Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §68;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2018/01/0016Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision 1. der C M, 2. der G N, beide vertreten durch Dr. Anton Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Dezember 2017, Zlen. 1. W144 2177031-1/3E und 2. W144 2177033-1/3E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberinnen, beide Staatsangehörige der Republik Kongo, stellten am 27. Juni 2017 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Erstrevisionswerberin ist die Mutter der Zweitrevisionswerberin.
2 Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) jeweils vom 18. Oktober 2017 wurden ihre Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 zurückgewiesen, die Zuständigkeit Italiens festgestellt, die Außerlandesbringung angeordnet und ausgesprochen, dass die Abschiebung der Revisionswerberinnen nach Italien zulässig sei.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde der Revisionswerberinnen als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.
4 Begründend führte das BVwG aus, dass die Revisionswerberinnen am 26. Juni 2017 mit einem italienischen Visum der Kategorie C (Schengen), gültig von 22. März 2017 bis 27. April 2017, ins Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten eingereist seien. Italien sei daher nach Art. 12 Abs. 4 der Dublin III-VO zur Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz der Revisionswerberinnen zuständig, zumal Italien das Aufnahmegesuch durch Fristablauf gemäß Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO akzeptiert habe.
5 Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 11. Juni 2018, E 916-917/2018-7, die Behandlung der dagegen von den Revisionswerberinnen erhobenen Beschwerde ab. Begründend führte der Verfassungsgerichtshof ua. aus, dass dem BVwG - das sich mit der Frage der Gefährdung der Revisionswerberinnen in ihren Rechten auseinandergesetzt habe - nicht entgegen getreten werden könnne, wenn es davon ausgehe, dass fallbezogen das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts von Fremden ohne Aufenthaltstitel das Interesse am Verbleib im Bundesgebiet aus Gründen des Art. 8 EMRK überwiege. Mit weiterem Beschluss vom 13. September 2018, E 916-917/2018-12 trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die Revision bringt in der Zulässigkeitsbegründung zunächst vor, das BVwG habe sich mit Art. 9 Dublin III-VO nicht auseinandergesetzt, wonach ein Mitgliedsstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig sei, wenn der Antragsteller Familienangehöriger habe, der in seiner Eigenschaft als Begünstigter internationalen Schutzes in diesem Mitgliedstaat aufenthaltsberechtigt ist.
10 Soweit die Revision in diesem Zusammenhang (erstmals) vorbringt, dem seit 2009 in Österreich aufhältigen Ehemann der Erst- bzw. Vater der Zweitrevisionswerberin sei in Österreich der Status des "international Schutzberechtigten gemäß § 3 AsylG" zuerkannt worden, entfernt sie sich vom festgestellten, im Verfahren unbestritten gebliebenen, Sachverhalt, wonach das Asylverfahren des Ehemannes der Erst- bzw. Vaters der Zweitrevisionswerberin (bereits im Jahr 2012) negativ beendet worden und dieser auf der Grundlage einer "Rot-Weiß-Rot Karte Plus" in Österreich aufhältig sei (vgl. zum Nichtvorliegen einer Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG bei Entfernung vom festgestellten Sachverhalt etwa VwGH 31.10.2017, Ra 2017/01/0262, mwN). Demnach kann auch dahin stehen, ob die für eine Anwendbarkeit des Art. 9 Dublin III-VO weiters erforderliche schriftliche Äußerung des Wunsches der Ausübung der Zuständigkeit Österreichs durch die Revisionswerberinnen im Verfahren überhaupt erfolgt ist.
11 Soweit die Revision auf die Verpflichtung zum Selbsteintritt Österreichs nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO im Falle einer drohenden Verletzung von Art. 8 EMRK hinweist, übersieht sie, dass das BVwG - insbesondere unter Berücksichtigung der fallbezogen vorliegenden Aspekte eines Familienlebens - eine entsprechende Interessenabwägung vorgenommen hat und zu dem Ergebnis gekommen ist, dass im vorliegenden Fall die öffentlichen Interessen die privaten und familiären Interessen der Revisionswerberinnen an einem Verbleib in Österreich überwiegen würden.
12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK aber im Allgemeinen, wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wird, nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. aus der jüngeren Rechtsprechung etwa VwGH 12.3.2018, Ra 2018/01/0056, mwN).
13 In diesem Zusammenhang legt die Revision mit dem bloßen Hinweis, dass das BVwG hinsichtlich der Zweitrevisionswerberin das "Kindeswohl gänzlich außer Acht" gelassen habe, auch nicht ansatzweise dar, welche konkreten, für das Kindeswohl maßgeblichen Umstände das BVwG zu berücksichtigen gehabt hätte bzw. inwiefern - im Falle der Berücksichtigung dieser Umstände - eine abweichende Entscheidung möglich gewesen wäre (vgl. zur erforderlichen konkreten Darlegung der Relevanz von Verfahrensmängeln etwa VwGH 4.5.2018, Ra 2018/01/0178, mwN).
14 Soweit die Revision schließlich vorbringt, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes "zu den Voraussetzungen für das Absehen einer mündlichen Verhandlung nach § 21 Abs. 7 BFA-VG" abgewichen, übersieht sie, dass die Verhandlungspflicht im Zulassungsverfahren besonderen Verfahrensvorschriften, nämlich § 21 Abs. 3 und Abs. 6a BFA-VG, folgt. Dass das BVwG von den in der hg. Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien zur Verhandlungspflicht im Zulassungsverfahren abgewichen wäre, zeigt die Revision nicht auf (vgl. VwGH 8.2.2018, Ra 2018/01/0044, mwN). Soweit die Revision in diesem Zusammenhang rügt, das BVwG habe das Absehen von der mündlichen Verhandlung nicht näher begründet, wird die Relevanz auch dieses Verfahrensmangels nicht aufgezeigt.
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 21. November 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018010015.L00Im RIS seit
06.12.2018Zuletzt aktualisiert am
28.12.2018