Entscheidungsdatum
22.11.2018Norm
AsylG 2005 §18 Abs1Spruch
L516 2209561-1/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, StA Bangladesch, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH - ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.10.2018, XXXX, beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 21 Abs 3 BFA-VG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 21.03.2018 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welcher vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 05.07.2018, sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde; gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Bangladesch zulässig sei. Jene Entscheidung des BFA wurde dem damals unvertretenen Beschwerdeführer am 09.07.2018 zugestellt und erwuchs mangels Erhebung einer Beschwerde mit Ablauf des 06.08.2018 in Rechtskraft.
2. Am 16.10.2018 stellte der Beschwerdeführer, nachdem er am 13.09.2018 nach illegaler Einreise aus Italien kommend aufgegriffen wurden war, den dem gegenständlichen Verfahren zugrunde liegenden zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem wurde er am 17.10.2018 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt sowie am 29.10.2018 vor dem BFA niederschriftlich einvernommen.
3. Das gegenständliche Verfahren des Beschwerdeführers wurde nicht zugelassen.
4. Das BFA wies mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 30.10.2018 den Antrag gemäß § 68 Abs 1 AVG hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten (Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides) sowie hinsichtlich des Status eines subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides) wegen entschiedener Sache zurück. Das BFA erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III, erließ gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV) und stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V). Das BFA sprach zudem aus, dass gemäß § 55 Abs 1a keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI) und erließ gem § 53 Abs 1 iVm Abs 2 ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot. Mit Verfahrensanordnung wurde vom BFA gemäß § 52 Abs 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren amtswegig eine juristische Person als Rechtsberater zur Seite gestellt.
5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerechte Beschwerde vom 13.11.2018.
6. Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakten des BFA langte der Aktenlage nach am 16.11.2018 beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Linz, ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 21.03.2018 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welcher vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 05.07.2018, sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde; gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Bangladesch zulässig sei. Jene Entscheidung des BFA wurde dem damals unvertretenen Beschwerdeführer am 09.07.2018 zugestellt und erwuchs mangels Erhebung einer Beschwerde mit Ablauf des 06.08.2018 in Rechtskraft.
1.2. Der Beschwerdeführer begründete einen ersten Antrag auf internationalen Schutz vom 21.03.2018 zusammengefasst damit, er sei mit einem Freund aufgewachsen und plötzlich hätten sie ein Liebesverhältnis gehabt. Ab Dezember 2015 habe er dann mit ihm Sex gehabt. Ein älterer Herr habe das am 13. März 2016 mitbekommen. Der ältere Herr habe sie vom 20.08.2016 bis 27.08.2016 gesehen und in weiterer Folge die Mutter des Beschwerdeführers und das Oberhaupt der Moschee verständigt. Er sei auch von den Leuten bei der Polizei wegen dem Sex angezeigt worden, die Polizei habe die Anzeige jedoch nicht entgegengenommen und auch nichts gemacht, weil der Beschwerdeführer damals erst 16 Jahr alt und noch minderjährig gewesen sei. Er sei von seiner Mutter zu Verwandten geschickt worden. Seine Verwandtschaft habe dann erfahren, dass er bisexuell sei, und ihm gesagt, dass er nicht bleiben könne. Er ging zu einem anderen Verwandten, der das auch erfahren habe und das Moscheeoberhaupt angerufen habe, damit jenes Oberhaupt ihn töten könne. Der Beschwerdeführer sei dann weggelaufen. Die Leute in seiner Heimatregion würden ihn töten. Er sei erst 16 bzw (nach Rückübersetzung des Einvernahmeprotokolls) 14 Jahre alt gewesen, als er Bangladesch verlassen habe. Zur Frage des BFA, ob er "immer noch homosexuell" sei, gab der Beschwerdeführer an, er sei noch jung, er gehe dahin, wie es sich weiterentwickle (Einvernahme 03.07.2018, S 8).
Der Beschwerdeführer gab im Verfahren zu seinem ersten Antrag an, am XXXX geboren zu sein und nach einer vom BFA veranlassten medizinischen Volljährigkeitsbeurteilung setzte das BFA mittels Verfahrensanordnung vom 30.04.2018 als "Geburtsdatum für das Mindestalter" den XXXX fest und das BFA erklärte den Beschwerdeführer für volljährig.
Das BFA richtete im Zuge von Dublin-Konsultationen ein Informationsersuchen an die griechischen Behörden und erhielt von diesen am 29.05.2018 die Auskunft, dass der Beschwerdeführer in Griechenland am 18.12.2015 mit demselben Namen und dem Geburtsdatum XXXX registriert worden war.
