TE Bvwg Beschluss 2018/11/15 W136 2177115-2

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Veröffentlicht am 15.11.2018
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Entscheidungsdatum

15.11.2018

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W136 2177115-2/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER als Einzelrichterin in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.10.2018, Zahl 1105478401-180879368, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Mag. Taner ÖNAL, Rechtsanwalt, beschlossen:

A) Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 und § 22 Abs. 10 AsylG 2005 in Verbindung mit § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Vorverfahren:

Der Antragsteller ist afghanischer Staatsbürger und stellte nach schlepperunterstützter und unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 14.02.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005).

Mit Bescheid des BFA vom 16.10.2017 wurde dieser Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Antragsteller gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach AFGHANISTAN zulässig ist (Spruchpunkt III.) und dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für ihre freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Antragstellers wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 08.06.2018, Zl. W208 2177115-1/6E, als unbegründet abgewiesen. Dabei wurde festgestellt, dass der Antragsteller noch nie in Afghanistan war und somit dort auch nie einer konkreten asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt war. Weiters konnte nicht festgestellt werden, dass der Antragsteller eine solche, im Falle seiner Einreise nach Afghanistan, zu befürchten hätte. Weiters konnte nicht festgestellt werden, dass der Antragsteller im Fall einer Rückführung in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit dem realen Risiko einer ernsthaften Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt bzw. der Gefährdung seines Lebens, Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre und dass der Antragsteller im Falle einer allfälligen Rückkehr nach Kabul nicht im Stande wäre, für ein ausreichendes Auskommen im Sinne der Sicherung seiner Grundbedürfnisse zu sorgen und mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr ausgesetzt wäre, in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten.

Die gegen dieses Erkenntnis erhobene ao. Revision des Antragstellers wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 02.08.2018, Zl. Ra 2018/01/0335, zurückgewiesen.

2. Gegenständliches Verfahren:

2.1. Der gegenständliche Akt wurde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde auf Grund des § 12a Abs. 2 AsylG am 03.10.2018 übermittelt. Nach Durchsicht auf Vollständigkeit des Aktes und Überprüfung wurde das BFA am selben Tag gemäß § 22 Abs. 2 BFA-VG über das Einlangen des Verwaltungsaktes bei der zuständigen Gerichtsabteilung verständigt.

2.2. Am 17.09.2018 stellte der Antragsteller einen weiteren, den gegenständlichen Antrag (Folgeantrag) auf internationalen Schutz in Österreich.

In der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Antragsteller an, er habe eine österreichische Lebensgefährtin, die im 7. Monat schwanger sei, außerdem wohne er nun mit ihr und ihrer Familie zusammen. Dass seine Freundin von ihm schwanger sei, wisse er seit April 2018. Weitere Fluchtgründe habe er nicht.

Mit Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom 25.09.2018 wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben.

In der am 01.10.2018 durchgeführten Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde) brachte der Antragsteller in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Farsi sowie eines Rechtsberaters im Wesentlichen vor, dass seine Freundin, die in drei Tagen volljährig werde, von ihm schwanger sei und der Geburtstermin der 01.01.2019 sei. Er habe erst im vierten oder fünften Monat der Schwangerschaft davon erfahren und plane, diese Woche einen Heiratstermin festzusetzen. Aus diesem Grund stelle er auch einen neuen Asylantrag. Er habe keine neuen Fluchtgründe, er sei niemals in Afghanistan gewesen und wolle dort nicht leben, weil er dort niemanden habe.

In der Folge wurde mittels mündlich verkündetem Bescheid, welcher im Protokoll über die eben angeführte Einvernahme am 01.10.2018 dokumentiert ist, der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben. Die belangte Behörde begründete dies nach Wiedergabe des Verfahrensganges im Wesentlichen wie folgt:

Der Antragsteller sei Staatsangehöriger von Afghanistan, seine Identität stehe nicht fest. Er lebe seit Jänner 2018 im gemeinsamen Haushalt mit der Familie seiner Freundin, die ein Kind von ihm erwarte. Sonst habe der Antragsteller keine verwandtschaftlichen Beziehungen in Österreich. Der Antragsteller verfüge nur über geringe Deutschkenntnisse, habe keine Bildungsmaßnahmen in Anspruch genommen und lebe von der Grundversorgung. Der Antragsteller habe im gesamten Verfahren keine asylrechtlich relevante Verfolgung geltend gemacht, sondern habe den Iran, wo er mit seiner Familie gelebt habe, wegen der schlechten finanziellen Lage verlassen.

