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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §45 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Chamrath und die Hofräte Dr. Schmid, Dr. Schmelz, Dr. Riedel und Dr. Jurasek als Richter, im Beisein des Schriftführers Bezirksrichter Dr. Gerhard, über die Beschwerde des WK in K, vertreten durch Dr. Robert Wallentin, Rechtsanwalt in Wien IX, Währingerstraße 6 - 8, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 19. September 1968, Zl. I/7-3993-1968, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 390,-- binnen zwei Wochen zu ersetzen.
Begründung
Die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung erkannte den Beschwerdeführer mit Straferkenntnis vom 6. August 1968 schuldig, am 21. April 1968 etwa 18.05 Uhr auf der Wienerstraße in Klosterneuburg Richtung Wien mit einem dem Kennzeichen nach bestimmten Personenkraftwagen eine Kraftfahrzeugkolonne überholt zu haben, ohne einwandfrei erkennen zu können, ob er sein Kraftfahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen könne, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern. Der Beschwerdeführer habe dadurch die Übertretung nach § 16 Abs. 1 lit. c der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960 (StVO), begangen und werde gegen ihn gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO eine Geldstrafe von S 300,-- (Ersatzarreststrafe 48 Stunden) verhängt. Die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Tat sei durch die dienstliche Wahrnehmung eines im Verkehrsüberwachungsdienst stehenden Gendarmeriebeamten festgestellt worden und dadurch ausreichend erwiesen. Es sei amtsbekannt, daß die Wienerstraße in Klosterneuburg entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers keine zwei Fahrstreifen in jeder Richtung aufweise, sodaß das Überholen einer Kraftfahrzeugkolonne gemäß der obzitierten Gesetzesstelle jedenfalls verboten sei. Die Art und Weise der begangenen Verwaltungsübertretung werde als straferschwerend bewertet, strafmildernde Umstände hätten nicht festgestellt werden können.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen wieder vor, daß es sich bei der Wienerstraße um eine Straße handle, die lediglich an einer Stelle nur 9,70 m, ansonsten eine Breite von mehr als 10 m aufweise und daher in jeder Richtung zwei Fahrstreifen besitze. Der Beschwerdeführer habe nicht überholt, sondern sei auf dem Fahrstreifen gegen die Mitte gefahren, um bei der Brücke nach links abzubiegen. Es habe damals kein Gegenverkehr geherrscht und habe der Beschwerdeführer nicht die Absicht gehabt, sich wieder in die Kolonne einzureihen.
Die belangte Behörde gab mit dem angefochtenen Bescheid der Berufung keine Folge. Zur Begründung führte sie aus, daß auf Grund zahlreicher gleichartiger Tatbestände eine genaue Ausmessung des bezüglichen Straßenstückes im Zuge eines solchen Strafverfahrens von einem Amtssachverständigen durchgeführt und hiebe festgestellt worden sei, daß die Fahrbahnbreite teilweise weniger als 10 m und teilweise 10 m betrage. Dieser Umstand sei jedoch im gegenständlichen Fall insofern unbeachtlich, als das Überholen gemäß § 16 Abs. 1 lit. c StVO grundsätzlich nur dann zulässig sei, wenn die Möglichkeit des Wiedereinreihens nach demselben, ohne andere Fahrzeuglenker zu gefährden oder zu behindern, erkannt werden könne. Wenn der Beschwerdeführer erklärt, nicht die Absicht des Wiedereinreihens besessen zu haben, weil er bei der Kreuzung der Bundesstraße (Wienerstraße) zum Bad nach links abbiegen wollte, so sei dies ebenfalls unzulässig gewesen und könne von einem Einreihen in einer Entfernung von etwa 1 km vor der Kreuzung nicht gesprochen werden. Es liege eindeutig ein unzulässiger Überholvorgang vor. Die Durchführung des Ortsaugenscheines sei entbehrlich gewesen, da der belangten Behörde die Örtlichkeit ausreichend bekannt sei. Auch habe von der zeugenschaftlichen Einvernahme des Dr. F Abstand genommen werden können, da die Frage, ob Gegenverkehr geherrscht habe oder nicht, für die Entscheidung unmaßgeblich gewesen sei.
Diesen Bescheid bekämpfte der Beschwerdeführer mit der vorliegenden Beschwerde, in derer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend macht.
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Die belangte Behörde stützte den angefochtenen Bescheid auf § 16 Abs. 1 lit. c StVO. Nach dieser Bestimmung darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn er nicht einwandfrei erkennen kann, daß er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern. Demnach ist die Verwaltungsübertretung schon dann vollendet, wenn der Lenker eines Fahrzeuges den Überholvorgang begonnen hat, ohne geprüft und einwandfrei erkannt zu haben, daß er andere Straßenbenützer insbesondere entgegenkommende weder gefährden noch behindern kann.
Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß der Beschwerdeführer auf dem im Spruche bezeichneten Straßenstück vor der Abzweigung, in die nach der Behauptung des Beschwerdeführers dieser links abzubiegen beabsichtigte, aus einer geschlossenen Kette von Kraftfahrzeugen nach links herausfuhr und sich entlang dieser Kette von Kraftfahrzeugen vorbeibewegte. Der Beschwerdeführer bemängelte, daß die belangte Behörde den von ihm beantragten Lokalaugenschein über die Breite des in Betracht kommenden Straßenstückes nicht durchgeführt habe, obwohl sich bei diesem ergeben hätte, daß dieses Straßenstück nur an einer Stelle 9,70 m, ansonsten überall über 10 m breit sei. Der Gerichtshof kann in der Nichtdurchführung des beantragten Ortsaugenscheines keine Mangelhaftigkeit erblicken. Nach § 45 Abs. 1 AVG bedürfen Tatsachen, die bei der Behörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, keines Beweises. Die belangte Behörde wies bereits im angefochtenen Bescheid darauf hin, daß auf Grund zahlreicher gleichartiger Tatbestände eine genaue Ausmessung des bezüglichen Straßenstückes im Zuge eines solchen Strafverfahrens von einem Amtssachverständigen durchgeführt und hiebei festgestellt worden sei, daß die Fahrbahnbreite teilweise weniger als 10 m und teilweise 10 m betrage. Damit aber war die belangte Behörde nicht mehr gehalten, hinsichtlich der für sie offenkundigen Tatsachen der Straßenbreite weitere Beweise zu erheben. Abgesehen davon gibt der Beschwerdeführer selbst zu, daß das von ihm benützte Straßenstück nicht durchlaufend 10 m breit ist. Damit hat er jedoch schon das Recht verwirkt, eine zweite Kolonne im Sinne des § 7 Abs. 3 StVO zu bilden.
Soweit der Beschwerdeführer aber die Unterlassung der Einvernahme des als Zeugen geführten Dr. F über das zur Tatzeit Nichtvorhandensein eines Gegenverkehrs rügt, so ist auch diese Rüge nicht stichhältig. Nach dem Tatbild des § 16 Abs. 1 lit. c StVO genügt eine abstrakte und ist keine konkrete Behinderung oder Gefährdung erforderlich (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1963, Zl. 949/63). Damit erübrigte sich die Einvernahme dieses Zeugen.
Wenn aber der Beschwerdeführer behauptet, daß gegenständlich nicht ein Überholen, sondern nur ein Einreihen im Sinne des § 12 Abs. 1 StVO vorgelegen habe, so bekämpft er damit die freie Beweiswürdigung der belangten Behörde. Der Gerichtshof konnte aber nicht finden, daß der belangten Behörde in dieser Richtung ein Fehler unterlaufen wäre. Sie stützte ihre Feststellungen auf die Angaben des Meldungslegers. Darnach brachte der Beschwerdeführer selbst zu seiner Rechtfertigung nur vor, er sehe nicht ein, auf der breiten Straße nicht vorfahren zu dürfen. Erst in der schriftlichen Rechtfertigung führte der Beschwerdeführer aus, die Absicht gehabt zu haben, bei der nächsten Kreuzung nach links abzubiegen. Wenn die belangte Behörde dieser Verantwortung mit Rücksicht darauf, daß der Beschwerdeführer bereits 1 km vor der Kreuzung aus der Kolonne ausbrach und sich entlang der Kolonne vorbeibewegte, nicht Glauben schenkte, sondern annahm, daß es sich um einen Überholvorgang handelte, weil das Einordnen erst in einer Entfernung zwischen 100 bis 300 m von der Kreuzung zu erfolgen hätte, so kann darin eine Rechtswidrigkeit nicht erblickt werden.
Auf Grund der unbestrittenen Tatsache, daß eine geschlossene Kraftfahrzeugkolonne bis zu der oben angeführten Kreuzung vorhanden war, durfte auch die Behörde als erwiesen annehmen, daß der Beschwerdeführer nicht einwandfrei erkennen konnte, sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang einordnen zu können. Somit konnte die Behörde mit Recht die angelastete Verwaltungsübertretung als erfüllt ansehen.
Die Beschwerde war daher unbegründet.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG 1965.
Wien, am 23. Juni 1969
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1969:1968001751.X00Im RIS seit
15.01.2019Zuletzt aktualisiert am
16.01.2019