TE Bvwg Beschluss 2018/7/20 L507 2198871-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.07.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

20.07.2018

Norm

AsylG 2005 §18 Abs1
AsylG 2005 §2 Abs1 Z17
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §66 Abs2
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

L507 2198871-1/6E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Habersack über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. ungeklärt, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.05.2018, Zl. XXXX, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

1.1. Der damals minderjährige Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 25.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 26.11.2015 brachte der Beschwerdeführer unter anderem vor, dass er Staatsangehöriger des Irak und Angehöriger der kurdischen Volksgruppe sei. Der Beschwerdeführer habe gemeinsam mit seinen Eltern, seinen zwei Brüdern und seiner Schwester im Irak, in Arbil gelebt. Ein Bruder des Beschwerdeführers namens XXXX (29 Jahre alt) lebe in Österreich. Den Irak habe der Beschwerdeführer verlassen, weil sein Vater gewollt habe, dass er zur kurdischen Armee gehe, um für diese zu kämpfen.

Mit Schreiben vom 01.12.2015 gab der Beschwerdeführer bekannt, dass er staatenlos und kein irakischer Staatsangehöriger sei (AS 47).

Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor einem Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) brachte der Beschwerdeführer am 04.01.2017 vor, dass er kein irakischer Staatsbürger sei. Die Eltern des Beschwerdeführers seien iranische Staatsangehörige und Angehörige der Volksgruppe der Kurden. Sie hätten vor ungefähr 30 Jahren den Iran in der Richtung Irak verlassen müssen. Der Vater des Beschwerdeführers sei Peschmerga und Mitglied der Demokratischen Partei gewesen; es habe damals Kämpfe zwischen der iranischen Armee und den kurdischen Peschmerga gegeben, weshalb die Eltern des Beschwerdeführers in den Irak geflüchtet seien.

Der Beschwerdeführer sei im Irak, in Arbil, geboren, sei dort aufgewachsen und habe dort die Schule besucht. Da die Eltern des Beschwerdeführers nach wie vor vom iranischen Geheimdienst gesucht werden würden, hätten sie gemeinsam mit dem Beschwerdeführer den Irak verlassen und seien in die Türkei gegangen, wo sie nach wie vor leben würden.

Ein Halbbruder des Beschwerdeführers namens XXXX, habe ebenfalls den Irak verlassen, weil er vom iranischen Geheimdienst gesucht werde. Der Halbbruder des Beschwerdeführers sei in Österreich aufhältig.

1.2. Dem Antrag auf internationalen Schutz des Halbbruders des Beschwerdeführers, XXXX, Staatsangehörigkeit: Iran, vom 29.11.2015 wurde mit Bescheid des BFA, Regionaldirektion Steiermark, vom 28.11.2017, Zl. XXXX, gemäß § 3 AsylG stattgegeben und ihm der Status des Asylberichtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wurde festgestellt, dass dem Halbbruder des Beschwerdeführers kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Das BFA ging im Asylverfahren des Halbbruders des Beschwerdeführers davon aus, dass es sich beim Halbbruder des Beschwerdeführers um einen Staatsangehörigen des Iran handelt, was auch im oben genannten Bescheid des BFA festgestellt wurde.

2. Mit Bescheid des BFA, Regionaldirektion Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt, vom 18.05.2018, Zl. XXXX, wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Das BFA traf im angefochtenen Bescheid unter anderem die Feststellung, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger des Irak und muslimisch-sunnitischen Glaubens sei sowie der Volksgruppe der Kurden angehöre.

Beweiswürdigend führte das BFA zur festgestellten Staatsangehörigkeit aus, dass der Beschwerdeführer selbst bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 04.01.2017 angegeben habe, dass er bereits im Irak geboren sei und sein gesamtes Leben bis zu seiner Ausreise im Irak verbracht habe, weshalb das BFA davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer irakischer Staatsangehöriger sei.

3. Gegen diesen dem Beschwerdeführer am 22.05.2018 persönlich zugestellten Bescheid wurde am 15.06.2018 Beschwerde erhoben und die Durchführung einer Beschwerdeverhandlung beantragt.