Es existierten unter Berücksichtigung aller bekannten Tatsachen keine Umstände, welche einer Ausweisung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden. Der Antragsteller verfüge über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung. Ebenso wenig könne eine asylrelevante Verfolgung oder Bedrohung oder eine existenzgefährdende Notlage im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan festgestellt werden.

Schließlich sei der Antragsteller mit rechtskräftigem Erkenntnis des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 13.08.2018 zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt worden, wobei das Datum der letzten Tat der 17.07.2018 gewesen sei. Damit stehe fest, dass der Antragsteller nicht gewillt sei, die österreichische Rechtsordnung zu befolgen.

Hinsichtlich des geltend gemachten Privatlebens mit seiner Freundin, sei zu beachten, dass der gemeinsame Haushalt erst nach Erhalt des negativen Bescheides des BFA geründet worden sei und sei und dem Antragsteller die Schwangerschaft seiner Freundin bereits vor der Rechtskraft der negativen Entscheidung bekannt gewesen sei. Wenn der Antragsteller von einer noch im Oktober geplanten Hochzeit spreche, sei dies nicht nachvollziehbar, denn eine Nachfrage beim zuständigen Standesamt habe ergeben, dass ein solcher Termin nicht existiere.

Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt habe sich daher seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht maßgeblich geändert, wesahlb entschiedene Sache im Sinne von § 68 AVG vorliege, und werde sein neuer Antrag auf internationalen Schutz voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein. Ebensowenig habe sich die allgemeine Lage im Herkunftsstaat wesentlich geändert.

2.3. Mit Note vom 09.10.2018 gab der Rechtsvertreter des Antragstellers bekannt, dass dem Antragsteller bei einer Abschiebung nach Afghanistan eine Verletzung der in Art §3 und 8 EMRK verbrieften Rechte drohe.

Einerseits habe sich das Familienleben des Antragstellers seit der Abweisung der Beschwerde im ersten Asylverfahren massiv geändert, was er nicht habe vorbringen können und schütze Art 8 EMRK nicht nur durch Heirat formalisierte Bindungen, sondern erfasse auch faktische Familienbindungen.

Zur aktuellen Lage in Afghanistan wurde auf ein Gutachten der Friederike Stahlmann vom 28.03.2018 verwiesen, aus dem sich ergebe, dass dem Antragsteller bei einer Rückkehr eine Verletzung seiner nach Art 3 EMRK geschützten Rechte drohe und weiters auf die UNHCR-Eligibility Guidelines vom 30.08.2018 verweisen, die im ersten Verfahren noch nicht zur Verfügung gestanden wären und denen bei der Beurteilung der Lage im Herkunftsland ein besonderer Stellenwert zu komme. Der Antragsteller verfüge über kein soziales Netzwerk in Afghanistan und bringe das UNHCR klar zum Ausdruck, dass Kabul generell keine Flucht- oder Schutzalternative darstelle. Dies gelte auch für Herat und Mazar-e-Sharif, weil der Antragsteller dort kaum eine Chance hätte, eine Arbeit zu finden. Dad BFA habe sich nicht mit der weiter sich verschlechternden Lage in Afghanistan auseinandergesetzt, weshalb sich die geplante Zurückweisung wegen entschiedener Sache als rechtswidrig erweise. Daraus resultiere auch, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtwidrig sei.

2.4. Am 22.10.2018 informierte der Rechtsvertreter telefonisch darüber, dass der Antragsteller an diesem Tag in Schubhaft genommen worden sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Antragstellers

Der Antragsteller ist Staatsangehöriger Afghanistans.

Der vom Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erlassene negative Bescheid über den Antrag des Antragstellers vom 14.02.2016 auf Gewährung von internationalem Schutz ist - nach Abweisung der dagegen beim BVwG erhobenen Beschwerde - am 08.06.2018 in Rechtskraft erwachsenen. Mit diesem Bescheid wurde zugleich eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG erlassen. Die dagegen vom Antragsteller erhobene ao. Revision wurde mit Erkennntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 02.08.2018, Ra 2018/01/0355 zurückgewiesen.

