TE Lvwg Erkenntnis 2018/11/13 LVwG-AV-623/001-2018

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Veröffentlicht am 13.11.2018
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Entscheidungsdatum

13.11.2018

Norm

GewO 1994 §13 Abs1
GewO 1994 §87 Abs1 Z1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch die Richterin HR Mag. Marihart über die Beschwerde des Herrn A, vertreten durch die B, in ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen an der Thaya, vom 14.05.2018, Zl. ***, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung für das Gewerbe „Versicherungsvermittlung“ in der Form Versicherungsagent am Standort ***, ***, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen an der Thaya (im Folgenden belangte Behörde) vom 14.05.2018, Zl. ***, wurde Herrn A (im folgenden Beschwerdeführer) die Gewerbeberechtigung für das Gewerbe „Versicherungsvermittlung in der Form Versicherungsagent“ am Standort ***, ***, eingetragen zur GISA-Zl. ***, entzogen.

Begründend dazu führte die belangte Behörde aus, dass im Zuge eines Nachsichtsverfahrens einer anderen Partei, die Behörde darauf aufmerksam gemacht worden sei, dass bei dem Beschwerdeführer eine Verurteilung im Strafregister aufscheine. Die Abfrage des Strafregisters am 22.02.2018 habe folgende Verurteilung ergeben:

LG ***, zur Zl. ***, vom 07.05.2014, rechtskräftig seit 23.05.2014, §§ 146, 147 (1) Z 1, 147 (3), 148
2. Fall StGB § 15 StGB, Freiheitsstrafe 2 Jahre, bedingt, Probezeit 3 Jahre, Vollzugsdatum 23.05.2014.

Und zu LG ***, Zl. ***, dass der Teil der Freiheitsstrafe nachgesehen worden sei und zwar endgültig vom 08.06.2017. Nach dem derzeitigen Stand der Strafregistereintragung werde die Tilgung voraussichtlich mit 23.05.2024 eintreten.

Versehentlich sei seitens des Landesgerichtes *** nach Rechtskraft der gegenständlichen Verurteilung eine Verständigung an die Gewebebehörde unterlassen worden.

Die Behörde führte nach Einräumung eines Parteiengehöres und Stellungnahme des Beschwerdeführers diesbezüglich betreffend die Entziehung der gegenständlichen Gewebeberechtigung aus, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum von März 2008 bis August 2012 in *** und anderen Orten Österreichs teils allein und teils im Zusammenwirken mit mehreren Mittätern mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung schwerer Betrugshandlung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, im Urteil genannte Versicherungsunternehmen durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet oder verleiten versucht habe, die diese am Vermögen schädigte, indem er bewusst in den nachgenannten unterschiedlichen Konstellationen teils gegenseitig Unfälle vorsätzlich herbeiführten und die von ihnen gelenkten Fahrzeuge vorsätzlich beschädigten, teils Versicherungsfälle fingierten, indem sie die Fahrzeuge vorsätzlich beschädigten und in der Folge unter Vorlage von inhaltlich falschen Schadensmeldungen, sohin unter Verwendung falscher Beweismittel, zur Auszahlung überhöhter und nicht zustehende Versicherungsleistungen verleitet oder zu verleiten versucht, wodurch die genannten Versicherungsunternehmen in einem
€ 50.000,-- übersteigenden Betrag an Vermögen geschädigt wurden oder geschädigt hätten werden sollen.

Weiters wurde ausgeführt, dass wenngleich der Beschwerdeführer den entstandenen Schaden beglichen habe und dies wohl positiv im Hinblick auf seine Persönlichkeit zu werten sei, dennoch eine, wenn auch vollständige Wiedergutmachung des Schadens, eine Entziehung der Gewerbeberechtigung nicht entgegenstünde.

