TE Bvwg Beschluss 2018/11/7 W168 2197571-1

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Veröffentlicht am 07.11.2018
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Entscheidungsdatum

07.11.2018

Norm

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs3 Satz2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W168 2197571-1/11E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag.Dr. Bernhard MACALKA über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA: Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.05.2018, Zl. 18-1184268103 / 180256018 - EAST Ost, beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 BFA - VG idF BGBl. I Nr. 24/2016 stattgegeben und der bekämpfte Bescheid wird behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (BF) stellte nach unberechtigter Einreise in das Bundesgebiet am 14.03.2018 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Eine durchgeführte Eurodac - Abfrage ergab eine Asylantragstellung der BF in Frankreich mit Datum 11.08.2015, sowie eine Asylantragstellung in Deutschland mit Datum 30.10.2017.

Bei der durchgeführten Erstbefragung gab der BF befragt zum Reiseweg an, dass sie aus ihrer Heimat kommend über Libyen nach zunächst Italien gereist sei. Von Italien wäre sie weiter nach Frankreich gereist. Im Jahre 2017 wäre sie nach Deutschland gefahren. In Folge hätte sie sich in Österreich und in Frankreich aufgehalten. Von Frankreich wäre sie letztlich nunmehr nach Österreich gereist. Befragt zu Frankreich führte die BF aus, dass Frankreich in Ordnung wäre, bzw. Marseille in Ordnung wäre. Auch das Asylverfahren wäre dort in Ordnung. Sie hätte jedoch in Frankreich bereits 2 negative Asylbescheide erhalten. Gegen eine Rückkehr nach Frankreich späche, dass sie in Österreich mit dem Vater ihres ungeborenen Kindes ein Leben aufbauen möchte.

Das Bundesamt richtete insbesondere aufgrund des vorliegenden Eurodac - Treffers von Frankreich ein auf Art. 18 Abs. 1 b Dublin III VO gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Frankreich. Das Führen von Konsultationen wurde der beschwerdeführenden Partei nachweislich mitgeteilt.

Frankreich stimmte daraufhin mit Mitteilung vom 16.03.2018 der Wiederaufnahme der BF gem. 18 Abs. 1 d Dublin III VO ausdrücklich zu.

Am 24.04.2018 wurde nach erfolgter Rechtsberatung eine Einvernahme im Zulassungsverfahren mit der BF seitens des BFA durchgeführt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Frankreich gemäß Art. 18 Abs. 1 d Dublin III VO zuständig ist, sowie II. gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass die Abschiebung nach Frankreich zulässig sei.

Begründend wurde ausgeführt, dass der Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen sei, da gemäß Art. 18 Abs. 1 d Dublin III-VO Frankreich für die Prüfung des Antrages zuständig sei. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung des BF ernstlich für möglich erscheinen lassen würden, sei im Verfahren nicht erstattet worden. In einer Gesamtbetrachtung habe sich daher kein Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts des Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben. Es gäbe auch keine Gründe, die Durchführung der Entscheidungen gemäß § 61 Abs. 3 FPG aufzuschieben. Beweiswürdigend wurde insbesondere ausgeführt, dass nicht festgestellt hätte werden können, dass die Überstellung der beschwerdeführenden Partei nach Frankreich eine Verletzung des Art. 3 bzw. Art. 8 EMRK bedeuten würde. Es würde kein besonderes Abhängigkeits- bzw. Naheverhältnis zu sich im Bundesgebiet befindlichen Personen bestehen. Die auch insbesondere nicht zu dem Vater des noch ungeborenen Kindes der BF.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde. In dieser wird zusammenfassend ausgeführt, dass die BF in Österreich mit dem Vater ihres ungeborenen Kindes nunmehr seit 1. Juni 2018 in einem gemeinsamen Haushalt lebt. Ein emotionales bzw. finanzielles Abhängigkeitsverhältnis zu diesem stehe somit fest. Weiters bestehe Mutterschutz nach dem MSchG und eine Überstellung der BF wird erst 8 Wochen nach der Entbindung möglich sein. Laut Mutter Kind Pass wurde als voraussichtlicher Entbindungstermin der 15.08.2018 errechnet. Es wäre somit von einem besonderen Schonungsbedarf der BF als auch des Kindes für rund 8 Wochen nach der Geburt auszugehen. Eine Überstellung nach Frankreich stelle nach subjektiven als auch objektiven Kriterien eine reale Gefahr der Verletzung der in Art. 3 und Art. 8 EMRK gewährten Rechte dar. In Summe würde ersucht vom Selbsteintrittsrecht Österreichs Gebrauch zu machen und das Verfahren zur inhaltlichen Entscheidung in Österreich zuzulassen.

Mit Information des BFA vom 21.08.2018 wurde dem BVwG ein Konvolut von weiteren medizinischen Unterlagen, bzw. Artzbefunden des AKH übermittelt. Diesen Unterlagen konnte insbesondere entnommen werden, dass die Geburt des Kindes der BF bereits mit 10.08.2018 erfolgt wäre, bzw. eine weitere Facharztkontrolle der BF und des Kindes terminisiert wurde.