Der Antragsteller wurde am 22.10.2018 festgenommen und befindet sich nunmehr in Schubhaft.

Der Antragsteller hat am 17.09.2018 einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und diesen mit den Fluchtgründen des Erstverfahrens begründet; im Weiteren brachte er vor, dass seine Freundin von ihm schwanger sei und der Geburtstermin am 01.01.2019 sei.

Es kann nicht festgestellt werden, dass sich eine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes seit rechtskräftiger Erledigung des Erstantrages ergeben hätte; insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass der Antragsteller über ein schützenswertes Privat- oder Familienleben in Österreich verfügt.

Eine entscheidungswesentliche Änderung der Situation im Herkunftsstaat bzw. Kabul ist zwischenzeitlich nicht eingetreten.

1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat

1.2.2. Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten (Pajhwok o.D.z): Bagrami, Chaharasyab/Char Asiab, Dehsabz/Deh sabz, Estalef/Istalif, Farza, Guldara, Kabul Stadt, Kalakan, Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar, Mirbachakot/Mir Bacha Kot, Musayi/Mussahi, Paghman, Qarabagh, Shakardara, Surobi/Sorubi (UN OCHA 4-2014; vgl. Pajhwok o.D.z).

Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (CSO 4.2017).

In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt (Pajhwok o.D.z). Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen (LAT 26.3.2018). In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (TG 15.3.2018).

Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen: den Hamid Karzai International Airport (HKIR) (Tolonews 25.2.2018; vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35). Auch soll die vierspurige "Ring Road", die Kabul mit angrenzenden Provinzen verbindet, verlängert werden (Tolonews 10.9.2017; vgl. Kapitel 3.35.).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen (Reuters 14.3.2018), die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (Reuters 14.3.2018; vgl. UNGASC 27.2.2018). Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen (Khaama Press 26.3.2018; vgl. FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (DW 27.3.2018; vgl. VoA 19.3.2018 SCR 3.2018, FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018).

Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (UNAMA 2.2018).Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen. Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen und Maßnahmen der afghanischen Regierung in der Provinz Kabul Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt (Tolonews 31.1.2018; vgl. AT 18.3.2018, RS 28.2.2018; vgl. MF 18.3.2018). Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden (MF 18.3.2018). Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind (Tolonews 7.2.2018). Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017). Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen (Tolonews 7.2.2018). Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt (Tolonews 1.3.2018). Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden (RFE/RL 7.2.2018). Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden (Reuters 14.3.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in der Provinz Kabul

Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 17.3.2018, Dawn 31.1.2018), auch dem Haqqani- Netzwerk wird nachgesagt, Angriffe in der Stadt Kabul zu verüben (RFE/RL 30.1.2018; vgl. NYT 9.3.2018, VoA 1.6.2017). So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (AAN 5.2.2018).

Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte - fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an (AAN 5.2.2018).

Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz Kabul vom IS verursachte Vorfälle registriert (Gewalt gegenüber Zivilist/innen und Gefechte) (ACLED 23.2.2018).

Quellen:

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AAN - Afghan Analysts Network (5.2.2018): Five Questions to Make Sense of the New Peak in Urban Attacks and a Violent Week in Kabul, https://www.afghanistan-analysts.org/fivequestions-to-make-sense-of-the-new-peak-in-urban-attacks-and-a-violent-week-in-kabul/, Zugriff 26.3.2018

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ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (23.2.2018):

Islamic State in Afghanistan,

https://www.acleddata.com/2018/02/23/islamic-state-in-afghanistan/, Zugriff 8.3.2018

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AJ - Al Jazeera (30.4.2018): Twin ISIL suicide blasts kill 29 in Afghanistan's Kabul,

https://www.aljazeera.com/news/2018/04/twin-explosions-kill-20-afghanistan-kabul- 180430051432828.html, Zugriff 23.5.2018

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AT - Afghan Times (18.3.2018): US arbitrary house searches divesting freedom of residents, http://afghanistantimes.af/us-arbitrary-house-searches-divesting-freedom-residents/, Zugriff 26.3.2018