Die Freiheitsstrafe des Beschwerdeführers im Ausmaß von zwei Jahren, wenngleich bedingt ausgesprochen, sei in zweifacher Hinsicht ausschlaggebend für das Entzugsverfahren: Einerseits übersteige sie diese „Geringfügigkeitsgrenze von drei Monaten um das 8-fache, andererseits laute die Verurteilung auf schweren gewerbsmäßigen Betrug, was im Hinblick auf die derzeit ausgeübte Tätigkeit als Versicherungsagent die Begehung der gleichen oder ähnlichen Straftat – aus welchen Motiven auch immer – jedenfalls zu befürchten sei. Darüber hinaus sei aufgrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein strenger Maßstab bei der Prognoseentscheidung anzulegen.

Da die Behörde auch keine Möglichkeit habe Gnade zu gewähren oder Milde walten zu lassen, sei mit der Entziehung vorzugehen gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, anwaltlich vertreten, fristgerecht Beschwerde und führte im Wesentlichen dazu aus, dass die Tatbestandselemente des § 87 Abs. 1 Z 1 GewO, nämlich die Eigenart der strafbaren Handlung und die Persönlichkeitsprognose, kumulativ vorzuliegen haben. Der Beschwerdeführer habe von sich aus Kontakt mit den geschädigten Versicherungen aufgenommen und die vereinbarte Schadenswidergutmachung vorgenommen.

Dies zu einem Zeitpunkt in welchem noch kein Strafverfahren eingeleitet worden sei.

Auch dürfe das Faktum, dass die geschädigten Versicherungen trotz der Vorfälle bis zum heutigen Tag mit dem Beschwerdeführer zusammenarbeiten, dies auch weiterhin gern tun würden und den Beschwerdeführer auch weiterhin vertrauten, eine positive Prognose hinsichtlich seines Persönlichkeitsbildes ergeben.

Im gegenständlichen Fall sei daher davon auszugehen, dass aufgrund der Persönlichkeit und das Verhaltens des Beschwerdeführers keinesfalls (und nicht bloß „kaum“) die Begehung einer gleichen oder ähnlichen Straftat zu befürchten sei.

Diesbezüglich wurde die Einvernahme des Betroffenen im Rahmen einer mündlichen Verhandlung beantragt sowie die Einsichtnahme in den bezughabenden Strafakt zur Zl. *** des LG *** und wurde die Aufhebung des gegenständlichen Bescheides beantragt.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte am 27. September 2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher Beweis aufgenommen wurde durch Verlesung des Verwaltungsaktes zur Zl. ***, Verlesung des gegenständlichen Gerichtsaktes sowie Verlesung des Strafaktes des LG *** zur Zl. ***.

Darüber hinaus wurde der Beschwerdeführer persönlich einvernommen.

Aufgrund der durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung steht für das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich folgender Sachverhalt fest:

Der Beschwerdeführer ist seit ca. 2006 Versicherungsagent. Der Beschwerdeführer arbeitete seit Ausübung seiner Tätigkeit mit den Versicherungen C, D, E, F, und andere, zusammen und arbeitet nach wie vor als Einzelunternehmer mit den Versicherungen C, D, E, G, F und H.

Seit März 2017 hat der Beschwerdeführer eine eigene Courtagezusage mit der I Unternehmensgruppe.

Der Beschwerdeführer ist hauptsächlich mit der Betreuung von bestehenden und auch neuen Kunden beschäftigt. Inhaltich werden vom Beschwerdeführer sämtliche Versicherungen abgedeckt, insbesondere Unfall-, Haus- und Haushaltversicherungen, Rechtsschutzversicherung und KFZ-Versicherungen.

Mit Urteil des Landesgerichtes ***, vom 07.05.2014, rechtskräftig 23.05.2014, wurde der Beschwerdeführer zu einer bedingten Freiheitsstrafe unter Gewährung einer Probezeit von drei Jahren wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten, gewerbsmäßigen schweren Betruges verurteilt.

Dem gegenständlichen Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum vom März 2008 bis August 2012 in *** und anderen Orten Österreich teils alleine und teils im Zusammenwirken mit mehreren Mittätern mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung schwerer Betrugshandlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, verschiedene Versicherungsunternehmen durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet oder verleiten versucht, die diese an Vermögen schädigte, indem er bewusst in den nachgenannten unterschiedlichen Konstellationen teils gegenseitig Unfälle vorsätzlich herbeiführten und die von ihnen gelenkten Fahrzeuge vorsätzlich beschädigten, teils Versicherungsfälle fingierten, indem sie die Fahrzeuge vorsätzlich beschädigten und in der Folge unter Vorlage von inhaltlich falschen Schadensmeldungen, sohin unter Verwendung falscher Beweismittel, zur Auszahlung überhöhter und nicht zustehender Versicherungsleistungen verleitet oder zu verleiten versucht, wodurch die genannten Versicherungsunternehmen in einem € 50.000,-- übersteigenden Betrag an Vermögen geschädigt wurden oder geschädigt hätten werden sollen. Folgende Versicherungsunternehmen waren betroffen: D Versicherung, F Versicherung, J Versicherung, K Versicherung, L, M Versicherung und N Versicherung. Im Rahmen der Strafbemessung wurden die Unbescholtenheit, das Geständnis und die teilweise Schadensgutmachung mildernd, die Faktenvielzahl erschwerend gewertet.

Die Tilgung der oben genannten Verurteilung wird am 23.05.2024 eintreten.

Der Beschwerdeführer vereinbarte mit den betroffenen Versicherungen bereits vor Einleitung des gerichtlichen Strafverfahrens zusammen mit einem Mittäter vollständige Schadenswiedergutmachung. Diesbezüglich wurden Ratenzahlungen vereinbart und wurde der Schaden beglichen.

Der Beschwerdeführer übt das gegenständliche Gewerbe - auch nach der gerichtlichen Verurteilung – mit den geschädigten Versicherungsunternehmen ohne Unterbrechung aus.

Der Beschwerdeführer hat einen fünfjährigen Sohn und bereut seine strafbaren Handlungen zutiefst. Der Beschwerdeführer hat sich, ausgenommen die gegenständlichen strafbaren Handlungen, wegen keiner weiteren strafbaren Handlungen zu verantworten bzw. weitere strafbare Handlungen ausgeübt, vielmehr hat er sich seit 2012 bis dato wohlverhalten.

Beweiswürdigung:

Die Feststellungen betreffend die rechtskräftige Verurteilung und der dieser zu Grunde liegenden strafbaren Handlungen ergeben sich aufgrund der Einsicht in den Strafakt des Landesgerichtes *** zur Zl. ***.

Dass der Beschwerdeführer sich seit ca. 2006 sowohl als Einzelunternehmer als auch in einer Arbeitsgemeinschaft mit einer weiteren Person als Versicherungsagent selbständig betätigt, ergibt sich aus seinen glaubwürdigen Ausführungen in der Verhandlung. Dass der Beschwerdeführer vor allem mit den von ihm geschädigten Versicherungen wie der Firma C, D, E, G, F und H, weiterhin zusammenarbeitet, ergibt sich aus seinen nachvollziehbaren Ausführungen in der mündlichen Verhandlung, als auch aufgrund der von ihm vorgelegten Bestätigungen der Versicherungen der C Versicherung AG, der F Versicherung AG, der G Versicherungs AG, die auf die (gute) Zusammenarbeit hinweisen.

Dass der Beschwerdeführer seit 01.03.2017 einen Versicherungsvertrag mit der I AG unterhält, ergibt sich ebenso aus dem Schreiben der I AG.

