TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/11 G314 2190839-1

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Veröffentlicht am 11.10.2018
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Entscheidungsdatum

11.10.2018

Norm

BFA-VG §18 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §70 Abs3

Spruch

G314 2190839-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, rumänischer Staatsangehöriger, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung (Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.02.2018,Zahl: XXXX, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) wurde am XXXX.2017 wegen des Verdachts der Begehung von Einbruchsdiebstählen festgenommen. Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom 14.11.2017, XXXX, wurde er zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.

Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 28.03.2017 wurde der BF aufgefordert, sich zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbots zu äußern. Er gab keine Stellungnahme ab.

Mit dem oben angeführten Bescheid wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), ihm gemäß § 70 Abs 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde dagegen die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt III.). Das Aufenthaltsverbot wurde im Wesentlichen mit der strafgerichtlichen Verurteilung und mit dem Fehlen familiärer und sonstiger Bindungen des BF zu Österreich begründet. Von ihm gehe eine tatsächliche, erhebliche und gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde mit den Anträgen, den bekämpften Bescheid zu beheben, in eventu, das Aufenthaltsverbot wesentlich zu verkürzen. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt. Der BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass die Behörde ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt habe, da der BF nicht (im Beisein eines Dolmetschers) einvernommen worden sei und die Behörde nicht erhoben habe, dass sein Bruder und seine Eltern in Österreich lebten. Die Beweiswürdigung sei aufgrund der aufgezeigten Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens mangelhaft. Die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots lägen nicht vor. Die Behörde habe das Aufenthaltsverbot (unzulässigerweise) nur mit der strafgerichtlichen Verurteilung des BF begründet, keine nachvollziehbare Gefährdungsprognose vorgenommen und die Dauer des Aufenthaltsverbots nicht begründet. Ein Aufenthaltsverbot in der Maximaldauer von zehn Jahren sei - insbesondere unter Berücksichtigung des Familienlebens des BF in Österreich - unverhältnismäßig.

Das BFA legte die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 23.03.2018 einlangten.

Feststellungen:

Der 32-jährige BF wuchs in Rumänien auf; seine Muttersprache ist Rumänisch. Er hat keine Schulbildung. Zuletzt wohnte er in XXXX (Ungarn). Vor seiner Festnahme im März 2017 verfügte er über kein regelmäßiges Einkommen, sondern nahm Gelegenheitsarbeiten an und bettelte. Er hat weder Vermögen noch Schulden und ist für zwei minderjährige Kinder sorgepflichtig.

Im Zeitraum 2004 bis 2010 wurde der BF in Rumänien insgesamt acht Mal strafgerichtlich verurteilt, vier Mal wegen Raubes und vier Mal wegen Diebstahls oder Sachbeschädigung. Er war dort bislang vier Mal in Strafhaft. Zuletzt wurde er nach Verbüßung einer sechsjährigen Freiheitsstrafe im XXXX aus der Strafhaft entlassen. Davor hatte er sich bis zu seiner Verhaftung im XXXX für fünf Monate auf freiem Fuß aufgehalten, davor wiederum war er ein Jahr und acht Monate in Strafhaft angehalten worden.

In Deutschland wurde der BF mit den Urteilen vom 13.12.2016 (rechtskräftig seit XXXX) und vom 28.12.2016 (rechtskräftig seit XXXX) jeweils wegen des Erschleichens von Sozial- und Familienleistungen zu Geldstrafen verurteilt.