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CSO - Central Statistics Organization (CSO) Afghanistan (4.2017):

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Dawan (31.1.2018): 27 Taliban, Haqqani Network suspects handed over to Afghanistan last year: FO, https://www.dawn.com/news/1386289/27-taliban-haqqani-network-suspects-handedover-to-afghanistan-last-year-fo, Zugriff 27.3.2018

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DW - Deutsche Welle (27.3.2018): Why Central Asian states want peace with the Taliban,

http://www.dw.com/en/why-central-asian-states-want-peace-with-the-taliban/a-43150911, Zugriff 27.3.2018

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EASO - European Asylum Support Office (12.2016): EASO Country of Origin Information ReportAfghanistan Security Situation, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/EASO_Afghanistan_security_situation_201

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FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (22.4.2018): Zahl der Toten steigt auf 48,

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/mindestens-31-tote-bei-anschlag-in-kabul- 15554490.html, Zugriff 23.5.2018

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Khaaam Press (26.3.2018): Karzai condemn Kabul blast targeting Pashtun Protection Movement supporters, https://www.khaama.com/karzai-condemn-kabul-blast-targetingpashtun-protection-movement-supporters-04722/, Zugriff 26.3.2018

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LAT - Los Angeles Times (26.3.2018): As war's toll grows in Kabul, the dead fight for space with the living, http://www.latimes.com/world/asia/la-fg-afghanistan-cemetery-20180326- story.html, Zugriff 27.3.2018

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MF - Mena FN (18.3.2018): Afghanistan- US arbitrary house searches divesting freedom of residents, http://menafn.com/1096611104/Afghanistan-US-arbitrary-house-searches-divestingfreedom-of-residents, Zugriff 27.3.2018

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NYT - The New York Times (9.3.2018): Hazaras Protest After an ISIS Attack Kills 10 in Kabul,

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Pajhwok (o.D.z): Kabul province background profile, http://elections.pajhwok.com/en/content/kabul-province-background-profile, Zugriff 26.3.2018

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Reuters (6.8.2017): Kabul 'Green Zone' tightened after attacks in Afghan capital,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-security/kabul-green-zone-tightened-afterattacks-in-afghan-capital-idUSKBN1AM0K7, Zugriff 20.9.2017

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RFE/RL - Radio Free Europe Radio Liberty (17.3.2018): Suicide Car-Bomb Attack Kills At Least Three In Kabul, https://gandhara.rferl.org/a/afghanistan-kabul-suicide-attack/29105645.html, Zugriff 27.3.2018

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RFE/RL - Radio Free Europe Radio Liberty (30.1.2018): Pakistan Says 27 Militants Handed Over To Afghanistan, https://gandhara.rferl.org/a/pakistan-taliban-haqqani-handoverafghanistan/29009651.html, Zugriff 27.3.2018

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RFE/RL - Radio Free Europe Radio Liberty (7.2.2018): New Security Plan In Kabul After Deadly Attacks, https://www.rferl.org/a/afghanistan-kabul-security-plan-deadly-attacks/ 29025895.html, Zugriff 26.3.2018

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SCR - Security Council Report (3.2018): March 2018 Monthly Forecast,

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TG - The Guardian (15.3.2018): Pressure builds in 'powderkeg' Kabul as refugees return home,

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Tolonews (25.2.2018): Afghanistan Looks to Increase Air Cargo Exports to Kazakhstan, https:// www.tolonews.com/business/afghanistan-looks-increase-air-cargo-exports-kazakhstan, Zugriff 27.3.2018

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Tolonews (7.2.2018): Security Check Points Stepped Up In Kabul, https://www.tolonews.com/afghanistan/security-check-points-stepped-kabul, Zugriff 26.3.2018

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Tolonews (31.1.2018): Govt Under Fire After Daesh House Found In Kabul,

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UNGASC - United Nations General Assembly Security Council (27.2.2018): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security http://undocs.org/S/2018/165, Zugriff 15.3.2017