Begründend wurde unter anderem folgendes wörtlich ausgeführt:

"Auf der Seite 12 des angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde festgestellt, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger des Irak ist. Hier möchte der Beschwerdeführer darauf hinweisen, iranischer Staatsangehöriger zu sein. Als Beweis wird vorgebracht, dass der Halbbruder des Beschwerdeführers ebenfalls iranischer Staatsangehöriger ist. Dies wurde vom BFA anerkannt und ihm ein entsprechender Konventionspass mit Gültigkeit für alle Staaten der Welt ausgenommen Iran ausgestellt.

- Beweis: Kopie Konventionspass, XXXX

Dies wurde vom BFA nicht gewürdigt. Da der Beschwerdeführer somit aber iranischer Staatsangehöriger ist, liegt ein grob mangelhaftes Ermittlungsverfahren des BFA vor. Insbesondere liegen somit auch dem hier angefochtenen Bescheid Länderfeststellungen zum Irak anstatt richtigerweise zum Iran zugrunde. Schon aus diesem Grund wird der Bescheid daher zu beheben sein."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu Spruchteil A):

2.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2).

Gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

2.2. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG ist Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung nach dieser Bestimmung das Fehlen relevanter behördlicher Sachverhaltsermittlungen. Hinsichtlich dieser Voraussetzung gleicht die Bestimmung des § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG jener des § 66 Abs. 2 AVG, der als - eine - Voraussetzung der Behebung und Zurückverweisung gleichfalls Mängel der Sachverhaltsfeststellung normiert, sodass insofern - auch wenn § 66 Abs. 2 AVG im Gegensatz zu § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG als weitere Voraussetzung der Behebung und Zurückverweisung auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraussetzt - auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG zurückgegriffen werden kann.

§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:

Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.

Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

3. Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:

Vom Beschwerdeführer wurde im Verfahren vor dem BFA - mit Ausnahme der Angaben des damals noch minderjährigen Beschwerdeführers bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 26.11.2015 - mehrfach vorgebracht, dass er iranischer Staatsangehöriger oder staatenlos sei.

Zudem brachte der Beschwerdeführer auch vor, dass sein Halbbruder in Österreich lebe.

Zum Beweis seines Vorbringens brachte der Beschwerdeführer eine Bestätigung der kurdischen Freiheitspartei in Vorlage, aus der hervorgeht, dass er iranischer Nationalität sei.

Auch aus dem in Akt einliegenden Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 31.01.2018, XXXX, geht hervor, dass der Beschwerdeführer von diesem Gericht als iranischer Staatsangehöriger bezeichnet wurde.

Trotz des mehrfach eindeutigen Vorbringens des Beschwerdeführers, dass er kein irakischer Staatsangehöriger sei, im Zusammenhang mit dem Umstand, dass im Asylverfahren des Halbbruders des Beschwerdeführers dessen iranische Staatsangehörigkeit von der belangten Behörde rechtskräftig festgestellt wurde, traf die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Feststellung, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen Staatsangehörigen des Irak handeln würde. Beweiswürdigend führte sie dazu lapidar aus, dass der Beschwerdeführer bei der Einvernahme vor dem BFA angegeben habe, im Irak geboren zu sein und sein ganzes Leben im Irak verbracht zu haben, weshalb man davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer ein irakischer Staatsbürger sei.

Ermittlungen betreffend die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers - wie etwa die Aufforderung an den Beschwerdeführer zur Vorlage von Identitätsdokumenten, Staatsbürgerschaftsnachweis, Geburtsurkunde, Dokumente der in der Türkei lebenden Eltern des Beschwerdeführers; oder die zeugenschaftliche Einvernahme des in Österreich lebenden Halbbruders des Beschwerdeführers und die Einsichtnahme in den Asylakt des Halbbruders des Beschwerdeführers, woraus hervorgeht, dass es sich bei diesem um einen iranischen Staatsangehörigen handelt; oder die Beauftragung einer Recherche vor Ort (im ehemaligen Wohnort des Beschwerdeführers; in der Schule, die vom Beschwerdeführer besucht wurde; Befragung der Eltern in der Türkei; etc.) durch einen Ländersachverständigen; usw. - hat die belangte Behörde gänzlich unterlassen.

Infolge der Unterlassung eines unbedingt erforderlichen Ermittlungsverfahrens zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ging die belangte Behörde bei der Prüfung und Beurteilung des Antrages auf international Schutz davon aus, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen Staatsangehörigen des Irak handelt, weshalb als Herkunftsstaat des Beschwerdeführers der Irak angenommen und geprüft wurde.