Der BF reiste zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt spätestens im März 2017 in das Bundesgebiet ein. Da er keine Arbeit fand, schloss er sich mit zwei anderen rumänischen Staatsangehörigen zusammen, um Einbruchsdiebstähle in Wohnhäuser zu begehen und so angesichts ihrer schlechten finanziellen Situation ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Seiner Verurteilung durch das Landesgericht XXXX vom 14.11.2017 liegt zugrunde, dass er im Rahmen dieser kriminellen Vereinigung zwischen XXXX und XXXX.2017 gemeinsam mit seinen Komplizen in XXXX und anderorts sechs Einbruchsdiebstähle beging, indem sie durch Aufbrechen oder Aushebeln von Fenstern oder Türen, einmal durch Einschlagen eines Fensters, in Wohnstätten eindrangen und Elektrogeräte, Bargeld, Schmuck und andere Wertgegenstände im Gesamtwert von EUR 7.300 an sich nahmen. In drei Fällen blieb es beim Versuch. Der BF und seine Mittäter gingen bei den Einbrüchen arbeitsteilig und professionell vor; jeder der Komplizen nahm bei den einzelnen Tatorten mindestens eine Einbruchshandlung oder eine Sachwegnahme vor. Am XXXX.2017 wurden der BF und seine Komplizen von einer Zeugin bei dem Versuch, in ein Einfamilienhaus in XXXX einzubrechen, beobachtet und kurz darauf festgenommen. Nach ihrer Verhaftung wurde ein Teil der Beute sichergestellt.

Der BF und seine Mittäter handelten bei den Einbrüchen mit dem Vorsatz, sich durch die Zueignung von Diebesgut in einem EUR 5.000 übersteigendem Wert unrechtmäßig zu bereichern. Sie hatten die Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von (auch schweren) Einbruchsdiebstählen in Wohnstätten längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen.

Der BF hat dadurch das Verbrechen des schweren und gewerbsmäßigen Diebstahls im Rahmen einer kriminellen Vereinigung und durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 und Abs 2 Z 1, 130 Abs 1 erster und zweiter Fall und Abs 3, § 15 StGB begangen und wurde - ausgehend von einem Strafrahmen von einem bis zehn Jahren Freiheitsstrafe gemäß § 130 Abs 3 StGB - rechtskräftig zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Es handelt sich um seine erste strafgerichtliche Verurteilung in Österreich. Bei der Strafzumessung wurden das umfassende und reumütige Geständnis, der Umstand, dass es teilweise beim Versuch blieb, und die teilweise Schadensgutmachung durch Sicherstellung der Beute als mildernd berücksichtigt. Erschwerend wirkten sich die zehn einschlägigen Vorverurteilungen in Rumänien und Deutschland aus, zumal beim BF die Voraussetzungen für die Strafverschärfung bei Rückfall gemäß § 39 StGB vorlagen, außerdem die Mehrfachqualifikation und die Tatwiederholung. Der BF und seine Komplizen wurden zur ungeteilten Hand zur Zahlung eines Schadenersatzbetrages von EUR 3.061,30 an ein privatbeteiligtes Versicherungsunternehmen verurteilt.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Er war im Bundesgebiet nie legal erwerbstätig.

Die Eltern und der Bruder des BF halten sich in Österreich auf. Eine aufrechte Wohnsitzmeldung des Bruders des BF kann nicht festgestellt werden. Der Vater des BF wurde von XXXX.2017 bis XXXX.2017 in der Justizanstalt XXXX und von XXXX.2017 bis XXXX.2017 im Polizeianhaltezentrum XXXX angehalten, seither liegt keine aufrechte Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet mehr vor. Die Mutter des BF ist seit XXXX.2016 mit Nebenwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet. Weder den Eltern noch dem Bruder des BF wurde eine Anmeldebescheinigung ausgestellt.

Der BF verbüßte die über ihn verhängte Freiheitsstrafe bis Dezember 2017 in der Justizanstalt XXXX und seither in der Justizanstalt XXXX. Das urteilsmäßige Strafende ist am XXXX.2022. Der frühestmögliche Zeitpunkt einer bedingten Entlassung ist Ende September 2019.

Es liegen keine Anhaltspunkte für eine über die Feststellungen hinausgehende Integration oder Anbindung des BF in Österreich vor.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG. Entscheidungswesentliche Widersprüche bestehen nicht.