Betreffend die Schadenswiedergutmachung ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer nachvollziehbar in der mündlichen Verhandlung darlegte, dass er bereits vor Einleitung des Strafverfahrens mit einem weiteren Mittäter die geschädigten Versicherungen angeschrieben und persönlich vorgesprochen hat, die Schadenssumme in Form von Ratenzahlungen zu begleichen. Die Versicherungen L, M, F, D und N haben diesen Vorschlag des Beschwerdeführers und eines Mittäters angenommen und darüber hinaus unter anderem dem Beschwerdeführer weiterhin das Vertrauen zur weiteren künftigen Zusammenarbeit ausgesprochen.

Dass die Schadenswiedergutmachung auch tatsächlich geleistet wurde, ergibt sich bereits aus dem Gerichtsakt des Landesgerichtes *** zur Zl. ***, sowie aus den Ausführungen des Beschwerdeführers in der Verhandlung.

Darüber hinaus wurden Zahlungsbestätigungen vorgelegt, aus welchen die einzelnen Ratenzahlungen ersichtlich sind.

Dass der Beschwerdeführer sein Gewerbe, ausgenommen die gegenständlichen strafbaren Handlungen, zumindest seit 2012 ordnungsgemäß ausübt, ergibt sich aus seinen Ausführungen sowie aus den Bestätigungen seitens der Versicherungen.

Auch führte der Beschwerdeführer glaubwürdig in der Verhandlung aus, dass er die strafbaren Handlungen bereits zum Zeitpunkt der Schadenswiedergutmachung im Jahre 2012 aufrichtig bereute hat und sich um die Schadenswiedergutmachung mit den geschädigten Versicherungen bemühte. Weiters beschönigte der Beschwerdeführer in der Verhandlung keineswegs seine strafbaren Handlungen und führte dazu aus, dass er mit heutigem Wissen anders handeln würde, doch ihm damals die Verlockung zumindest zu Beginn der Ausübung des Gewerbes doch auch gereizt hat. Er führte dazu auch aus, dass er sein strafbares Verhalten bereut und jetzt vor allem für seinen Sohn und andere Kollegen Vorbild sein möchte und sich auch zukünftig nicht das Geringste zuschulden lassen kommen will. Ganz im Gegenteil, wenn ihm in der aktuellen Arbeit mit Kunden etwas dahingehend suspekt vorkommt, dass der Kunde eventuell einer Versicherung Schaden zufügen möchte, fährt er direkt zu diesem Kunden und hält diesen entweder davon ab dies nicht zu tun bzw. würde diesen versuchen davon abzuhalten.

Folgende Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) kommen im gegenständlichen Fall zur Anwendung:

§ 13 (1) Natürliche Personen sind von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn sie

1.       von einem Gericht verurteilt worden sind

         a)       wegen betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (§ 153d StGB), organisierter Schwarzarbeit (§ 153e StGB), betrügerischer Krida, Schädigung fremder Gläubiger, Begünstigung eines Gläubigers oder grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§§ 156 bis 159 StGB) oder

         b)       wegen einer sonstigen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen und

2.       die Verurteilung nicht getilgt ist.

[…]

§ 87 (1) Die Gewerbeberechtigung ist von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn

1.       auf den Gewerbeinhaber die Ausschlußgründe gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 zutreffen und nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist.

[…]

Erwägungen:

Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes ist unstrittig, dass der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten, gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 und 148, zweiter Fall,
15 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren unter Gewährung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt wurde.

Dieses Urteil wurde am 23.05.2014 rechtskräftig und wurde der Teil der Freiheitsstrafe endgültig bedingt nachgesehen. Die Tilgung wird voraussichtlich laut derzeitigem Stand der Strafregistereintragungen mit 23.05.2024 eintreten.

Auch wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer bereits vor Einleitung des Strafverfahrens mit den geschädigten Versicherungen eine Schadenswiedergutmachung vereinbart hat, diese der Vereinbarung zugestimmt hat und die geschädigten Versicherungen nach wie vor mit dem Beschwerdeführer positiv zusammenarbeiten.

