TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/16 L525 2170851-1

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Veröffentlicht am 16.11.2018
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Entscheidungsdatum

16.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L525 2170851-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Johannes ZÖCHLING als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX, geb. XXXX, StA: Pakistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.8.2017, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 FPG 2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer - ein pakistanischer Staatsbürger - stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 31.8.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde dieser am 2.9.2015 einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen. Zu seinen Fluchtgründend befragt führte der Beschwerdeführer aus, am 30.8.2011 hätte sich seine Frau aus einem sehr persönlichen Grund, der ihm peinlich sei, scheiden lassen. Es sei ihm sehr peinlich, dass sich seine Frau von ihm scheiden habe lassen. Aus diesem Grund habe er beschlossen, seine Heimat zu verlassen. Dies sei sein einziger Fluchtgrund. Im Falle der Rückkehr habe er nichts zu befürchten.

Der Beschwerdeführer wurde am 3.8.2017 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Er sei gesund und stehe nicht in ärztlicher Behandlung oder nehme Medikamente. Er habe bei der Erstbefragung dir Wahrheit gesagt aber er wisse nicht, was genau übersetzt worden sei. Er verfüge über - näher angeführte Verwandtschaft - in Pakistan. Er habe zehn Jahre die Schule besucht und habe dann eine Ausbildung zum Schneider gemacht, aber nie als solcher gearbeitet. Er habe dann als Chauffeure bei einer privaten Firma gearbeitet. Er habe keinen Militärdienst geleistet. Er spreche Urdu und Punjabi, ein wenig Englisch und sehr gut Griechisch. Er habe von seinem Lohn leben können. Er sei in Rawalpindi geboren und dort aufgewachsen. Sein Vater sei früh verstorben und sei Lehrer gewesen. Seine Mutter sei ebenfalls Lehrerin gewesen und in Pension. Seine Mutter verfüge über das Familienhaus, dieses sei aber in einem schlechten Zustand. Er habe 2005 geheiratet und habe zwei Kinder. Seine Frau hätte sich scheiden lassen und sei wieder verheiratet. Er habe oft versucht seine Ex-Frau zu erreichen. Ein Cousin habe ihm mitgeteilt, dass sie sich habe scheiden lassen. Er sei seiner Ex-Frau gegenüber nicht unterhaltspflichtig. Er habe früher jeden Tag mit seiner Mutter telefoniert. Seit April (Anm.: 2017) habe er keinen Kontakt mehr. Er habe auch in "Karaji" und Lahore gelebt. Er habe Pakistan im Jahr 2008 verlassen. Letztes Jahr im Ramadan habe seine Tochter einen schweren Unfall gehabt. Sie habe seitdem Probleme mit den Augen. Konkret zu seinem Fluchtgrund befragt, führte der Beschwerdeführer an, er wolle nicht lügen, er habe keine richtigen Gründe. Er habe sein Leben schon ruiniert, er bleibe lieber hier, als dass er zurückgehe. Er habe alles erzählt. Er arbeite in einem Altersheim für zwei oder drei Tage. Er beziehe Grundversorgung und verdiene mit seiner Arbeit dazu. Er besuche keinen Deutschkurs, er bringe es sich selbst bei. Er sei kein Mitglied in einem Verein oder in einer Organisation. Der Beschwerdeführer legte eine Bestätigung der Stadt Imst vom 25.7.2017 vor, wonach der Beschwerdeführer bei gemeinnützigen Hilfstätigkeiten seit Juli 2016 regelmäßig helfe und bis dato ca. 189 Stunden eingesetzt worden sei und eine Arbeitsbestätigung des Betagtenheim Imst vom 26.7.2017, wonach der Beschwerdeführer als Reinigungskraft arbeite.

Mit Bescheid des BFA vom 29.8.2017 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.), sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Pakistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Die belangte Behörde stellte zunächst fest, die Identität des Beschwerdeführers stehe nicht fest, er stamme aus Pakistan, spreche Urdu und Punjabi und bekenne sich zum sunnitischen Islam. Er sei geschieden, habe zwei Kinder und sei illegal nach Österreich eingereist. Er sei gesund. Er werde in Pakistan weder gesucht, noch habe der Beschwerdeführer eine Verfolgung behauptet. Gründe, die die Zuerkennung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, seien nicht hervorgekommen. Ein schützenswertes Privatleben habe nicht festgestellt werden können.

Mit Schriftsatz vom 17.9.2017 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Nach Wiedergabe des bisherigen Vorbringens führte die Beschwerde aus, auf ausdrücklichen Wunsch des Beschwerdeführers werde die gegenständliche Beschwerde erhoben und werde auf die bisher vorgebrachten Gründe verwiesen. Der Beschwerdeführer habe aus seiner Sicht ein geschlossenes Vorbringen erstattet und eine nachvollziehbare Furcht vor Verfolgung durch eine Privatperson dargelegt. Staatlicher Schutz stehe im nicht zur Verfügung. Das Bundesverwaltungsgericht werde ersucht den gegenständlichen Fall noch einmal zu prüfen und dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten, des subsidiär Schutzberechtigten bzw. einen Aufenthaltstitel nach dem AsylG zuzusprechen.