Die Feststellungen zur Identität des BF und zu seinen persönlichen und finanziellen Verhältnissen beruhen auf den entsprechenden Feststellungen im Strafurteil vom 14.11.2017 und den damit in Einklang stehenden Angaben in der Anklageschrift vom 30.09.2017 sowie auf seinem rumänischen Personalausweis, der in Kopie vorliegt. Sein Geburtsdatum wird teils mit XXXX (Fremdenregister, Strafregister, ZMR-Zahl XXXX [Wohnsitzmeldung XXXX], Anklageschrift, Strafurteil, Vollzugsinformation JA XXXX, Vollmacht), teils mit XXXX (ZMR-Zahl XXXX [Wohnsitzmeldung XXXX], Polizeibericht, Vollzugsinformation JA XXXX, Strafantrittsbericht, Bescheid, Beschwerde) angegeben. Da in den aktuelleren Unterlagen und insbesondere in der vom BF unterfertigten Vollmacht der XXXX als sein Geburtstag aufscheint, geht das Gericht von diesem Datum aus.

Die Rumänischkenntnisse des BF ergeben sich aus seiner Herkunft sowie daraus, dass die Verständigung mit der Dolmetscherin im Strafverfahren problemlos möglich war. Auch in der Vollzugsinformation wird Rumänisch als Dolmetschsprache des BF angegeben. Indizien für weitere Sprachkenntnisse des BF bestehen nicht.

Aus dem Zentralen Melderegister (ZMR) ergibt sich, dass eine Wohnsitzmeldung des BF in Österreich erst seit seiner Anhaltung in einer Justizanstalt besteht. Damit in Einklang steht, dass in der Anklageschrift sein Wohnort mit Budapest angegeben wird und im Strafurteil eine rumänische Wohnanschrift aufscheint.

Die Feststellungen zur Arbeitsfähigkeit und zum Gesundheitszustand des BF beruhen darauf, dass er nach den Feststellungen im Strafurteil vor seiner Festnahme Gelegenheitsarbeiten durchführte. Der BF ist in einem erwerbsfähigen Alter; Anhaltspunkte für Erkrankungen oder Einschränkungen seiner Arbeitsfähigkeit bestehen nicht.

Mangels konkreter Beweisergebnisse für den Einreisezeitpunkt oder die Aufenthaltsdauer des BF im Bundesgebiet kann dazu keine datumsmäßige Feststellung getroffen werden. Da sich der BF und seine Komplizen laut Strafurteil im März 2017 in XXXX trafen, wo sie den Entschluss fassten, gemeinsam Straftaten zu begehen, und die erste Tat am XXXX.2017 erfolgte, ist davon auszugehen, dass der BF im März 2017 nach Österreich kam, zumal er noch im Dezember 2016 in Deutschland wegen der Erschleichung von Leistungen verurteilt wurde und sich vor seiner Einreise in das Bundesgebiet in Ungarn aufhielt.

Die Feststellungen zu den Vorstrafen des BF in Rumänien und Deutschland und zu früheren strafgerichtlichen Sanktionen beruhen auf dem Strafurteil und auf der Anklageschrift. Damit im Einklang steht, dass die Erfüllung der Voraussetzungen des § 39 StGB (zweimalige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe wegen Taten, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen, und zumindest teilweise Verbüßung dieser Strafen) als Erschwerungsgrund berücksichtigt wurde.

Die Feststellungen zu den vom BF begangenen Straftaten, zu seiner Verurteilung und zu den Erschwerungs- und Milderungsgründen basieren ebenfalls auf dem Strafurteil. Die Rechtskraft der Verurteilung wird durch den entsprechenden Eintrag im österreichischen Strafregister belegt, in dem keine weiteren Verurteilungen aufscheinen.

