Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Jänner 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Holzer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mohammed H***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15 Abs 1, 84 Abs 4 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Mohammed A***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 29. Mai 2018, GZ 14 Hv 126/17p-70, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten Mohammed A***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Schuldspruch des Mohammed H***** enthaltenden Urteil wurde Mohammed A***** des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15 Abs 1, 84 Abs 4 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Mohammed H***** in der Nacht zum 22. September 2017 in L***** dem Peter M***** eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) vorsätzlich zuzufügen versucht, indem sie ihm Faustschläge gegen das Gesicht und den Kopf sowie Tritte gegen den Körper versetzten, wodurch Peter M***** Prellungen von Kopf und Gesicht mit Hautunterblutungen an beiden Ohrmuscheln, an beiden Augenunterlidern, über dem Jochbogen und Jochbein links, eine Prellung des linken Ohres mit einer vorübergehenden Hörverminderung und einer örtlichen Blutung im Bereich des Trommelfells, eine oberflächliche Schürfwunde im Bereich der Unterlippe rechts und Prellungen beider Knie mit Hautabschürfungen an den Knievorderseiten erlitt.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, Z 5a, Z 9 lit a, Z 9 lit b, Z 10 und Z 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
Die nominell Undeutlichkeit, Unvollständigkeit und Widerspruch (Z 5 erster bis dritter Fall) behauptende Mängelrüge wendet sich mit der, überdies die angenommene Mittäterschaft (US 6) vernachlässigenden Behauptung, die festgestellten Tathandlungen des Nichtigkeitswerbers seien praktisch kaum nachvollziehbar und sprächen fehlende Verletzungsfolgen insbesondere im Rückenbereich gegen ihm angelastete Attacken, im Ergebnis ebenso nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung wie mit ihren auf eigenständige Beweiswerterwägungen gestützten Überlegungen, die erstgerichtliche Feststellung, wonach den Angeklagten bewusst gewesen sei, dass Peter M***** ihnen aus dem Lokal folgte, um sie aufgrund des Vorfalls im WC bis zum Eintreffen der Polizei anzuhalten (US 6, vgl auch US 10), sei „inkompatibel“ mit den vom Tatopfer getätigten massiven Beschimpfungen und dessen Faustschlag in die Luft in Richtung der Angeklagten (im Wissen, sie nicht treffen zu können; US 5, 11).
Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will
als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).
Indem die Beschwerde einerseits das Vorbringen der Mängelrüge wiederholt und andererseits aus isoliert herausgegriffenen Passagen der Aussagen des Tatopfers sowie der Zeugen Klaus P*****, Johannes K***** und Katharina Ma***** trotz angenommener Mittäterschaft die mangelnde Kausalität seines Tatverhaltens für die eingetretenen Verletzungen abzuleiten sucht, das Fehlen eines auf Zufügung einer schweren Verletzung gerichteten Vorsatzes bestreitet und schließlich ohne Hinweis auf konkrete Beweisergebnisse ein Handeln in Notwehr behauptet, vermag sie erhebliche Bedenken im oben aufgezeigten Sinn nicht zu wecken.
Gegenstand von Rechts- und Subsumtionsrüge ist der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts (einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen) mit dem festgestellten Sachverhalt. Den tatsächlichen Bezugspunkt bildet dabei die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO). Ausgehend davon ist zur Geltendmachung eines aus Z 9 oder Z 10 des § 281 Abs 1 StPO gerügten Fehlers klarzustellen, aus welchen ausdrücklich zu bezeichnenden Tatsachen (einschließlich der Nichtfeststellung von Tatsachen) welche rechtliche Konsequenz (§ 259, § 260 Abs 1 Z 2 StPO) hätte abgeleitet werden sollen (vgl RIS-Justiz
Diesen Anforderungen wird die mangels Feststellung der dem Nichtigkeitswerber zuzurechnenden Verletzungen jeweils einen Freispruch fordernde Rechts- und Subsumtionsrüge (Z 9 lit a und Z 10, inhaltlich angesichts ihrer Zielrichtung nur Z 9 lit a) schon deshalb nicht gerecht, weil sie die konstatierte Mittäterschaft (US 6, 11, 12 f) negieren (vgl RIS-Justiz RS0090006, RS0089574).
Aber auch die angesichts der Beschimpfungen und der vom Tatopfer ausgehenden Provokation sowie dessen Versuch, einen Faustschlag gegen die Angeklagten zu setzen, Notwehr bzw Nothilfe behauptende Rechtsrüge (Z 9 lit b) lässt die Urteilsannahmen außer Acht, dass der Schlag in die Luft lediglich als Drohgebärde gewertet und Peter M***** den Angeklagten in Ausübung seines, Notwehr oder Nothilfe ausschließenden, Anhalterechts aus dem Lokal gefolgt war (US 13).
Dass Beschimpfungen oder den Tathandlungen vorangehende Provokationsakte des Opfers geeignet sein sollten, eine Notwehrsituation zu schaffen, wird von der Beschwerde bloß begründungslos behauptet, nicht jedoch methodisch vertretbar aus dem Gesetz abgeleitet (RIS-Justiz RS0116565; vgl im Übrigen RS0089107).
Die Diversionsrüge (Z 10a) legt mit der nicht näher konkretisierten Forderung, das Erstgericht hätte „angesichts der Darstellung des Zweitangeklagten diesem jedenfalls eine diversionelle Erledigung anbieten müssen“, nicht dar, weshalb unter der Berücksichtigung der massiven Tätlichkeiten von nicht schwerer Schuld auszugehen sei und aus der Verantwortung des Beschwerdeführers eine – vom Erstgericht nicht angenommene (US 15) – Übernahme von Verantwortung (vgl Schroll in WK2 JGG § 7 Rz 16 iVm Schroll, WK-StPO § 198 Rz 36/1 ff) abgeleitet werden sollte.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E123941European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0120OS00116.18B.0124.000Im RIS seit
08.02.2019Zuletzt aktualisiert am
08.02.2019