Mit Schreiben vom 28.9.2017 legte der Beschwerdeführer ein nicht näher kommentiertes Konvolut an Fotos, die anscheinend seine Tochter und seine Nichte zeigen sollen, Arztbriefe und einen FIR Report vor.

Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte mit Schreiben vom 24.10.2018 die Länderfeststellungen (LIB, Stand: 21.6.2018) zu Pakistan und räumte dem Beschwerdeführer die Möglichkeit ein, binnen einer Woche zu diesen Stellungnahme zu beziehen und Stellungnahme zu seinem Privat- und Familienleben abzugeben.

Mit Schreiben vom 31.10.2018 erstattete der Beschwerdeführer dahingehend eine Stellungnahme, dass er seit über drei Jahren in Österreich sei und hier viele Freunde kennengelernt habe. Er habe einen Deutschkurs besucht und habe fünf Monate für die Gemeinde Imst im Rahmen einer gemeinnützigen Tätigkeit gearbeitet. Er lebe seit einem Jahr mit einer näher bezeichneten Frau, welche aus Kuba stamme, zusammen. Er sei hier gut integriert und könne jederzeit einer Arbeit nachgehen. Er wolle hier belieben und sei dankbar, dass er hierbleiben dürfe und dass er in Sicherheit sei. Sein Leben sei in Pakistan bedroht. Man werde ihn umbringen, wenn er zurück nach Pakistan müsse. Er habe nichts verbrochen während seines Aufenthaltes und habe sich immer an Gesetze und Regeln gehalten. Er habe zu seiner Familie das letzte Mal vor vier Monaten Kontakt gehabt. Er möchte gleichzeitig auf den schlechten Zustand seiner Kinder, welche sich noch im Herkunftsstaat befinden würden, hinweisen. Diese seien bei einem Autounfall schwer verletzt. Er wolle, dass ihnen umfängliche medizinische Versorgung zukomme. Eine solche würde ihnen in Österreich zukommen, weshalb er sie unbedingt nach Österreich nachholen lassen wolle. Er bitte um einen positiven Bescheid. Der Beschwerdeführer legte abermals eine Bestätigung der Stadt Imst vom 25.7.2017 vor, wonach der Beschwerdeführer bei gemeinnützigen Hilfstätigkeiten seit Juli 2016 regelmäßig helfe und bis dato ca. 189 Stunden eingesetzt worden sei und eine Arbeitsbestätigung des Betagtenheim Imst vom 26.7.2017, wonach der Beschwerdeführer als Reinigungskraft arbeite. Darüber hinaus legte er eine Bestätigung des gemeinnützigen Vereins ISSBA vor, wonach der Beschwerdeführer dort von Februar bis Juni 2018 auf Taschengeldbasis gearbeitet habe.

Der Beschwerdeführer legte mit Schreiben vom 2.11.2018 ein Konvolut mit 13 Fotos von Dokumenten, 18 Fotos von Röntgenaufnahmen und vier Fotos von einem Unfall vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest. Der Beschwerdeführer trägt den im Erkenntniskopf angeführten Namen und wurde am dort angeführten Datum geboren. Der Beschwerdeführer stammt aus dem Punjab, verfügt dort über Familie. Der Beschwerdeführer bekennt sich zum sunnitischen Islam und bekennt sich zur Volksgruppe der Rajput. Der Beschwerdeführer spricht Urdu und Punjabi. Der Beschwerdeführer ist gesund. Der Beschwerdeführer besuchte in Pakistan die Schule und hat als Fahrer in Pakistan gearbeitet. Der Beschwerdeführer ist geschieden und hat zwei Kinder.

Der Beschwerdeführer befindet sich spätestens seit dem 31.8.2015 in Österreich. Er ist illegal in das Bundesgebiet eingereist. Der Beschwerdeführer ist nicht vorbestraft, er bezieht Grundversorgung. Der Beschwerdeführer verrichtet gemeinnützige Arbeiten in der Stadt Imst und hilft als Reinigungskraft in einem Altenheim. Der Beschwerdeführer half in einem gemeinnützigen Verein von Februar bis Juni 2018. Der Beschwerdeführer hat keinen Deutschkurs besucht und ist kein Mitglied in einem Verein. Der Beschwerdeführer lebte vom 25.6.2018 bis zum 15.10.2018 mit einer Frau zusammen. Dass mit der angeführten Frau eine Lebensgemeinschaft bestehen würde wurde nicht behauptet. Darüber hinaus lebt der Beschwerdeführer offenbar bereits bei einem anderen Mann.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Pakistan einer aktuellen, unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt war oder er im Falle seiner Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wäre.

Weiters kann unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände und Beweismittel nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan eine reale Gefahr einer Verletzung der EMRK bedeuten oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit mit sich bringen würde. Es steht auch nicht fest, dass der Beschwerdeführer um sein Leben zu fürchten hat.

Eine berücksichtigungswürdige Integration konnte nicht festgestellt werden.

1.2 Länderfeststellungen:

Sicherheitslage

Zentrales Problem für die innere Sicherheit Pakistans bleibt die Bedrohung durch

Terrorismus und Extremismus. Seit Jahren verüben die Taliban und andere terroristische

Organisationen schwere Terroranschläge, von denen vor allem die Provinzen Khyber

Pakhtunkhwa und Belutschistan, aber auch pakistanische Großstädte wie Karatschi, Lahore

und Rawalpindi betroffen sind. Die Terroranschläge richten sich vor allem gegen

Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der

Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten sowie Muslime, die nicht der strikt

konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie z. B. die Sufis (AA 10.2017a).

Landesweit ist die Zahl der terroristischen Angriffe seit 2013 kontinuierlich zurückgegangen,

wobei der Rückgang 2017 nicht so deutlich ausfiel wie im Jahr zuvor und auch nicht alle

Landesteile gleich betraf. In Belutschistan und Punjab stieg 2017 die Zahl terroristischer

Anschläge, die Opferzahlen gingen jedoch im Vergleich zum Vorjahr auch in diesen

Provinzen zurück (PIPS 1.2018 S 21f).

Die pakistanischen Taliban hatten in einigen Regionen an der Grenze zu Afghanistan über

Jahre eigene Herrschaftsstrukturen etabliert und versucht, ihre extrem konservative

Interpretation der Scharia durchzusetzen (AA 20.10.2017). Seit Ende April 2009, als die

Armee die vorübergehende Herrschaft der Taliban über das im Norden Pakistans gelegene

Swat-Tal mit einer Militäraktion beendete, haben sich die Auseinandersetzungen zwischen

dem pakistanischen Militär und den pakistanischen Taliban verschärft. Von Oktober bis

Dezember 2009 wurden die Taliban aus Süd-Wasiristan (ehem. Federally Administered

Tribal Areas - FATA) vertrieben, einer Region, die von ihnen jahrelang kontrolliert worden

war. 2013 lag der Schwerpunkt der Auseinandersetzungen auf dem Tirah-Tal unweit

Peshawar, wo die Taliban zunächst die Kontrolle übernehmen konnten, bevor sie vom Militär

wieder vertrieben wurden (AA 10.2017a).

Die Regierung von Ministerpräsident Nawaz Sharif hatte sich zunächst, mandatiert durch

eine Allparteienkonferenz, um eine Verständigung mit den pakistanischen Taliban auf dem

Verhandlungsweg bemüht. Da sich ungeachtet der von der Regierung demonstrierten

Dialogbereitschaft die schweren Terrorakte im ganzen Land fortsetzten, wurde der

Dialogprozess im Juni 2014, nach Beginn einer umfassenden Militäroperation in Nord-

Wasiristan abgebrochen. Die Militäroperation begann am 15.4.2014 in der bis dahin

weitgehend von militanten und terroristischen Organisationen kontrollierten Region Nord-

Wasiristan, in deren Verlauf inzwischen die Rückzugsräume und Infrastruktur der

aufständischen Gruppen in der Region weitgehend zerstört werden konnten (AA 10.2017a).

Durch verschiedene Operationen der Sicherheitskräfte gegen Terrorgruppen in den [ehem.]

Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas - FATA) konnte dort das staatliche

Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden. Viele militante Gruppen,

insbesondere die pakistanischen Taliban, zogen sich auf die afghanische Seite der Grenze

zurück und agitieren von dort gegen den pakistanischen Staat (AA 20.10.2017).

Durch die Militäroperation wurden ca. 1,5 Millionen Menschen vertrieben. Die geordnete

Rückführung der Binnenvertriebenen in die betroffenen Regionen der Stammesgebiete, die

Beseitigung der Schäden an der Infrastruktur und an privatem Eigentum ebenso wie der

Wiederaufbau in den Bereichen zivile Sicherheitsorgane, Wirtschaft, Verwaltung und Justiz

stellen Regierung, Behörden und Militär vor große Herausforderungen (AA 20.10.2017).

Im Gefolge des schweren Terrorangriffs auf eine Armeeschule in Peshawar am 16.12.2014,

bei dem über 150 Menschen, darunter über 130 Schulkinder, ums Leben kamen und für den

die pakistanischen Taliban die Verantwortung übernahmen, haben Regierung und Militär mit

Zustimmung aller politischen Kräfte des Landes ein weitreichendes Maßnahmenpaket zur

Bekämpfung von Terror und Extremismus beschlossen. Es umfasst u. a. die Aufhebung des

seit 2008 geltenden Todesstrafen-Moratoriums für Terrorismus-Straftaten, die Einführung

von Militärgerichten zur Aburteilung ziviler Terrorismus verdächtiger und Maßnahmen gegen

Hassprediger, Terrorfinanzierung, etc. Ferner sind Ansätze erkennbar, konsequenter als

bisher gegen extremistische Organisationen unterschiedlicher Couleur im ganzen Land

vorzugehen und die staatliche Kontrolle über die zahlreichen Koranschulen (Madrassen) zu

verstärken (AA 10.2017a).

2016 wurden weiterhin Anti-Terroroperationen in den Agencies Khyber und Nord-Wasiristan

durchgeführt, um aufständische Feinde des Staates zu eliminieren. Militärische,

paramilitärische und zivile Sicherheitskräfte führten landesweit Operationen durch.

Sicherheitskräfte, inklusive der paramilitärischen Sindh Rangers, verhafteten Verdächtige

und vereitelten Anschlagspläne in Großstädten wie Karatschi. Operationen der

paramilitärischen Rangers gegen Terrorismus und Kriminalität führten zu geringeren

Ausmaßen an Gewalt und in Karatschi, jedoch wurden in den Medien Vorwürfe veröffentlicht,

dass die Rangers gegen bestimmte politische Parteien auch aus politischen Gründen

vorgingen (USDOS 7.2017).

Spezialisierte Einheiten der Exekutive leiden unter einem Mangel an Ausrüstung und

Training, um die weitreichenden Möglichkeiten der Anti-Terrorismus-Gesetzgebung

durchzusetzen. Die Informationsweitergabe zwischen den unterschiedlichen Behörden

funktioniert nur schleppend. Anti-Terror-Gerichte sind langsam bei der Abarbeitung von

Terrorfällen, da die Terrorismusdelikte sehr breit definiert sind. In Terrorismusprozessen gibt

es eine hohe Rate an Freisprüchen. Dies liegt auch daran, dass Staatsanwälte in

Terrorismusfällen eine untergeordnete Rolle spielen und die Rechtsabteilungen von

militärischen und zivilen Einrichtungen Ermittlungen behindern. Ebenso werden Zeugen,

Polizei, Opfer, Ankläger, Anwälte und Richter von terroristischen Gruppen eingeschüchtert

(USDOS 7.2017).

Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS landesweit 76 terroristische

Angriffe, bei denen 105 Personen ums Leben kamen und 171 Personen verletzt wurden.

Unter den Todesopfern befanden sich 44 Zivilisten, 28 Polizisten, 31 Mitglieder von

Grenzschutz oder Rangers, zwei Steuereintreiber sowie zehn Aufständische (Aggregat aus:

PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018).

Die verschiedenen militanten, nationalistisch-aufständischen und gewalttätigen religiössektiererischen

Gruppierungen führten 2017 370 terroristische Angriffe in 64 Distrikten

Pakistans durch. Dabei kamen 815 Menschen ums Leben und weitere

1.736 wurden verletzt.

Unter den Todesopfern waren 563 Zivilisten, 217 Angehörige der Sicherheitskräfte und 35

Aufständische. 160 (43 %) Angriffe zielten auf staatliche Sicherheitskräfte, 86 (23 %) auf

Zivilisten, 22 waren religös-sektiererisch motiviert, 16 Angriffe zielten auf staatliche

Einrichtungen, 13 waren gezielte Angriffe auf politische Persönlichkeiten oder Parteien, zwölf

waren Angriffe auf regierungsfreundliche Stammesälteste, zehn Angriffe betrafen nichtbelutschische

Arbeiter oder Siedler in Belutschistan und neun betrafen Journalisten oder

Medienvertreter (PIPS 1.2018 S 17f).

2015 gab es 625 Terrorakte in 76 Distrikten/Regionen in Pakistan, 48 % weniger als 2014.

Mindestens 1.069 Menschen verloren dabei ihr Leben, 38 % weniger als 2014, 1443

Personen wurden verletzt, 54 % weniger als 2014. Unter den Todesopfern waren 630

Zivilisten, 318 Angehörige der Sicherheits- und Rechtsdurchsetzungsbehörden und 121

Aufständische (PIPS 3.1.2016). Im Jahr 2016 ging die Zahl der Terroranschläge um weitere

28 % auf 441 zurück, betroffen waren 57 Distrikte. Getötet wurden dabei 908 Personen. Der

Umstand, dass ein Rückgang von 28 % bei der Zahl der Anschläge nur einen leichten

Rückgang von 12 % bei den Todesopfern mit sich brachte, zeigt auch, dass den

Aufständischen einige größere Anschläge gelingen konnten. Zu Tode kamen 545 Zivilisten,

302 Angehörige der Sicherheitskräfte und 61 Aufständische (PIPS 1.2017).

Die Situation verbesserte sich kontinuierlich seit 2013 und der Trend setzte sich auch 2017

fort. Dies lässt sich Großteils auf landesweite, umfassende Operationen gegen

Aufständische durch die Sicherheitsbehörden als Teil des National Action Plan (NAP)

zurückführen, beispielsweise von den Militäroperationen in den [ehem.] FATA zu den von

den Rangers angeführten gezielten Operationen in Karatschi (PIPS 1.2018 S 17ff).

Etwa 58 % (213 von 370) aller Anschläge mit 604 Toten und 1374 Verletzten wurden von

Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) und ihren Splittergruppen bzw. Gruppen mit ähnlichen

Zielen in den [ehem.] FATA und Khyber Pakhtunkhwa wie die Lashkar-e-Islam sowie von ISUnterstützern durchgeführt. Nationalistische Gruppierungen führten 138 Anschläge durch,

vorwiegend in Belutschistan, und einige wenige in Sindh, dabei kamen 140 Menschen ums

Leben und 265 Menschen wurden verletzt. 19 Anschläge mit 71 Toten und 97 Verletzten

wurden durch religiös-sektiererische Gruppen durchgeführt (PIPS 1.2018 S 17).

Insgesamt gab es im Jahr 2017 in Pakistan, inklusive der Anschläge, 713 Vorfälle von für die

Sicherheitslage relevanter Gewalt (2016: 749; -5 %), darunter 75 operative Schläge der

Sicherheitskräfte (2016: 95), 68 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und

Aufständischen (2016: 105), 171 Auseinandersetzungen an den Grenzen mit Indien,

Afghanistan und Iran (2016: 74) und vier Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt

(2016: zwölf) (PIPS 1.2018 S 20; Zahlen für 2016: PIPS 1.2017). Die Zahl der bei diesen

Vorfällen getöteten Personen sank um 15 % auf 1.611 von 1.887 im Jahr 2016, die Zahl der

verletzten Personen stieg jedoch im selben Zeitraum um 13 % von

1.956 auf 2.212 (PIPS

1.2018 S 20). Im Jahr 2016 gab es im Vergleich zu 2015 32 % weniger Vorfälle und 46 %

weniger Todesopfer (PIPS 1.2017).

Im Jahr 2017 wurden 75 operative Schläge und Razzien (2016: 95; -21 %) in 28 Distrikten

oder Regionen Pakistans durchgeführt (2016: 35), davon 39 in Belutschistan (2016: 38), 18

in den [ehem.] FATA (2016: 24), acht in Khyber Pakhtunkhwa (2016: fünf), sieben im Punjab

(2016: 13) und drei in Karatschi (2016: 15). 296 Menschen wurden dabei getötet (2016: 492),

davon 281 Aufständische (2016: 481) (PIPS 1.2018 S 23; Zahlen für 2016: PIPS 1.2017). Im

Jahr 2015 wurden 143 Sicherheitsoperationen in 31 Distrikten mit

1.545 Todesopfern

durchgeführt (PIPS 1.2017).

Es scheint, dass sich nun erfolgreich eine Null-Toleranz-Sicht in Staat und Gesellschaft

gegenüber Terror durchsetzt. Die Sicherheitseinrichtungen sind weiterhin mit vielschichtigen

Herausforderungen konfrontiert. Die wichtigsten davon sind Kapazitätslücken in der

Bekämpfung städtischer Terrorbedrohungen und die mangelhafte Kooperation zwischen den

verschiedenen Gesetzesdurchsetzungsbehörden (PIPS 3.1.2016).

Die Regierung unterhält Deradikalisierungszentren, die "korrigierende religiöse Bildung",

Berufsausbildung, Beratung und Therapie anbieten (USDOS 7.2017). Zentren befinden sich

in Swat, Khyber Agency, Bajaur Agency und Khyber Pakhtunkhwa. Es existieren separate

Programme für Frauen und Jugendliche (BFA 9.2015). Weithin gelobt ist das Sabaoon

Rehabilitation Center einer NGO im Swat-Tal, das gemeinsam mit dem Militär gegründet

wurde und sich an jugendliche ehemalige Extremisten richtet (USDOS 7.2017).

Die Asia Pacific Group on Money Laundering konnte in Pakistan Fortschritte bei der

Behebung von strategischen Mängeln erzielen, die diese in Bezug auf die Bekämpfung der

Finanzierung von Terrorismus zuvor festgestellt hatte. Maßnahmen umfassen z.B. die

Überwachung von grenzüberschreitenden Geldtransfers, NGO-Finanzierungen, das

Einfrieren von Geldern, die rechtliche Meldepflicht von Banken über verdächtige

Transaktionen sowie deren Verpflichtung, regelmäßig die Liste der von der UN als

Terrororganisationen Eingestuften zu kontrollieren. Dennoch werden bestimmte Gruppen,

insbesondere Lashkar e-Tayyiba, nicht effektiv daran gehindert, in Pakistan Spenden zu

lukrieren oder auf ihre finanziellen Mittel zuzugreifen (USDOS 7.2017).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (10.2017a):

Pakistan -

Innenpolitik,

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/

Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.3.2018

-

AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017):

Bericht über die

asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik

PAKISTAN.BFA

Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1453713783_bfa-sd-pakistan-ffm-report-2015-09-

v2.pdf, Zugriff 18.3.2017

-

PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict &

Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

-

PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict &

Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.

-

PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.

-

PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (5.2.2018): Monthly Security Report: January

2018, http://pakpips.com/app/reports/65, Zugriff 14.5.2018

-

PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.3.2018): Monthly Security Report: February

2018, http://pakpips.com/app/reports/169, Zugriff 14.5.2018

-

PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.4.2018): Monthly Security Report: March

2018, http://pakpips.com/app/reports/199, Zugriff 14.5.2018

-

USDOS - US Department of State (7.2017): Country Report on Terrorism 2016 - Chapter

2 - Pakistan (S 261-265),

https://www.state.gov/documents/organization/272488.pdf,

Zugriff 8.5.2018

Regionale Verteilung der Gewalt:

Der regionale Schwerpunkt terroristischer Anschläge mit den meisten Opfern liegt in Khyber

Pakhtunkhwa, den [ehem.] Stammesgebieten FATA und in Belutschistan (AA 28.3.2018)

sowie in der Wirtschaftsmetropole Karatschi, wobei es in Karatschi seit 2016 nicht mehr zu

größeren Anschlägen gekommen ist (AA 20.10.2017). Für das erste Quartal 2018 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS landesweit 76 terroristische Angriffe, bei denen 105 Personen ums Leben kamen. Davon entfielen auf Belutschistan 40 Anschläge mit 56 Toten; auf Khyber Pakhtunkhwa zehn Anschläge mit 20 Toten und auf die [ehem.] FATA 18 Anschläge mit 17 Toten. Im Sindh gab es fünf Anschläge mit acht Toten, in Punjab zwei Anschläge mit zwölf Toten. Im Hauptstadtterritorium Islamabad, in Gilgit Baltistan und Azad Jammu & Kashmir wurden keine Anschläge registriert (Aggregat aus: PIPS 6.4.2018; PIPS 6.3.2018; PIPS 5.2.2018).

Im Jahr 2017 war Belutschistan - wie schon in den drei Jahren zuvor - die am stärksten vom

Terrorismus betroffene Provinz. Bei 165 Anschlägen kamen 288 Menschen ums Leben.

Somit entfielen 44 % aller Anschläge bzw. 35 % aller Todesfälle landesweit auf

Belutschistan. Die [ehem.] Stammesgebiete (FATA) waren die am zweitstärksten vom

Terrorismus betroffene Region, sowohl was die Zahl der Anschläge als auch der Opfer

angeht. Bei 83 Angriffen kamen 253 Personen ums Leben. In Khyber Pakhtunkhwa kamen

bei 71 Anschlägen 91 Personen ums Leben; in Sindh gab es 31 Anschläge (davon 24 in

Karatschi) mit 119 Todesopfern (davon 25 in Karatschi, sowie 91 durch einen einzigen

suizidalen Sprengstoffanschlag in Sehwan Sharif). Im Punjab kam es zu 14 Anschlägen mit

61 Todesopfern, im Hauptstadtterritorium gab es drei Anschläge mit zwei Todesopfern und in Azad Jammu und Kashmir gab es drei Anschläge mit einem Todesopfer (PIPS 1.2018 S 37-

59).

Im Jahr 2016 war Belutschistan wieder die Region von Pakistan mit den höchsten

Anschlagszahlen - 151 Anschläge wurden durchgeführt. Sie war auch die Provinz mit den

höchsten Opferzahlen, mit 412 Toten. Khyber Pakhtunkhwa war am zweitstärksten von

Anschlägen betroffen, 127 Anschläge töteten hier 189 Menschen. Gefolgt wurden diese von

den [ehem.] FATA mit 99 Anschlägen und 163 Toten. Sindh war von 54 Anschlägen mit 63

Toten betroffen, allerdings entfielen davon 47 Anschläge mit 60 Toten allein auf Karatschi.

Im Sindh - Karatschi ausgenommen - gingen die Todeszahlen in Bezug zu Terrorismus um

97 % zurück, in Islamabad um 75 %, in Karatschi um 60 und in den [ehem.] FATA um 38 %.

Islamabad erlitt einen Anschlag mit einem Toten (PIPS 1.2017).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (20.10.2017):

Bericht über die

asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik

PAKISTAN.

-

AA - Auswärtiges Amt Deutschland (28.3.2018): Pakistan - Reiseund

Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung)

https://www.auswaertiges-amt.de/de/pakistansicherheit/204974, Zugriff 8.5.2018

-

PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict &

Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016 - Pakistan Security Report.

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PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (1.2018): PIPS Research Journal - Conflict &

Peace Studies, Vol.10, No.1, Special Report 2017 - Pakistan Security Report.

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PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.

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PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.4.2018): Monthly Security Report: March

2018, http://pakpips.com/app/reports/199, Zugriff 14.5.2018

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PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (6.3.2018): Monthly Security Report: February

2018, http://pakpips.com/app/reports/169, Zugriff 14.5.2018

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PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (5.2.2018): Monthly Security Report: January

2018, http://pakpips.com/app/reports/65, Zugriff 14.5.2018

Rechtsschutz/Justizwesen

Die pakistanische Verfassung und die gesamte pakistanische Rechtsordnung basieren

weitgehend auf dem britischen Rechtssystem, wobei gemäß Art. 227 der Verfassung alle

Gesetze grundsätzlich in Einklang mit der Scharia stehen müssen; deren Einfluss auf die

Gesetzgebung ist trotz Bestehens etwa des Konsultativorgans Council of Islamic Ideology -

abgesehen von bestimmten Bereichen wie beispielsweise den Blasphemiegesetzen -

dennoch eher beschränkt (ÖB 10.2017).

Der Aufbau des Justizsystems ist zunächst in der Verfassung geregelt, deren Art. 175 die

folgenden Organe aufzählt: Supreme Court of Pakistan, ein High Court in jeder Provinz

sowie im Islamabad Capital Territory und weitere durch das Gesetz eingerichtete Gerichte.

Des Weiteren existiert gemäß Art. 203A ff der Verfassung ein Federal Shariat Court, der u.a.

von Bürgern, der Zentral- sowie den Provinzregierungen zur Prüfung von Rechtsvorschriften

auf ihre Vereinbarkeit mit den "Injunctions of Islam" angerufen werden kann (er kann

diesbezüglich auch von sich aus tätig werden). Weiters bestehen noch Provinz- und

Distriktgerichte, Zivil- und Strafgerichte sowie spezialisierte Gerichte für Angelegenheiten wie Steuerrecht, Banken oder Zoll (ÖB 10.2017).

Der Supreme Court ist das pakistanische Höchstgericht; neben seinen Aufgaben als letzte

Rechtsmittelinstanz in Zivil- und Strafsachen umfassen seine Zuständigkeiten die Regeleung

von Streitfällen zwischen Lokalregierungen ("original jurisdiction in any dispute between any

two or more Governments") sowie beratende Rechtsprechung ("advisory jurisdiction") auf

Aufforderung durch den Staatspräsidenten (Art. 184 ff der Verfassung). Außerdem kann er

sich in Fällen öffentlicher Bedeutung auch der Rechtsdurchsetzung bei

Grundrechtsverletzungen, die gem. Art. 199 der Verfassung in die Zuständigkeit der High

Courts fällt, annehmen (Art. 185 Abs. 3 der Verfassung). Für diesen Bereich wurde eine

eigene Human Rights Cell eingerichtet. Aufgrund seiner umfassenden Zuständigkeit gilt der

Supreme Court als chronisch überlastet (ÖB 10.2017).

Auch die fünf High Courts (Lahore High Court, High Court of Sindh, Peshawar High Court,

High Court of Balochistan, Islamabad High Court) fungieren u. a. als Berufungsinstanz gegen

Beschlüsse und Urteile von Special Courts sowie als Aufsichts- und Kontrollorgane für alle

ihnen unterstehenden Gerichte (Subordinate Courts). Auch bei den High Courts ist ein

beträchtlicher Rückstau an Fällen zu verzeichnen (ÖB 10.2017).

In Azad Jammu und Kashmir (AJK) sowie in Gilgit-Baltistan gibt es eigene Justizsysteme

(ÖB 10.2017; vgl. USDOS 20.4.2018). Die örtliche Zuständigkeit von Supreme Court und

High Courts erstreckte sich gem. Art. 247 Abs. 7 der Verfassung grundsätzlich nicht auf die

Stammesgebiete (Provincially Administered Tribal Areas, PATA; Federally Administered

Tribal Areas, FATA; vgl. Art. 246 der Verfassung) (ÖB 10.2017). Nach dem Inkrafttreten der

interimistischen Gesetzgebung für das Gebiet der FATA am 28.5.2018 und der

administrativen Vereinigung der FATA mit der Provinz Khyber Pakhtunhkhwa am 31.5.2018

wird die staatliche Gerichtsbarkeit teilweise und innerhalb der nächsten zwei Jahre

vollständig auf die ehem. Stammesgebiete ausgedehnt (Dawn 31.1.2018) [vgl. Abschnitt

4.1].

Der Federal Shariat Court besteht aus höchstens acht Richtern muslimischen Glaubens, von

denen drei islamische Gelehrte (Ulema) sein müssen (Art. 203C der Verfassung).

Beschwerden gegen seine Entscheidungen werden an die Shariat Appellate Bench des

Supreme Court gerichtet. Neben der bereits erwähnten Zuständigkeit, Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den Regeln des Islams zu prüfen, fungiert der Federal Shariat Court zusätzlich zum Teil als Rechtsmittelinstanz in sogenannten Hudood-Fällen (Delikte nach den Hudood Ordinances von 1979, die eine v.a. Frauen stark benachteiligende Islamisierung des Strafrechts brachten und durch den Protection of Women (Criminal Law Amendment) Act 2006 in - Kritikern zufolge bei Weitem nicht ausreichenden - Teilen entschärft wurden) (ÖB 10.2017).

Die Richter des Supreme Court, der High Courts sowie des Federal Shariat Court werden

vom Staatspräsidenten auf Vorschlag der Judicial Commission of Pakistan und nach

Bestätigung durch einen Parlamentsausschuss ernannt (Art. 203C der Verfassung). Die den

High Courts unterstehende Subordinate Judiciary kann grob in zwei Kategorien eingeteilt

werden: Zivilgerichte, die durch die Civil Courts Ordinance 1962 eingerichtet wurden, und

Strafgerichte nach dem Code of Criminal Procedure 1898. Darüber hinaus besteht aber auch

eine Reihe von Gerichten, die unter speziellen Gesetzen eingerichtet wurden (ÖB 10.2017).

Die Justiz verteidigt ihre nach Ende der Militärherrschaft zurückgewonnene Unabhängigkeit

erfolgreich und bemüht sich, den Rechtsstaat in Pakistan zu stärken. Erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen allerdings fort. Die im Rahmen des nationalen Anti-Terror-Aktionsplans vom

24.12.2014 vorgesehene grundlegende Reform des Systems der Strafjustiz kommt bislang

nicht voran. Die Schwäche der staatlichen Institutionen, nicht zuletzt im Bereich der Justiz,

führt in vielen Fällen dazu, dass dem Recht keine Geltung verschafft wird (AA 20.10.2017).

Auf dem Index des "World Justice Project" zur Rechtsstaatlichkeit 2017 rangiert Pakistan auf

Platz 105 von 113, was eine Verbesserung um einen Rang gegenüber dem Vorjahr darstellt

(WJP 2018).

Das Gesetz garantiert die Unabhängigkeit der Justiz, doch laut NGOs und Rechtsexperten

ist die Justiz in der Praxis oft von externen Einflüssen, wie der Angst vor Repressionen durch

extremistische Elemente bei Fällen von Terrorismus, Blasphemie oder

öffentlichkeitswirksamen politischen Fällen beeinträchtigt. Viele Gerichte unterer Instanzen

bleiben korrupt, ineffizient und anfällig für den Druck von wohlhabenden Personen und

einflussreichen religiösen und politischen Akteuren. Es gibt Beispiele, wo Zeugen,

Staatsanwälte oder ermittelnde Polizisten in High Profile Fällen von unbekannten Personen

bedroht oder getötet wurden. Die oberen Gerichte und der Supreme Court werden allerdings von den Medien und der Öffentlichkeit als glaubwürdig eingestuft (USDOS 20.4.2018).

Gewalt der Taliban war v.a. gegen Gerichte und Anwälte gerichtet. So gab es im Jahr 2016

einige Anschläge auf das Justizwesen: im März und im September erfolgte jeweils ein

Anschlag auf ein Distriktgericht in Khyber Pakhtunkhwa, wobei 17 bzw. 14 Menschen

starben, und in Quetta gab es ein Attentat auf ein Krankenhaus, in dem sich, nach Schüssen

auf den Präsidenten der Anwaltsvereinigung Belutschistan, Anwälte versammelten, wobei 70 Menschen starben (HRW 12.1.2017). Im Februar 2017 starben bei einem Angriff der

pakistanischen Taliban auf ein Gerichtsgebäude im Distrikt Charsadda, in Khyber

Pakhtunkhwa, fünf Menschen (Reuters 21.2.2017).

Polizei und Justiz unterlaufen häufig Fehler bei der Untersuchung von Straftaten. Kor

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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