragstellerin die Verfügung über Liegenschaften und Bauten erfordern; zu erwähnen sind hier insb der Betrieb von Haupt- und Außenstellen iSd §418 ASVG sowie der Betrieb der in den §§131, 132a, 132b, 135 und 338 ASVG angesprochenen eigenen Einrichtungen einschließlich der in §339 ASVG genannten Ambulatorien. Seine Bestätigung findet dies auch in §447 Abs1 ASVG, der gewisse Liegenschafts- und Baumaßnahmen einem aufsichtsbehördlichen Genehmigungsvorbehalt unterwirft.
(42) Indem §716 Abs2 ASVG, vom in Satz 2 geregelten, hier nicht relevanten Sonderfall betreffend die AUVA abgesehen, Beschlüsse der Verwaltungskörper in Liegenschafts- und Bauangelegenheiten nur gestattet, soweit diese die laufende Instandhaltung oder Instandsetzung betreffen oder zur Abwendung eines drohenden Schadens unbedingt erforderlich sind, macht der Gesetzgeber die Zulässigkeit von Liegenschafts- und Baumaßnahmen in einem größeren Ausmaß von Zweckmäßigkeitsüberlegungen abhängig als verfassungsrechtlich zulässig und erforderlich ist. Hierdurch werden nämlich alle nicht in §716 Abs2 ASVG ausdrücklich erwähnten Baumaßnahmen generell als unzweckmäßig deklariert, ohne dass insoweit eine Einzelfallprüfung durch die Aufsichtsbehörde ermöglicht wird.
(43) Eine derartige Regelung kann selbst vor dem Hintergrund des Ziels des §716 ASVG, wonach die von der BReg geplante Neuordnung der Sozialversicherung durch Reduktion der Träger und daraus angeblich resultierende Kosteneinsparungen nicht durch Beschlüsse der Verwaltungskörper der aktuellen Träger konterkariert werden soll, nicht als erforderlich angesehen werden: Nicht jeder Beschluss in einer Liegenschafts- und Bauangelegenheit, der über die laufende Instandsetzung oder Instandhaltung hinausgeht oder zur Abwehr eines drohenden Schadens unbedingt erforderlich ist, ist nämlich schon allein aus diesem Grund mit der geplanten Reform inkompatibel und daher unzweckmäßig. Dies beweist schon allein der 2. Satz des §716 Abs2 ASVG, wonach Maßnahmen der Neuorganisation der AUVA betreffend Liegenschafts- und Bauangelegenheiten unabhängig von der Art der Maßnahme sehr wohl zulässig sind, sofern sie nur zur Hebung von Synergien und Strukturbereinigungsmaßnahmen notwendig sind. Mit anderen Worten: Durch den Gesetzgeber der ASVG-Novelle BGBl I 2018/59 selbst wird sohin im Kontext der AUVA anerkannt, dass in gewissen Fällen über die laufende Instandsetzung oder Instandhaltung hinausgehende Liegenschafts- oder Baumaßnahmen die geplante Reform nicht konterkarieren.
(44) Ist es nun aber so, dass nicht jeder Beschluss in einer Liegenschafts- und Bauangelegenheit, der über die laufende Instandsetzung oder Instandhaltung hinausgeht, die Ziele der geplanten Reform der Sozialversicherung konterkariert, so erweist es sich auch nicht als erforderlich, derartige Beschlüsse generell zu verbieten. Dies gilt umso mehr, da §449 Abs1 ASVG bereits zuvor geltender Rechtslage eine Zweckmäßigkeitsaufsicht in wichtigen Fragen vorgesehen hat, welche auch die Aufhebung von Beschlüssen der Verwaltungskörper ermöglicht; eine geplante Neuorganisation der Sozialversicherungsträger im Sinne eines mit zu berücksichtigenden Aspektes wird man dabei wohl als eine 'wichtige Frage' anzusehen haben.