Weitergehende und nach Ansicht des erkennenden Gerichtes unbedingt erforderliche Ermittlungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers wurden - wie oben erwähnt - vom BFA gänzlich unterlassen.

Nach Ansicht des Bundeswartungsgerichtes sind aber vor dem Hintergrund des § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG 2005 bei der Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz von Personen, die behaupten, eine andere als vom BFA vermutete Staatsangehörigkeit zu besitzen bzw. staatenlos zu sein, eingehende und umfangreiche Ermittlungen und darauf gestützte eindeutige und konkrete Feststellungen zur Staatsangehörigkeit bzw. Staatenlosigkeit der Antragsteller notwendig und unbedingt erforderlich, zumal nach § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG 2005 der Herkunftsstaat der Staat ist, dessen Staatsangehörigkeit Fremde besitzen, oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat ihres früheren gewöhnlichen Aufenthaltes. Herkunftsstaat im Sinne dieser Bestimmung ist somit primär jener Staat, zu dem ein formelles Band der Staatsbürgerschaft besteht; nur wenn ein solcher Staat nicht existiert, wird subsidiär auf sonstige feste Bindungen zu einem Staat in Form eines dauernden (gewöhnlichen) Aufenthaltes zurückgegriffen. Auf welchen Staat diese Voraussetzungen im Einzelfall zutreffen, ist von den Asylbehörden zu ermitteln und festzustellen.

Zusammengefasst leidet der angefochtene Bescheid unter diesen Gesichtspunkten unter erheblichen Ermittlungsmängeln in Bezug auf die Frage der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer konkret und gezielt gegen den Beschwerdeführer gerichteten Verfolgung maßgeblicher Intensität und erweist sich für das Bundesverwaltungsgericht der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung einer allfälligen Gefährdung des Beschwerdeführers unter dem Aspekt der Gewährung des Status des Asylberechtigten als so mangelhaft, dass weitere notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes diesbezüglich unerlässlich erscheinen.

Damit hat die belangte Behörde im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Ermittlungen gänzlich unterlassen, wobei diese Ermittlungen nunmehr durch das Bundesverwaltungsgericht erstmals vorgenommen werden müssten.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann nicht im Sinne des Gesetzes liegen.

Da der maßgebliche Sachverhalt aufgrund der Unterlassung notwendiger Ermittlungen der belangten Behörde nicht feststeht und diese Ermittlungstätigkeit sowie die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (erstmals) durch das Bundesverwaltungsgericht selbst vorgenommen werden müsste, war gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG mit der Aufhebung der angefochtenen Bescheide und Zurückverweisung der Angelegenheit zur Erlassung neuer Bescheide an die Behörde vorzugehen.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die Verwaltungsbehörde (lediglich) an die rechtliche Beurteilung des gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG aufhebenden und zurückverweisenden Beschlusses des Verwaltungsgerichtes gebunden ist (s. § 28 Abs. 3,

3. Satz VwGVG; vgl. auch z.B. VwGH 22.12.2005, Zl. 2004/07/0010, VwGH 08.07.2004, Zl. 2003/07/0141 zu § 66 Abs. 2 AVG); durch eine Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG tritt das Verfahren aber in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hatte (Wirkung der Aufhebung ex tunc, s. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) Anm. 14 zu § 28 VwGVG; vgl. auch 22.05.1984, Zl. 84/07/0012), sodass die belangte Behörde das im Rahmen der Beschwerdeverfahren erstattete weitere Parteivorbringen zu berücksichtigen und gemäß § 18 Abs. 1 AsylG gegebenenfalls darauf hinzuwirken haben wird, dass dieses ergänzt bzw. vervollständigt wird.

4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, zumal aufgrund der Aktenlage in Verbindung mit dem Vorbringen in der Beschwerde feststeht, dass der angefochtene Bescheid zu beheben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen war.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063) ab. Durch das genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in der Rechtsprechung auch nicht uneinheitlich beantwortet.

Schlagworte

Asylverfahren, Behebung der Entscheidung, Ermittlungsmangel,
Ermittlungspflicht, Herkunftsstaat, Kassation, mangelhaftes
Ermittlungsverfahren, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,
Staatsangehörigkeit, Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L507.2198871.1.00

Zuletzt aktualisiert am

29.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten