TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/9 W112 2200129-1

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Veröffentlicht am 09.01.2019
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Entscheidungsdatum

09.01.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z1
VwGVG §29 Abs5

Spruch

W112 2200129-1/25E

Gekürzte Ausfertigung des am 10.07.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Elke DANNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA IRAK, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.06.2018, Zl. 1074505910-1806126, und die Anhaltung in Schubhaft seit 29.06.2018, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde gegen den Bescheid vom 29.06.2018 wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 1 FPG stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Gleichzeitig wird die Anhaltung in Schubhaft von 29.06.2018 bis 10.07.2018 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 21.06.2015 nach schlepperunterstützter Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Diesen wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) mit Bescheid vom 24.05.2016 sowohl im Hinblick auf den Status des Asylberechtigten, als auch im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung gegen ihn, stellte fest, dass seine Abschiebung in den IRAK zulässig ist und räumte ihm eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ein.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 19.03.2018, dem Rechtsberater des Beschwerdeführers als gewillkürten Vertreter zugestellt am 22.03.2018, als unbegründet ab. Der Beschwerdeführer stellte am 27.04.2018 einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe an den Verfassungsgerichtshof, brachte aber weder Beschwerde noch Revision ein.

2. Der Beschwerdeführer kam der Verpflichtung zur freiwilligen Ausreise auf Grund des Erkenntnisses vom 19.03.2018 nicht nach. Das Bundesamt organisierte die Abschiebung des Beschwerdeführers am 30.05.2018 für den 29.06.2018. Der Beschwerdeführer wurde am 27.06.2018 an seiner Meldeadresse festgenommen und zum Flughafen gebracht. Der Abschiebeversuch am 29.06.2018 scheiterte; der Beschwerdeführer wurde im Anschluss in das Polizeianhaltezentrum

XXXX eingeliefert.

3. Mit Mandatsbescheid vom 29.06.2018, dem Beschwerdeführer zugestellt am selben Tag um 23.30 Uhr, verhängte das Bundesamt gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG über den Beschwerdeführer die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung. Mit Verfahrensanordnung vom 29.06.2018, dem Beschwerdeführer zugestellt durch persönliche Übernahme am 30.06.2018, wurde dem Beschwerdeführer ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

Das Bundesamt organisierte am 02.07.2018 die eskortierte Abschiebung des Beschwerdeführers für den 27.07.2018.

4. Mit Schriftsatz vom 05.07.2018 erhob der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter Beschwerde gegen den Bescheid vom 29.06.2018 und die Anhaltung in Schubhaft seit 29.06.2018 und beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge in Stattgebung der Beschwerde die Verhängung der Schubhaft, Festnahme und Anhaltung für rechtswidrig erklären und den Bund zum Ersatz der Kosten verpflichten.

5. Das Bundesamt legte am 06.07.2018 den Verwaltungsakt vor und stellte mit Schriftsatz vom 10.07.2018 einen Antrag auf Kostenersatz gemäß § 35 VwGVG.

6. Am 10.07.2018 fand die hg. mündliche Verhandlung statt, an der das Bundesamt nicht teilnahm.

Keine der Parteien stellte einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung des am 10.07.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige Beschwerdeführer war IRAKISCHER Staatsangehöriger und nicht österreichischer Staatsbürger. Er verfügte über kein Aufenthaltsrecht in Österreich oder in einem anderen Mitgliedstaat der EU. Er reiste legal vom IRAK in XXXX und von dort schlepperunterstützt nach Österreich. Sein Antrag auf internationalen Schutz vom 21.06.2015 wurde mit Bescheid vom 24.05.2016 sowohl im Hinblick auf den Status des Asylberechtigten, als auch im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen und das Bundesamt stellte fest, dass seine Abschiebung in den IRAK zulässig war und es räumte ihm eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ein. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 19.03.2018, dem Rechtsberater des Beschwerdeführers als gewillkürten Vertreter zugestellt am 22.03.2018, als unbegründet ab. Der Beschwerdeführer stellte einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe an den Verfassungsgerichtshof, brachte aber weder Beschwerde noch Revision ein.

Der Beschwerdeführer wirkte an seinem Asylverfahren mit, befand sich in Grundversorgung und war durchgehend gemeldet. Er kam der Verpflichtung, Rückkehrberatung in Anspruch zu nehmen, nach, war aber nicht ausreisewillig.

Er verfügte über Freunde und Bekannte im Bundesgebiet. Weiters lebten seine Schwester und deren Familie, deren Asylanträge ebenfalls abgewiesen wurden, die aber in Ermangelung von Heimreisedokumenten vom Abschiebeversuch am 29.06.2018 nicht betroffen waren, in Österreich. Einen festen Wohnsitz außerhalb der Grundversorgung oder eine Arbeitsstelle hatte der Beschwerdeführer nicht.

Der Beschwerdeführer wurde am 27.06.2018 zwecks Abschiebung am 29.06.2018 festgenommen. Der Beschwerdeführer war bei der Festnahme kooperativ, ebenso beim Transport zum Flughafen und beim Boarding. Die Abschiebung scheiterte, weil der Beschwerdeführer im Flugzeug zu weinen begann und begann, den Exekutivbeamten die Arme zu küssen und um den Abbruch der Abschiebung zu bitten. Aus diesen Gründen wurde er vom Kapitän vom Flug ausgeschlossen.

Über den Beschwerdeführer wurde mit dem angefochtenen Bescheid die Schubhaft verhängt, die seit 29.06.2018, 23:30 Uhr, im Polizeianhaltezentrum XXXX vollzogen wurde. Der Beschwerdeführer war abgesehen von Zahnschmerzen wegen XXXX gesund und haftfähig.

Die Abschiebung des Beschwerdeführers in Begleitung einer Eskorte wurde für den 27.07.2018 organisiert; sein Reisepass lag vor. Das Verfahren zur Organisation der Abschiebung wurde daher zugig geführt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergaben sich aus der hg. mündlichen Verhandlungen am 10.07.2018, den beigeschafften Verwaltungsakten des Asyl- und Schubhaftverfahrens, den Gerichtsakten des Asyl- und Schubhaftverfahrens, Auskünften aus dem ZMR, IZR, SIS, Strafregister, Anhaltedatei und den beigeschafften medizinischen Unterlagen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A.I.) Beschwerde gegen den Bescheid vom 29.06.2018 und die Anhaltung in Schubhaft von 29.06.2018 bis 10.07.2018

Der Beschwerdeführer war Fremder iSd § 76 Abs. 1 FPG. Auf Grund des Erkenntnisses vom 19.03.2018 lag gegen ihn eine rechtskräftige und durchführbare Rückkehrentscheidung vor. Er wurde zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 1, Abs. 2 Z 1 FPG in Schubhaft angehalten.

Das Bundesamt gründete das Vorliegen von Fluchtgefahr im angefochtenen Bescheid zutreffend auf § 76 Abs. 3 Z 1 und 9 FPG. Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs. 3 Z 3 lag entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid jedoch nicht vor, da der Beschwerdeführer am Verfahren über seinen Antrag auf internationalen Schutz mitwirkte und das Vorliegen einer durchführbaren Rückkehrentscheidung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes allein keine Fluchtgefahr darstellte (vgl. VwGH 11.05.2017, Ro 2016/21/0021).

Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid allerdings unzutreffend davon aus, dass mit der Verhängung gelinderer Mittel gemäß § 77 Abs. 3 FPG nicht das Auslangen gefunden werden konnte:

Die belangte Behörde führte aus, dass die finanzielle Sicherheitsleistung aufgrund der finanziellen Situation des Beschwerdeführers schon von vornherein ausscheide. Doch auch was die Unterkunftnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung beträfe, könne im Fall des Beschwerdeführers nicht das Auslangen gefunden werden. Die Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs. 3 Z 1 und 9 FPG war allerdings aufgrund des Vorverhaltens des Beschwerdeführers und seiner Einlassungen in der hg. mündlichen Verhandlung nicht so erheblich, dass mit der Verhängung gelinderer Mittel nicht das Auslangen gefunden hätte werden können: Der Beschwerdeführer bezog Grundversorgung, war stets aufrecht gemeldet, verfügte über einen großen Freundes- und Bekanntenkreis, sowie über familiäres Umfeld im Bundesgebiet. Er kam dem verpflichtenden Rückkehrgespräch nach und zeigte sich auch im Zuge des fehlgeschlagenen Abschiebeversuchs sowohl bei der Festnahme, dem Transport zum Flughafen, als auch beim Boarding kooperativ.

Die belangte Behörde hätte somit statt die Schubhaft über den Beschwerdeführer zu verhängen mit der Verhängung gelinderer Mittel das Auslangen finden können und im Sinne der Verhältnismäßigkeit auch müssen. Die Verhängung von Schubhaft war daher unverhältnismäßig. War der Schubhaftbescheid unrechtmäßig, galt dies auch für die auf ihn gestützte Anhaltung. Es war daher auch festzustellen, dass die Anhaltung in Schubhaft auf Grund des Bescheides vom 29.06.2018 unrechtmäßig war.

Zu A.III.) Fortsetzungsausspruch

Aus den in der Begründung zu A.I. dargelegten Gründen, die auch im Entscheidungszeitpunkt aufgrund des persönlichen Eindrucks in der hg. mündlichen Verhandlung weiterhin vorlagen, lagen die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft nicht vor.

Es war daher auszusprechen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft nicht vorlagen.

Bei diesem Ergebnis konnte schon aus diesem Grund ein Abspruch über den erst in der hg. mündlichen Verhandlung gestellten Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, unterbleiben.

Der Abspruch über den Barauslagenersatz und die Kostenanträge wurde einer separaten Entscheidung vorbehalten.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision war gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, da die Frage der Unverhältnismäßigkeit der Dauer der Anhaltung eine Sachverhaltsfrage war. Die Rechtslage zu § 76 Abs. 3 FPG war auf Grund des Erkenntnisses VwGH 11.05.2017, Ro 2016/21/0021, die Rechtslage zu § 35 VwGVG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG auf Grund des Erkenntnisses VwGH 11.05.2017, Ra 2016/21/0144, geklärt.

Begründung der gekürzten Ausfertigung

Gemäß § 29 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG kann das Erkenntnis in gekürzter Form ausgefertigt werden, wenn von den Parteien auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof verzichtet oder nicht binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift gemäß Abs. 2a eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 von mindestens einem der hiezu Berechtigten beantragt wird. Die gekürzte Ausfertigung hat den Spruch sowie einen Hinweis auf den Verzicht oder darauf, dass eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 nicht beantragt wurde, zu enthalten.

Diese gekürzte Ausfertigung des nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 10.07.2018 verkündeten Erkenntnisses ergeht gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG, da ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG durch die hiezu Berechtigten innerhalb der zweiwöchigen Frist nicht gestellt wurde.

Schlagworte

Fluchtgefahr, gekürzte Ausfertigung, gelinderes Mittel, Schubhaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W112.2200129.1.01

Zuletzt aktualisiert am

28.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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