(45) Dazu kommt, dass zahlreiche Vorstandsbeschlüsse der Sozialversicherungsträger in Liegenschafts- und Bauangelegenheiten schon auf Grund der bisher geltenden Rechtslage einem komplexen Genehmigungsverfahren unterliegen, in welchem die Zweckmäßigkeit geprüft wird: So bedürfen solche Beschlüsse des Vorstands nach §437 Abs1 Z2 ASVG der Zustimmung der Kontrollversammlung. Ebenso erforderlich ist nach §31 Abs7 Z1 ASVG die Zustimmung des Hauptverbands, der dabei den Bedarf zu prüfen hat und die Zustimmung nur bei gegebenem Bedarf erteilen darf. Für gewisse Beschlüsse in Liegenschafts- und Bauangelegenheiten ist schließlich nach §447 Abs1 ASVG die Genehmigung des zuständigen Bundesministers erforderlich.
(46) Ein gelinderes Mittel gegenüber dem generellen und undifferenzierten Verbot der Beschlussfassung in Liegenschafts- und Bauangelegenheiten nach §716 Abs2 ASVG, das die Autonomie und Einschätzungsprärogative der Selbstverwaltung respektiert, hätte vor diesem Hintergrund darin bestanden, das bisherige Genehmigungsinstrumentarium in Liegenschafts- und Bauangelegenheiten um einen speziell auf die geplante Reform zugeschnittenen Tatbestand zu ergänzen. Dem verfassungsrechtlichen Gebot, die Zweckmäßigkeitsaufsicht auf das Erforderliche zu beschränken, hätte sohin dadurch entsprochen werden müssen, dass als weiteres Genehmigungskriterium festgelegt wird, ob die geplante Liegenschafts- bzw Baumaßnahme die Ziele der Reform konterkariert. Dies wäre schon möglich gewesen: Wie die in Rz 4 zitierte Begründung der Regelung im Abänderungsantrag AA-39 26. GP und deren Bezugnahme auf den Ministerratsvortrag vom 23.5.2018 zeigt, waren diese Ziele im Zeitpunkt der Erlassung des §716 ASVG nämlich bereits derart konkret, dass hieraus ein gesetzlich festgelegter Maßstab für einen aufsichtsbehördlichen Genehmigungsvorbehalt ableitbar gewesen wäre. Die Antragstellerin wird daher durch die gegenständliche Regelung in ihrem Recht, die in ihren eigenen Wirkungsbereich fallenden Angelegenheiten entsprechend den Vorgaben der Art120a ff B-VG zu besorgen, verletzt.
3.2.2 Verstoß gegen das Eigentumsgrundrecht
(47) Unabhängig von den in Kapitel 3.2.1 aufgezeigten Bedenken im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Prinzipien der Selbstverwaltung wird die Antragstellerin dadurch, dass ihr durch §716 Abs2 ASVG die Sanierung und Adaptierung ihres Servicecenters Neunkirchen verboten wird, auch in ihrem Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art5 StGG, Art1. 1. ZPMRK) verletzt (zum Schutz juristischer Personen des öffentlichen Rechts durch dieses Grundrecht vgl nur VfSlg 17.232/2004). Konkret stellt das Verbot eine Eigentumsbeschränkung dar; diese ist im Lichte der stRsp des VfGH nur zulässig, wenn sie im öffentlichen Interesse gelegen und nicht unverhältnismäßig und nicht unsachlich ist (zuletzt etwa VfGH 14.3.2018, G248/2017ua).
(48) Es mögen zwar Gründe dafür ins Treffen geführt werden können, dass das mit der 'Ausgabenbremse' iSd §716 ASVG verfolgte Ziel, die Ausgaben der Sozialversicherungsträger einzudämmen, im öffentlichen Interesse gelegen ist; das sich aus §716 Abs2 ASVG ergebende, kategorische Verbot von Liegenschafts- und Baumaßnahmen, die über die laufende Instandhaltung und Instandsetzung hinausgehen, ist aber weder verhältnismäßig noch sachlich. Ganz im Gegenteil stellt sich die Regelung des §716 Abs2 ASVG, ungeachtet ihrer Befristung bis Ende 2019, als überschießend und unsachlich dar, weil durch sie ohne Prüfung im Einzelfall auch Maßnahmen verboten werden, die in keinster Weise die von der BReg geplante Reform der Sozialversicherungsträger konterkarieren. Eine dem Sachlichkeits- und Verhältnismäßigkeitsgebot entsprechende Regelung hätte vielmehr auch unter dem Gesichtspunkt der Eigentumsgarantie darin bestehen müssen, dass ein auf die Ziele der geplanten Reform zugeschnittener Genehmigungsvorbehalt für die betreffenden Maßnahmen geschaffen wird, was, wie schon in Rz 46 ausgeführt, möglich gewesen wäre.
