Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Dr. Werus als Vorsitzenden sowie den Richter Mag. Friedrich und die Richterin Dr. Klammer als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen ***** ***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerde der ***** Bank AG gegen den Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch vom 13.7.2018, 28 HR 128/18z (GZ 9 St 155/18y-14 der Staatsanwaltschaft Feldkirch), in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
In Stattgebung und aus Anlass der Beschwerde wird der angefochtene Beschluss auf Bewilligung der Anordnung einer Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte a u f g e h o b e n und der darauf gerichtete Antrag der Staatsanwaltschaft Feldkirch a b g e w i e s e n.
Alle durch diese Anordnung gewonnenen Ergebnisse sind zu vernichten (§ 116 Abs 6 vierter Satz iVm § 89 Abs 4 StPO).
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
begründung:
Text
Die Staatsanwaltschaft Feldkirch führt zu 9 St 155/18y ein Ermittlungsverfahren gegen ***** ***** wegen des Verdachtes der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB, des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und der Vergehen der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 1 StGB und des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 StGB.
Mit dem angefochtenen Beschluss bewilligte der Haft- und Rechtsschutzrichter des Landesgerichtes Feldkirch folgende Anordnung der Staatsanwaltschaft Feldkirch vom 11.7.2018 auf Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte gemäß §§ 109 Z 4, 116 StPO:
I)
DURCHBRECHUNG DES BANKGEHEIMNISSES
Das Bankgeheimnis wird in Bezug auf folgende Konten, und zwar
*****
durchbrochen.
II)
VON DER DURCHBRECHUNG BETROFFENER ZEITRAUM
Zeitpunkt der Umsetzung dieser Anordnung durch die Bank/en.
III)
UMFANG DER HERAUSGABE- UND OFFENLEGUNGSPFLICHT
Die für die betreffende Bank tätigen Personen haben betreffend den unter Punkt II) angeführten Zeitraum alle Urkunden, Unterlagen und Daten (insbesondere Eröffnungsunterlagen, Ausweiskopien, Kontoblätter, Kontoauszüge, Korrespondenz usw.), die sich auf die angeführten Konten beziehen, einsehen zu lassen und herauszugeben.
IV)
SONSTIGES
Anstelle der Originale von Urkunden und anderen Unterlagen können Ablichtungen herausgegeben werden, sofern deren Übereinstimmung mit dem Original außer Zweifel steht. Wird zur Führung der Geschäftsverbindung automationsunterstützte Datenverarbeitung verwendet, so hat die Herausgabe von einem elektronischen Datenträger in einem allgemein gebräuchlichen Dateiformat zu erfolgen (§ 116 Abs 6 StPO).
Kosten, die dem Kredit- bzw. Finanzinstitut in Entsprechung dieser Anordnung durch die Trennung von Urkunden oder sonstigen beweiserheblichen Gegenständen von anderen oder durch die Ausfolgung von Kopien entstanden sind, werden über Antrag in angemessener und ortsüblicher Höhe ersetzt (§ 111 Abs 3 StPO).
Dem Kredit- bzw. Finanzinstitut wird aufgetragen, alle mit der vorliegenden Anordnung verbundenen Tatsachen und Vorgänge gegenüber dem Kunden und Dritten vorläufig geheim zu halten.
V)
SICHERSTELLUNG:
Zur Sicherung privatrechtlicher Ansprüche (§ 110 Abs 1 Z 2 StPO) wird das Guthaben auf den oben unter Punkt I) genannten Konten durch das vorläufige Verbot der Herausgabe an Dritte (Drittverbot) und das vorläufige Verbot der Veräußerung oder Verpfändung dieser Gegenstände und Werte
sichergestellt.
Der Erstrichter übernahm dabei nachangeführte Begründung der Staatsanwaltschaft:
***** ***** steht im Verdacht, als Leiter des Bereichs Jugend ***** und sohin in seiner Funktion als Jugendbetreuer im Zeitraum ***** in seiner Wohnung in *****, *****, sowie im Rahmen von Ausflügen und Nächtigungen in derzeit sieben bekannten Fällen an zur Tatzeit Minderjährigen – in zwei Fällen zur Tatzeit unmündigen Minderjährigen – dem Beischlaf gleichzusetzende bzw geschlechtliche Handlungen vorgenommen zu haben, indem er diese unter anderem im Analbereich massierte, dabei in manchen Fällen den Penisschaft berührte bzw massierte, einen Finger in den Anus des Opfers einführte oder an diesen den Oralverkehr vollzog, sowie in einem Fall die geschlechtlichen Handlungen ohne Einverständnis des minderjährigen Opfers auf Video aufgezeichnet zu haben.
