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32/04 Steuern vom Umsatz;Norm
UStG 1972 §1 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde der B in R, (BRD), vertreten durch Hügel, Dallmann und Partner, Rechtsanwälte in 2340 Mödling, Lerchengasse 14, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom 14. Februar 1995, B 67-10/93, betreffend Umsatzsteuer 1987 bis 1990, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine Gesellschaft ohne Sitz oder Betriebsstätte im Inland, vertreibt pharmazeutische und kosmetische Produkte. In den Umsatzsteuererklärungen 1987 bis 1990 führte sei jeweils einen (dem Normalsteuersatz zugeordneten) Umsatz an, aus welchem sich Umsatzsteuer in Höhe von 9.660 S (1987), 10.800 S (1988), 8.860 S (1989) und 9.700 S (1990) errechnete. Zugleich machte sie in diesen Abgabenerklärungen Vorsteuern in Höhe von insgesamt 1,755.799 S geltend.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid verweigerte die belangte Behörde die Anerkennung der geltend gemachten Vorsteuern. Bei dem von der Beschwerdeführerin angeführten jährlichen Umsatz handle es sich jeweils um ein Seminar. Die Beschwerdeführerin habe folgende Themen der vier Seminare angegeben: Seminar Distrubutionsanalyse, Seminar Zahncreme Markt Austria, Workshop mit Präsentation der Verbraucherstrukturdaten 1989 sowie Projektveranstaltung neuer Produkte für Spezialgruppen. Die Beschwerdeführerin habe vorgebracht, der Seminarteilnehmerin A-Werbeagentur - sie sei von der Beschwerdeführerin mit Werbemaßnahmen betraut - nütze das Wissen um Marketingmethoden auch bei Aufträgen anderer Kunden. Wie sich aus einem Schreiben der Beschwerdeführerin ergebe, seien Anlass und Ziel der Seminare gewesen
a) die Suche eines neuen Distributeurs für die zu vertreibenden Produkte
b)
die Bewertung der Zahncreme X nach Aufhebung der Rezeptpflicht
c)
die effizientere Markendurchsetzung durch Sponsoring und
d)
die Suche nach Produktnischen in stagnierenden Globalmärkten. Nach Ansicht der belangten Behörde dienten die Seminare sohin der Absatzförderung der eigenen Produkte der Beschwerdeführerin, was sich schon daraus ergebe, dass diese selbst die Seminare veranlasst habe. Die Beschwerdeführerin habe mit den Seminaren die von ihr in die Besprechungen eingebrachten Vermarktungsvorstellungen unter Einsatz der A-Werbeagentur in Österreich durchsetzen wollen. Gegen die Behauptung, die Seminare dienten der A-Werbeagentur auch im Hinblick auf deren andere Kunden, spreche, dass ihr der Inhalt der Verträge mit der Beschwerdeführerin nicht mehr bekannt sei. Die Beschwerdeführerin versuche, Teile der zweifellos eigenen Vertriebszwecken dienenden Marketingseminare abzuspalten und in einen Leistungsaustausch zu kleiden, und bringe vor, die Gegenleistung der A-Werbeagentur für die Seminarteilnahme sei in der Durchführung von Preisbeobachtungen gelegen. Die seinerzeitige Leiterin der Buchhaltungsabteilung und nunmehrige Prokuristin der A-Werbeagentur habe allerdings dem Betriebsprüfer gegenüber angegeben, die A-Werbeagentur habe lediglich auf Ersuchen der Beschwerdeführerin Rechnungen mit dem Text "Für laufende Preisbeobachtungen im Kalenderjahr ..." gelegt, diesen Rechnungen lägen aber keine Leistungen zugrunde. Auch die Beschwerdeführerin habe den genauen Inhalt der Preisbeobachtungen nicht angeben können. Es sei zwar nicht unüblich, dass geschäftlich verbundene Unternehmen Leistungen in der Art eines Tausches gegenverrechneten, es sei aber nach den Erfahrungen des täglichen Lebens nahezu ausgeschlossen, dass sich in vier aufeinander folgenden Jahren die Leistungen jeweils wertgleich gegenüberstünden und kein Spitzenausgleich erfolgen müsse. Die belangte Behörde gehe daher davon aus, dass die wechselseitige Rechnungslegung der Täuschung der Abgabenbehörde zum Zweck der Erlangung des Vorsteuerabzuges diene. Gemäß § 23 Abs. 1 BAO seien die Geschäfte daher für die Erhebung der Abgaben ohne Bedeutung. Da sohin die Beschwerdeführerin in den einzelnen Veranlagungsjahren nicht einmal eine Lieferung oder sonstige Leistung im Inland erbracht habe, stehe ihr der Vorsteuerabzug nicht zu.
Mit Beschluss vom 24. September 1996, B 1164/95, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Behandlung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - ergänzte - Beschwerde erwogen:
Gemäß § 12 Abs. 1 UStG 1972 kann der Unternehmer, der im Inland Lieferungen oder sonstige Leistungen ausführt oder im Inland seinen Sitz oder eine Betriebsstätte hat, nach Maßgabe weiterer Voraussetzungen Vorsteuerbeträge in Abzug bringen.