3.3 Zuordnung der Bedenken zu den Anträgen
(49) Nach der Rsp des VfGH ist iZm Anträgen iSd Art140 Abs1 B-VG darauf zu achten, dass einerseits alle belastenden Rechtswirkungen durch ihre Aufhebung auch wirklich entfallen (zB VfSlg 14.526/1996) und andererseits der verbliebene Rest keinen völlig veränderten Inhalt hat (zB VfSlg 15.031/1997). Zudem ist die Aufhebung aller Bestimmungen, die miteinander in einem untrennbaren Zusammenhang stehen, zu beantragen (zB VfSlg 16.121/2001).
(50) Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass diesen Kriterien durch den Antrag entsprochen wird, in §716 Abs2 ASVG die Wortfolge 'diesem Bundesgesetz,' im 1. Satz aufzuheben, sodass dieser Antrag als Hauptantrag gestellt wird. Da die Antragstellerin Träger der Krankenversicherung nach dem ASVG ist (siehe dazu bereits oben Rz 6), ergibt sich der Eingriff in ihre Rechtssphäre durch die verfassungswidrige Regelung des §716 Abs2 ASVG nach Ansicht der Antragstellerin daraus, dass §716 Abs2 ASVG auch 'Versicherungsträger nach diesem Bundesgesetz', sohin Versicherungsträger nach dem ASVG, in seinen Anwendungsbereich miteinbezieht; der verfassungswidrige Eingriff in die Rechtssphäre der Antragstellerin kann sohin bereits durch Aufhebung der vorbezeichneten Wortfolge beseitigt werden (vgl dazu die stRsp des VfGH, etwa zu Systemnutzungsentgelt-VO, insb VfSlg 19.840/2013).
(51) Gegen die Aufhebung der Wortfolge 'diesem Bundesgesetz,' in §716 Abs2 ASVG könnte allerdings sprechen, dass eine Aufhebung dieser Wortfolge insoweit auch auf den Anwendungsbereich der Abs3 bis 5 des §716 ASVG durchschlägt, weil diese als Normadressat jeweils insb die in Abs2 genannten Versicherungsträger vorsehen. Solcherart könnten die Abs3 bis 5 des §716 ASVG durch die Aufhebung der Wortfolge 'diesem Bundesgesetz,' einen völlig veränderten Inhalt bekommen, weil eine Aufhebung der Wortfolge 'diesem Bundesgesetz' in §716 Abs2 ASVG die Versicherungsträger iSd ASVG automatisch auch dem Anwendungsbereich der Abs3 bis 5 des §716 ASVG entziehen würde. Daher wird als erster Eventualantrag (zu b)) die Aufhebung der die Buchstabenfolge '- und Bau' im 1. Satz des §716 Abs2 ASVG beantragt; dies vor dem Hintergrund dessen, dass es im vorliegenden Fall, wie sich aus den Ausführungen oben in Rz 19 ergibt, um einen Rechtseingriff in einer Bauangelegenheit geht (ein weitergehender Antrag ist in diesem Fall nach Ansicht der Antragstellerin deshalb entbehrlich, weil sich die Wortfolge ', wenn sie die laufende Instandhaltung und Instandsetzung betreffen' auch auf Liegenschaftsangelegenheiten bezieht, die keine Bauangelegenheiten sind, sodass dieser Wortfolge auch bei Aufhebung der Wortfolge '- und Bau' weiterhin ein Anwendungsbereich verbleibt).
(52) Nur in eventu wird schließlich aus Vorsichtsgründen beantragt, dass der VfGH den gesamten §716 Abs2 ASVG aufhebt (Eventualantrag zu c)); dies auch mit Blick auf die jüngste Rsp des VfGH, wonach ein zu weit gefasster Antrag auf Gesetzesaufhebung nicht mehr zur Zurückweisung führt, sondern dem Antrag gegebenenfalls teilweise stattzugeben ist (zusammenfassend dazu etwa VfSlg 20.108/2016). Dies gilt umso mehr, da die einzelnen Sätze des §716 Abs2 ASVG in einem untrennbaren Zusammenhang stehen.
4.1 Antragslegitimation
4.1.1 Unmittelbare Betroffenheit
(53) §716 Abs3 ASVG lautet wie folgt:
'Bis zum Ablauf des Jahres 2019 dürfen die im Abs2 genannten Versicherungsträger und der Hauptverband
1. Leiter/innen des gehobenen und des höheren Dienstes sowie Angestellte des bereichsleitenden und des leitenden Dienstes nach der DO. A, soweit diese im Verwaltungsdienst tätig sind, und
2. Ärzte und Ärztinnen, die nach §37 Z1 und 2 DO. B eingereiht sind, nur befristet (wieder)bestellen, und zwar längstens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2019.'
(54) Die Antragstellerin ist von der Regelung des §716 Abs3 ASVG, die mit Ablauf des 14.8.2018 in Kraft getreten ist, deshalb unmittelbar betroffen, weil sie als Träger der Krankenversicherung iSd ASVG (siehe dazu bereits oben Rz 6) zu den in §716 Abs2 ASVG genannten Versicherungsträgern zählt, sodass sie vom Anwendungsbereich der Regelung umfasst ist. Die Betroffenheit der Antragstellerin ist dabei auch konkret, da die Antragstellerin durch die Regelung daran gehindert wird, eine konkrete Leitungsperson iSd §716 Abs3 Z1 ASVG zeitlich unbefristet zu bestellen, nämlich den Leiter der Abteilung Organisation & IT. Beim Leiter der Abteilung Organisation & IT handelt es sich laut Dienstordnung A um einen Posten der Gehaltsgruppe F, Dienstklasse III; die Nachbesetzung fällt daher in die Kategorie 'Leiter des höheren Dienstes' iSd §716 Abs3 Z1 ASVG.
(55) Da der derzeitige Leiter der Abteilung Organisation & IT der Antragstellerin Mitte 2019 in Pension gehen wird, wurde die Nachbesetzung dieses Dienstpostens in der Sitzung des Vorstands der Antragstellerin am 15.7.2018 unbefristet ausgeschrieben. Bei Ausschreibungen, die länger im Voraus stattfinden, handelt es sich um eine Vorgangsweise, die nicht nur bei der Antragstellerin, sondern auch bei anderen Sozialversicherungsträgern übliche Praxis ist; sie dient dazu, einen reibungslosen Übergang zu schaffen und wurden derartige Vorstandsbeschlüsse der Antragstellerin auch nie in der Vergangenheit durch die Aufsichtsbehörde beeinsprucht. Dementsprechend wurde die Notwendigkeit der zeitgerechten Nachbesetzung im vorliegenden Fall gegenüber der Vertreterin der Aufsichtsbehörde auf deren Nachfrage bereits vor der Sitzung per Mail wie folgt begründet:
'Der Leiter der Abteilung Organisation & IT wird mit 1.7.2019 seine Pension antreten. Auch hier ist auf Grund eines offenen Urlaubsanspruches mit einer deutlich früheren Abwesenheit zu rechnen. Um eine reibungslose Übergabe und eine adäquate Einschulung auf den umfangreichen Tätigkeitsbereich gewährleisten zu können, ist die Ausschreibung des Postens bereits jetzt erforderlich. Auf Grund der der Ausschreibung folgenden Bewerbungsfrist und einem allfälligen Hearing ist die Beschlussfassung über die Bestellung im Herbst geplant und deswegen eine Ausschreibung bereits jetzt notwendig.'
(56) Das Inkrafttreten von §716 Abs3 ASVG mit Ablauf des 14.8.2018 hatte allerdings zur Folge, dass die Bestellung des neuen Leiters der Abteilung Organisation & IT, welche in der Vorstandssitzung vom 16.8.2018 erfolgt ist, anders als noch in der Ausschreibung vorgesehen, nur noch befristet bis 31.12.2019 erfolgen konnte. Wäre §716 Abs3 ASVG nicht in Kraft getreten, so wäre der neue Leiter der Abteilung Organisation & IT bei der Antragstellerin zeitlich unbefristet bestellt worden. Dies ergibt sich auch aus dem Sitzungsprotokoll, wo es explizit heißt, dass der Antrag auf Besetzung des betreffenden Dienstpostens dahingehend geändert wird, dass diese bis 31.12.2019 befristet wird.
[…]
(57) Darin, dass die Antragstellerin durch §716 Abs3 ASVG daran gehindert wurde und nach wie vor wird, den neuen Leiter der Abteilung Organisation & IT zeitlich unbefristet zu bestellen, liegt ein Eingriff in das aus ihrer Stellung als Selbstverwaltungskörper erfließende Recht der Antragstellerin, ihr Personal autonom zu bestellen (zu diesem Recht vgl nur VwGH 22.1.1986, 85/09/0266; Eberhard, Nichtterritoriale Selbstverwaltung [2014] 249 f). Der Eingriff ist dabei deshalb unmittelbar, weil §716 Abs3 ASVG ein unmittelbar an die von der Regelung erfassten Versicherungsträger (und den Hauptverband) adressiertes Verbot enthält, über den 31.12.2019 hinausgehende oder zeitlich unbefristete Bestellungen der dort angeführten Leitungsfunktionen vorzunehmen. Verboten ist sohin bereits die Beschlussfassung über Bestellungen, die über den 31.12.2019 hinausgehen oder zeitlich unbefristet sind, als solche.
4.1.2 Keine Umwegzumutbarkeit
(58) Auch steht der Antragstellerin kein anderer zumutbarer Weg als der vorliegende lndividualantrag zur Verfügung, um die Verfassungswidrigkeit des §716 Abs3 ASVG geltend zu machen. Es gilt hier das Gleiche wie oben in Rz 26 ff zu §716 Abs2 ASVG im Lichte des Erk VfSlg 18.257/2007 ausgeführt wurde:
? Die Bestellung von Leitern des höheren Dienstes von Sozialversicherungsträgern bedarf nach dem ASVG keiner Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde, da diese nicht leitender Angestellter bzw leitender Arzt iSd §460 Abs4 ASVG sind. Daher besteht für die Antragstellerin keine Möglichkeit, ihre gegenständlichen verfassungsrechtlichen Bedenken über einen vor dem BVwG zu bekämpfenden aufsichtsbehördlichen Bescheid letztlich im Wege einer Erkenntnisbeschwerde iSd Art144 B-VG an den VfGH heranzutragen.
? Die Antragstellerin hat insoweit nicht die Möglichkeit, selbst ein aufsichtsbehördliches Verfahren einzuleiten. Ein aufsichtsbehördliches Verfahren könnte sohin nur von Amts wegen dadurch eingeleitet werden, dass der Vertreter der BMASGK nach §448 Abs4 ASVG gegen den betreffenden Beschluss Einspruch erhebt, sodass der Vorsitzende des Verwaltungskörpers die Entscheidung der Aufsichtsbehörde einzuholen hat. Erzwungen werden kann diese Vorgangsweise durch die Antragstellerin jedoch nicht.
? Schließlich würden sich die Mitglieder des Vorstands der Antragstellerin bei wissentlicher Fassung eines rechtswidrigen Beschlusses durch Vernachlässigung ihrer Pflichten gem §424 ASVG zivilrechtlich haftbar machen sowie der Gefahr einer Verfolgung wegen Amtsmissbrauch iSd §302 StGB aussetzen und bestünde das Risiko einer schriftlichen Verwarnung iSd §451 Abs1 ASVG, was zusammen mit weiteren rechtswidrigen Beschlüssen und einer weiteren Er-mahnung zur Bestellung eines vorläufigen Verwalters führen könnte.