***** ***** steht daher im Verdacht, die Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1, des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB, das Vergehen der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 1 StGB sowie die Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 StGB begangen zu haben.
Der Tatverdacht gründet auf den bisherigen Ermittlungen des Landeskriminalamtes Vorarlberg, insbesondere auf den Angaben der bisher einvernommenen Opfer sowie der im Wesentlichen geständigen Verantwortung des sich derzeit in Untersuchungshaft befindlichen Beschuldigten.
Aufgrund der derzeitigen Erkenntnisse, insbesondere der Angaben des ***** ***** ist davon auszugehen bzw kann nicht ausgeschlossen werden, dass es weitere Opfer gibt. Bisher ist zudem bei zwei Opfern bekannt, dass sich – augenscheinlich – aufgrund der Taten – psychische Folgen eingestellt haben. Zum Zwecke der Sicherung privatrechtlicher Ansprüche ist es daher angezeigt, allenfalls vorhandene Bankguthaben zu lokalisieren, um diese sicherstellen und beschlagnahmen zu können.
Der Beschuldigte hat im Zuge seiner Einvernahme angegeben, dass er über ein Sparguthaben in Höhe von EUR 50.000,-- verfügt. Um festzustellen, wo sich dieses Geld befindet, sowie um zu klären, ob weitere Bankguthaben vorhanden sind, ist die gegenständliche Maßnahme erforderlich. Eine Kontenregisterabfrage am 11.7.2018 hat ergeben, dass der Beschuldigte Kontoinhaber der im Punkt I) angeführten Konten ist.
Das Verhältnismäßigkeitsgebot bleibt durch diese Anordnung gewahrt, weil unbeteiligte Dritte durch die vorliegenden Bankerhebungen kaum tangiert sind und dem angezeigten Sachverhalt eine vorsätzlich begangene Straftat zugrunde liegt.
Durch die Sicherstellung wird die Schadloshaltung der Opfer gewährleistet.
Damit liegen sämtliche Voraussetzungen vor, die erforderlich sind, um eine Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte gemäß § 109 Z 4, 116 StPO sowie die in Punkt V) des Spruchs umschriebenen Provisorialmaßnahmen, die sich wiederum auf §§ 109 Z 1 lit b, 110 Abs 1 Z 2 StPO stützen, anordnen zu können.
Die Durchführung dieser Anordnung wurde bis zum 31.8.2018 befristet.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der ***** Bank AG mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss insoweit aufzuheben, als dieser über die Sicherstellung (Punkt V) und die damit verbundene Bekanntgabe des Kontosaldos hinausgeht. Es werde nicht begründet, warum neben der unbekämpft bleibenden Anordnung auf Sicherstellung eine umfassende Auskunft und alle sich auf das gegenständliche Konto beziehenden Unterlagen erforderlich seien, um die gegenständliche Straftat aufzuklären. Die Kontoverbindung sei bereits bekannt, sodass die Anordnung auch nicht geeignet sei, weitere Bankguthaben festzustellen. Es bestehe die Gefahr des Bekanntwerdens von Unterlagen, die mit der gegenständlichen Straftat nichts zu tun haben. Die Anordnung entspreche daher nicht dem Verhältnismäßigkeitsgebot nach § 5 StPO.
Die Staatsanwaltschaft führte dazu aus, Ziel der gegenständlichen Anordnung sei lediglich die Ermittlung des aktuellen Kontostandes, weitere Kontounterlagen würden nicht benötigt (ON 1).
Die Oberstaatsanwaltschaft enthielt sich einer Stellungnahme.
Rechtliche Beurteilung
§ 109 Z 1 lit b StPO bezeichnet als Sicherstellung das vorläufige Verbot der Herausgabe von Gegenständen oder anderen Vermögenswerten an Dritte (Drittverbot) und das vorläufige Verbot der Veräußerung oder Verpfändung solcher Gegenstände und Werte. Eine solche Sicherstellung ist unter anderem zur Sicherung privatrechtlicher Ansprüche zulässig (§ 110 Abs 1 Z 2 StPO). Seit Entfall des Klammerverweises auf § 367 StPO in § 110 Abs 1 Z 2 StPO (BGBl I 2014/71, in Kraft seit 1.1.2015) wurde die Sicherstellung zur Sicherung privatrechtlicher Ansprüche auch in Bezug auf Bankguthaben ermöglicht.
