Entscheidungsdatum
04.02.2019Norm
GewO 1994 §13 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch die Richterin HR Mag. Marihart über die Beschwerde der Frau A, ***, ***, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt St. Pölten vom 31. Oktober 2018, Zl. ***, betreffend Gewerbeanmeldung und Feststellung des Nichtvorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen und Untersagung der Ausübung, zu Recht:
1. Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid der Gewerbebehörde des Magistrates der Stadt St. Pölten (im Folgenden: belangte Behörde) vom 31. Oktober 2018, GZ: ***, stellte die belangte Behörde fest, dass die gesetzliche Voraussetzung für die Ausübung des von Frau A (im Folgenden: Beschwerdeführerin) angemeldeten Gewerbes „Hausbetreuung“ am Standort ***, ***, nicht vorlägen und untersagte die Ausübung des gegenständlichen Gewerbes.
Begründend dazu führte die belangte Behörde aus, dass im Zuge der behördlichen Überprüfung der Ausübungsvoraussetzungen für das angemeldete Gewerbe festgestellt worden sei, dass die Beschwerdeführerin im Strafregister der Republik Österreich folgende Verurteilung aufweise: Freiheitsstrafe drei Monate, verhängt vom Landesgericht ***, zur Zl. ***, rechtskräftig mit 03. November 2014.
Diese Verurteilung sei in Folge Übertretungen gemäß §§ 159 Abs. 2 und Abs. 5 Z 4, 153c Abs. 1 StGB und gemäß § 159 Abs. 1 und Abs. 5 Z 4 StGB erfolgt. Da somit eine Verurteilung wegen grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§ 159 StGB) vorliege, sei ein Gewerbeausschlussgrund gemäß § 13 Abs. 1 Z 1 lit. a GewO 1994 gegeben.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde und brachte dazu vor, dass der Bescheid rechtswidrig sei, da ihre Verurteilung im Strafregister der Republik Österreich aufgehoben worden sei. Der Gewerbeausschließungsgrund gemäß § 13 Abs. 1 Z 1 lit. a GewO 1994 sei daher nicht gegeben. Die Beschwerdeführerin legte der erhobenen Beschwerde eine Mitteilung des Landesgerichtes *** zu GZ. *** vor, aus welcher die Mitteilung über die endgültige Strafnachsicht ersichtlich ist.
Mit Schreiben der belangten Behörde vom 05. Dezember 2018 wurde die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt zur Entscheidung vorgelegt.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich geht von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:
Die Beschwerdeführerin meldete am 16. Oktober 2018 bei der belangten Behörde das Gewerbe „Hausbetreuung“ zwecks Eintragung zur Gewerbeanmeldung vor.
Die Beschwerdeführerin wurde mit Urteil des Landesgerichtes *** zur Zl. *** zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten unter einer festgesetzten Probezeit von drei Jahren bedingt verurteilt.
Dieser Verurteilung lagen folgende strafbare Handlungen der Beschwerdeführerin zugrunde:
Die Beschwerdeführerin hat in der Zeit von Februar 2010 bis August 2010 sowie im November 2011 als Dienstgeber die Beiträge mehrere Dienstnehmer zur Sozialversicherung in der Höhe von € 767,56 einbehalten und den berechtigten Sozialversicherungsträger, nämlich der Nieder-Österreichischen Gebietskrankenkasse vorenthalten. Sie habe als Inhaberin der Einzelfirma „C“ und einer Textilhandelsfirma
1. in der Zeit von Jänner 2009 bis Dezember 2009 grob fahrlässig ihre Zahlungsunfähigkeit dadurch herbeigeführt, dass sie entgegen Grundsätzen ordentlichen Wirtschaftens Geschäftsbücher oder geschäftliche Aufzeichnungen zu führen unterlassen hat und
2. in der Zeit von Jänner 2010 bis Mitte 2012 in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit grob fahrlässig die Befriedigung ihrer zahlreichen Gläubiger dadurch vereitelt oder geschmälert, dass sie nach Abs. 5 Z 4 kridaträchtig handelte, indem sie entgegen Grundsätzen ordentlichen Wirtschaftens Geschäftsbücher oder geschäftliche Aufzeichnungen zu führen unterlassen hat.
Die Beschwerdeführerin hat dadurch zu 1. das Vergehen des Vorenthalten von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung gegen § 153c Abs. 1 StGB verstoßen sowie zu den beiden anderen das Vergehen der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs. 1 und Abs. 5 Z 4 StGB sowie § 159 Abs. 2 und Abs. 5 Z 4 StGB verstoßen.
Der Beschwerdeführerin wurde mit Beschluss des Landesgerichtes *** vom 12. März 2018 die Freiheitsstrafe endgültig nachgesehen.
Der Beginn der Tilgungsfrist der gegenständlichen strafbaren Handlungen war am 03. November 2014. Das Ende der Tilgungsfrist ist somit der 03. November 2019.
Beweiswürdigung:
Der gegenständliche Sachverhalt beruht aufgrund der Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt zur Zl. *** sowie aufgrund der Einsichtnahme in den bezughabenden Gerichtsakt des Landesgerichtes *** zur GZ. ***.
Folgende rechtliche Bestimmungen kommen im gegenständlichen Fall zur Anwendung:
§ 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) lautet:
(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
§ 13 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) lautet:
(1) Natürliche Personen sind von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn sie
1. von einem Gericht verurteilt worden sind
a) wegen betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (§ 153d StGB), organisierter Schwarzarbeit (§ 153e StGB), betrügerischer Krida, Schädigung fremder Gläubiger, Begünstigung eines Gläubigers oder grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§§ 156 bis 159 StGB) oder
b) wegen einer sonstigen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen und
2. die Verurteilung nicht getilgt ist.
[…]
§ 340 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) lautet:
(1) Auf Grund der Anmeldung des Gewerbes (§ 339 Abs. 1) hat die Behörde zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes durch den Anmelder in dem betreffenden Standort vorliegen. Liegen die Voraussetzungen für die Ausübung des Gewerbes vor und hat die Anmeldung nicht ein in Abs. 2 genanntes Gewerbe zum Gegenstand, so hat die Behörde den Anmelder längstens binnen drei Monaten in das GISA einzutragen und durch Übermittlung eines Auszugs aus dem GISA von der Eintragung zu verständigen. Ist im Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung ein Verfahren über eine erforderliche Nachsicht, eine Anerkennung gemäß § 373c oder eine Gleichhaltung gemäß § 373d oder § 373e anhängig, so hat die Behörde die innerhalb der im zweiten Satz festgelegten dreimonatigen Frist rechtskräftig erteilte Nachsicht, Anerkennung oder Gleichhaltung zu berücksichtigen. Als Tag der Gewerbeanmeldung gilt jener Tag, an welchem alle erforderlichen Nachweise (§ 339 Abs. 3) bei der Behörde eingelangt sind und die allenfalls erforderliche Feststellung der individuellen Befähigung gemäß § 19, eine erforderliche Nachsicht, eine Anerkennung gemäß § 373c oder eine Gleichhaltung gemäß § 373d oder § 373e rechtswirksam erfolgt ist. Als Mangel der gesetzlichen Voraussetzungen gilt auch, wenn der Firmenwortlaut im Hinblick auf den Inhalt des Gewerbes eine erhebliche Irreführung bedeuten würde.
[…]
§ 1 Tilgungsgesetz lautet:
(1) Die Tilgung gerichtlicher Verurteilungen tritt, sofern sie nicht ausgeschlossen ist (§ 5), mit Ablauf der Tilgungsfrist kraft Gesetzes ein.
(2) Mit der Tilgung einer Verurteilung erlöschen alle nachteiligen Folgen, die kraft Gesetzes mit der Verurteilung verbunden sind, soweit sie nicht in dem Verlust besonderer auf Wahl, Verleihung oder Ernennung beruhender Rechte bestehen.
(3) Rechte dritter Personen, die sich auf die Verurteilung gründen, werden durch die Tilgung nicht berührt.
(4) Ist eine Verurteilung getilgt, so gilt der Verurteilte fortan als gerichtlich unbescholten, soweit dem nicht eine andere noch ungetilgte Verurteilung entgegensteht. Er ist nicht verpflichtet, die getilgte Verurteilung anzugeben.
(5) Eine getilgte Verurteilung darf weder in Strafregisterauskünfte und in Strafregisterbescheinigungen aufgenommen, noch darin auf irgendeine Art ersichtlich gemacht werden. Dies gilt nicht für Auskünfte gemäß §§ 9b und10a Strafregistergesetz.
(6) Unter Verurteilungen sind in diesem Bundesgesetz auch Urteile zu verstehen, mit denen die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 1 des Strafgesetzbuches angeordnet wird.