Der Beschwerdeführer hat sich seit Abschluss der strafbaren Handlungen wohlverhalten und bereut zutiefst seine strafbaren Handlungen.

Voraussetzung einer Entziehung gemäß § 87 Abs. 1 Z 1 GewO ist zunächst, dass auf einen Gewerbeinhaber Ausschlussgründe gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 GewO zutreffen, der Gewerbeinhaber also von einem Gericht zu einer die Strafgrenze des

§ 13 Abs. 1 GewO übersteigenden rechtskräftigen Strafe verurteilt wurde und die Strafe noch nicht getilgt ist.

Darüber hinaus ist als weiteres Tatbestandselement erforderlich, dass nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung gleicher oder ähnlicher Straftaten bei Ausübung des Gewerbes zu „befürchten“ ist. Diesbezüglich hat die Behörde eine nachvollziehbar begründete, selbständige Prognose abzugeben.

Im gegenständlichen Fall ist das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich aufgrund der Einvernahme des Beschwerdeführers und dessen persönlichen Eindruckes in der mündlichen Verhandlung sowie aufgrund des Vorliegens von weiteren Umständen, wie einer Schadenswiedergutmachung, welche vom Beschwerdeführer persönlich bereits vor Einleitung der gegenständlichen Strafverfahren angebahnt wurde und der Tatsache, dass die geschädigten Versicherungen weiterhin dem Beschwerdeführer ihr Vertrauen aussprechen und mit diesem seit Jahren zusammenarbeiten, zu einer positiven Prognose gelangt.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind bei der Prognoseentscheidung alle äußeren Umstände zu berücksichtigen, die auf die Persönlichkeitsentwicklung der betroffenen Person – sei es im positiven oder negativen Sinn – von Einfluss sein können. Diese sind mit der Eigenart und Schwere begangener Straftaten sowie stets im Hinblick auf die Frage abzuwägen, ob mit begründeter Wahrscheinlichkeit noch die Befürchtung besteht, dass der Gewerbeinhaber bei der (weiteren) Ausübung des Gewerbes gleiche oder ähnliche Straftaten begehen wird. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Prognostizierung das Wohlverhalten des Betroffenen zu berücksichtigen. Dabei wurde „auf den seit der Begehung der Delikte verstrichenen Zeitraum“, oder auf den Zeitraum seit der Verurteilung abgestellt (vgl. VwGH 18. Mai 2016, Ra 2016/04/0046; VwGH 9. September 2015, Ro 2014/04/0012; VwGH 6. Oktober 2009, 2009/04/0262; VwGH 11. November 1998, 98/04/0174; VwGH 29. April 2014, 2013/04/0150).

Nachteilige Folgen für die wirtschaftliche Existenz des Gewerbetreibenden können als solches nicht entscheidend sein (VwGH 8. Mai 2002, Zl. 2001/04/0043; VwGH 12. Juni 2013, 2013/04/0036). Zweck der Bestimmungen im Zusammenhang mit dem Gewerbeausschluss ist insbesondere der Schutz von Personen (potenzieller Kunden, Arbeitnehmer oder sonst in Betracht kommender Geschäfts- bzw. Vertragspartner des Gewerbetreibenden), aber auch öffentlicher Interessen (wie etwa der Integrität staatlicher Institutionen oder des Staatshaushalts) durch Hintanhaltung der Begehung weiterer gleichartiger Straftaten im Zuge der Gewerbeausübung (vgl. VwG Wien 29. Dezember 2016, VGW-221/079/10393/2016). Dennoch können Gegebenheiten der Lebensführung – wenn besondere Umstände wie zB. ein soziales Netz durch Familie oder ein Wohnsitz hinzutreten – die einen starken Einfluss auf den Lebenswandel und damit auf das künftige Verhalten des Gewerbeberechtigten haben, nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben. Im Sinne einer ganzheitlichen Prognoseentscheidung ist nämlich durchaus davon auszugehen, dass sich stabilisierende Rahmenbedingungen in Zukunft begünstigend auf die Gesetzestreue des Gewerbetreibenden auswirken werden. So wird sich ein verständiger Durchschnittsmensch mit einer Familie in Zukunft und unter dem Eindruck der erlebten Sanktion für gewöhnlich eingehender mit den möglichen Folgen eines neuerlichen Gesetzesverstoßes auseinandersetzen. Schließlich kann auch das Verhalten des Täters im gerichtlichen Strafverfahren hier – etwa im Hinblick auf seine Schuldeinsichtigkeit – von Bedeutung sein. Allgemein kommt bei der Erstellung einer Zukunftsprognose der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks (hier: der Gewerbebehörde bzw. des Verwaltungsgerichts) von der betreffenden Person im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zu (VwGH 18. Februar 2015, Ra 2014/04/0035, mwV).

