Index
10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
EStG 1988 §8Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision der s GmbH in N, vertreten durch die Eckhardt Wirtschaftsprüfung und SteuerberatungsgmbH in 7033 Pöttsching, Hauptstraße 58, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 18. Oktober 2017, Zl. RV/7102241/2012, betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer für die Kalenderjahre 2009 bis 2011 sowie Jänner bis März 2012, zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 In die im April 2008 gegründete revisionswerbende GmbH, deren Unternehmensgegenstand die Unternehmensberatung ist, wurde aus Anlass ihrer Gründung unter Inanspruchnahme der Begünstigungen des Art. III UmgrStG das nicht protokollierte Einzelunternehmen ihres zum damaligen Zeitpunkt alleinigen Gesellschafters und Geschäftsführers mit dem Geschäftsbereich der Unternehmensberatung einschließlich der Unternehmensorganisation eingebracht. Die Einbringungsbilanz wies auf der Grundlage eines Verkehrswertgutachtens einen Firmenwert von EUR 210.000,-- aus, der vom Finanzamt akzeptiert und in den Folgejahren abgeschrieben wurde.
2 Im Bericht vom 22. Mai 2012 über eine bei der Revisionswerberin durchgeführte Außenprüfung wurde zum "Verrechnungskonto Gesellschafter" festgestellt, dem Gesellschafter-Geschäftsführer sei mit Umlaufbeschluss vom 27. Juni 2008 ein verzinslicher Kontokorrentkredit mit einem Kreditrahmen von EUR 300.000,-- und einer Laufzeit bis Ende 2017 eingeräumt worden. Mit Umlaufbeschluss vom 20. Dezember 2010 seien der Kreditrahmen auf EUR 500.000,-- erhöht und die Laufzeit bis Ende 2020 verlängert worden.
3 Im Berufungsverfahren gegen Bescheide des Finanzamtes, mit denen auf der Grundlage des Prüfungsberichtes in dem Umfang, in dem der Kreditrahmen im Streitzeitraum 2009 bis März 2012 ausgenützt worden war, verdeckte Ausschüttungen angenommen wurden und die Revisionswerberin zur Haftung für Kapitalertragsteuer in Anspruch genommen wurde, machte die Revisionswerberin im Zusammenhang mit der Frage einer Durchsetzbarkeit der auf dem Verrechnungskonto verbuchten Forderungen der Gesellschaft gegen ihren Gesellschafter-Geschäftsführer unter dem Gesichtspunkt seiner Bonität geltend, er verfüge nicht nur über Grundbesitz, sondern auch über die GmbH-Anteile und eine durch eine Versicherung abgedeckte Pensionszusage. Verwiesen wurde auch auf die "guten Geschäftsergebnisse" der Revisionswerberin. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht brachte die Revisionswerberin u.a. vor, der bei der Einbringung zugrunde gelegte Firmenwert sei, "wie die Gewinne der Folgejahre zeigen, auch verdient" worden. Es sei davon auszugehen, dass "der Verkehrswert der GmbH im Hinblick auf den vorhandenen Firmenwert EUR 600.000,-- bis EUR 1,000.000,-- betragen" werde. Der Firmenwert beruhe, so die Protokollierung des Vorbringens in der Niederschrift, auf den persönlichen Fähigkeiten, der beruflichen Erfahrung und den beruflichen Kontakten des Gründungsgesellschafters. Die Revisionswerberin gehe davon aus, dass dieser in der Lage sein werde, "den Ende 2020 fälligen Saldo entweder aus dem Verkauf der Anteile oder aus den bis dahin anfallenden Gewinnausschüttungen abdecken zu können". Verwiesen wurde auch auf "die Liquiditätsentwicklung" sowie darauf, dass "bereits eine Nachfolgeregelung mit dem Sohn getroffen" worden sei. Im Prüfungsbericht war schon festgehalten worden, dass der Gründungsgesellschafter mit 5. Jänner 2012 ein Zehntel seiner Beteiligung an seinen Sohn abgegeben hatte.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis änderte das Bundesfinanzgericht die Haftungsbescheide des Finanzamtes insofern ab, als es nicht auf das abweichende Wirtschaftsjahr der Revisionswerberin, sondern auf Kalenderjahre abstellte (wobei im Spruch bei der Bezifferung der Kapitalertragsteuer für das Jahr 2009 ein in der Revision zutreffend gerügter, aber angesichts der Berechnung und der Angabe in den Entscheidungsgründen berichtigungsfähiger Schreibfehler auftrat).
5 Das Bundesfinanzgericht ging jedoch, wie schon das Finanzamt, vom Vorliegen verdeckter Ausschüttungen aus, wobei es sich - insoweit anders als das Finanzamt - entscheidend darauf stützte, dass es an einer für eine durchsetzbare Forderung gegenüber dem Gründungsgesellschafter ausreichenden Bonität desselben gefehlt habe. Dieser Ansicht legte das Bundesfinanzgericht in Bezug auf den Wert der Beteiligung an der Revisionswerberin folgende Erwägung zugrunde:
"Der von der Bf. angegebene Firmenwert der Bf. hängt von der persönlichen Leistung und Erfahrung des Gesellschafters ab und ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als solcher in der eingestellten Höhe übertragbar bzw. ¿verkaufbar' (VwGH 26.6.2014, 2011/15/0028), bei der Ermittlung des Verkehrswertes hat er daher außer Ansatz zu bleiben. Die Anteile an der Bf. sind daher nicht geeignet, ihrem Gesellschafter in den Zeitpunkten der Kreditgewährung Bonität zu verleihen."
6 Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig, weil die Entscheidung "von der im Rahmen der Beweiswürdigung vorgenommenen Beurteilung der Bonität des Gesellschafters der Bf., somit von Tatfragen" abhängig gewesen sei, "mit denen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung in Zusammenhang" stehe.
7 In der Revision wird dagegen - sowohl zur Zulässigkeit der Revision als auch zur Begründung der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses - ins Treffen geführt, das Bundesfinanzgericht habe sich zu Unrecht auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 2014 gestützt. Es sei unberücksichtigt geblieben, dass die Revisionswerberin - anders als der Unternehmensberater in dem vom Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fall - über einen Kundenstock mit zum Teil langjährigen Kunden verfüge, weshalb der anlässlich der Einbringung angesetzte Firmenwert vom Finanzamt auch anerkannt worden sei.
8 Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der es die Zurückweisung der Revision beantragt und die Ansicht vertritt, "dass ein Firmenwert in der Branche der Unternehmensberatung personenbezogen zu betrachten und daher nicht auf andere übertragbar ist. Es waren daher die Geschäftsanteile richtigerweise nicht in die Qualifizierung der Bonität einzubeziehen".
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
10 Die Revision ist in Bezug auf die Bewertung der Beteiligung des Gründungsgesellschafters an der Revisionswerberin im Zusammenhang mit der Beurteilung seiner Bonität zulässig und begründet.
11 Das Bundesfinanzgericht ist von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausgegangen, wonach es für die Beantwortung der Frage, ob eine verdeckte Ausschüttung anzunehmen ist, in Fällen der vorliegenden Art darauf ankommen kann, ob die auf dem Verrechnungskonto verbuchten Forderungen gegen den Gesellschafter im Hinblick auf dessen unzureichende Bonität ohne Wert waren (vgl. jeweils mit Hinweisen auf Vorjudikatur etwa VwGH 17.12.2014, 2011/13/0115; 26.2.2015, 2012/15/0177; 21.10.2015, 2011/13/0096). Es hat diesen Gesichtspunkt - wie auch die Ausführungen zur Unzulässigkeit einer Revision zeigen - in den Mittelpunkt seiner rechtlichen Würdigung gestellt und die Annahme verdeckter Ausschüttungen mangels ausreichender Bonität des Gründungsgesellschafters der Revisionswerberin im Streitzeitraum bestätigt.
12 Dabei hat sich das Bundesfinanzgericht, wie die Revision richtig aufzeigt, aber in Bezug auf den Wert der Beteiligung an der Revisionswerberin zu Unrecht auf das Erkenntnis vom 26. Juni 2014, 2011/15/0028, VwSlg 8924/F, gestützt. Dieses Erkenntnis betraf den Fall eines Unternehmensberaters, der zum Einbringungsstichtag "zwei Auftragsverhältnisse" hatte und von dem festgestellt worden war, es habe sich noch "kein betrieblicher Kundenstock ausreichend manifestieren können". Im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof war vorgebracht worden, der Unternehmensberater sei - mit dem Schwerpunkt Unternehmenssanierung - "hochspezialisiert" gewesen, weshalb er auch bei längerer Bestandsdauer des Betriebes nicht über einen "Kundenstock im Sinne einer laufend betreuten Dauerklientel wie ein Rechtsanwalt oder Steuerberater" verfügt hätte.
13 Vor diesem Hintergrund sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, die "persönlichen Eigenschaften" des Beraters, aus denen "das Ertragspotential und damit der Firmenwert" resultiert habe, seien nicht übertragbar und "für die nicht übertragbaren Werte" würde ein fremder Dritter auch kein Entgelt bezahlen; ein "derartiger Firmen- oder Praxiswert" könne "nicht übertragen werden (vgl. Jakom/Kanduth-Kristen EStG, 2014, § 8 Tz 48)". Der in der Einbringungsbilanz dargestellte Firmenwert sei "daher bei der Ermittlung des Verkehrswertes des eingebrachten Vermögens außer Ansatz zu lassen".
14 Die zitierte Kommentarstelle lautete (wie in der aktuellen Ausgabe von 2018):
"Bestehen die wesentl Betriebsgrundlagen in den persönl Kenntnissen und Fähigkeiten und im Wissen des Betriebsinhabers ohne Existenz eines Kundenstockes, kann kein Firmen- oder Praxiswert übertragen werden (zB bei Schriftstellern, Sachverständigen oÄ; s DKMZ/Doralt § 8 Rz 38)."
15 Bei Doralt, EStG12, § 8 Tz 38, heißt es:
"Der Erwerb eines Betriebes und damit auch der Erwerb eines Praxiswerts kann dann nicht angenommen werden, wenn die wesentlichen Betriebsgrundlagen im persönlichen Wissen und den persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten und nicht auch in einem Kundenstock des Vorgängers beruht haben".
16 Mit der Anwendung dieser Aussagen auf die Revisionswerberin hat das Bundesfinanzgericht den Revisionsfall wie den Fall eines Unternehmensberaters ohne Kundenstock behandelt, ohne sich mit der Frage der Vergleichbarkeit des Revisionsfalles mit einem solchen Fall und auch mit dem aktenkundigen Verkehrswertgutachten auseinanderzusetzen. Im Ergebnis wurde - unter der schon nicht selbstverständlichen Annahme einer Beendigung der Tätigkeit des Gesellschafters für die Gesellschaft bei Veräußerung der Beteiligung - so vorgegangen, als seien die Voraussetzungen, unter denen ein Firmen- oder Praxiswert als nicht abnutzbar gilt, schon Voraussetzungen für das Vorliegen eines Firmen- oder Praxiswertes (vgl. in diesem Zusammenhang etwa Doralt, a.a.O., Tz 36 f sowie 43 bis 46).
17 Das Bundesfinanzgericht hat damit in einem für seine Argumentation wesentlichen Punkt die Rechtslage verkannt, weshalb das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
18 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 23. Jänner 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018130007.L00Im RIS seit
02.10.2019Zuletzt aktualisiert am
02.10.2019