Das BFA traf im rechtskräftigen Bescheid zum ersten Antrag die Sachverhaltsfeststellungen, dass der Beschwerdeführer persönlich unglaubwürdig sei und es nicht festgestellt werden könne, dass er sein Herkunftsland wegen Homosexualität habe verlassen müssen (Bescheid 05.07.2018, S 12, 13). Im Rahmen der diesbezüglichen Beweiswürdigung führte das BFA aus, dass die Angaben des Beschwerdeführers nicht schlüssig, wenig konkretisiert und nicht plausibel gewesen seien. Der Beschwerdeführer habe keine Verfolgung glaubhaft machen können, Der Beschwerdeführer habe selbst bei nebensächlichen Themen unrichtige Angaben gemacht, weshalb ihm die persönliche Glaubwürdigkeit abzusprechen gewesen sei, weshalb von einer Glaubhaftmachung des Fluchtvorbringens nicht gesprochen werden könne. Insgesamt sei sein Vorbringen somit nicht glaubhaft gewesen. Selbst bei Wahrunterstellung wäre das Vorbringen nicht asylrelevant, da es in Bangladesch kein Meldewesen gebe, der Beschwerdeführer dezidiert angegeben habe, lediglich von den Leuten in seiner Heimatprovinz bedroht zu werden und dem Beschwerdeführer somit eine innerstaatliche Fluchtalternative offen stehen würde Bescheid 05.07.2018, S 44, 45). Das BFA führte des Weiteren aus, dass auch kein Sachverhalt im Sinne der Art 2 und 3 EMRK vorliege und eine Rückkehrentscheidung im Falle des Beschwerdeführers keine Verletzung des Art 8 EMRK darstelle. Jene Entscheidung erwuchs am mit Ablauf des 06.08.2018 in Rechtskraft.
1.2. Der Beschwerdeführer führte zur Begründung des verfahrensgegenständlich zweiten Antrages auf internationalen Schutz bei der Erstbefragung am 17.10.2018 aus, er habe alle seine Gründe bereits beim ersten Antrag genannt, es sei in Bangladesch ein großes Problem, dass er schwul sei (AS 11). Bei der Einvernahme am 29.10.2018 gab er an, er stelle den neuen Antrag, da er homosexuell sei und [das BFA] genau wisse, wie in Bangladesch ein homosexueller Mann behandelt werde. Wenn er nach Bangladesch zurück müsse, werde er getötet. Er habe noch immer dieselben Fluchtgründe wie bei seiner Einreise nach Österreich. Ein Freund habe ihm vor etwa vier oder fünf Tagen gesagt, dass er noch immer in Bangladesch gesucht werde. Er wolle hier in Österreich mit seiner persönlichen Meinung und Einstellung leben (AS 76, 77).
1.3. Das BFA stellte im angefochtenen Bescheid zu den Gründen für den neuen Antrag auf internationalen Schutz zunächst fest, der Beschwerdeführer stütze seine Angaben auf sein als unglaubwürdig qualifiziertes Vorbringen im ersten Asylantrag und habe im gegenständlichen Verfahren unglaubwürdig weitere Fluchtgründe vorgebracht. Es habe sich kein neuer objektiver Sachverhalt ergeben, die allgemeine maßgebliche Lage habe sich nicht geändert (AS 99).
Im Rahmen der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides traf das BFA "[b]etreffend die Feststellungen zu den Gründen für Ihren neuen Antrag auf internationalen Schutz" wörtlich die folgenden Ausführungen (AS 122, 123):
"Im ersten Asylverfahren brachten Sie im Wesentlichen vor, dass Sie Ihr Heimatland verlassen hätten, da Sie dabei erwischt worden wären, wie Sie eine Beziehung homosexueller Natur zu einem Freund pflegten. Deshalb würde man Sie in Ihrem Herkunftsstaat verfolgen. Sie wären schließlich geflüchtet und aus Bangladesch ausgereist.
