TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/17 I411 1426857-3

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Veröffentlicht am 17.10.2018
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Entscheidungsdatum

17.10.2018

Norm

AsylG 2005 §28 Abs1
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs3 Satz2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

I411 1426857-3/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Robert POLLANZ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Sierra Leone, vertreten durch Dr. Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost (EASt-Ost) vom XXXX, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG

stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte erstmals am 25.04.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er wie folgt begründete: Nach dem Tod seines Vaters habe dieser dem Beschwerdeführer seine Palmenplantage überlassen. Der Onkel des Beschwerdeführers wolle ihm diese Plantage wegnehmen; es habe deswegen ständig Auseinandersetzungen gegeben. Die Stiefmutter des Beschwerdeführers habe ihn dabei unterstützt und gemeint, dass er die Plantage von seinem Vater geerbt habe. Der Onkel des Beschwerdeführers sei sehr berühmt, deshalb habe dieser einige Leute organisiert um den Beschwerdeführer zu töten. Diese Leute haben seine Stiefmutter getötet, die Polizei habe jedoch gedacht, es sei der Beschwerdeführer gewesen, weshalb sie gezielt nach ihm gesucht haben. Seine Stiefmutter sei am 26.03. verstorben, seitdem werde er überall von der Polizei gesucht. Er habe niemandem zu Hause; er habe einen Onkel in Ghana, den Bruder seiner Mutter, er kenne diesen Mann aber nicht.

2. Mit erstem Bescheid vom XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten ab und wurde er aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Sierra Leona ausgewiesen. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens aufgrund mangelnden Ermittlungsverfahrens, mangelnder Beweiswürdigung und falscher Beurteilung der Glaubwürdigkeit sowie falscher rechtlicher Beurteilung. Dieser Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom XXXX, stattgegeben, der bekämpfte Bescheid gemäß § 66 Abs 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

3. Infolge der behebenden Entscheidung durch den Asylgerichtshof erging ein zweiter Bescheid vom XXXX, mit welchem der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz neuerlich abgewiesen, ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und er aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Sierra Leone ausgewiesen wurde. Die dagegen fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Urteil des Asylgerichtshofes vom XXXX, abgewiesen, der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Sierra Leone ausgesprochen.

4. Der Beschwerdeführer hat das österreichische Bundesgebiet seither nicht verlassen.

5. Am 11.01.2018 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz, in dem er im Wesentlichen seine alten Fluchtgründe aufrechthält und darüber hinaus angibt, homosexuell zu sein. Diese Neigung gelte in Sierra Leone als kriminelles Verhalten, deswegen habe er gedacht, dass Homosexualität auch in Österreich als kriminelles Verhalten und Straftat gelte. Deswegen habe er dies aus Angst nicht erwähnt. Er habe seit Dezember 2016 einen Partner mit dem er zusammenlebe; er und sein Partner haben vor, ihre Partnerschaft in Wien eintragen zu lassen. Er selbst habe nicht vorgehabt einen neuerlichen Asylantrag zu stellen, aber als er und sein Freund beim Anwalt gewesen seien, habe dieser ihm gesagt, dass er illegal in Österreich sei und deshalb habe er neuerlich einen Asylantrag gestellt.

6. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX zu XXXX vom

XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen Verstoß gegen das Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, davon sieben Monate bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, rechtskräftig verurteilt.

7. Mit dem Bescheid vom XXXX, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) jeweils wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs 1 AVG zurück. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Sierra Leone zulässig ist (Spruchpunkt V.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht (Spruchpunkt VI.). Zugleich wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

8. In der Entscheidung stellte die belangte Behörde fest, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers bezüglich seiner Homosexualität als nicht glaubhaft anzusehen ist; der Name XXXX sei in allen denkbaren Varianten im IFA und ZMR gesucht worden, doch selbst mit phonetischer Suche konnte keine Person mit diesem Namen gefunden werden. Außerdem sei auch der Schwulenclub XXXX, von dem der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme am 09.04.2018 Mitglied zu sein behauptet, nach Internetrecherchen nicht gefunden worden. Die belangte Behörde konnte keinen neuen entscheidungsrelevanten Sachverhalt feststellen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers wurde als Ergänzung zu den Fluchtgründen seines Erstverfahrens angesehen und kam die belangte Behörde zu dem Schluss, dass der objektive und entscheidungsrelevante Sachverhalt unverändert ist und sohin entschiedene Sache im Sinne von § 68 AVG vorliegt.

9. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 19.09.2018 (bei der belangten Behörde eingelangt am 19.09.2018), mit der im Wesentlichen vorgebracht wurde, dass die belangte Behörde bezüglich der Homosexualität des Beschwerdeführers nicht vollständig ermittelt habe und wurde beantragt, den Lebensgefährten des Beschwerdeführers als Zeuge einzuvernehmen. Der Beschwerdeführer machte den vollständigen Namen seines Lebensgefährten, XXXX, namhaft sowie dessen Adresse. Weiters führte er aus, dass er Mitglied der Initiative XXXX sei, das in der Einvernahme geschriebene Wort XXXX sei phonetisch gleich.

10. Mit Schriftsatz vom 20.09.2018, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 27.09.2018, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang wird festgestellt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen wurden dem vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde entnommen und sind soweit unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1 Zu A) Aufhebung des bekämpften Bescheides:

3.1.1 § 21 BFA-VG lautet auszugsweise wie folgt:

Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht

§ 21 (1) Zu Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht ist das Bundesamt zu laden; diesem kommt das Recht zu, Anträge und Fragen zu stellen.

(2) Das Bundesverwaltungsgericht erkennt über Beschwerden gegen Entscheidungen, mit denen ein Antrag im Zulassungsverfahren zurückgewiesen wurde, binnen acht Wochen, soweit der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt wurde.

(3) Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

3.1.2 Nach § 21 Abs. 3 BFA-VG 2014 ist der Beschwerde gegen eine Entscheidung im Zulassungsverfahren - wozu auch die vorliegende Zurückweisung eines Antrags auf internationalen Schutz nach § 68 AVG gehört - vom Bundesverwaltungsgericht stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint (vgl. VwGH vom 13.11.2014 Ra 2014/18/0025).

Es handelt sich dabei um eine von § 28 Abs. 3 erster und zweiter Satz VwGVG 2014 abweichende Regelung, die auf die Besonderheiten des asylrechtlichen Zulassungsverfahrens Bedacht nimmt, indem die Möglichkeit, aber auch die Verpflichtung zur Fällung einer zurückverweisenden Entscheidung im Fall einer Beschwerde gegen einen im asylrechtlichen Zulassungsverfahren erlassenen Bescheid allein an die in § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG 2014 genannten Voraussetzungen geknüpft ist (vgl. VwGH vom 30.05.2017, Ra 2017/19/0017).

Ausgehend davon hat das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall zu beurteilen, ob der ihm vorliegende Sachverhalt so mangelhaft war, dass ohne Durchführung einer Verhandlung die "Sache" des Beschwerdeverfahrens nicht abschließend erledigt werden konnte.

Diese Voraussetzungen liegen aufgrund folgender Überlegungen vor:

3.1.3. Mit der bekämpften Entscheidung hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 68 AVG hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten zurückgewiesen und festgestellt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers bezüglich seiner Homosexualität als nicht glaubhaft anzusehen ist und kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden kann.

Aus dem Akteninhalt geht hervor, dass der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde am 09.04.2018 angab, mit XXXX</nichtanonym><anonym>XXXX</anonym></person> seit Dezember 2016 in einer Beziehung zu sein.

Die Feststellung, dass dieses Vorbringen nicht glaubhaft ist, basiert alleine aufgrund der Angabe des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde am 09.04.2018 und wurde ohne nähere Prüfung dem Sachverhalt zugrunde gelegt. Weder wurden nähere Informationen zum Lebensgefährten eingeholt noch dessen Einvernahme veranlasst. Von einem geklärten Sachverhalt in Bezug auf die Frage des Vorliegens einer Lebensgemeinschaft mit einem Mann und der damit zusammenhängenden Beurteilung der sexuellen Orientierung des Beschwerdeführers ist daher aufgrund der Aktenlage keinesfalls auszugehen. Vielmehr müsste dies vom BVwG im Rahmen einer mündlichen Verhandlung erst ermittelt werden und wäre daher die Einvernahme sowohl des Beschwerdeführers als auch des von ihm als Lebensgefährten namhaft gemachten XXXX (dessen Einvernahme wurde in der Beschwerde vom 19.09.2018 beantragt und wurde auch der vollständige Name mit XXXX, geb. XXXX bekanntgegeben) erforderlich.

3.1.4. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die belangte Behörde den Sachverhalt in Bezug auf die Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers so mangelhaft ermittelt hat, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung notwendig gewesen wäre. Der Beschwerde war daher stattzugeben und der angefochtene erstinstanzliche Bescheid zu beheben, wodurch das Asylverfahren zugelassen ist. Diese Zulassung steht allerdings gemäß § 28 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 einer späteren zurückweisenden Entscheidung nicht entgegen (vgl. erneut VwGH vom 13.11.2014, Ra 2014/18/0025).

3.2 Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Glaubhaftmachung,
Homosexualität, Kassation, mangelhaftes Ermittlungsverfahren,
mangelnde Sachverhaltsfeststellung, mündliche Verhandlung,
Zulassungsverfahren, Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I411.1426857.3.00

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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