TE OGH 2018/11/29 2Ob81/18b

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Veröffentlicht am 29.11.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem ***** 2017 verstorbenen F***** W*****, zuletzt wohnhaft *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des erbantrittserklärten Erben W***** W*****, vertreten durch Dr. Alexander Hofmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 28. März 2018, GZ 23 R 110/18a-22, mit welchem der Einantwortungsbeschluss des Bezirksgerichts Neulengbach vom 22. Jänner 2018, GZ 1 A 71/17i-16, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Einantwortungsbeschluss des Erstgerichts mit allen darin enthaltenen Verfügungen ersatzlos behoben wird.

Text

Begründung:

Gesetzliche Erben nach dem Erblasser sind die Witwe und drei Kinder, darunter der Rechtsmittelwerber. Für den Erblasser war zuletzt eines der Kinder als Sachwalterin bestellt. Nach Abgabe der Erbantrittserklärungen und Errichtung des Inventars beantragte der Rechtsmittelwerber
– soweit noch relevant – beim Gerichtskommissär

-   Erhebungen zum Verbleib von 9.081,54 EUR aus einem von der Sachwalterin vorgenommenen Liegenschaftsverkauf,

-   die Ermittlung von Überweisungsempfängern zu einem Girokonto des Erblassers.

Da dies unterblieb, beantragte der Rechtsmittelwerber die Vorlage dieser Anträge an das Gericht. Die übrigen Erben beantragten die Einantwortung nach Maßgabe der gesetzlichen Quoten und die Ausfolgung einer beim Gerichtskommissär verwahrten Armbanduhr des Erblassers an die Witwe.

Das Erstgericht entschied nicht über die Anträge des Rechtsmittelwerbers, sondern erließ ohne weitere Begründung den Einantwortungsbeschluss. Darin „ermächtigte und beauftragte“ es den Gerichtskommissär, die Uhr der Witwe auszufolgen, und traf weitere Verfügungen.

Der Rechtsmittelwerber erhob Rekurs, weil die Einantwortung trotz offener Anträge verfügt worden sei, die Uhr mangels Erbteilungsübereinkommens nur an alle Miterben ausgefolgt werden könne und das Todesdatum des Erblassers nicht angegeben sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs nur insofern Folge, als es den Todestag des Erblassers in den Spruch des angefochtenen Beschlusses aufnahm. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

Wegen der unterbliebenen Entscheidung über die offenen Anträge liege zwar ein Verfahrensmangel vor, dessen Relevanz der Rechtsmittelwerber aber nicht dargetan habe. Zudem sei es nicht Aufgabe des Gerichtskommissärs, im Zuge der Inventarerrichtung die ohnehin vom Pflegschaftsgericht überwachte Gestion der Sachwalterin zu überprüfen. Weiters sei die Beschwer des Rechtsmittelwerbers „fraglich“, weil er ohnehin als Erbe Auskunft von der Bank erlangen könne. Die Ausfolgung an die Erbin sei durch den Antrag der Mehrheit der Miterben gedeckt, weil es sich dabei um eine Angelegenheit der ordentlichen Verwaltung handle.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs des Rechtsmittelwerbers ist zulässig, weil das Rekursgericht in Bezug auf die bekämpfte Einantwortung zu Unrecht einen bloßen Verfahrensmangel angenommen hat. Er ist aus diesem Grund auch berechtigt.

1. Der Senat hat in der Entscheidung 2 Ob 64/18b klargestellt, dass

-   Beschlüsse, die im Verfahren zur Errichtung des Inventars gefasst werden, grundsätzlich verfahrensleitenden Charakter haben und daher nicht selbständig anfechtbar sind,

-   eine Partei jedoch nach Errichtung des Inventars einen Antrag nach § 166 Abs 2 AußStrG oder einen auf formale Mängel des Inventars (Substanzlosigkeit, fehlende Nachvollziehbarkeit, Missachtung der Rahmenbedingungen für die Bewertung) gestützten Antrag nach § 7a GKG stellen kann, wobei über solche Anträge ergehende Beschlüsse nach den allgemeinen Grundsätzen anfechtbar sind;

-   Anträge nach § 166 Abs 2 AußStrG auf Aufnahme oder Ausscheidung einer Sache aus dem Inventar gerichtet sein können, wobei die Sache ausnahmsweise dann nicht bestimmt angegeben werden muss, wenn sich aus den Verfahrensergebnissen Indizien für das Vorhandensein eines weiteren Vermögenswerts ergeben. In diesem Fall hat der Antragsteller anzugeben, aufgrund welcher Verfahrenser-gebnisse das Vorhandensein welchen weiteren Vermögens anzunehmen ist; reine Erkundungsbeweise sind nicht aufzunehmen.

2. Ist ein Inventar zu errichten, so ist die Einantwortung erst nach dessen Vorliegen zulässig (2 Ob 183/15y SZ 2016/103 = RIS-Justiz RS0130972). Gleiches gilt dann, wenn zwar ein Inventar errichtet wurde, aber danach gestellte Anträge nach § 166 Abs 2 AußStrG oder § 7a GKG noch offen sind. Denn in diesem Fall liegt noch kein (endgültiges) Inventar vor, sodass diese Voraussetzung für die Einantwortung fehlt. Wird dennoch eingeantwortet, so liegt kein bloßer Mangel des Verfahrens vor, sondern es wird aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung eine materielle Voraussetzung für die Einantwortung nicht beachtet. Diese Frage kann daher (auch) mit Revisionsrekurs geltend gemacht werden (§ 66 Abs 1 Z 4 AußStrG).

3. Im vorliegenden Fall hat der Rechtsmittelwerber zwei Anträge nach § 166 Abs 2 AußStrG gestellt, die das Erstgericht nicht erledigt hat. Damit lagen die Voraussetzungen für die Einantwortung noch nicht vor. Ob diese Anträge berechtigt waren – was beim Antrag auf Ermittlung von Überweisungsempfängern mangels konkreter Anhaltspunkte für die Nachlasszugehörigkeit zweifelhaft ist (2 Ob 183/15y mwN) –, ist in diesem Zusammenhang irrelevant.

4. Aufgrund dieser Erwägungen ist die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass die vom Erstgericht beschlossene Einantwortung samt allen damit in Zusammenhang stehenden Verfügungen behoben wird. Damit tritt das Verfahren in den Stand vor der Einantwortung zurück, was dem Erstgericht die Entscheidung über die noch offenen Anträge ermöglicht. Liegen nach deren Erledigung die Voraussetzungen für die Einantwortung vor, wird das Erstgericht in Bezug auf die beim Gerichtskommissär liegende Uhr zu beachten haben, dass zwar jeder Miteigentümer die Herausgabe der Sache (§ 366 ABGB) begehren kann, jedoch nur an alle Miteigentümer gemeinsam (8 Ob 2027/96p, 1 Ob 242/98i, 7 Ob 30/15k [jeweils zur Übergabe eines zu räumenden Objekts]; G. Kodek in Klang3 § 366 Rz 42 ff mwN). Sollte das wegen Uneinigkeit der Miterben nicht möglich sein, wäre eine Hinterlegung (§ 1425 ABGB) zu erwägen.

Textnummer

E123959

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0020OB00081.18B.1129.000

Im RIS seit

21.02.2019

Zuletzt aktualisiert am

09.09.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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