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19/05 Menschenrechte;Norm
AsylG 2005 §55;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des M I, vertreten durch Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juli 2017, Zl. G308 2124105- 1/21E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Serbiens, stellte am 15. Februar 2016 gemeinsam mit seinem Lebensgefährten einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet und begründete diesen im Wesentlichen mit Verfolgungshandlungen, denen er in Serbien aufgrund seiner Homosexualität ausgesetzt gewesen sei.
2 Mit Bescheid vom 16. März 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel nach "§§ 57 und 55 Asylgesetz 2005", erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, sprach aus, dass seine Abschiebung nach Serbien zulässig sei (Spruchpunkt III.) und erkannte einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt IV.).
3 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde. 4 Mit Beschluss vom 29. Juli 2016 erkannte das Bundesverwaltungsgericht dieser Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zu.
5 In der Folge wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis die Beschwerde des Revisionswerbers (betreffend die Nichtgewährung von internationalem Schutz) als unbegründet ab und sprach in Erledigung der gegen Spruchpunkt III. des Bescheides des BFA gerichteten Beschwerde aus, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Fremdenpolizeigesetz (FPG) in Verbindung mit § 9 Abs. 3 BFA-VG vorübergehend bis 26. Juli 2018 unzulässig sei. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Bundesverwaltungsgericht für nicht zulässig.
6 Begründend führte das Verwaltungsgericht - auf das Wesentliche zusammengefasst - aus, dem Revisionswerber sei aus näher dargestellten Gründen weder Asyl noch subsidiärer Schutz zu gewähren. Beim Lebensgefährten des Revisionswerbers seien jedoch eine weit fortgeschrittene HIV-Infektion mit schneller Krankheitsprogression sowie Lymphdrüsenkrebs im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert worden. Es seien zwei von drei der benötigten Medikamente in Serbien nicht erhältlich und wäre eine Umstellung oder Unterbrechung der Therapie für den Lebensgefährten mit Lebensgefahr verbunden. Der Lebensgefährte des Revisionswerbers sei überdies psychisch erkrankt, arbeitsunfähig und finde in Serbien kein funktionierendes familiäres oder soziales Netz vor, welches für ihn eine einfache Lebensführung samt Unterkunft sowie eine lebensnotwendige medizinische Behandlung finanzieren und ihn darüber hinaus pflegen könne. Zu den Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung hielt das Gericht fest, dem Lebensgefährten des Revisionswerbers sei mit Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom selben Tag subsidiärer Schutz zuerkannt worden. Dieser sei auf die physische und psychische Pflege bzw. Hilfe des Revisionswerbers, welcher seinen einzigen familiären Bezug im Bundesgebiet darstelle, angewiesen. Eine Fortsetzung des Familienlebens in Serbien sei infolge des dem Lebensgefährten in Österreich zuerkannten subsidiären Schutzes nicht möglich. Die privaten Interessen des Revisionswerbers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet würden somit gegenüber den öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen. Ferner seien im Rahmen einer Gesamtbetrachtung keine Umstände ersichtlich, die einer Rückkehrentscheidung auf Dauer entgegenstünden, weil es sich bei der Gewährung von subsidiärem Schutz, der dem Lebensgefährten des Revisionswerbers für ein Jahr zuerkannt worden sei, um einen voraussichtlich nur vorübergehenden Umstand handle. Es sei daher für die im Spruch angeführte Dauer die Erlassung einer Rückkehrentscheidung als vorübergehend unzulässig zu erklären.
7 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 27. Februar 2018, E 3067/2017-7, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG die Behandlung der Beschwerde ablehnte und diese mit Beschluss vom 13. März 2018, E 3067/2017-9, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
8 Die vorliegende außerordentliche Revision richtet sich gegen den Ausspruch des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Rückkehrentscheidung (lediglich) vorübergehend (und nicht auf Dauer) unzulässig sei.