Die Feststellung, dass die Eltern und der Bruder des BF sich in Österreich aufhalten, wird anhand der Angaben in der Beschwerde getroffen. Aus den Abfragen im ZMR ergibt sich, dass für XXXX, den Bruder des BF, an der vom BF angegebenen Anschrift keine Wohnsitzmeldung besteht. Für den Vater des BF, XXXX (geboren XXXX), liegen laut ZMR seit Ende Juni 2017 keine Wohnsitzmeldungen im Bundesgebiet vor. Die Mutter des BF, XXXX, ist laut ZMR seit Ende Oktober 2016 mit Nebenwohnsitz in XXXX gemeldet. Abfragen im Fremdenregister betreffend die Eltern und den Bruder des BF blieben ergebnislos, sodass davon auszugehen ist, dass Anmeldebescheinigungen für sie weder beantragt noch ausgestellt wurden.

Die Feststellungen zum Vollzug der über den BF verhängten Haftstrafe und zu möglichen Entlassungsterminen basieren auf der Vollzugsinformation, die insoweit mit den Wohnsitzmeldungen in Justizanstalten laut ZMR und der Haftdauer unter Berücksichtigung der Vorhaftanrechnung laut Strafurteil korrespondiert.

Anhaltspunkte für eine über die Feststellungen hinausgehende Integration oder Anbindung des BF in Österreich sind nicht aktenkundig.

Rechtliche Beurteilung:

Zur in der Beschwerde monierten Verletzung von Ermittlungspflichten (bzw. des Parteiengehörs) ist auszuführen, dass der BF durch das BFA von der beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbots mit Schreiben vom 28.03.2017 verständigt wurde. Darin wurde er - nach Darlegung der Ermittlungsergebnisse des BFA - mit konkreten Fragen zu seiner privaten und familiären Situation und zu den Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Stellungnahme aufgefordert. Der BF hatte somit Gelegenheit, sich entsprechend zu äußern und konkrete Angaben, z.B. zu seinen privaten und familiären Anknüpfungspunkten im Bundesgebiet, zu machen. Der BF erstattete keine Stellungnahme. Aufgrund der ihm im Rahmen des Beschwerdeverfahrens gebotenen Möglichkeit, sich zum Inhalt des angefochtenen Bescheids zu äußern, ist jedenfalls von der Sanierung einer allfälligen Verletzung des Parteiengehörs auszugehen (vgl VwGH 28.10.2009, 2008/15/0302). Der BF erstattete in der Beschwerde (abgesehen von der Angabe seiner in Österreich lebenden Angehörigen) kein konkretes Vorbringen, etwa zu den Hintergründen und Motiven seines strafbaren Verhaltens, zu seinen Zukunftsplänen nach der Haftentlassung oder zu Häufigkeit und Ausgestaltung der Kontakte mit seinen Familienangehörigen.

Der BF ist als Staatsangehöriger von Rumänien EWR-Bürger iSd § 2 Abs 4 Z 8 FPG.

Gemäß § 67 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen EWR-Bürger, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch den Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Gemäß § 67 Abs 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Wenn der EWR-Bürger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt (so etwa, wenn er zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren verurteilt wurde), kann das Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs 3 FPG auch unbefristet erlassen werden.

Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 67 Abs 4 FPG auf alle für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, insbesondere auch auf die privaten und familiären Verhältnisse (VwGH 24.05.2016, Ra 2016/21/0075).

Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose zu erstellen, bei der das Gesamtverhalten des Betroffenen in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH 19.02.2014, 2013/22/0309).

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art 8 Abs 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Gemäß § 9 BFA-VG ist (ua) die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 FPG, durch das in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:

Da sich der BF erst seit kurzem in Österreich aufhält, ist der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 zweiter Satz FPG ("tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt") anzuwenden.

Bei der gemäß § 67 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose ist sein persönliches Verhalten zu beurteilen und insbesondere auf die durch die konkreten Straftaten bewirkten Eingriffe in die öffentliche Ordnung, die genauen Tatumstände und Begleitumstände der Taten und auch sonstige Besonderheiten Bedacht zu nehmen. Es ist in weiterer Folge abzuwägen, ob das Allgemeininteresse an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes schwerer wiegt als andere relativierende Momente, wie etwa das Familien- und Privatleben des BF.