4.2 Darlegung der Bedenken im Einzelnen
(59) Hier ist zunächst auf die Ausführungen im Kapitel 3.2.1 zum verfassungsrechtlichen Prinzip der nicht-territorialen Selbstverwaltung iSd Art120a ff B-VG zu verweisen. Danach gehört zu den wesentlichen Strukturprinzipien der Selbstverwaltung, dass die Selbstverwaltungskörper in ihrem eigenen Wirkungsbereich, wozu auch die Personalhoheit zählt (VwGH 22.1.1986, 85/09/0266; Eberhard, Nichtterritoriale Selbstverwaltung [2014] 249 f), über Eigenverantwortlichkeit und autonome Handlungsspielräume verfügen und insoweit nur einer Rechtmäßigkeitsaufsicht und nur soweit erforderlich auch einer Zweckmäßigkeitskontrolle unterliegen. Da Art120b Abs1 letzter Satz B-VG eine Zweckmäßigkeitsaufsicht nur gestattet, wenn dies auf Grund der Aufgaben des Selbstverwaltungskörpers erforderlich ist, darf diese nur zurückhaltend und nur nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgebots zur Anwendung kommen. Daraus ergibt sich auch das verfassungsrechtliche Verbot, die Autonomie der Verwaltungsführung im eigenen Wirkungsbereich durch zu enge gesetzliche Vorgaben für die zweckmäßige Verwaltungsführung zu determinieren, könnte doch andernfalls der Gesetzgeber die strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Zweckmäßigkeitskontrolle leicht unterlaufen.
(60) Genau diesen vorbezeichneten Vorgaben entspricht die Regelung des §716 Abs3 ASVG betreffend das Verbot über den 31.12.2019 hinausgehender Bestellungen in die dort bezeichneten gehobenen Funktionen, selbst unter Berücksichtigung des damit verbundenen Ziels, den geplanten Fusionierungsprozess der Sozialversicherungsträger nicht zu konterkarieren, jedoch nicht: Nicht jede unbefristete Bestellung in eine Funktion iSd §716 Abs3 ASVG ist mit diesen Zielen schon per se inkompatibel. Auch könnte den Zielen der geplanten Fusionierung von Sozialversicherungsträgern genauso gut dadurch entsprochen werden, dass die Bestellungen dem gelinderen Mittel eines aufsichtsbehördlichen Genehmigungsvorbehalts unterworfen werden, der auf Ziele der geplanten Reform ausgerichtet ist; angesichts der entsprechenden Konkretisierung der Ziele der Reform bei Beschlussfassung des §716 ASVG wäre dies ohne weiteres möglich gewesen (siehe dazu bereits oben Rz 46). Die Antragstellerin wird daher durch die gegenständliche Regelung in ihrem Recht, die in ihren eigenen Wirkungsbereich tauenden Angelegenheiten entsprechend den Vorgaben der Art120a ff B-VG zu besorgen, verletzt.
4.3 Zuordnung der Bedenken zu den Anträgen
(61) Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass der durch die verfassungswidrige Regelung des §716 Abs3 ASVG bewirkte Eingriff in ihre Rechtssphäre bereits durch Aufhebung der Wortfolge 'und des höheren' in §716 Abs3 Z1 ASVG beseitigt werden kann, sodass dieser Antrag als Hauptantrag gestellt wird. Dies deshalb, da es, wie oben in Rz 54 ausgeführt, anlassbezogen um die Bestellung eines Leiters des höheren Dienstes geht.
(62) Nur in eventu wird zudem aus Vorsichtsgründen beantragt, dass der VfGH den gesamten §716 Abs3 Z1 ASVG, in eventu den gesamten §716 Abs3 ASVG aufhebt (Eventualanträge b) und d)); dies auch mit Blick auf die jüngste Rsp des VfGH, wonach ein zu weit gefasster Antrag auf Gesetzesaufhebung nicht mehr zur Zurückweisung führt, sondern dem Antrag gegebenenfalls teilweise stattzugeben ist (zusammenfassend dazu etwa VfSlg