TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/14 W136 2212335-1

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Veröffentlicht am 14.02.2019
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Entscheidungsdatum

14.02.2019

Norm

BDG 1979 §112 Abs1 Z3
BDG 1979 §43 Abs2
BDG 1979 §44 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2 Z1

Spruch

W136 2212335-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER über die Beschwerde des XXXX , vertreten durch RA Mag Franz ESCHLBÖCK, Pfarrgasse 15a, 4600 Wels, gegen den Beschluss der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 16.11.2018, GZ BMI-46058/32-DK-/4/18, betreffend Suspendierung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden BF) steht als Exekutivbeamter in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Republik Österreich und versieht Dienst in der PI XXXX .

Mit Bescheid der LPD OÖ vom 24.10.2018 wurde der BF vorläufig vom Dienst suspendiert.

2. Mit dem im Spruch genannten Beschluss wurde der BF wegen des Verdachtes schwerwiegender Dienstpflichtverletzungen vom Dienst suspendiert ein. Hinsichtlich der Verdachtslage wurde ausgeführt, dass der BF im Verdacht stünde, am XXXX nach 19:00 Uhr einen ihm unbekannten Mann in die PI XXXX eingelassen zu haben und dieser Person, von der er annahm, dass es sich um einen Kollegen handeln würde, ohne dessen Identität näher zu prüfen, auf dessen Ersuchen eine geladene Dienstwaffe überlassen zu haben.

Begründend wurde dargelegt, dass sich die Verdachtslage auf die Aussage des BF stütze, der angegeben habe, dass er dem vermeintlichen Kollegen gesagt habe, er solle sich die Waffe des Kollegen XXXX nehmen, da dieser in den folgenden Tagen auf Urlaub sei. Nachdem der Kollege XXXX nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub seine Waffe nicht mehr vorgefunden habe, habe der BF aus eigenem diesen Sachverhalt offengelegt.

3. Gegen diesen Bescheid erhob der BF rechtzeitig Beschwerde und beantragte die Aufhebung der Suspendierung. Begründend wurde ausgeführt, dass sich der Sachverhalt zwischenzeitlich insoweit wesentlich geändert habe, als entsprechend einem Geständnis des Täters, einem Angehörigen einer Reinigungskraft der Polizeiinspektion, die vermeintlich "verborgte" Waffe tatsächlich am

XXXX aus der Waffenkammer entwendet worden sei; die vermisste Waffe sei zwischenzeitlich beim Täter sichergestellt worden sei. Nachdem die Waffe ohne Zutun des BF entwendet worden sei, träfe der im Suspendierungsbescheid ausgesprochene Verdacht, der BF habe die Waffe ungeprüft einem Fremden überlassen, nicht mehr zu. Tatsächlich habe der BF wohl irrtümlich geglaubt, die Waffe verborgt zu haben. Auch sei nicht anzunehmen, dass der Kollege dem die Waffe vermeintlich überlassen wurde, vor dem tatsächlichen Diebstahl diese wieder zurückgegeben habe, weil dies nicht - infolge zwingend erforderlichem Zutritt zur PI - unbemerkt hätte bleiben können.

4. Mit Note vom 04.01.2019 wurde die gegenständliche Beschwerde samt Verfahrensakt dem Bundesverwaltungsgericht mit dem Hinweis, dass seitens der belangten Behörde nicht erkannt werden könne, inwiefern eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes vorläge, vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen und Beweiswürdigung:

1.1. Die Beschwerde wurde rechtzeitig eingebracht und ist zulässig.

1.2. Zum Verdacht einer Dienstpflichtverletzung:

Bezüglich der unter Punkt I.2. dargestellten Anschuldigung liegt nach Aktenlage der hinreichend begründete Verdacht für die Annahme der schuldhaften Begehung einer Dienstpflichtverletzung durch den BF vor. Der BF hat nämlich den der Verdachtslage zugrundeliegenden Sachverhalt selbst gemeldet bzw. in einem im Akt aufliegenden Gedächtnisprotokoll festgehalten und auch jenen Kollegen, dessen Waffe unauffindbar war, in diesem Sinne informiert.

Wenn nunmehr vorgebracht wird, dass sich die Verdachtslage geändert habe, da jene Waffe, von der der BF angab, dass er sie einem vermeintlichen Kollegen überlassen habe, zu einem späteren Zeitpunkt aus der Waffenkammer der PI gestohlen wurde, ergibt sich diesbezüglich keine wesentliche Änderung der Verdachtslage (siehe dazu unter Punkt II.2.3.)

2. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 4 kann das Verwaltungsgericht, soweit das Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt, ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

Dies ist hier der Fall, weil der BF keine mündliche Verhandlung beantrag hat und der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt aufgrund der eindeutigen Aktenlage feststeht. Es sind auch keine Umstände hervorgetreten, zu deren weiteren Klärung eine mündliche Erörterung notwendig erscheinen würde. Darüber hinaus liegen im Hinblick auf den Spruchinhalt auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass im Gegenstand dem Entfall einer mündlichen Verhandlung allenfalls Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) oder Art. 47 der Charta der Grundrechte der europäischen Union entgegenstehen könnten. Bei der Suspendierung handelt es sich nur um eine einen Teil des Disziplinarverfahrens darstellende, bloß vorläufige, auf die Dauer des Disziplinarverfahrens beschränkte Maßnahme, mit der nicht abschließend über eine "Streitigkeit" entschieden wird.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG haben die Verwaltungsgerichte die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden nach Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Wie oben bereits ausgeführt steht der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt aufgrund der Aktenlage fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat daher in der Sache selbst zu entscheiden.

Zu A)

1. Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333/1979 i.d.F. BGBl. I Nr. 60/2018 (BDG 1979) maßgeblich:

"§ 112. (1) Die Dienstbehörde hat die vorläufige Suspendierung einer Beamtin oder eines Beamten zu verfügen,

1. wenn über sie oder ihn die Untersuchungshaft verhängt wird oder

2. wenn gegen sie oder ihn eine rechtswirksame Anklage wegen eines in § 20 Abs. 1 Z 3a angeführten Delikts vorliegt und sich die Anklage auf die Tatbegehung ab dem 1. Jänner 2013 bezieht oder

3. wenn durch ihre oder seine Belassung im Dienst wegen der Art der ihr oder ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet würden.

Die Staatsanwaltschaft hat die zuständige Dienstbehörde umgehend vom Vorliegen einer rechtswirksamen Anklage gegen eine Beamtin oder einen Beamten wegen eines in § 20 Abs. 1 Z 3a angeführten Delikts zu verständigen.

(2) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 210/2013)

(3) Jede vorläufige Suspendierung ist unverzüglich der Disziplinarkommission mitzuteilen, die über die Suspendierung innerhalb eines Monats zu entscheiden hat. Die vorläufige Suspendierung endet spätestens mit rechtskräftiger Entscheidung der Disziplinarkommission oder des Bundesverwaltungsgerichts über die Suspendierung. Ab dem Einlangen der Disziplinaranzeige bei der Disziplinarkommission hat diese bei Vorliegen der in Abs. 1 genannten Voraussetzungen die Suspendierung zu verfügen.

......"

2. Allgemeine Voraussetzung für eine Suspendierung im Sinne des BDG 1979 ist, dass schwerwiegende Dienstpflichtverletzungen zur Last gelegt werden. Es genügt im Sinne der Rechtsprechung des VwGH ein entsprechend konkreter Verdacht ("begründeter Verdacht" iSd § 109 Abs. 1 BDG); die Dienstpflichtverletzung muss zum Zeitpunkt der Suspendierung auch noch nicht nachgewiesen sein (VwGH 20.11.2001, 2000/09/0133; 29.11.2002, 95/09/0039; 4.9.2003, 2000/09/0202).

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH handelt es sich bei einem konkreten Verdacht um "hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte", aus denen nach der Lebenserfahrung mit Wahrscheinlichkeit auf ein Vergehen geschlossen werden kann (VwGH 27.6.2002, 2001/09/0012; 29.4.2004, 2001/09/0086; 16.9.2009, 2009/09/0121).

Die Berechtigung zur Verfügung der Suspendierung liegt allein in dem Bedürfnis, noch vor der Klärung der Frage des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung in der abschließenden Entscheidung über die angemessene Disziplinarstrafe des Beamten, eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende, vorübergehende Sicherungsmaßnahme zu treffen. Die Suspendierung eines Beamten gehört demnach in die Reihe jener vorläufigen Maßnahmen, die in zahlreichen Verfahrensgesetzen vorgesehen sind, um einen Zustand vorübergehend zu ordnen, der endgültig erst aufgrund des in der Regel einen längeren Zeitraum beanspruchenden förmlichen Verfahrens geregelt wird, und dadurch Nachteile und Gefahren - insbesondere für das allgemeine Wohl - abzuwehren und zu verhindern. Im Hinblick auf diese Funktion der Suspendierung können an die in der Begründung eines die Suspendierung verfügenden Bescheides darzulegenden Tatsachen, die den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung begründen, keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Ähnlich wie beim Einleitungsbeschluss (an den ebenfalls Rechtsfolgen geknüpft sind) muss das dem Beamten im Suspendierungsbescheid zur Last gelegte Verhalten, das im Verdachtsbereich als Dienstpflichtverletzung erachtete wurde, nur in groben Umrissen beschrieben werden. Die einzelnen Fakten müssen nicht bestimmt, das heißt in den für eine Subsumtion relevanten Einzelheiten beschrieben werden. In der Begründung des Suspendierungsbescheides ist darzulegen, warum sich nach dem geschilderten Verhalten der Verdacht einer die Suspendierung rechtfertigenden Dienstpflichtverletzung ergibt (VwGH, 27.06.2002, 2000/09/0053 und 27.02.2003, 2001/09/0226, und die jeweils darin angegebene Judikatur).

