Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AuslBG §12a;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Enzlberger, über die Beschwerde der IFS-INTERNATIONALE FLUGSERVICE Reiseveranstalter Gesellschaft mbH Taurus Lotus in Wien, vertreten durch die Rechtsanwalt KEG Dr. Witt & Partner in Wien IV, Argentinierstraße 20A/2A, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 26. September 1997, Zl. 10/13113/156 3982, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Arbeitsmarktservice hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführenden Partei beantragte am 15. März 1996 beim Arbeitsmarktservice Angestellte Wien die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für die türkische Staatsangehörige M T (geboren 24. September 1970) für die berufliche Tätigkeit "Reisebüroangestellter"; als erforderliche spezielle Kenntnisse oder Ausbildung wurde "türkische und englische Sprache, Computer und Fremdenverkehrsinteresse" im Antrag angegeben.
Diesen Antrag wies das Arbeitsmarktservice Angestellte Wien mit Bescheid vom 18. März 1996 gemäß § 4 Abs. 7 AuslBG (im Zusammenhalt mit der Kundmachung des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die Bundeshöchstzahl 1996, BGBl. Nr. 763/1995, und der Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung) ab.
Dagegen erhob die beschwerdeführende Partei Berufung. Sie brachte darin im wesentlichen vor, das Aufgabengebiet der beantragten ausländischen Arbeitskraft umfasse die Betreuung von VIP-Kunden aus der Türkei; die Beschäftigung von Frau M T sei sehr wichtig, weil diese aufgrund ihrer Ausbildung über die dafür erforderlichen Kenntnisse verfüge. Für die Betreuung von VIP-Kunden aus der Türkei seien die Beherrschung der türkischen Sprache in Wort und Schrift, sehr gute Umgangsformen und kulturelle Kenntnisse unumgänglich. Es sei für Österreich auch von großem wirtschaftlichen Nutzen, wenn sehr viele dieser VIP-Kunden Österreich besuchen würden und mit dem angebotenen Service sehr zufrieden wären.
Mit Schreiben vom 24. Juli 1997 brachte die belangte Behörde der beschwerdeführenden Partei zur Wahrung des Parteiengehörs zur Kenntnis, daß die für das Kalenderjahr 1997 festgesetzte Bundeshöchstzahl überschritten sei, im vorliegenden Fall die Bestimmung des § 4 Abs. 7 AuslBG zur Anwendung komme und nach Ansicht der belangten Behörde die Voraussetzungen für die Erteilung einer Bewilligung im Bundeshöchstzahlen-Überziehungsverfahren nicht erfüllt seien.
Die beschwerdeführende Partei antwortet auf diesen Vorhalt der belangten Behörde mit Schriftsatz vom 13. August 1997. Sie brachte darin im wesentlichen vor, die beantragte ausländische Arbeitskraft habe das Österreichische St. Georgs-Kolleg, in dem ausschließlich in deutscher Sprache unterrichtet werde, besucht und 1990 die Reifeprüfung abgelegt. Bereits 1989 habe Frau T ihre Fremdenverkehrsausbildung in einem Dienst- und Ausbildungsverhältnis zu dem Partnerunternehmen Taurus-Tours begonnen. Die beantragte ausländische Arbeitskraft habe an der Wirtschaftsuniversität Wien den Universitätslehrgang für Tourismuswirtschaft besucht und am 28. Juni 1996 die kommissionelle Abschlußprüfung mit Erfolg abgelegt. Aufgrund ihrer türkischen Muttersprache und der perfekten Beherrschung der deutschen Sprache betreue Frau T ausschließlich hochrangige VIP-Wirtschaftskunden der obersten Führungsebene, die von der Türkei nach Österreich reisen um den Transfer von Finanzmitteln Wirtschaftsgütern und know how vorzubereiten. Die beantragte ausländische Arbeitskraft fungiere aufgrund ihrer umfangreichen Erfahrung aus der Fremdenverkehrsbranche und ihren exzellenten wirtschaftlichen Kenntnissen auch als Dolmetscher und Betreuerin. Die Tätigkeit von Frau T sei für Österreich von großem wirtschaftlichen Nutzen und gehe über das betriebsbezogene wirtschaftliche Interesse eines Arbeitgebers an der Deckung seines Arbeitskräftebedarfes hinaus. Diese umfangreiche Betreuung hochrangiger Wirtschaftskunden aus der Türkei werde von keinem anderen Reiseveranstalter angeboten; die beantragte ausländische Arbeitskraft trage einen nicht unbeträchtlichen Anteil am Zustandekommen von für die Fremdenverkehrs- und Gesamtwirtschaft Österreichs vorteilhaften Vertragsabschlüssen.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 26. September 1997 wurde die Berufung der beschwerdeführenden Partei gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4 Abs. 7 AuslBG und im Zusammenhalt mit § 12a Abs. 1 und 2 AuslBG sowie der Kundmachung des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die Bundeshöchstzahl 1997 und der BHZÜV abgewiesen.