Die Taten, derentwegen der Beschwerdeführer rechtskräftig strafrechtlich verurteilt wurde, sind in Ausübung des gegenständlichen Gewerbes begangen worden. Der Tatzeitraum umfasst die Jahre 2009 bis 2011, die letzte Tat liegt damit etwa sieben Jahre zurück; seit der rechtskräftigen erstinstanzlichen Verurteilung sind etwa vier Jahre vergangen. Der Beschwerdeführer hat schon vor Einleitung des Strafverfahrens und der Verurteilung mit einer Schadensgutmachung begonnen, obwohl er sich damals noch nicht zwingend dem drohenden Strafverfahren oder einem Entziehungsverfahren ausgesetzt sah. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes hat beim Beschwerdeführer der Sinneswandel schon vor der Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden eingesetzt, es erscheint daher sachgerecht, für die Prognoseentscheidung den Zeitpunkt der letzten Tathandlungen und nicht der Verurteilung heranzuziehen. Im Übrigen hat der Beschwerdeführer ohne Unterbrechung seine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt und sich mittlerweile etwa sieben Jahre wohl verhalten.

Zwar hat der Beschwerdeführer Betrugshandlungen in großer Zahl über einen längeren Zeitraum ausgeübt. Es ist dadurch ein hoher Schaden entstanden. Auch die verhängte Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwei Jahren übersteigt das in § 13 Abs. 1 GewO genannte Ausmaß erheblich. Zudem missbrauchte der Beschwerdeführer wissentlich seine Vertrauensposition gegenüber seinen Geschäftspartnern zu seinem eigenen Vorteil. Demgegenüber sind die Eigeninitiative des Beschwerdeführers zur Aufklärung der Straftat, die ernsthaften Bemühungen zur Wiedergutmachung, die überwiegende Schadensbegleichung, das umfassende Geständnis, sowie die gezeigte Reue und die Einsicht des Fehlverhaltens vor dem Strafgericht und dem Verwaltungsgericht zu beachten. Ein weiterer gewichtiger Umstand ist das nunmehr langjährige Wohlverhalten des Beschwerdeführers. Zudem ist bei der Bewertung auch das Vertrauen nicht zu vernachlässigen, das ihm von Seiten der Geschäftspartner trotz Kenntnis um seine Verfehlungen entgegengebracht wird. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat das erkennende Gericht den Eindruck gewonnen, dass der Beschwerdeführer aus seinen Fehlern gelernt hat. Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes besteht eine in der Persönlichkeit des Beschwerdeführers begründete Befürchtung der Begehung gleicher oder ähnlicher Straftaten bei Ausübung des Gewerbes nicht mehr, so dass der Beschwerde Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden war.

Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da die gegenständliche Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und der gegenständlichen Entscheidung keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommt.

Schlagworte

Gewerbliches Berufsrecht; Gewerbeberechtigung; Versicherungsvermittlung; Entziehung; Straftat; Prognose;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.623.001.2018

Zuletzt aktualisiert am

06.12.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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