Mit Beschluss des BVwG vom 27.08.2018 wurde der Beschwerde gem. §17 BFA - VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Mit Schreiben des BFA vom 12.09.2018 wurden dem BVwG der Entlassungsbrief der BF aus dem AKH vom 16.08.2018, sowie das Schwangerschaftsjournal, sowie die Geburtsurkunde des Kindes übermittelt. Betreffend des Kindes wären dem BFA bis dato keine Unterlagen vorgelegt worden. Auch wurde dem BVwG mitgeteilt, dass die AW seit dem 03.09.2018 unbekannten Aufenthaltes wäre.

Die Beschwerde der BF gegen den angefochtenen Bescheid des BFA wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 10.10.2018 gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

Am 30.10.2018 wurde unter Anschluss von mehreren Bescheinigungsmitteln ein Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des BVwG vom 10.10.2018 beendeten Verfahrens beim BVwG eingebracht. Begründend wurde zusammenfassend ausgeführt, dass der Sohn der BF am 24.08.2018 in Wien zur Welt gekommen wäre. Der Vater dieses Sohnes, ein Österreichischer Staatsbürger, habe die Vaterschaft anerkannt, somit würde es sich bei dem Neugeborenen Sohn nunmehr auch um einen österreichischen Staatsbürger handeln. Eine Ausweisung dieses aus dem Bundesgebiet wäre nicht zulässig. Auch wäre eine Trennung von seinem Vater, der diesen täglich besuchen würde, nicht zulässig. Die BF selbst könne jedenfalls nicht von ihrem neugeborenen Kind getrennt werden. Die ausgesprochene Ausweisung der BF nach Frankreich wäre somit unzulässig. Die BF hätte sich dokumentiert erfolglos um eine Wiederaufnahme in die Grundversorgung bemüht. Sie hätte zudem keinen Anlass gesehen daran zu zweifeln, dass der Umstand, dass der Sohn der BF nunmehr österreichischer Staatsbürger wäre, entsprechend im Verfahren berücksichtigt werden würde, bzw. diese Information auch dem BVwG zur Verfügung gestellt worden ist. Die BF würde über eine Geburtsurkunde und über einen Staatsbürgerschaftsausweis verfügen. Offensichtlich wäre das BVwG hierüber jedoch nicht informiert worden und hätte somit diesen Umstand in seiner Entscheidung vom 10.10.2018 noch nicht mitberücksichtigen können. Die Berücksichtigung dieses Umstandes hätte jedoch anzunehmend zu einer anderen Entscheidung geführt.

Dem Antrag auf Wiederaufnahme wurde mit Beschluss des BVwG vom 06.11.2018 stattgegeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die beschwerdeführende Partei begab sich nachweislich aus Frankreich kommend unberechtigt in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 14.03.2018 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Frankreich gemäß Art. 18 Abs. 1 d Dublin III VO zuständig ist, sowie II. gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass die Abschiebung nach Frankreich zulässig sei.

Die Beschwerde der BF gegen den angefochtenen Bescheid des BFA wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 10.10.2018 gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

Am 30.10.2018 wurde unter Anschluss mehrerer Bescheinigungsmitteln ein Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des BVwG vom 10.10.2018 gem. §5 Dublin VO und §61 FPG negativ entschiedenen Verfahrens beim BVwG eingebracht.

Dem Antrag auf Wiederaufnahme wurde mit Beschluss des BVwG vom 06.11.2018 stattgegeben.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgebung der Beschwerde:

§ 21 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I Nr. 24/2016 lautet:

"§ 21 (3) Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint."

Auf gegenständliches Verfahren bezogen ist folgendes festzuhalten:

Im gegenständlichen Verfahren wurde am 06.11.2018 durch das BVwG gem. § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG dem Antrag auf Wiederaufnahme des durch Erkenntnis des BVwG vom 10.10.2018 gem. §5 AsylG und §61 FPG abgewiesenen Verfahrens stattgegeben, da neue Tatsachen oder Beweismittel im Verfahren hervorkommen sind.

Bei diesen handelt es sich insbesondere um die angegebene Tatsache, dass es sich bei dem Sohn der BF nunmehr um einen österreichischen Staatsbürger handelt. Diese Tatsache war dem BVwG zum Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht bekannt und kann allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anderslautendes Ergebnis bewirken.

Das Bundesamt wird somit das Vorliegen der im Zuge des Antrages auf Wiederaufnahme aufgezeigten österreichischen Staatsbürgerschaft des Sohnes der BF im fortgesetzten Verfahren zu überprüfen haben, diese Tatsachen mit der BF gegebenenfalls zu erörtern und entsprechend dem Ergebnis dieser Abklärungen im gegenständlichen Verfahren weiter vorzugehen haben.

Erst unter Zugrundelegung der diesbezüglich vorgenommenen Abklärungen, sowie einer jedenfalls erforderlichen aktualisierten Überprüfung gem. Art. 8 EMRK kann gegenständliches Zuständigkeitsverfahren letztlich entschieden werden, bzw. kann erst auf diesen ergänzenden Abklärungen aufbauend eine abschließende rechtliche Beurteilung des konkreten Einzelfalles durch das BVwG im Beschwerdefall vorgenommen werden.

Aus diesen Gründen war gem. §21 Abs. 3 BFA-VG 2. Satz zwingend vorzugehen.

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W168.2197571.1.02

Zuletzt aktualisiert am

26.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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