Aus dem Wortlaut des § 12 Abs. 1 UStG 1972 ergibt sich, dass einem Unternehmer, der im Inland weder seinen Sitz noch eine Betriebsstätte hat, nur dann das Recht auf Vorsteuerabzug eingeräumt ist, wenn er im Inland Lieferungen oder sonstige Leistungen ausgeführt hat. Diese Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist, wie der Verwaltungsgerichtshof in den Erkenntnissen vom 29. Jänner 1998, 96/15/0066, und vom 25. Juni 1998, 97/15/0004, ausgeführt hat, dahingehend zu verstehen, dass im jeweiligen Veranlagungsjahr durch Lieferungen bzw sonstige Leistungen iSd § 1 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 ein Anknüpfungspunkt an das Inland von einigem wirtschaftlichem Gewicht gegeben sein muss.
Wie sich aus der zitierten Rechtsprechung ergibt, müssen Lieferungen bzw sonstige Leistungen iSd § 1 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 vorliegen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers müssen es daher Leistungen sein, die gegen Entgelt erbracht werden, und müssen die Leistungen nach den umsatzsteuerlichen Vorschriften als im Inland ausgeführt zu behandeln sein.
Die Beschwerdeführerin bringt vor, die belangte Behörde habe deshalb das Vorliegen von Leistungen im Inland verneint, weil ihre Seminare "eigenbetrieblichen Zwecken" gedient hätten. Die Feststellung der belangten Behörde, wonach die Seminare ausschließlich den Zwecken der Beschwerdeführerin gedient hätten, sei aber fehlerhaft und unschlüssig. Die Seminare hätten in Wahrheit dem Zweck gedient, den Absatz der Produkte der Beschwerdeführerin zu verbessern; dies hätte aber auch der A-Werbeagentur und S als Distributeur für Österreich gedient. Zudem sei die Beschwerdeführerin erstmals im angefochtenen Bescheid und sohin ohne Wahrung von Parteiengehör damit konfrontiert worden, dass die Seminare ausschließlich ihren Zwecken hätten dienen sollen. Bei Wahrung des Parteiengehörs hätte sie vorbringen können, dass das Ziel der Seminare, nämlich die Steigerung der Umsätze der von ihr vertriebenen Produkte, auch im Interesse der A-Werbeagentur und des österreichischen Distributeurs gelegen sei. Aus dem Umstand, dass die Leiterin der Buchhaltung der A-Werbeagentur keine Auskünfte über Leistungen dieser Gesellschaft habe erteilen können, habe die belangte Behörde auf ein Scheingeschäft iSd § 23 Abs. 1 BAO geschlossen, obwohl die Abhaltung der Seminare unbestritten sei. Aus der Feststellung, dass die A-Werbeagentur die behaupteten Preisbeobachtungen nicht gemacht habe, habe die belangte Behörde geschlossen, dass auch die Beschwerdeführerin ihre Leistung (Seminare) nicht erbracht habe. Aus der Aussage der Leiterin der Buchhaltungsabteilung ergebe sich aber kein Hinweis, dass die von den Preisbeobachtungen unabhängigen Seminare nicht erbracht worden seien.
Gemäß § 23 Abs. 1 BAO sind Scheingeschäfte und andere Scheinhandlungen für die Erhebung der Abgaben ohne Bedeutung. Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so ist das verdeckte Rechtsgeschäft für die Abgabenerhebung maßgebend.
Die belangte Behörde ist nicht davon ausgegangen, dass die Steigerung des (inländischen) Umsatzes der von der Beschwerdeführerin vertriebenen Produkte nicht auch für die A-Werbeagentur und für den österreichischen Distributeur vorteilhaft sei. Die belangte Behörde ist vielmehr (wie auch das Finanzamt in der Berufungsvorentscheidung) davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin dem Werbe- und Marketingunternehmen bzw. dem Distributeur zwar Wünsche bzw. Informationen über verkaufsfördernde Strategien bekannt gegeben hat, allerdings in der Stellung als Kunde des Werbeunternehmens (bzw. als Warenlieferant gegenüber dem Distributeur) und nicht in der Stellung eines Unternehmers, der eigenständige Seminarleistungen erbringt. Sie konnte diese Sachverhaltsfeststellung dabei auf die allgemeine Lebenserfahrung stützen und insbesondere auf den - in der Beschwerde nicht bestrittenen - Umstand, dass die A-Werbeagentur der Beschwerdeführerin keine Gegenleistung erbracht hat. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin zeigt gerade das Fehlen einer Gegenleistung auf, dass keine eigenständigen Seminarleistungen vorgelegen sind, sondern die Beschwerdeführerin im Rahmen ihres Werbeauftrages Informationen an die A-Werbeagentur abgegeben hat, weshalb es nicht als rechtswidrig erkannt werden kann, wenn die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangt ist, die behauptete Vereinbarung über eine entgeltliche Erbringung von Seminaren und sohin einen Leistungsaustausch stelle ein Scheingeschäft iSd § 23 Abs. 1 BAO dar.
S als inländischer Distributeur hat nach der Aktenlage nur an einer Veranstaltung (Probjektveranstaltung neue Produkte für Spezialzielgruppen) und zwar lediglich durch zwei Mitarbeiter teilgenommen. In der Beschwerde wird zwar nicht behauptet, dass darin eine entgeltliche Leistung der Beschwerdeführerin (an S) zu erblicken wäre. Selbst wenn aber in diesem Umfang eine Leistung iSd § 1 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 anzunehmen wäre, würde durch sie allein - sie beträfe einen Bruchteil des für 1990 erklärten Umsatzes - jedenfalls auch nicht für das betroffene Veranlagungsjahr 1990 einen Anknüpfungspunkt an das Inland von einigem wirtschaftlichem Gewicht begründet.
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt worden ist. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. 416/1994.
Wien, am 27. Mai 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997150012.X00Im RIS seit
20.11.2000