Zur Begründung führte die belangte Behörde nach Darlegung der maßgebenden Rechtslage und der sachverhaltsmäßigen Grundlagen für die Anwendung des § 4 Abs. 7 AuslBG im wesentlichen aus, die beantrage Beschäftigungsbewilligung könne auch nicht im Bundeshöchstzahlen-Überziehungsverfahren erteilt werden. Der Frau T zuzurechnende Anteil dürfe "nicht überbewertet werden", andererseits würde der "Sinngehalt des § 1 der zu
§ 12a Abs. 2 AuslBG ergangenen Verordnung ausgehöhlt werden". Der behauptete Transfer von Finanzmittel und Wirtschaftsgütern sei nicht von der Betreuung durch Frau T abhängig und "würde auch ohne diese erfolgen". Erfahrungsgemäß würden inländische Unternehmen selbst Sorge tragen für die Einreise und den Aufenthalt derart bedeutender Kunden; es bedürfe keines speziellen Serviceangebotes durch das Reisebüro der beschwerdeführenden Partei. Die österreichischen Geschäftspartner würden entweder selbst über geeignetes Personal zur Abwicklung solcher Transfers verfügen bzw. erforderlichenfalls im Vorfeld eine geeignete Fachkraft organisieren. Das Beherrschen der türkischen und der deutschen Sprache könne nicht als spezielle Kenntnis gewertet werden, zumal am inländischen Arbeitsmarkt Arbeitskräfte mit diesen Sprachkenntnissen und der angesprochenen muttersprachlichen Betreuung zur Verfügung stünden. Der beabsichtigten Verwendung von Frau T als Reisebüroangestellte bei einem monatlichen Bruttolohn von S 15.500,-- sei kein gesamtwirtschaftliches sondern bestenfalls ein einzelbetriebliches Interesse zuzumessen, selbst wenn die beantragte ausländische Arbeitskraft über für die beschwerdeführende Partei maßgebliche Qualifikationen verfüge.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die beschwerdeführende Partei erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für die beantragte ausländische Arbeitskraft verletzt. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung - im Hinblick auf die damit verbundene weitere Überschreitung der Bundeshöchstzahl 1997 - im Bundeshöchstzahlen-Überziehungsverfahren zu prüfen war.
Die Beschwerdeführerin macht in ihrer Beschwerde im wesentlichen geltend, sie habe im Verwaltungsverfahren das Vorliegen der Voraussetzungen im Sinn des § 1 Z. 3 der BHZÜV ausreichend behauptet. Die belangte Behörde habe darüber jedoch kein Ermittlungsverfahren durchgeführt und sich mit diesem Vorbringen nicht ausreichend auseinandergesetzt.
Schon mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Recht.
Gemäß § 1 der (aufgrund des § 12a Abs. 2 AuslBG ergangenen) Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales, mit der die Gesamtzahl der unselbständig beschäftigen und arbeitslosen Ausländer überzogen wird (Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung - BHZÜV in ihrer im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 278/1995), dürfen über die Gesamtzahl der unselbständig beschäftigten und arbeitslosen Ausländern (Bundeshöchstzahl) gemäß § 12a Abs. 1 AuslBG Sicherungsbescheinigungen ausgestellt und Beschäftigungsbewilligung unter anderem nach Z. 3 erteilt werden für Ausländer, an deren Beschäftigung
a) im Hinblick auf ihren besondere Ausbildung, speziellen Kenntnisse und Fertigkeiten oder besondere Erfahrung oder
b) im Hinblick auf den mit der Beschäftigung verbundenen Transfer von Investitionskapital gesamtwirtschaftliche Interessen bestehen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 8. Februar 1996, Zl. 95/09/0295, vom 16. Dezember 1997, Zl. 97/09/0116, und vom 21. Jänner 1998, Zl. 97/09/0192), müssen nach § 1 Z. 3 lit. a BHZÜV zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein:
1. Eine besondere Qualifikation des Ausländers im Bezug auf die beantragte Beschäftigung (subjektive, in der Person des beantragen Ausländers gelegene Komponente) und
2. ein gesamtwirtschaftliches Interesse an der Beschäftigung des qualifizierten Ausländers (objektive Komponente).
Das gesamtwirtschaftliche Interesse an der Beschäftigung des beantragten Ausländers (die objektive Komponente) setzt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein qualifiziertes, über das betriebsbezogene wirtschaftliche Interesse des Betriebes an der Befriedigung eines derartigen Arbeitskräftebedarfes hinausgehendes Interesse voraus.
Die Beschwerdeführerin hat im Berufungsverfahren das Vorliegen beider Voraussetzungen eingehend und substantiiert behauptet. Sie ist damit ihrer Mitwirkungsverpflichtung (jedenfalls in diesem Stadium des Verwaltungsverfahrens) hinreichend nachgekommen (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 8. Februar 1996, Zl. 95/09/0295). Die belangte Behörde hat jedoch kein Ermittlungsverfahren über die Voraussetzungen des § 1 Z. 3 der BHZÜV durchgeführt und demnach ihrer - im Hinblick auf die Mitwirkung der Beschwerdeführerin ausgelösten - amtswegigen Ermittlungspflicht, die Richtigkeit des Vorbringens der Beschwerdeführerin zu überprüfen und die dabei gewonnenen Ermittlungsergebnisse zu würdigen, nicht entsprochen (vgl. insoweit etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 1995, Zl. 93/09/0447). Die im angefochtenen Bescheid dargelegte Beurteilung des Vorbringens der Beschwerdeführerin vermag sich nicht auf Ermittlungsergebnisse zu stützen und entbehrt daher der sachverhaltsmäßgen Grundlage.
Im vorliegenden Fall kann somit nicht abschließend beurteilt werden, ob im Rahmen des Bundeshöchstzahlen-Überziehungsverfahrens die Voraussetzungen des § 1 Z. 3 des BHZÜV erfüllt sind, weil die belangte Behörde es unterlassen hat, sich in dieser Hinsicht mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin näher auseinanderzusetzen und der festgestellte Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf. Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 41 AMSG und der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 26. Mai 1999
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997090339.X00Im RIS seit
20.11.2000