Da sich der BF als Mitglied einer kriminellen Vereinigung an mehreren Einbruchsdiebstählen beteiligte, ist - insbesondere aufgrund seines schwer belasteten Vorlebens, der Wirkungslosigkeit des bereits mehrfach verspürten Haftübels und des raschen Rückfalls nach seiner Haftentlassung im Juli 2016 - auf eine hohe kriminelle Energie zu schließen, zumal er bei mehreren Wohnungseinbrüchen unmittelbar in die Privat- und Intimsphäre seiner Opfer eindrang. Die arbeitsteilig und in gewerbsmäßiger Absicht ausgeführten Vermögensdelikte zeigen, dass sein persönliches Verhalten eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr darstellt, zumal die Straftaten noch nicht lange zurückliegen und sich der BF seither in Haft befindet.

Die Erheblichkeit der vom BF ausgehenden Gefahr ergibt sich aus seinen insgesamt zehn einschlägigen Vorstrafen in zwei anderen Mitgliedstaaten, dem Umstand, dass er bereits mehrmals für längere Zeit in Strafhaft war und auch zuletzt wieder eine mehrjährige Haftstrafe über ihn verhängt werden musste, sowie daraus, dass er im Rahmen einer kriminellen Vereinigung arbeitsteilig und gewerbsmäßig handelte. Die Verhinderung von strafbaren Handlungen zum Schutz von fremdem Eigentum ist ein Grundinteresse der Gesellschaft.

Aufgrund der hohen Tatfrequenz, der tristen finanziellen Situation des BF, der Wirkungslosigkeit bisheriger Sanktionen und des Umstandes, dass der BF und seine Komplizen ihre auf längere Zeit ausgelegte Einbruchsserie nicht aus eigenem Entschluss beendeten, sondern erst aufgrund ihrer Verhaftung, ist unter Bedachtnahme auf Art und Schwere der Straftaten, auf das Persönlichkeitsbild, das sich daraus ergibt, und das Gesamtverhalten des BF die für die Erlassung des Aufenthaltsverbots erforderliche aktuelle Gefährdung von öffentlichen Interessen in maßgeblicher Intensität zu bejahen.

Die beharrliche Vermögensdelinquenz des BF indiziert in Zusammenschau mit seiner Einkommenslosigkeit, dass von ihm auch zukünftig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung iSd § 67 Abs 1 FPG ausgehen wird, zumal er schon kurz nach seiner Einreise in das Bundesgebiet Straftaten beging und hier weder über einen Arbeitsplatz noch über eine gesicherte Unterkunft verfügte. Da auch kein gesicherter sozialer Empfangsraum für die Zeit nach der Haftentlassung erkennbar ist, kann ihm aktuell keine positive Zukunftsprognose attestiert werden.

Der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben der BF muss verhältnismäßig sein. In diesem Zusammenhang sind hier insbesondere die Beziehungen des BF zu seinen in Österreich aufhältigen nahen Verwandten (Eltern und Bruder) zu berücksichtigen, die dem Privat- und nicht dem Familienleben zuzuordnen sind, zumal der BF volljährig ist und kein Abhängigkeitsverhältnis zu seinen Eltern oder seinem Bruder behauptet wird. Da sich der Lebensmittelpunkt des BF vor der Begehung der Straftaten nicht in Österreich befand, seine Kinder nicht hier leben und er hier weder einen festen Wohnsitz hatte noch erwerbstätig war, ist der Eingriff in sein Privatleben verhältnismäßig. Er hat nach wie vor starke Bindungen zu seinem Herkunftsstaat, zumal er sich lange Jahre dort aufhielt, sprachkundig und mit den dortigen Gegebenheiten vertraut ist. Es wird ihm trotz seiner fehlenden Ausbildung auch dort möglich sein, für seinen Lebensunterhalt durch eine entsprechende Erwerbstätigkeit (z.B. wieder durch Gelegenheitsarbeiten) aufzukommen.