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1.2.3. Rückkehr

Als Rückkehrer/innen werden jene afghanische Staatsbürger/innen bezeichnet, die nach Afghanistan zurückgekehrt sind, nachdem sie mindestens sechs Monate im Ausland verbracht haben. Dazu zählen sowohl im Ausland registrierte Afghan/innen, die dann die freiwillige Rückkehr über UNHCR angetreten haben, als auch nicht-registrierte Personen, die nicht über UNHCR zurückgekehrt sind, sondern zwangsweise rückgeführt wurden. Insgesamt sind in den Jahren 2012-2017 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt. Die Anzahl der Rückkehrer/innen hat sich zunächst im Jahr 2016 im Vergleich zum Zeitraum 2012-2015, um 24% erhöht, und ist im Jahr 2017 um 52% zurückgegangen. In allen drei Zeiträumen war Nangarhar jene Provinz, die die meisten Rückkehrer/innen zu verzeichnen hatte (499.194); zweimal so viel wie Kabul (256.145) (IOM/DTM 26.3.2018). Im Jahr 2017 kehrten IOM zufolge insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück (sowohl freiwillig, als auch zwangsweise) (IOM 2.2018). Im Jahr 2018 kehrten mit Stand

21.3. 1.052 Personen aus angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück (759 davon kamen aus Pakistan). Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (IOM 7.7.2017).

Im Rahmen des Tripartite Agreement (Drei-Parteien-Abkommen) unterstützt UNHCR die freiwillige Repatriierung von registrierten afghanischen Flüchtlingen aus Pakistan und Iran. Insgesamt erleichterte UNHCR im Jahr 2017 die freiwillige Rückkehr von 58.817 Personen (98% aus Pakistan sowie 2% aus Iran und anderen Ländern) (UNHCR 3.2018).

Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen (USDOS 20.4.2018). Nichtsdestotrotz versucht die afghanische Regierung die gebildete Jugend, die aus Pakistan zurückkehrt, aufzunehmen (BTI 2018). Von den 2.1 Millionen Personen, die in informellen Siedlungen leben, sind 44% Rückkehrer/innen. In den informellen Siedlungen von Nangarhar lebt eine Million Menschen, wovon 69% Rückkehrer/innen sind. Die Zustände in diesen Siedlungen sind unterdurchschnittlich und sind besonders wegen der Gesundheits- und Sicherheitsverhältnisse besorgniserregend. 81% der Menschen in informellen Siedlungen sind Ernährungsunsicherheit ausgesetzt, 26% haben keinen Zugang zu adäquatem Trinkwasser und 24% leben in überfüllten Haushalten (UN OCHA 12.2017).

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen (BFA Staatendokumentation; vgl. AAN 19.5.2017). Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig (BFA Staatendokumentation 4.2018). Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017). So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Hierfür stand bislang das Jangalak-Aufnahmezentrum zur Verfügung, das sich direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017) und wo Rückkehrende für die Dauer von bis zu zwei Wochen untergebracht werden konnten (BFA Staatendokumentation 4.2018; IOM 6.2012). Im Jangalak Aufnahmezentrum befanden sich 24 Zimmer, mit jeweils 2-3 Betten. Jedes Zimmer war mit einem Kühlschrank, Fernseher, einer Klimaanlage und einem Kleiderschrank ausgestattet (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017). Seit September 2017 nutzt IOM nicht mehr das Jangalak-Aufnahmezentrum, sondern das Spinzar Hotel in Kabul als temporäre Unterbringungsmöglichkeit. Auch hier können Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IOM 18.4.2018).

Unterschiedliche Organisationen sind für Rückkehrer/innen unterstützend tätig:

IOM (internationale Organisation für Migration) bietet ein Programm zur unterstützten, freiwilligen Rückkehr und Reintegration in Afghanistan an (Assisted Voluntary Return and Reintegration - AVRR). In Österreich wird das Projekt Restart II seit 1.1.2017 vom österreichischen IOM- Landesbüro implementiert, welches vom österreichischen Bundesministerium für Inneres und AMIF (dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU) mitfinanziert wird. Im Zuge dieses Projektes können freiwillige Rückkehrer/innen nach Afghanistan und in den Iran, nachhaltig bei der Reintegration in ihr Herkunftsland unterstützt werden. Das Projekt läuft mit 31.12.2019 aus und sieht eine Teilnahme von 490 Personen vor (BFA Staatendokumentation; vgl. IOM 25.1.2018). IOM setzt im Zuge von Restart II unterschiedliche Maßnahmen um, darunter Rückkehr - und Reintegrationsunterstützung (BFA Staatendokumentation; vgl. IOM 25.1.2018). In Kooperation mit Partnerninstitutionen des European Reintegration Network (ERIN) wird im Rahmen des ERIN Specific Action Program, nachhaltige Rückkehr und Reintegration freiwillig bzw. zwangsweise rückgeführter Drittstaatangehöriger in ihr Herkunftsland implementiert (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IOM Belgium o. D.). IRARA (International Returns & Reintegration Assistance) eine gemeinnützige Organisation bietet durch Reintegrationsdienste nachhaltige Rückkehr an (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IOM 25.1.2018). ACE (Afghanistan Centre for Excellence) ist eine afghanische Organisation, die Schulungen und Arbeitsplatzvermittlung anbietet. AKAH (Aga Khan Agency for Habitat) ist in mehreren Bereichen tätig, zu denen auch die Unterstützung von Rückkehrer/innen zählt. Sowohl ACE als auch AKAH sind Organisationen, die im Rahmen von ERIN Specific Action Program in Afghanistan tätig sind (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IRARA o. D., IOM 25.1.2018). AMASO (Afghanistan Migrants Advice & Support Organisation) bietet zwangsweise zurückgekehrten Personen aus Europa und Australien Beratung und Unterstützung an (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. FB o.D.). Unter anderem betreibt AMASO ein Schutzhaus, welches von privaten Spendern finanziert wird (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017).

NRC (Norwegian Refugee Council) bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an (BFA Staatendokumentation 4.2018). Auch hilft NRC Rückkehrer/innen bei Grundstücksstreitigkeiten (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017). Kinder von Binnenvertriebenen und speziell von Rückkehrer/innen aus Pakistan sollen auch die Möglichkeit haben die Schule zu besuchen. NRC arbeitet mit dem afghanischen Bildungsministerium zusammen, um Schulen mit Unterrichtsmaterialien zu unterstützen und die Kapazitäten in diesen Institutionen zu erweitern. IDPs werden im Rahmen von Notfallprogrammen von NRC mit Sachleistungen, Nahrungsmitteln und Unterkunft versorgt; nach etwa zwei Monaten soll eine permanente Lösung für IDPs gefunden sein.

Auch wird IDPs finanzielle Unterstützung geboten: pro Familie werden zwischen 5.000 und

14.000 Afghani Förderung ausbezahlt (BFA Staatendokumentation 4.2018). Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017).

UNHCR ist bei der Ankunft von Rückkehrer/innen anwesend, begleitet die Ankunft und verweist Personen welche einen Rechtsbeistand benötigen an die AIHRC (Afghanistan Independent Human Rights Commission) (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017). UNHCR und die Weltbank haben im November 2017 ein Abkommen zur gemeinsamen Datennutzung unterzeichnet, um die Reintegration afghanischer Rückkehrer/innen zu stärken. UNHCR leitet Initiativen, um nachhaltige Lösungen in den Provinzen Herat und Nangarhar zu erzielen, indem mit nationalen Behörden/Ministerien und internationalen Organisationen (UNICEF, WHO, IOM, UNDP, UN Habitat, WFP und FAO) zusammengearbeitet wird. Diese Initiativen setzen nationale Pläne in gemeinsame Programme in jenen Regionen um, die eine hohe Anzahl an Rückkehrer/innen und Binnenvertriebenen vorzuweisen haben (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl UNHCR 13.12.2017).

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017) - alle Leistungen sind kostenfrei (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Info Migrants 2.1.2018). Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017). Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017).

Unterstützung von Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung

Hilfeleistungen für Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung konzentrieren sich auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und Unterkunft (wenngleich sich das Jangalak- Aufnahmezentrum bis September 2017 direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand, wurde dieses dennoch von IOM betrieben und finanziert). Seit 2016 erhalten die Rückkehr/innen nur Hilfeleistungen in Form einer zweiwöchigen Unterkunft (siehe Jangalak-Aufnahmezentrum) (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017). Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017).

Die Rolle unterschiedlicher Netzwerke für Rückkehrer/innen

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. BFA/EASO 1.2018). Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017). Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. BFA/EASO 1.2018).

Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. BFA/EASO 1.2018).

Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. D

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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