Sie brachten nun im gegenständlichen Verfahren vor, dass ihre Fluchtgründe aus dem ersten Asylverfahren noch immer gelten würden und Sie sich weiterhin auf diese berufen würden. Als einzige Neuerung gaben Sie an, dass Sie von einem Freund, mit welchem Sie zwei bis drei Mal im Monat Kontakt haben würden, erfahren hätten, dass weiter nach Ihnen gesucht werden würde. Sie vermochten es aber nicht diese Aussage näher zu konkretisieren oder genauere Daten und Fakten hinsichtlich der Geschehnisse im Heimatland dem Bundesamt näher zu bringen. Fragwürdig erscheint auch, dass Sie zu dem besagten Freund lediglich angeben konnten, dass sein Name MAINUDDIN Rana wäre und Sie vermuten würden, dass er gleich alt wie Sie wäre, es aber auch sein könnte, dass er ein oder zwei Jahre älter wäre als Sie , und dass, obwohl Sie Ihn bereits seit Ihrer Kindheit kennen würden.
Im Bescheid vom 25.07.2000, Zl. 212.317/0-V/13/99 hat der UBAS festgestellt, dass im Verfahren grundsätzlich die Aussage des Antragstellers von zentrale Bedeutung ist und im dortigen Erkenntnis vorgelegten Urkunden geringere Beweiskraft beizumessen war, weil von der absoluten Unglaubwürdigkeit ihrer Angaben ausgegangen wurde. Folglich muss Ihr Sachvortrag in Ihrem Asylverfahren herangezogen werden, um feststellen zu können, ob der Inhalt dieser Bestätigungen der Wahrheit entspricht.
Da Sie Ihr Vorbringen im gegenständlichen Asylverfahren auf ein bereits rechtskräftig als unglaubwürdig qualifiziertes Vorbringen stützen bzw. Ihr gegenwärtiges Vorbringen auf ein solches aufbauen, kann kein neuer Sachverhalt vorliegen, weil jeder Sachverhalt, welcher auf dieses unglaubwürdige bzw. mit diesem im Zusammenhang stehende Vorbringen aufbaut, nach den Denkgesetzen der Logik ebenfalls als unglaubwürdig zu werten ist und der darin behauptete Sachverhalt in der Tatsachenwirklichkeit nicht existiert. Auch das diesbezügliche Vorbringen bezieht sich nämlich darauf, dass Ihr angebliches jedoch nicht glaubwürdiges Problem in Bangladesch fortwirkt. Damit könnte auch keine Änderung der Entscheidung herbeigeführt werden, da ihr Vorbringen aus den Vorverfahren als unglaubwürdig qualifiziert wurde und kein neuer Sachverhalt vorliegt. Sie begehren daher faktisch die Auseinandersetzung mit Ihren bereits in Ihrem vorangegangenen - rechtskräftig beendeten - Asylverfahren vorgebrachten Fluchtgründen. Durch den Grundsatz "ne bis in idem" soll jedoch gerade eine solche nochmalige Auseinandersetzung mit einer bereits entschiedenen Sache, abgesehen von den Fällen der §§ 68 Abs. 2-4, 69 und 71 AVG, nicht erfolgen.
Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass es Ihnen auch im Folgeverfahren nicht gelungen ist, ihr Fluchtvorbringen glaubhaft zu machen und es hier mangels glaubhaften Kerns des neuen Vorbringens auch zu keiner entscheidungsrelevanten und zu berücksichtigenden Sachverhaltsänderung gekommen ist."
2. Beweiswürdigung
2.1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den vom BFA vorgelegten und unverdächtigen Verwaltungsverfahrensakten zu den Anträgen des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz, aus den Gerichtsakten des Asylgerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichtes zum Vorverfahren sowie aus dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes zum gegenwärtigen Beschwerdeverfahren, konkret aus den in den Akten befindlichen Niederschriften und aus dem angefochtenen Bescheid, wobei zu den jeweiligen Feststellungen die entsprechenden konkreten Quellen bzw Aktenseiten (AS) angeführt sind.
3. Rechtliche Beurteilung
Zu A)
Stattgabe der Beschwerde gemäß § 21 Abs 3 BFA-VG und Behebung des bekämpften Bescheides
3.1. Gemäß § 68 Abs 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs 2 bis 4 AVG findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Allgemein zur entschiedenen Sache gem § 68 Abs 1 AVG
3.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht die Rechtskraft einer Entscheidung einem neuerlichen Antrag entgegen, wenn keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vorliegt und in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt keine Änderung eingetreten ist (VwGH 29.06.2015, Ra 2015/18/0122). Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene Sache", also durch die Identität der Verwaltungssache, über die bereits mit einem formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten bestimmt (VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029). Identität der Sache als eine der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 68 Abs 1 AVG ist dann gegeben, wenn sich der für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt, der dem rechtskräftigen Vorbescheid zugrunde lag, nicht geändert hat. Im Übrigen ist bei der Überprüfung, ob sich der Sachverhalt maßgeblich verändert hat, vom rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne dass dabei dessen sachliche Richtigkeit nochmals zu ergründen wäre, weil die Rechtskraftwirkung ja gerade darin besteht, dass die von der Behörde entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Eine andere fachliche Beurteilung unverändert gebliebener Tatsachen berührt die Identität der Sache nicht. In Bezug auf die Rechtslage kann nur eine Änderung der maßgeblichen Rechtsvorschriften selbst bei der Frage, ob Identität der Sache gegeben ist, von Bedeutung sein, nicht aber eine bloße Änderung in der interpretativen Beurteilung eines Rechtsbegriffs oder einer Rechtsvorschrift bei unverändertem Normenbestand (VwGH 24.06.2014, Ro 2014/05/0050). Als Vergleichsentscheidung ist dabei jene heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783). Erst nach Erlassung des Bescheides hervorgekommene Umstände, die eine Unrichtigkeit des Bescheides dartun, stellen keine Änderung des Sachverhaltes dar, sondern bilden lediglich unter den Voraussetzungen des § 69 AVG einen Wiederaufnahmegrund (VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029). Im Folgeantragsverfahren können - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - nur neu entstandene Tatsachen, die einen im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren geänderten Sachverhalt begründen, zu einer neuen Sachentscheidung führen, nicht aber solche, die bereits vor Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens bestanden haben (VwGH 08.09.2015, Ra 2014/18/0089). In Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz zukommt (VwGH 09.03.2015, Ra 2015/19/0048). Die Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrages auf Grund geänderten Sachverhalts hat nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen. Im Rechtsmittelverfahren ist ausschließlich zu prüfen, ob die Behörde erster Instanz zu Recht zum Ergebnis gelangt ist, dass keine wesentliche Sachverhaltsänderung eingetreten ist. Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH 29.06.2015, Ra 2015/18/0122).
3.3. Gemäß § 21 Abs 3 BFA-VG ist der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint (Satz 2). Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen (Satz 1).
3.4. Zur Beurteilung im gegenständlichen Verfahren
3.4.1. Das Bundesverwaltungsgericht hat fallbezogen unter Beachtung der zuvor zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu prüfen, ob die Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zum Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist (vgl VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307).
3.4.2. Maßstab der Rechtskraftwirkung bildet die Entscheidung, mit der zuletzt in der Sache entschieden wurde (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783), im vorliegenden Fall somit der Bescheid des BFA, welches mit Ablauf des 06.08.2018 rechtskräftig geworden ist.
3.4.3. Der Beschwerdeführer begründet seinen nunmehrigen Antrag einerseits damit, dass er, wie er bereits im Vorverfahren angegeben hat, aufgrund homosexueller Handlungen, die er vor seiner Ausreise in Bangladesch vorgenommen hat, noch immer verfolgt werden. Mit diesem Vorbringen stützt er sich auf Ereignisse, die von der Rechtskraft des Vorbescheides umfasst sind.
3.4.4. Der Beschwerdeführer gab darüber hinaus jedoch bei der Einvernahme am 29.10.2018 an, dass er homosexuell sei und er hier in Österreich mit seiner persönlichen Meinung und Einstellung leben wolle (AS 76, 77). Dass sich auch dieses Vorbringen ausschließlich auf Sachverhalte bezieht, die schon vor Beendigung des Vorverfahrens verwirklicht worden wären, kann nicht gesagt werden. Es geht vielmehr - entgegen den Ausführungen der belangten Behörde - über die im ersten Asylverfahren gemachten Angaben des Beschwerdeführers wesentlich hinaus und machte daher eine beweiswürdigende Auseinandersetzung mit dem neuen Vorbringen erforderlich.
Das BFA hat im Vorverfahren zwar die Feststellung getroffen, dass es nicht habe festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland wegen Homosexualität habe verlassen müssen und im gegenständlichen zweiten Verfahren begründete das BFA die Entscheidung damit, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, sein Fluchtvorbringen glaubhaft zu machen.
Das BFA hat jedoch bisher weder im Vorverfahren noch im gegenständlichen Verfahren konkret Sachverhaltsfeststellungen dazu getroffen, ob der Beschwerdeführer homosexuell ist oder nicht, was fallbezogen vor dem Hintergrund der im Bescheid enthaltenen Länderfeststellungen zu Bangladesch (Bescheid, S 30 f) und der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes (vgl zB EuGH 07.11.2013, C-199/12) entscheidungsrelevant ist.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind die von einem Asylweber behaupteten Geschehnisse, die sich nach rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens ereignet haben sollen, daraufhin zu überprüfen, ob sie einen "glaubhaften Kern" aufweisen oder nicht. Dass das neue Vorbringen in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den im Erstverfahren nicht geglaubten Behauptungen stand, ändert an diesem Umstand nichts. Ein solcher Zusammenhang kann für die Beweiswürdigung der behaupteten neuen Tatsachen argumentativ von Bedeutung sein, macht eine Beweiswürdigung des neuen Vorbringens aber nicht von vornherein entbehrlich oder gar - in dem Sinn, mit der seinerzeitigen Beweiswürdigung unvereinbare neue Tatsachen dürften im Folgeverfahren nicht angenommen werden - unzulässig. Könnten die behaupteten neuen Tatsachen, gemessen an der der rechtskräftigen Vorentscheidung zu Grunde liegenden Rechtsanschauung, zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedürfte es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit. Hat das BFA die somit erforderliche Prüfung nicht vorgenommen, konnte dieser mangelhafte Sachverhalt vom Bundesverwaltungsgericht nicht einfach dadurch behoben werden, dass es dem neuen Fluchtvorbringen nun erstmals den "glaubhaften Kern" absprach. Vielmehr wäre der Beschwerde im Sinne des § 21 Abs 3 BFA-VG 2014 stattzugeben gewesen (VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0025).
Die vom BFA bisher getroffenen Sachverhaltsfeststellungen und die beweiswürdigenden Ausführungen des BFA im angefochtenen Bescheid erweisen sich aus den zuvor dargelegten Gründen, als nicht ausreichend tragfähig, dieses neue Vorbringen des Beschwerdeführers schon allein damit schlüssig als unglaubhaft zu erachten.
3.4.5. Im Ergebnis wurde eine - ordnungsgemäße - Prüfung des Vorbringens des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren auf das Vorliegen eines "glaubhaften Kerns" in Hinblick auf die von ihm vorgebrachte Homosexualität und seinen Wunsch, diese in Österreich auch leben zu können, vom BFA unterlassen und dem Bundesverwaltungsgericht ist es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht erlaubt, diesen Mangel selbst zu beheben (vgl VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0025).
Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang schließlich noch auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach hinsichtlich eines Folgeantrages in einem Asylverfahren nach dem Asylgesetz 2005 die Verpflichtung besteht, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten, sondern auch in Bezug auf die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten einer Prüfung zu unterziehen und vor diesem Hintergrund eine Überprüfung, ob dem Beschwerdeführer in seiner konkreten Situation im Falle einer Rückführung in den Herkunftsstaat eine Gefährdung gemäß Art 3 EMRK droht, geboten ist (VfGH 16.09.2013, U 1268/2013; 13.12.2017, E 223/2017).
3.4.6. Der Beschwerde ist daher gemäß § 21 Abs 3 BFA-VG stattzugeben und der angefochtene - im Zulassungsverfahren ergangene - Bescheid ist aufzuheben. Das Verfahren ist somit zugelassen.
3.4.7. Das BFA wird im fortzusetzenden Verfahren das im Rahmen des Beschwerdeverfahrens erstattete Parteivorbringen - im gegenständlichen Fall somit die Beschwerdeausführungen - sowie allfällig zwischenzeitig vorgelegte Beweismittel zu berücksichtigen und gemäß § 18 Abs 1 AsylG gegebenenfalls darauf hinzuwirken haben wird, dass getätigte Angaben ergänzt bzw vervollständigt werden. Das BFA wird nach den dazu zweckmäßigen Ermittlungsschritten das Ermittlungsergebnis unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Bescheinigungsmittel einer - schlüssigen und individuellen - Beweiswürdigung zu unterziehen und individuelle Feststellungen zu treffen zu haben, wobei vom Beschwerdeführer dabei neu behauptete Geschehnisse - und auch seine Rechtfertigung für den Zeitpunkt seines Vorbringens - vom BFA individuell und schlüssig daraufhin zu überprüfen sein werden, ob diese einen "glaubhaften Kern" aufweisen oder nicht.
Entfall der mündlichen Verhandlung
3.5. Aufgrund der Behebung des angefochtenen Bescheides konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen.
Zu B)
Revision
3.6. Da die Rechtslage durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist, ist die ordentliche Revision nicht zulässig.
3.7. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Asylverfahren, Behebung der Entscheidung, Bindungswirkung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L516.2209561.1.00Zuletzt aktualisiert am
28.02.2019