§ 2 Tilgungsgesetz lautet:
(1) Die Tilgungsfrist beginnt, sobald alle Freiheits- oder Geldstrafen und die mit Freiheitsentzug verbundenen vorbeugenden Maßnahmen vollzogen sind, als vollzogen gelten, nachgesehen worden sind oder nicht mehr vollzogen werden dürfen.
(2) Ist keine Freiheits- oder Geldstrafe verhängt worden oder sind die verhängten Freiheits- oder Geldstrafen durch Anrechnung einer Vorhaft zur Gänze verbüßt und ist auch keine mit Freiheitsentziehung verbundene vorbeugende Maßnahme angeordnet worden, so beginnt die Frist mit Rechtskraft der Verurteilung.
(3) Unter Geldstrafen sind in diesem Bundesgesetz jeweils auch Verfallsersatz- und Wertersatzstrafen zu verstehen.
§ 3 Tilgungsgesetz lautet:
(1) Ist jemand nur einmal verurteilt worden, so beträgt die Tilgungsfrist
[…]
2. fünf Jahre,
wenn er zu einer höchstens einjährigen Freiheitsstrafe oder nur zu einer Geldstrafe oder weder zu einer Freiheitsstrafe noch zu einer Geldstrafe verurteilt worden ist oder wenn er außer im Falle der Z 1 nur wegen Jugendstraftaten verurteilt worden ist;
[…]
Erwägungen:
Unstrittig steht fest, dass die Beschwerdeführerin wegen einer Verurteilung der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen mit Urteil des Landesgerichtes *** zur Zl. *** am 03. November 2014 rechtskräftig zu einer bedingten Strafe von drei Monaten unter Festsetzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt wurde.
Weiters steht fest, dass die Freiheitsstrafe am 12. März 2018 endgültig nachgesehen wurde.
Der Beginn der Tilgungsfrist der gegenständlichen strafbaren Handlungen war der 03. November 2014.
Die gegenständliche Strafe ist noch nicht getilgt.
Gemäß § 3 Abs. 1 Tilgungsgesetz endet die Tilgungsfrist mit 05. November 2019.
Gemäß § 13 Abs. 1 Z 1 lit. a GewO 1994 bildet eine rechtskräftige Verurteilung nach einem in lit. a aufgezählten Straftatbeständen – betrügerisches Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem BUAG, organisierte Schwarzarbeit, betrügerische Krida, Schädigung fremder Gläubiger, Begünstigung eines Gläubigers, grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§ 159 StGB) jedenfalls einen Ausschlussgrund, unabhängig vom ausgesprochenen Strafausmaß. Das bedeutet, dass ein Ausschlussgrund nach Abs. 1 lit. a auch dann gegeben ist, wenn Personen wegen Begehung wegen eines dort erwähnten Deliktes zu einer Freiheitsstrafe von weniger als drei Monaten oder zu einer Geldstrafe von weniger als 180 Tagessätzen verurteilt werden.
Eine gerichtliche Verurteilung nach § 13 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 führt nur dann zum Gewerbeausschluss, wenn die Strafe noch nicht getilgt ist (siehe dazu Tilgungsgesetz). Lediglich ungetilgte gerichtliche Strafen bilden einen Gewerbeausschlussgrund. Darüber hinaus ist auszuführen, dass gemäß § 13 GewO 1994 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 2002 bei einer gerichtlichen Verurteilung gemäß Abs. 1 Z 1 ein Gewerbeausschlussgrund ungeachtet einer allfälligen Beschränkung der Auskunft aus dem Strafregister hinsichtlich bestimmter Delikte besteht; lediglich die Tilgung einer gerichtlichen Strafe vermag daher einen Ausschlussgrund nach Abs. 1 Z 1 zu verhindern.
Im gegenständlichen Fall ist die Strafe laut Tilgungsgesetz noch nicht getilgt, weshalb die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Z 1 und Z 2 GewO 1994 vorliegen und die Behörde zu Recht die Gewerbeausübung untersagt hat.
Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision war nicht zulässig, da im gegenständlichen Fall keine Rechtsfrage zu lösen war, da im Sinn des Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Auch ist der Gesetzeswortlaut zur gegenständlichen Entscheidung klar und weicht die gegenständliche Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.
Schlagworte
Gewerbliches Berufsrecht; Ausschlussgrund; Straftat; Tilgung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.AV.1296.001.2018Zuletzt aktualisiert am
04.03.2019