TE Vwgh Beschluss 2018/11/29 Ra 2018/10/0182

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Veröffentlicht am 29.11.2018
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/02 Forstrecht;

Norm

AVG §68 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
B-VG Art133 Abs5;
ForstG 1975 §33 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revision der "N" - L in S, vertreten durch MMag. Dr. Susanne Binder-Novak, Rechtsanwältin in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 13. September 2018, Zlen. LVwG-AV-1122/001-2017, LVwG-AV-1489/001- 2017, betreffend Duldungspflicht gemäß § 33 Abs. 4 Forstgesetz 1975 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Bezirkshauptmannschaft St. Pölten; mitbeteiligte Parteien: 1. G S und 2. M S, beide in W, beide vertreten durch die Gloß, Pucher, Leitner, Schweinzer, Gloß Rechtsanwälte GbR in 3100 St. Pölten, Wiener Straße 3), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1.1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 20. November 2009 wurde den Mitbeteiligten als Liegenschaftseigentümern die Errichtung der Forststraße "St."

bewilligt.

2 Mit weiterem Bescheid der belangten Behörde vom 16. März 2015 wurde rechtskräftig festgestellt, dass die Mitbeteiligten als grundbücherliche Eigentümer bestimmter Liegenschaften und als Erhalter der Forststraße verpflichtet seien, deren Befahren zur Versorgung der über die Forststraße erreichbaren Schutzhütte "S.-Hütte" zu dulden.

3 1.2. Mit dem vorliegend angefochtenen Erkenntnis vom 13. September 2018 wurde - soweit für die vorliegende Entscheidung von Interesse - in Abänderung eines Bescheides der belangten Behörde vom 31. Juli 2017 aufgrund einer Beschwerde der Mitbeteiligten festgestellt, dass die Mitbeteiligten als Erhalter des erwähnten Weges nicht mehr verpflichtet seien, das Befahren dieses Weges nach § 33 Abs. 4 Forstgesetz 1975 - ForstG zur Versorgung der Schutzhütte "S.-Hütte" zu dulden.

4 Dem legte das Verwaltungsgericht - gestützt auf ein Gutachten eines Amtssachverständigen für das Forstwesen - im Wesentlichen zugrunde, auf einem Abschnitt (Abschnitt "A4") der gegenständlichen Weganlage mit einer Länge von rund 50 lfm sei ein Zaun zum Schutz der Wiesenaufforstung errichtet worden und am Fuß der bergseitigen Wegböschung sowie am bergseitigen Rand der Fahrbahn eine Aufforstung mit unterschiedlichen Baumarten erfolgt; deshalb sei nur noch eine Wegbreite von 1 m bis 1,7 m verblieben. Der Abschnitt könne zwar noch zu Fuß begangen werden, ein Befahren mit Kraftfahrzeugen oder Fuhrwerken sei jedoch nicht mehr möglich.

5 Seit der erwähnten Aufforstung des Abschnittes A4 im Herbst 2016 würden die Abschnitte A1 bis A5 der gegenständlichen Weganlage (mit einer Gesamtlänge von ca. 830 lfm) nicht mehr für die Bringung und den wirtschaftlichen Verkehr innerhalb der Wälder sowie deren Verbindung zum öffentlichen Verkehrsnetz verwendet.

6 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht im Kern aus, Grundvoraussetzung für die Einräumung und das Fortbestehen einer Duldungspflicht gemäß § 33 Abs. 4 ForstG sei die Existenz einer Forststraße. Da die Abschnitte A1 bis A5 seit der Aufforstung des Abschnittes A4 im Herbst 2016 nicht mehr für die Bringung und den wirtschaftlichen Verkehr innerhalb der Wälder sowie deren Verbindung zum öffentlichen Verkehrsnetz verwendet würden, sei die gegenständliche Weganlage nicht mehr als Forststraße nach § 59 Abs. 2 ForstG zu qualifizieren.

7 Damit habe sich die Sachlage gegenüber dem erwähnten Bescheid der belangten Behörde vom 16. März 2015 in einem entscheidungswesentlichen Punkt verändert, sodass der vorliegend getroffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts das Prozesshindernis der res iudicata nicht entgegenstehe (Hinweis auf VwGH 19.9.2013, 2011/01/0187).

8 Da die ursprünglich vorhandene Forststraße aus rechtlicher Sicht nicht mehr bestehe, komme die Aufrechterhaltung einer Duldungsverpflichtung mit Blick auf das Befahren durch Fahrzeuge im Rettungseinsatz und die Versorgung von über die Forststraße erreichbaren Schutzhütten gemäß § 33 Abs. 4 ForstG nicht mehr in Betracht. Da die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Duldungsverpflichtung im rechtlichen Interesse sowohl der Mitbeteiligten als auch der revisionswerbenden Partei erforderlich sei, werde eine entsprechende Feststellung getroffen (Hinweis auf VwGH 23.5.2017, Ra 2015/05/0028).

9 Zum Vorbringen der revisionswerbenden Partei, die Auflassung der Forststraße durch die Mitbeteiligten in dem Bereich A4 sei rechtsmissbräuchlich erfolgt, führte das Verwaltungsgericht aus, die Mitbeteiligten hätten als Grund für die Auflassung als Forstweg angegeben, ihnen sei die früher jahrzehntelang übliche Bringung von Holz für bestimmte Parzellen untersagt worden; der Ortsaugenschein des Verwaltungsgerichtes habe außerdem ergeben, dass für einen geplanten, von der Behörde bereits forstrechtlich bewilligten Rückeweg zumindest teilweise der Trassenfreihieb bereits durchgeführt worden sei. Aufgrund der somit von den Mitbeteiligten durchgeführten alternativen Erschließung, die dem Verwaltungsgericht "sachlich und nachvollziehbar" erscheine, sei ein Rechtsmissbrauch durch die Mitbeteiligten zu verneinen.

10 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 3. Die revisionswerbende Partei erachtet sich im "einfachgesetzlich gewährleisteten Recht auf Nichtaufhebung des Bescheides" der belangten Behörde vom 16. März 2015 als verletzt; dem entsprechend betreffen die Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden außerordentlichen Revision § 68 Abs. 1 AVG und dessen Auslegung durch das Verwaltungsgericht.

14 3.1. In diesem Zusammenhang bringt die revisionswerbende Partei zunächst vor, eine wesentliche Änderung der Sachlage, die zum "Wegfallen" der res iudicata führe, müsse eine "wesentliche Änderung von außen" sein, welche nicht durch ein Verhalten der Parteien herbeigeführt worden sei.

15 Das in diesem Zusammenhang zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 7. November 1995, 95/05/0260, betraf eine Anordnung der Ersatzvornahme und einen Kostenvorauszahlungsauftrag nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991; aus dieser Entscheidung ist allerdings die von der revisionswerbenden Partei angestrebte - weitere - Voraussetzung für die Verneinung einer res iudicata im Sinn des § 68 Abs. 1 AVG nicht abzuleiten, hat doch der Gerichtshof darin bloß zum Ausdruck gebracht, dass das im Verwaltungsvollstreckungsverfahren erstattete Vorbringen, die Hütte, deren Entfernung im Titelverfahren rechtskräftig aufgetragen worden war, sei "bereits teilweise verfallen", nichts an dem rechtskräftigen Auftrag zur Entfernung der Hütte ändern könne.

16 3.2. Auch mit ihren weiteren Ausführungen vermag die revisionswerbende Partei mit Blick auf die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, infolge der im Herbst 2016 eingetretenen Verringerung der Fahrbreite im Wegabschnitt A4, welche ein Befahren mit Kfz oder Fuhrwerken verunmögliche, liege gegenüber dem Bescheid der belangten Behörde vom 16. März 2015 eine geänderte Sachlage vor, eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht darzulegen:

17 Die in diesem Zusammenhang hervorgehobene Passage aus dem hg. Erkenntnis vom 22. März 2018, Ra 2017/01/0287 (Rz 22), bekräftigt gerade, dass die Rechtskraft einer Entscheidung im Fall einer wesentlichen Änderung der Sach- oder Rechtslage wegfällt. Auch aus dem hg. Erkenntnis vom 12. Oktober 2010, 2009/05/0317, welches auf der hg. Rechtsprechung beruht, wonach in der Herstellung des in einem Bescheid geforderten Zustandes (dort: Befolgung eines Bauauftrages) keine Änderung des maßgebenden Sachverhaltes zu erblicken ist, die eine neuerliche Sachentscheidung zulässt (vgl. dazu etwa Hengstschläger/Leeb, AVG (2018) Rz 28 zu § 68), ist für die revisionswerbende Partei in der vorliegenden Konstellation nichts zu gewinnen.

18 3.3. Soweit die revisionswerbende Partei schließlich eine "Verfassungswidrigkeit" des angefochtenen Erkenntnisses behauptet, ist darauf zu verweisen, dass Rechtssachen, die zur Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gehören, von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen sind (Art. 133 Abs. 5 B-VG); eine Verfassungswidrigkeit eines Erkenntnisses eines Verwaltungsgerichtes, etwa wegen einer Verletzung in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, ist beim Verfassungsgerichtshof mit Beschwerde gemäß Art. 144 ?-VG geltend zu machen.

19 Ein derartiges Vorbringen ist daher von vornherein nicht geeignet, die Zulässigkeit der Revision zu begründen (vgl. VwGH 13.10.2015, Ra 2015/01/0157, mwN).

20 4. Die revisionswerbende Partei zeigt somit fallbezogen eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht auf, weshalb die Revision zurückzuweisen war.

Wien, am 29. November 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018100182.L00

Im RIS seit

20.12.2018

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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