Entscheidungsdatum
23.10.2018Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W165 2168924-1/14E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse LESNIAK als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gesetzlich vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.07.2017, Zl. 1142764208 - 170184818-EAST- Ost, beschlossen:
A) Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG idgF
stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste mit seinem volljährigen, nicht obsorgeberechtigten Bruder aus seinem Herkunftsstaat über Bulgarien kommend, wo diese am 24.09.2016 Anträge auf internationalen Schutz gestellt hatten, reisten illegal in das Österreichische Bundesgebiet ein und stellten hier am 12.02.2017 ebenfalls Anträge auf internationalen Schutz. In der am selben Tag durchgeführten polizeilichen Erstbefragung gab der Beschwerdeführer sein Geburtsdatum mit XXXX an, somit minderjährig zu sein.
Im polizeilichen Erstbefragungsprotokoll ("sonstige sachdienliche Hinweise") findet sich der Vermerk des Befragungsorgans, dass das äußere Erscheinungsbild des Asylwerbers auf ein deutlich älteres Lebensalter schließen lasse, als von diesen selbst angegeben.
Am 16.03.2017 richtete das BFA bezüglich des volljährigen Bruders des Beschwerdeführers ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO gestütztes Wiederaufnahmegesuch an Bulgarien. Darin wies das BFA unter namentlicher Nennung des Beschwerdeführers mit dem von diesem angegebenen Geburtsdatum ( XXXX ) und die gemeinsame Reiseroute des Brüderpaares darauf hin, dass auch der minderjährige Bruder wiederaufzunehmen sei.
Mit Schreiben an das BFA vom 29.03.2017 erklärte die bulgarische Dublin-Behörde ihr ausdrückliches Einverständnis zur Wiederaufnahme des volljährigen Bruders des Beschwerdeführers nach § 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO.
Mit Schreiben an die bulgarische Dublin-Behörde vom 03.04.2017 urgierte das BFA die fehlende Zustimmung Bulgariens zur Wiederaufnahme des Beschwerdeführers und ersuchte um Übermittlung der Zustimmung auch zu dessen Wiederaufnahme.
Mit Schreiben vom 05.04.2017 teilte die bulgarische Dublin-Behörde dem BFA mit, dass die erteilte Zustimmung zur Wiederaufnahme auch den in Österreich mit dem Geburtsdatum XXXX registrierten Bruder erfasse.
In Folge unbekannten Aufenthaltes des BF und dessen volljährigen Bruders setzte das BFA die bulgarische Dublin-Behörde über die erforderliche Verlängerung der Überstellungsfrist auf 18 Monate gem. Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO in Kenntnis.
Eine Ladung zu einer Einvernahme des Beschwerdeführers wie dessen volljährigen Bruders durch das BFA erfolgte nicht.
Mit Bescheiden des BFA vom 12.07.2017 wurden die Anträge des Beschwerdeführers (wie auch seines volljährigen Bruders) auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass für die Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz gemäß Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO (volljähriger Bruder des Beschwerdeführers) bzw. gemäß Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO (Beschwerdeführer) Bulgarien zuständig sei (I.) und gemäß § 61 Abs. 1 FPG deren Außerlandesbringung angeordnet und ausgesprochen, dass demzufolge deren Abschiebung gemäß § 61 Abs. 2 FPG nach Bulgarien zulässig sei
(II.)
Begründend führte das BFA betreffend dem BF im Wesentlichen aus, dass dieser gemeinsam mit seinem volljährigen Bruder nach Österreich eingereist sei. Die zuständige bulgarische Behörde habe der Wiederaufnahme des BF ausdrücklich zugestimmt. Der BF sei seit 27.02.2017 unbekannten Aufenthalts, aus der Grundversorgung abgemeldet worden und habe keine sonstige Kontakt- oder Aufenthaltsadresse bekannt gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt bekannt sei, könne der Bescheid ohne weitere Einvernahme erlassen werden. Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO sei formell erfüllt, weshalb Bulgarien für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei.
Seitens des volljährigen Bruders wurde keine Beschwerde gegen den betreffenden Bescheid des BFA erhoben, sodass jener Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist.