Zur Begründung ihrer Zulässigkeit macht die Revision geltend, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, und zwar insbesondere von dem hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 2012, 2012/21/0030, abgewichen. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Gründe, aus denen dem Lebensgefährten des Revisionswerbers subsidiärer Schutz gewährt worden sei, in absehbarer Zeit wegfallen würden. Es sei weder zu erwarten, dass der Gesundheitszustand der Ankerperson sich verbessern werde, noch sei anzunehmen, dass das Niveau des serbischen Gesundheitswesens bzw. der Zugang zu einer Krankenbehandlung in Serbien eine maßgebliche Änderung erfahren werde. Es sei vielmehr zu erwarten, dass dem Lebensgefährten in weiterer Folge seines Aufenthaltes im Bundesgebiet ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EU" erteilt werde. Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Zunächst ist es unstrittig, dass dem Lebensgefährten des Revisionswerbers zeitgleich mit Ergehen des angefochtenen Erkenntnisses erstmals gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter erteilt wurde. Bereits unter diesem Gesichtspunkt unterscheidet sich die hier zu beurteilende Situation maßgeblich von dem dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Oktober 2012, 2012/21/0030, zugrundeliegenden Ausgangsverfahren, in dem eine bereits mehrfach verlängerte Aufenthaltsberechtigung der Ankerperson vorlag und die Erteilung einer "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" gemäß § 41a Abs. 7 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) in der Fassung vor BGBl. I Nr. 68/2013, in Betracht kam. Eine Abweichung von der in der Revision angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs liegt daher nicht vor.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits ausgesprochen, dass, wenn eine Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK ein Überwiegen der privaten oder familiären Interessen des Fremden gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung ergibt, eine Rückkehrentscheidung zu unterbleiben hat; zugleich ist in einem solchen Fall auszusprechen, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nur vorübergehend oder auf Dauer unzulässig ist. Wird Ersteres rechtskräftig festgestellt, so ist damit der Aufenthalt des Fremden gemäß § 46a Abs. 1 Z 4 (in Verbindung mit Abs. 6) FPG geduldet. Kommt es aber zum Ausspruch, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sei auf Dauer unzulässig, so ordnet § 58 Abs. 2 AsylG 2005 an, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen "zu prüfen" ist (was bedeutet, dass gegebenenfalls ein solcher "Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK" zu erteilen ist; siehe VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0224; vgl. dazu auch VwGH 15.9.2016, Ra 2016/21/0187).
11 Der Ausspruch nach § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 über die dauernde oder nur vorübergehende Unzulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung ist demnach nicht Selbstzweck. Es geht vielmehr darum, eine eindeutige Grundlage für die weitere aufenthaltsrechtliche Stellung des Fremden zu schaffen, sei es durch Duldung oder Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 (VwGH 29.5.2018, Ra 2018/21/0067).
12 Aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Oktober 2012, 2012/21/0030, lässt sich ableiten, dass von der Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung auf Dauer regelmäßig auszugehen sein wird, wenn familiäre Bindungen zu einer Ankerperson einer Aufenthaltsbeendigung entgegenstehen und anzunehmen ist, dass sich diese Ankerperson weiterhin auf Dauer rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten wird. Ist das nicht der Fall und kommt der Ankerperson nur ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht zu, so liegt dagegen nur eine vorübergehende Unzulässigkeit vor.
13 Fallbezogen ist bei Beurteilung der Frage, ob betreffend den Revisionswerber die Rückkehrentscheidung vorübergehend oder auf Dauer für unzulässig zu erklären ist, eine Prognose anzustellen, ob sich sein Lebensgefährte mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auf nicht absehbare Zeit im Bundesgebiet aufhalten wird. Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht in einer Gesamtschau in Betracht gezogen, dass der schwer kranke Lebensgefährte des Revisionswerbers zur Behandlung in Österreich verbleiben darf, aber nur über eine (vorerst) auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung verfügt. Die Revision vermag nicht darzutun, dass die Prognosebeurteilung des Gerichts, wonach unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls eine Verlängerung dieser Aufenthaltsberechtigung auf nicht absehbare Zeit nicht anzunehmen sei, unvertretbar wäre. Demzufolge ist die Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichts, fallbezogen lägen nur die Voraussetzungen für eine vorübergehende Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung vor, im Ergebnis nicht als fehlerhaft zu erkennen.
14 Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Rückkehrentscheidung lediglich vorübergehend und nicht auf Dauer als unzulässig zu erklären sei, unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG als jedenfalls nicht unvertretbar.
15 Da somit die Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen, erweist sich die Revision als unzulässig. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 13. Dezember 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018180260.L00Im RIS seit
16.01.2019Zuletzt aktualisiert am
04.02.2019