Verschulden bzw. die Strafbemessung sind - anders als im nachfolgenden Disziplinarverfahren - im Suspendierungsverfahren nicht zu beurteilen (VwGH 30.06.2004, 2001/09/0133).

3. Rechtliche Beurteilung des konkreten Sachverhalts

Nach dem hier einschlägigen § 112 Abs. 1 Z 3 BDG war im Gegenstand zu prüfen, ob eine begründete Verdachtslage hinsichtlich einer Dienstpflichtverletzung vorliegt und diese wegen ihrer Art das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes bei Belassung der BF im Dienst gefährdet.

Wenn ein Exekutivbeamter, wie er selbst zugesteht, einer Person, deren Identität ihm nicht bekannt ist, wenngleich er sie für einen Kollegen hält, ohne weitere Nachfrage Zutritt zur Waffenkammer seiner Polizeiinspektion gewährt, damit diese Person sich eine Dienstwaffe "ausborgen" kann, begeht damit eine Dienstpflichtverletzung, die ihrer Art nach geeignet ist, bei Belassung dieses Beamten im Dienst, das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes zu gefährden. Ein derartiges Verhalten stellt zum einen einen schwerwiegenden Verstoß gegen Bestimmungen der einschlägigen Richtlinien (Allgemeine Polizeidienstrichtlinie, Richtlinie für das Einsatztraining) dar, zum anderen zeugt es von einer derartigen Sorglosigkeit, dass sowohl das Vertrauen des Dienstgebers als auch das der Allgemeinheit in eine ordnungsgemäße Dienstverrichtung des Beamten schwerwiegend gestört sind.

Bei dieser Sachlage kommt es auch nicht darauf an, ob die "verborgte" Waffe zu einem späteren Zeitpunkt aus der Polizeiinspektion gestohlen wird und in weiterer Folge beim Dieb sichergestellt wird. Dieser Umstand stellt nämlich entgegen dem Beschwerdevorbringen keine Änderung der den Ausspruch der Suspendierung begründenden Verdachtslage dar. Denn es besteht entgegen dem Beschwerdevorbringen nach wie vor der Verdacht, dass der BF einer ihm nicht näher bekannten Person ungeprüft eine Waffe überlassen hat. Aus dem Umstand, dass entgegen der ursprünglichen Annahme des BF diese Person, die angebotene Waffe möglicherweise doch nicht mitgenommen hat oder aber entsprechend ihrer Ankündigung, die Waffe später - somit vor dem Diebstahl - doch wieder zurückgestellt hat, ist für den BF hinsichtlich der Art der Anlastung nichts zu gewinnen, wenngleich diese Frage wohl im weiteren Disziplinarverfahren zu erörtern sein wird.

Die bisherige tadellose Dienstverrichtung des BF ist - sofern die Voraussetzungen für eine Suspendierung gegeben sind - im gegeben Zusammenhang unerheblich, wird jedoch im weiteren Verfahren bei der Strafbemessung zu berücksichtigen sein (vgl. VwGH vom 30.06.2004, Zl. 2001/09/0133).

Im vorliegenden Fall war daher angesichts der bestehenden Verdachtslage von schwerwiegenden Pflichtverletzungen ohne Zweifel die Verfügung einer Suspendierung durch die belangte Behörde angezeigt, weil ein Belassen des Beamten im Dienst -sowohl dienstliche Interessen als auch das Ansehen des Amtes gefährdet hätten. Dies hat die belangte Behörde im bekämpften Bescheid zutreffend begründet. Im Hinblick auf gegebene Verdachtslage, erfolgte Suspendierung zu Recht, weshalb die Beschwerde abzuweisen war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die unter A) zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird verwiesen.

Schlagworte

Ansehen des Amtes, Dienstpflichtverletzung, Dienstwaffe,
Identitätsfeststellung, Polizeiinspektion, Polizist, Suspendierung,
Verdachtsgründe, wesentliche Interessen des Dienstes

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W136.2212335.1.00

Zuletzt aktualisiert am

26.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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