In der durch den BF gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich beim Mitbeteiligten um einen unbegleiteten Minderjährigen im Sinne des Art. 2 lit j Dublin III-VO handle, dessen Verfahren gem. Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO in die Zuständigkeit Österreichs falle. Anhaltspunkte, dass die Führung des Verfahrens in Österreich nicht dem Wohl des BF dienen würde, seien nicht vorhanden.
Das an Bulgarien gerichtete Wiederaufnahmegesuch sei zu Unrecht erfolgt, es bestehe keine Obsorge des volljährigen Bruders für den BF. Für die Anwendung des Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO bestehe mangels Familienangehörigen Eigenschaft zwischen dem BF und dessen volljährigen Bruder kein Raum.
Mit Beschluss vom 11.09.2017, GZ W165 2168924-1/4E, gab das BVwG der Beschwerde gem. § 21 Abs. 3 2. Satz BFA-VG statt und behob den bekämpften Bescheid. Das BVwG begründete dieses mit qualifizierten Ermittlungsmängeln der Behörde zur Frage der Minderjährigkeit des BF. Die Behörde habe ungeachtet im Polizeiprotokoll dokumentiert, der Zweifel an der behaupteten Minderjährigkeit des BF es sei Minderjährigkeit ungeprüft angenommen ohne Ermittlungsschritte, die Ladung zu einer Einvernahme sowie die Einleitung einer medizinischen Altersfeststellung. Unter einem hielt das BVwG fest, dass in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation der BF - tatsächliche Minderjährigkeit vorausgesetzt - als unbegleiteter Minderjähriger im Sinne der Begriffsdefinition des Art 2 lit J Dublin III-VO mit den Folgen des Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO, somit der grundsätzlichen Zuständigkeit Österreichs anzusehen wäre. Das BVwG ist in seinen Ausführungen somit von keiner im Falle der tatsächlichen Minderjährigkeit des BF jedenfalls und unbedingt gegebenen Zuständigkeit Österreichs ausgegangen, sondern hat eine solche unter Hinweis auf Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO, somit unter Einschluss und Berücksichtigung der gem. dieser Bestimmung vorzunehmenden Prüfung des Kindeswohls angenommen.
Der VwGH gab einer gegen den Beschluss des BVwG vom 11.09.2017 erhobenen Revision des BFA mit Erkenntnis vom 02.05.2018, RA 2017/18/0433-8 ab und hob die Entscheidung des BVwG wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts auf. Der VwGH bestätigte zwar die Rechtsauffassung des BVwG dahingehend, dass der Behörde qualifizierte Ermittlungsmängel zur Frage der Minderjährigkeit des BF anzulasten seien. Die Frage der Minderjährigkeit bzw. Volljährigkeit des BF sei von zentraler Bedeutung für die Beurteilung des gegenständlichen Falles, weshalb der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht feststehe. Unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung. Die in weiterer Folge getroffene Schlussfolgerung des BVwG, dass, da der BF mangels Obsorgeübertragung an seien volljährigen Bruder als unbegleiteter Minderjähriger im Sinne des Art. 2 lit J Dublin III-VO mit der Konsequenz, dass Österreich gem. Art.8 Abs. 4 leg cit grundsätzlich zur Führung des Asylverfahrens zuständig sei, werde der Behörde jedoch nach § 28 Abs. 3 3. Satz VwGVG, die im rückzuweisenden Beschluss des BVwG zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht überbunden, dass dieses Seitens des BVwG angeführte Verfahrensbestimmungen anzuwenden und diesbezügliche Verfahrensschritte zu setzen hätte.
Das BVwG hätte, bei angenommener Minderjährigkeit des BF (Anmerkung:
Die Minderjährigkeit des BF wurde im Beshluss des BVwG gerade nicht angenommen, sondern die Entscheidung des BFA wegen gerade in Hinblick auf die ungeprüft angenommene Minderjährigkeit behoben) gem. Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO zunächst erklären gehabt gewesen wäre, ob trotz der mit der Zuständigkeit Bulgariens für das Asylverfahren des volljährigen Bruders verbundenen Trennung der Brüder ein in Österreich durchzuführendes Asylverfahren des minderjährigen BF auch dessen Wohl diene. "Indem das BVwG in seiner Rechtsauslegung für den Fall der Minderjährigkeit des Mitbeteiligten die Zuständigkeit Österreichs für sein Asylverfahren gem. Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO bejahte, ohne angesichts der Zuständigkeit Bulgariens für das Asylverfahren seines volljährigen Bruders und der damit verbundenen Trennung der Brüder das Wohl des minderjährigen zu prüfen, hat das BVwG den angefochtenen Beschluss mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet". Im Einzelnen hat der VwGH in dem Beschluss des BVwG behebenden oben zitierten Erkenntnis vom 02.05.2018 folgendes ausgeführt:
Das BVwG geht in seiner Entscheidung davon aus, dass die auf § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG gestützte Aufhebung des angefochtenen Bescheides deshalb geboten sei, weil der revisionswerbenden Behörde qualifizierte Ermittlungsmängel zur Frage der Minderjährigkeit anzulasten seien.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG darauf ab, dass der Sachverhalt, der als Grundlage für die vorzunehmende rechtliche Beurteilung zu dienen hat, noch nicht vollständig feststeht. Es handelt sich dabei um eine von § 28 Abs. 3 erster und zweiter Satz VwGVG abweichende Regelung, die auf die Besonderheiten des asylrechtlichen Zulassungsverfahrens Bedacht nimmt, indem die Möglichkeit, aber auch die Verpflichtung zur Fällung einer zurückverweisenden Entscheidung im Fall einer Beschwerde gegen einen im asylrechtlichen Zulassungsverfahren erlassenen Bescheid allein an die in § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG genannten Voraussetzungen geknüpft ist. Immer dann, wenn der Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes durch die Verwaltungsbehörde Ermittlungsmängel anhaften, die nicht vom Bundesverwaltungsgericht in der für die Erledigung des - im Rahmen des asylrechtlichen Zuslassungsverfahrens abzuwickeln - Beschwerdeverfahrens gebotenen Eile beseitigt werden können, ist der Beschwerde gemäß § 21 Abs. 3 BFA-FV stattzugeben. Eine Verhandlung hat diesfalls zu unterbleiben. Ist hingegen davon auszugehen, dass das Bundesverwaltungsgericht die Ermittlungsmängel rasch und ohne größeren Aufwand selbst beseitigen kann, hat es von einer Beschwerdestattgebung nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG Abstand zu nehmen und die Ergänzung des Ermittlungsverfahrens - samt der Feststellung allfällig fehlenden Sachverhaltes - selbst vorzunehmen (vgl. VwGH 30.5.2017, Ra 2017/19/0017 bis 0018, mwN).
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung ist dem BVwG zunächst dahingehend zu folgen, dass es im gegenständlichen Fall zutreffend von Ermittlungsmängeln und damit einhergehend von einem nicht geklärten Sachverhalt betreffend die Minderjährigkeit des Mitbeteiligten ausgeht. Dies ergibt sich bereits aus den aktenkundigen Zweifeln am behaupteten Alter des Mitbeteiligten und dem Umstand, dass - wie unten näher ausgeführt wird - die Frage der Minderjährigkeit bzw. Volljährigkeit des Mitbeteiligten jedenfalls von zentraler Bedeutung für die Beurteilung des gegenständlichen Falles ist. Aus diesem Grund kann dem Revisionsvorbringen, wonach das BVwG zu Unrecht die Bestimmung des § 24 Abs. 3 AsylG 2005 unbeachtet gelassen habe, nicht gefolgt werden, zumal die Anwendung dieser Bestimmung unter anderem voraussetzt, dass der entscheidungsrelevante Sachverhalt feststeht, was im vorliegenden Revisionsfall gerade nicht gegeben war (vgl. erneut VwGH 30.05.2017, Ra 2017/19/0017 bis 0018, mwN, wonach § 24 Abs. 3 AsylG 2005 auch im asylrechtlichen Zulassungsverfahren anzuwenden ist).
Das BVwG führt sodann in seiner rechtlichen Beurteilung weiter aus
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Der Mitbeteiligte sei mangels Obsorgeübertragung an seinen volljährigen Bruder als unbegleiteter Minderjähriger iSd Art. 2 it. J Dublin III-VO anzusehen; dies habe zur Konsequenz, dass Österreich gemäß Art. 8 Abs. 4 leg. cit. Grundsätzlich zur Führung des Asylverfahrens zuständig sei.
Diese rechtliche Schlussfolgerung des BVwG betreffend die Zuständigkeit Österreichs im Falle der Minderjährigkeit des Mitbeteiligten greift nach der hg. Rechtsprechung jedoch zu kurz.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt - da das BFA-VG zur Frage der Bindungswirkung einer Entscheidung nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG keine vom VwGVG abweichende Regelung enthält - die Bestimmung des § 28 Abs. 3 dritter Satz VwGVG zum Tragen, wonach die Behörde an die rechtliche Beurteilung gebunden ist, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist. Gemäß § 28 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 steht die Zulassung des Asylverfahrens einer späteren zurückweisenden Entscheidung nicht entgegen. Dies ändert aber nichts an der nach § 28 Abs. 3 dritter Satz VwGVG an sich gegebenen Bindung der Verwaltungsbehörde für das weitere Verfahren. Damit wird dem BFA die im zurückverweisenden Beschluss des BVwG zum Ausruck gebrachte Rechtsansicht überbunden, insbesondere die Verpflichtung auferlegt, die vom BVwG angeführten Verfahrensbestimmungen anzuwenden und die diesbezüglichen Verfahrensschritte durchführen zu müssen (vgl. VwGH 5.10.2016, Ra 2016/19/0208, mwN).
In Anbetracht der nach der hg. Rechtsprechung bestehenden Bindung der revisionswerbenden Behörde an die rechtliche Beurteilung des zurückverweisenden Beschlusses des BVwG erweist sich die vorliegende Revision hinsichtlich der aufgeworfenen Rechtsfrage zu Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO im Ergebnis als zulässig und berechtigt, zumal das BVwG mit seiner Rechtsansicht von der hg. Rechtsprechung abgewichen ist.
Zunächst ist dem BVwG insofern zu folgen, dass - im Fall der Minderjährigkeit des Mitbeteiligten - Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO als maßgebliches Zuständigkeitskriterium heranzuziehen ist, zumal fallbezogen der Mitbeteiligte nur mit seinem volljährigen, für ihn nicht obsorgeberechtigten Bruder gemeinsam nach Österreich eingereist ist. Weder nach dem Recht noch nach den Gepflogenheiten in Österreich ist der volljährige Bruder als Verantwortlicher des Mitbeteiligten zu betrachten. Der Mitbeteiligte ist daher als unbegleiteter Minderjähriger im Sinne der Legaldefinition des Art. 2 lit. j Dublin III-VO ohne rechtmäßig aufhältige Familienangehörige, Geschwister bzw. Verwandte iSd Abs. 1 und 2 des Art. 8 Dublin III-VO in Österreich anzusehen ist.
Gemäß Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO setzt die Zuständigkeit Österreichs als jener Mitgliedstaat, in dem sich der (minderjährige) Mitbeteiligte aufhält, nachdem er einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, jedoch zusätzlich voraus, dass die Durchführung des Asylverfahrens in Österreich seinem Wohl dient. Sofern Anhaltspunkte vorhanden sind, wonach selbst unter Bedachtnahme auf den zu gewährleistenden raschen Zugang zum Asylverfahren die Zuständigkeit des Aufenthaltsstaats nicht dem Wohl des Minderjährigen dient, sind diese im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung gemäß Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO zu beachten (vgl. VwGH 5.12.2017, Ra 2017/01/0068, mwN).
Unstrittig ist im vorliegenden Revisionsfall, dass der Bescheid des BFA betreffend den volljährigen Bruder des Mitbeteiligten, mit welchem die Zuständigkeit Bulgariens ausgesprochen und seine Außerlandesbringung nach Bulgarien angeordnet wurde, mangels Beschwerdeerhebung in Rechtskraft erwachsen ist. Ausgehen davon ist der revisionswerbenden Behörde insofern zu folgen, dass bei der vom BVwG vorgenommenen Prüfung der Zuständigkeit Österreichs für das Asylverfahren des Mitbeteiligten bei dessen angenommener Minderjährigkeit gemäß Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO zunächst zu klären gewesen wäre, ob trotz der mit der Zuständigkeit Bulgariens für das Asylverfahren des volljährigen Bruders verbundenen Trennung der Brüder ein in Österreich durchzuführendes Asylverfahren des minderjährigen Mitbeteiligtem auch seinem Wohl dient.
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Entgegen dem Revisionsvorbringen muss die Berücksichtigung des Wohls des unbegleiteten Minderjährigen iSd Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO im gegenständlichen Fall aber nicht zwangsläufig zu einer Zuständigkeit Bulgariens führen, sondern ist dies zunächst anhand einer im Sinne der oben genannten Rechtsprechung vorzunehmenden Abwägung zu klären. Aus diesem Grund kommt der Frage der Minderjährigkeit bzw. Volljährigkeit des Mitbeteiligten im vorliegenden Fall jedenfalls maßgebliche und entscheidungswesentliche Bedeutung zu.
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Indem das BVwG in seiner Rechtsauslegung für den Fall der Minderjährigkeit des Mitbeteiligten die Zuständigkeit Österreichs für sein Asylverfahren gemäß Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO bejahte, ohne angesichts der Zuständigkeit Bulgariens für das Asylverfahren seines volljährigen Bruders und der damit verbundenen Trennung der Brüder das Wohl des Minderjährigen zu prüfen, hat das BVwG den angefochtenen Beschluss mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A) Behebung des Bescheides:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:
§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.
(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
...
§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF lautet:
§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine
Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war.
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, indem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
§ 10 Abs. 3 BFA-VG idgF lautet:
§ 10 (3) Ein mündiger Minderjähriger, dessen Interessen von seinem
gesetzlichen Vertreter nicht wahrgenommen werden können, ist berechtigt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen und einzubringen sowie Verfahrenshandlungen gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu seinem Vorteil zu setzen. Solche Fremde sind in die Erstaufnahmestelle zu verbringen (§ 43 BFA-VG). Gesetzlicher Vertreter für Verfahren vor dem Bundesamt und dem Bundesverwaltungsgericht ist mit Ankunft in der Erstaufnahmestelle der Rechtsberater (§49), nach Zulassung des Verfahrens und nach Zuweisung an eine Betreuungsstelle eines Bundeslandes der örtlich zuständige Jugendwohlfahrtsträger jenes Bundeslandes, in dem der minderjährige einer Betreuungsstelle zugewiesen wurde [...]
§ 10 Abs. 5 2. Satz BFA-VG idgF lautet:
Hatte im bisherigen Verfahren nur der Rechtsberater (§49) die gesetzliche Vertretung inne, bleibt dieser gesetzlicher Vertreter, bis die gesetzliche Vertretung nach Abs. 3 erstmals einem Jugendwohlfahrtsträger zufällt.
§ 21 Abs. 3 BFA-VG idgF lautet:
§ 21 (3) Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes
im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
§ 61 FPG idgF lautet:
§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine
Außerlandesbringung anzuordnen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4 a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder
2. ...
(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.
(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendendige Zeit aufzuschieben.
(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.
Im vorliegenden Fall ist gem. ihres Art. 49 (Inkrafttreten und Anwendbarkeit) die Dublin III-VO anzuwenden. Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:
Art. 2
Definitionen
lautet auszugsweise:
Art. 2 lit j:
"Unbegleiteter Minderjähriger" einen Minderjährigen, der ohne Begleitung eines für ihn nach dem Recht oder nach den Gepflogenheiten des betreffenden Mitgliedstaats verantwortlichen Erwachsenen in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einreist, solange er sich nicht tatsächlich in der Obhut eines solchen Erwachsenen befindet; dies schließt einen Minderjährigen ein, der nach Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats dort ohne Begleitung zurückgelassen wird.
Art. 3
Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz
(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.
Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.
Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.
Art. 7
Rangfolge der Kriterien
(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.
(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.
(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.
Art. 8
Minderjährige
(1) Handelt es sich bei dem Antragsteller um einen unbegleiteten Minderjährigen, so ist der Mitgliedstaat zuständiger Mitgliedstaat, in dem sich ein Familienangehöriger oder eines der Geschwister des unbegleiteten Minderjährigen rechtmäßig aufhält, sofern es dem Wohl des Minderjährigen dient. Ist der Antragsteller ein verheirateter Minderjähriger, dessen Ehepartner sich nicht rechtmäßig im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten aufhält, so ist der Mitgliedstaat zuständiger Mitgliedstaat, in dem sich der Vater, die Mutter, oder ein anderer Erwachsener - der entweder nach dem Recht oder nach den Gepflogenheiten des Mitgliedstaats für den Minderjährigen zuständig ist - oder sich eines seiner Geschwister aufhält.
(2) Ist der Antragsteller ein unbegleiteter Minderjähriger, der einen Verwandten hat, der sich rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat aufhält, und wurde anhand einer Einzelfallprüfung festgestellt, dass der Verwandte für den Antragsteller sorgen kann, so führt dieser Mitgliedstaat den Minderjährigen und seine Verwandten zusammen und ist der zuständige Mitgliedstaat, sofern es dem Wohl des Minderjährigen dient.
(3) Halten sich Familienangehörige, Geschwister oder Verwandte im Sinne der Absätze 1 und 2 in mehr als einem Mitgliedstaat auf, wird der zuständige Mitgliedstaat danach bestimmt, was dem Wohl des unbegleiteten Minderjährigen dient.
(4) Bei Abwesenheit eines Familienangehörigen eines seiner Geschwisters oder eines Verwandten im Sinne der Absätze 1 und 2, ist der Mitgliedstaat zuständiger Mitgliedstaat, in dem der unbegleitete Minderjährige seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, sofern es dem Wohl des Minderjährigen dient.
(5) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Ermittlung von Familienangehörigen, Geschwistern oder Verwandten eines unbegleiteten Minderjährigen; die Kriterien für die Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung; die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit eines Verwandten, für den unbegleiteten Minderjährigen zu sorgen, einschließlich der Fälle, in denen sich die Familienangehörigen, Geschwister oder Verwandten des unbegleiteten Minderjährigen in mehr als einem Mitgliedstaat aufhalten, delegierte Rechtsakte zu erlassen. Bei der Ausübung ihrer Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte geht die Kommission nicht über den in Artikel 6 Absatz 3 vorgesehenen Umfang des Wohls des Kindes hinaus.
(6) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen. Art. 13 Abs. 1 Dublin-Verordnung lautet: "Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 22 Abs. 3 genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.
Art. 13
Einreise und/oder Aufenthalt
(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.
(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller - der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können - sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
Art. 16
Abhängige Personen
(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.
(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, d s Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.
(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.
(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.
Art. 17
Ermessensklauseln
(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.
Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.
Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.
(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.
Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.
Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.
Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.
Art. 18
Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats
(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:
a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;
b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;
c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;
d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.
(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab.
Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird. In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird.
In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen.
Art. 20
Einleitung des Verfahrens
(1) Das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats wird eingeleitet, sobald in einem Mitgliedstaat erstmals ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.
(2) Ein Antrag auf internationalen Schutz gilt als gestellt, wenn den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats ein vom Antragsteller eingereichtes Formblatt oder ein behördliches Protokoll zugegangen ist. Bei einem nicht in schriftlicher Form gestellten Antrag sollte die Frist zwischen der Abgabe der Willenserklärung und der Erstellung eines Protokolls so kurz wie möglich sein.
(3) Für die Zwecke dieser Verordnung ist die Situation eines mit dem Antragsteller einreisenden Minderjährigen, der der Definition des Familienangehörigen entspricht, untrennbar mit der Situation seines Familienangehörigen verbunden und fällt in die Zuständigkeit des Mitgliedstaats, der für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz dieses Familienangehörigen zuständig ist, auch wenn der Minderjährige selbst kein Antragsteller ist, sofern dies dem Wohl des Minderjährigen dient. Ebenso wird bei Kindern verfahren, die nach der Ankunft des Antragstellers im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten geboren werden, ohne dass ein neues Zuständigkeitsverfahren für diese eingeleitet werden muss.
(4) Stellt ein Antragsteller bei den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats einen Antrag auf internationalen Schutz, während er sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, obliegt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich der Antragsteller aufhält. Dieser Mitgliedstaat wird unverzüglich von dem mit dem Antrag befassten Mitgliedstaat unterrichtet und gilt dann für die Zwecke dieser Verordnung als der Mitgliedstaat, bei dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde.
Der Antragsteller wird schriftlich von dieser Änderung des die Zuständigkeit prüfenden Mitgliedstaats und dem Zeitpunkt, zu dem sie erfolgt ist, unterrichtet.
(5) Der Mitgliedstaat, bei dem der erste Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, ist gehalten, einen Antragsteller, der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält oder dort einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, nachdem er seinen ersten Antrag noch während des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zurückgezogen hat, nach den Bestimmungen der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen, um das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zum Abschluss zu bringen.
Diese Pflicht erlischt, wenn der Mitgliedstaat, der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats abschließen soll, nachweisen kann, dass der Antragsteller zwischenzeitlich das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen oder in einem anderen Mitgliedstaat einen Aufenthaltstitel erhalten hat.
Ein nach einem solchen Abwesenheitszeitraum gestellter Antrag im Sinne von Unterabsatz 2 gilt als neuer Antrag, der ein neues Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats auslöst.
Gegen § 21 Abs. 3 2. Satz BFA-VG stellt nach der Rechtsprechung des VwGH darauf ab, dass der Sachverhalt, der als Grundlage für die vorzunehmende rechtliche Beurteilung zu dienen hat noch nicht vollständig feststeht. Der VwGH ist in seinem behebenden Erkenntnis der Rechtsauffassung des BVwG gefolgt, dass es sich bei der Unterlassung jeglicher Ermittlungen der Behörde zur Frage der Minderjährigkeit des BF trotz aktenkundiger Zweifel am behaupteten Alter des BF um einen qualifizierten Ermittlungsmangel handelt. Die Frage der Minderjährigkeit bzw. Volljährigkeit des BF wird durch den VwGH jedenfalls als von zentraler Bedeutung für die Beurteilung des gegenständlichen Falles bezeichnet, sodass der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht feststeht. Falls gegenständlich hat die Behörde in dem sie ungeachtet der im Verwaltung der aktenkundig dokumentierten Zweifel an der behaupteten Minderjährigkeit des BF ungeprüft von dessen Minderjährigkeit ausgegangen ist, dass dieser ihr obliegende Ermittlungsverfahren zur Gänze unterlassen. Gegenständlich sind demnach nicht lediglich ergänzende Ermittlungen, wie durch das BVwG in der für das Zulassungsverfahren gebotenen Eile selbst beseitigt werden könnten, wie etwa die Anforderung eines ärztlichen Befundes beim BF, sondern ist vielmehr der gegenständlich jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wurde, grundsätzlich das relevante gesamte Ermittlungsverfahren nachzuholen. Die Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren die hierzu notwendigen Ermittlungsschritte zu setzen haben. Sollten diese zu dem Ergebnis führen, dass sich die seinerzeit von der Behörde ungeprüft angenommene Minderjährigkeit des BF als zutreffend erweisen sollte, wäre die Abwägung des Kindeswohls gem. Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO durch den VwGH im Erkenntnis dargelegten Grundsätzen vorzunehmen. Sofern Anhaltspunkte vorhanden sind, wonach selbst unter Bedachtnahme auf den zu gewährleisteten raschen Zugang zum Asylverfahren die Zuständigkeit des Aufenthaltsstaats nicht im Wohl des Minderjährigen dient, sind dies im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung gem. Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO zu beachten (Erkenntnis des VwGH vom 02.05.2018 und die hiezu zitierte Judikatur des VwGH vom 05.12.2017, Ra 2017/01/0068,MWN.
Wäre in einem weiteren Schritt - nämlich nach geführter Prüfung und Bestätigung der Minderjährigkeit des BF - wie der VwGH in seinem Erkenntnis vom 02.05.2018 darauf hinweist, muss die Berücksichtigung des Wohls des unbegleiteten Minderjährigen im Sinne des Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO im gegenständlichen Fall nicht zwangsläufig zu einer Zuständigkeit Bulgariens führen und ist dies zunächst anhand einem Sinne der oben genannten Rechtsprechung vorzunehmenden Abwägung zu klären.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Kassation,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W165.2168924.1.00Zuletzt aktualisiert am
09.01.2019