Durch den Strafvollzug ist der Kontakt zwischen dem BF und seinen Angehörigen derzeit ohnedies eingeschränkt. Die Verbindung zu seinen in Österreich lebenden Verwandten kann nach der Haftentlassung und der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat durch Telefonate, Briefe, elektronische Kommunikationsmittel (E-Mail, Internet) sowie durch wechselseitige Besuche außerhalb Österreichs aufrecht bleiben.

Bei der Abwägung aller relevanten Umstände überwiegt hier das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung das persönliche Interesse des BF an einem Verbleib in Österreich, zumal das öffentliche Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen groß ist (vgl VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0474). Das vom BFA erlassene Aufenthaltsverbot erweist sich somit im Ergebnis dem Grunde nach als zulässig; die Voraussetzungen für ein maximal zehnjähriges Aufenthaltsverbot gegen den BF sind erfüllt.

Eine Reduktion der Dauer des Aufenthaltsverbots, das vom BFA mit der Höchstdauer bemessen wurde, scheitert am massiv belasteten Vorleben des BF, seinem raschen Rückfall und der nunmehrigen Verurteilung zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe auch bei Berücksichtigung seiner privaten Anknüpfungen im Bundesgebiet, zumal die Voraussetzungen für ein unbefristetes Aufenthaltsverbot gerade noch nicht erfüllt sind. Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat, wobei für den Wegfall der aus dem bisherigen Fehlverhalten ableitbaren Gefährlichkeit in erster Linie das Verhalten in Freiheit maßgeblich ist. Dieser Zeitraum ist umso länger anzusetzen, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden manifestiert hat (vgl zuletzt VwGH 26.04.2018, Ra 2018/21/0027). Angesichts der gravierenden Freiheitsstrafe, zu der der BF, bei dem es sich um einen schwer belehrbaren Rückfallstäter handelt, verurteilt wurde, bedarf es eines entsprechend langen Zeitraums der Beobachtung seines Wohlverhaltens, um sicherzustellen, dass er im Inland keine Straftaten mehr begehen wird. Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist daher nicht zu beanstanden.

Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbots von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn die sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist. Da beim BF aufgrund seiner Vorstrafen, seiner nunmehrigen schwerwiegenden Verurteilung und seiner miserablen finanziellen Lage eine erhebliche Wiederholungsgefahr besteht und der soziale Empfangsraum nach seiner Haftentlassung nicht gesichert ist, ist dem BFA darin beizupflichten, dass seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Weder die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubs gemäß § 70 Abs 3 FPG noch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG ist somit zu beanstanden, sodass die Beschwerde auch in Bezug auf die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheids unbegründet ist.

§ 21 Abs 7 BFA-VG erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das BVwG von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233). Da hier der Sachverhalt aus der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt erscheint und auch bei einem positiven Eindruck vom BF bei einer mündlichen Verhandlung keine Herabsetzung oder gar ein Entfall des Aufenthaltsverbots möglich wäre, konnte eine Beschwerdeverhandlung unterbleiben. Von deren Durchführung ist keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten, zumal ohnedies von der Richtigkeit der ergänzenden Tatsachenbehauptungen des BF zu seinen in Österreich lebenden Angehörigen ausgegangen wird.

Die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und die Bemessung der Dauer eines Einreise- oder Aufenthaltsverbots sind im Allgemeinen nicht revisibel (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284). Die Revision war nicht zuzulassen, weil sich das BVwG an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot, aufschiebende Wirkung - Entfall,
Durchsetzungsaufschub, EU-Bürger

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G314.2190839.1.00

Zuletzt aktualisiert am

15.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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