Diese Änderung erfolgte nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (181 der Beilagen XXV. GP, S. 8) aus folgenden Gründen:
„Eine Sicherstellung oder Beschlagnahme zur Sicherung privatrechtlicher Ansprüche ist auf Grund des Verweises auf § 367 StPO in § 110 Abs. 1 Z 2 StPO und § 115 Abs. 1 Z 2 StPO nur in Bezug auf dem Opfer gehörende körperliche Sachen zulässig und scheidet daher unter anderem bei Bankguthaben aus, auf die aus betrügerischen Handlungen stammende Geldbeträge überwiesen wurden (OLG Wien, 17 Bs 283/10g). Dies führt insbesondere bei Rechtshilfeersuchen aus Deutschland, wo die Sicherstellung für privatrechtliche Ansprüche zulässig ist, zu Ablehnungen. Mit der vorgeschlagenen Änderung soll nun eine Erweiterung erfolgen, sodass eine Sicherstellung oder Beschlagnahme zur Sicherung privatrechtlicher Ansprüche nicht nur in Bezug auf dem Opfer gehörende körperliche Sachen zulässig ist.“
Nach § 109 Z 4 StPO ist eine Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte die Herausgabe aller Unterlagen über die Identität des Inhabers der Geschäftsverbindung und über seine Verfügungsberechtigung, die Einsicht in Urkunden und andere Unterlagen eines Kredit- oder Finanzinstituts über Art und Umfang einer Geschäftsverbindung und damit in Zusammenhang stehende Geschäftsvorgänge und sonstige Geschäftsvorfälle für einen bestimmten vergangenen oder zukünftigen Zeitraum.
Gemäß § 116 Abs 1 StPO sind Auskunft aus dem Kontenregister und Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte zulässig,
wenn sie zur Aufklärung einer vorsätzlich begangenen Straftat oder eines Vergehens, das in die Zuständigkeit des Landesgerichts fällt (§ 31 Abs. 2 bis 4), oder zur Aufklärung der Voraussetzungen einer Anordnung auf Auskunft nach Abs 2 Z 2 in Verfahren wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat, für die im Hauptverfahren das Landesgericht zuständig wäre (§ 31 Abs. 2 bis 4), erforderlich erscheinen.
Nach § 116 Abs 2 StPO ist
Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte darüber hinaus nur zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist,
1. dass dadurch Gegenstände, Urkunden oder andere Unterlagen über eine Geschäftsverbindung oder damit im Zusammenhang stehende Transaktionen sichergestellt werden können, soweit dies für die Aufklärung der Straftat erforderlich ist,
2. dass Gegenstände oder andere Vermögenswerte zur Sicherung der Konfiskation (§ 19a StGB), des Verfalls (§ 20 StGB), des erweiterten Verfalls (§ 20b StGB), der Einziehung (§ 26 StGB) oder einer anderen gesetzlich vorgesehenen vermögensrechtlichen Anordnung gemäß § 109 Z 1 lit. b sichergestellt werden können, oder
3. dass eine mit der Straftat im Zusammenhang stehende Transaktion über die Geschäftsverbindung abgewickelt werde.
Die gegenständliche Anordnung bezieht sich ihrer Begründung und ihrem Zweck nach auf die Sicherung privatrechtlicher Ansprüche unter offenkundiger Heranziehung der Bestimmung des § 116 Abs 2 Z 2 StPO, nämlich der Sicherung einer anderen gesetzlich vorgesehenen vermögensrechtlichen Anordnung gemäß § 109 Z 1 lit. b StPO. Darunter fällt aber nicht das in § 109 Z 1 lit b StPO genannte Drittverbot selbst, das seinerseits lediglich das Sicherungsmittel für eine vorgesehene vermögensrechtliche Anordnung beschreibt. Dies ergibt sich auch aus dem Bericht des Justizausschusses bei Einführung des § 116 Abs 2 Z 2 StPO mit BGBl I 38/2010, wonach durch diese Bestimmung die Sicherung vermögensrechtlicher Anordnungen unter der Voraussetzung des § 109 Z 1 lit b StPO ermöglicht werden soll (692 der Beilagen XXIV. GP S. 4).
Der Begriff „andere gesetzlich vorgesehene vermögensrechtliche Anordnungen“ bezieht sich auf nebenstrafrechtliche Einziehungs- und Verfallsanordnungen (Tipold/Zerbes, WK-StPO § 110 Rz 10 f; Fabrizy, StPO13 § 110 Rz 1).
Die Sicherstellung besteht nach § 109 Z 1 lit b StPO in dem dort angeführten Drittverbot und ist als solche zu verschiedenen Sicherungszwecken (§ 110 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO), unter anderem dem der Sicherung auch anderer gesetzlich vorgesehener vermögensrechtlicher Anordnungen, zulässig. § 116 Abs 2 Z 2 StPO entspricht der Formulierung des § 110 Abs 1 Z 3 StPO. Die Sicherung privatrechtlicher Ansprüche ist in § 110 Abs 1 Z 2 StPO gesondert angeführt, findet aber keine Erwähnung in § 116 StPO. Auch nach Entfall des Verweises auf § 367 StPO in § 110 Abs 1 Z 2 StPO wurde trotz nach diesem Zeitpunkt erfolgter zweimaliger Änderung des § 116 StPO mit BGBl I 26/2016 und BGBl I 27/2018 das Ziel der Sicherung privatrechtlicher Ansprüche in diese Bestimmung nicht aufgenommen.
Nach dem Inhalt des § 116 StPO idF BGBl I 19/2004 war die inhaltliche Kontoauskunft nur bei einem zwischen Geschäftsverbindung und strafbarer Handlung bestehenden Zusammenhang zulässig.
Laut Regierungsvorlage (673 der Beilagen XXIV. GP) war mit 1.7.2010 folgende Änderung der Abs 1 und 2 des § 116 StPO vorgesehen:
„(1) Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte ist zulässig, wenn sie zur Aufklärung einer vorsätzlich begangenen Straftat oder eines Vergehens, das in die Zuständigkeit des Landesgerichts fällt (§ 31 Abs. 2 bis 4) erforderlich erscheint.
(2) Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte nach § 109 Z 3 lit. b ist darüber hinaus nur dann zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass
1. Urkunden und andere Unterlagen über eine Geschäftsverbindung und damit im Zusammenhang stehende Transaktionen der Sicherstellung unterliegen, oder
2. die Aufklärung von Geldwäscherei oder Terrorismusfinanzierung ansonsten wesentlich erschwert wäre.“
Nach den Erläuterungen zu Abs 2 Z 1 (S. 6) sollte durch die vorgeschlagene Änderung die Zulässigkeit der Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte – ähnlich wie eine Durchsuchung von Orten – an die Suche nach Unterlagen geknüpft werden, deren Sicherstellung aus Beweisgründen, zur Sicherung privatrechtlicher Ansprüche oder zur Sicherung vermögensrechtlicher Anordnungen erforderlich erscheint (§ 110 Abs. 1 StPO); es sollte künftig nicht mehr auf den von der Financial Action Task Force (FATF) als schwer nachweisbar kritisierten Zusammenhang zwischen einer Geschäftsverbindung und der Straftat einer bestimmten Person abgestellt werden.
Der vorgeschlagene Gesetzestext erfuhr allerdings Abänderungen unter anderem dahingehend, dass die Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte zur Aufklärung der Straftat (Abs 2 Z 1), zur Sicherung vermögensrechtlicher Anordnungen (Abs 2 Z 2) oder für den Fall der Abwicklung einer mit der Straftat im Zusammenhang stehenden Transaktion über die Geschäftsverbindung (Abs 2 Z 3) zulässig ist (BGBl I 38/2010). Nach dem Bericht des Justizausschusses sollte damit die Ausforschung von aus strafbaren Handlungen stammenden Vermögenswerten erleichtert und die Zusammenarbeit mit anderen Staaten gefördert werden (692 der Beilagen XXIV. GP S. 1), wobei im Begutachtungsverfahren geäußerten Einwänden gegen eine zu weitgehende und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz widerstreitende Erweiterung der Durchbrechung des Bankgeheimnisses Rechnung getragen wurde (aaO S. 4). Durch die Bestimmung des § 116 Abs 2 Z 2 StPO soll die Sicherung vermögensrechtlicher Anordnungen unter der Voraussetzung des § 109 Z 1 lit. b StPO ermöglicht werden (aaO S. 4). Die Sicherung privatrechtlicher Ansprüche wurde nicht vorgesehen.
Die mit 1.9.2012 erfolgte Ergänzung des § 116 Abs 1 StPO hinsichtlich der Zulässigkeit der Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte zur erforderlichen Aufklärung der Voraussetzungen einer Anordnung auf Auskunft nach Abs. 2 Z 2 (BGBl I 35/2012) diente der Beseitigung eines Verfolgungshindernisses, wenn gemäß § 116 StPO die Bekanntgabe von Geschäftsverbindungen zum Zwecke der Einleitung von Sicherungsmaßnahmen (diese wiederum zum Zwecke der Sicherung einer Verfallsentscheidung) begehrt wurde. Anlässlich der Verfolgung der schweren und organisierten Kriminalität war bei der Ausforschung von Vermögenswerten, die dem Verfall unterliegen könnten, eine darauf gerichtete Anordnung nur dann zulässig, wenn sie zur Aufklärung einer Straftat erforderlich war. Oftmals sind aber das lückenlose Nachvollziehen von Geldflüssen und die Aufklärung der wirtschaftlichen Berechtigung über Kontenverbindungen notwendig, um schwerwiegende Betrugs- oder Untreuevorwürfe nachweisen zu können. Gleichzeitig dienen diese Ermittlungen dazu, die Voraussetzungen für Verfall (siehe § 20 Abs. 3 StGB) oder erweiterten Verfall (§ 20b Abs. 1 StGB – „Verfügungsmacht“) zu klären (ErlRV 1685 der Beilagen XXIV. GP S. 35 f).
Nach der Gesetzeslage ist daher seit Entfall des Verweises auf § 367 StPO in §§ 110 Abs 1 Z 2 und 115 Abs 1 Z 2 StPO zur Sicherung privatrechtlicher Ansprüche zwar die Sicherstellung bzw Beschlagnahme von bereits im Zuge der Ermittlungen zu Tage getretenen und damit bereits bekannten Kontoguthaben zulässig, nicht aber deren erst notwendige Ausforschung und Bekanntgabe inhaltlicher Daten zum alleinigen Zweck der Sicherung privatrechtlicher Ansprüche durch Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte.
Von einer planwidrigen Gesetzeslücke ist nicht auszugehen, wurde doch auch nach Entfall des Verweises auf § 367 StPO in § 110 Abs 1 Z 2 StPO trotz nach diesem Zeitpunkt erfolgter zweimaliger Änderung des § 116 StPO mit BGBl I 26/2016 und BGBl I 27/2018 das Ziel der Sicherung privatrechtlicher Ansprüche in diese Bestimmung nicht aufgenommen.
Anlässlich der Einführung des Kontenregisters mit BGBl I 26/2016 (in Geltung seit 1.10.2016) führten die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1058 der Beilagen XXV. GP S. 17) zu § 116 StPO ausdrücklich aus, dass die Voraussetzungen für die Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte unverändert erhalten bleiben.
Dass eine Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte nicht der Sicherung privatrechtlicher Ansprüche dienen sollte, entspricht auch der teleologischen Sichtweise, wäre damit doch eine Erweiterung der Durchbrechung des Bankgeheimnisses - allenfalls auch betreffend dritte Personen - zum Zwecke der Sicherstellung der Einbringlichkeit allfälliger Privatbeteiligtenzusprüche verbunden, deren Klärung – etwa bei Schmerzengeldforderungen – im Strafverfahren ihre Grenze in über bloß einfache Erhebungen hinausgehenden Beweisaufnahmen findet
(vgl Spenling, WK-StPO § 366 Rz 4).
In Stattgebung und aus Anlass der Beschwerde war daher der Beschluss auf gerichtliche Bewilligung der Anordnung einer Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte aufzuheben und der darauf gerichtete Antrag der Staatsanwaltschaft abzuweisen.
Gleichzeitig war gemäß § 116 Abs 6 vierter Satz iVm § 89 Abs 4 StPO anzuordnen, dass alle durch diese Anordnung gewonnenen Ergebnisse zu vernichten sind.
Oberlandesgericht Innsbruck, Abteilung 6
Innsbruck, am 14.9.2018
Dr. Ernst Werus, Senatspräsident
Textnummer
EI0100064European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OLG0819:2018:0060BS00198.18W.0914.000Im RIS seit
08.01.2019Zuletzt aktualisiert am
08.01.2019