TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/30 W112 2178048-6

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Veröffentlicht am 30.08.2018
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Entscheidungsdatum

30.08.2018

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76 Abs3 Z1
FPG §76 Abs3 Z9

Spruch

W112 2178048-6/17E

Gekürzte Ausfertigung des am 25.04.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Elke DANNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Marokko, gegen die Anhaltung in Schubhaft nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A) Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt

der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt in das Bundesgebiet ein und stellte am 12.05.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 18.08.2016 wurde der Beschwerdeführer wegen teilweise versuchten gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstahls in sieben Fällen, Urkundenunterdrückung, Entfremdung unbarere Zahlungsmittel sowie Unterschlagung zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 24 Monaten verurteilt wobei 16 Monate unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurden. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 22.11.2016 wurde der Beschwerdeführer wegen versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 10 Monaten verurteilt.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) wies mit Bescheid vom 27.10.2016 den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 5 AsylG 2005 zurück und stellte fest, dass DEUTSCHLAND für das Verfahren des Beschwerdeführers zuständig war. Unter einem ordnete es die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers an und stellte fest, dass seine Abschiebung nach DEUTSCHLAND zulässig war. Der Bescheid erwuchs aufgrund des vom Beschwerdeführer abgegebenen Beschwerdeverzichts in Rechtskraft.

Das Bundesamt behob mit Bescheid vom 22.05.2017 den Bescheid vom 27.10.2016, weil auf Grund der Strafhaft des Beschwerdeführers seine Überstellung nach DEUTSCHLAND innerhalb der Überstellungsfrist nicht möglich war. Es wies mit Bescheid vom 09.06.2017 den Antrag des Beschwerdeführers vom 12.05.2016 sowohl im Hinblick auf den Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, als auch im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ab. Unter einem erteilte es dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach MAROKKO zulässig war. Unter einem räumte es dem Beschwerdeführer eine Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung ein. Mit demselben Bescheid erließ das Bundesamt gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 27.06.2017, dem Beschwerdeführer zugestellt am 30.06.2017, als unbegründet ab. Gegen dieses Erkenntnis wurde weder Beschwerde noch Revision erhoben.

Mit Bescheid vom 19.07.2017, dem Beschwerdeführer zugestellt am 21.07.2017, verhängte das Bundesamt gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung über den Beschwerdeführer und ordnete an, dass die Rechtsfolgen des Bescheides im Anschluss an die Strafhaft eintreten.

Der Beschwerdeführer wurde am 08.08.2017 aus der Strafhaft entlassen und in Schubhaft genommen. Diese wurde seit 08.08.2017 im Polizeianhaltezentrum XXXX vollzogen.

Das Bundesverwaltungsgericht stellte mit Erkenntnissen vom 07.12.2017, 05.01.2018, 26.01.2018, 26.02.2018 und 27.03.2018 fest, dass gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig war.

Mit Eingabe vom 19.04.2018 legte das Bundesamt den Akt sowie eine Stellungnahme vor und beantragte die Feststellung, dass die Fortsetzung der Schubhaft gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG verhältnismäßig war.

Am 25.04.2018 fand die hg. mündliche Verhandlung statt, an der das Bundesamt nicht teilnahm.

Keine der Parteien stellte einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung des am 25.04.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige Beschwerdeführer war nicht österreichischer Staatsbürger oder Unionsbürger und verfügte über keine Aufenthaltsberechtigung für Österreich oder in einem anderen Mitgliedstaat der EU. Die Staatsangehörigkeit und die Identität des Beschwerdeführers, CHAFIK Said, geboren am 01.01.1985, StA MAROKKO, wurden von XXXX bestätigt.

Er hielt sich zumindest seit 2011 ohne Aufenthaltstitel und unter einer Vielzahl von Identitäten in SPANIEN, BELGIEN und anderen EU-Mitgliedstaaten auf. Sein Antrag auf internationalen Schutz in DEUTSCHLAND wurde abgewiesen. Sein Antrag auf internationalen Schutz in der SCHWEIZ wurde zurückgewiesen. Sein unter falscher Identität gestellter Antrag auf internationalen Schutz in Österreich vom 12.05.2016 wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.06.2017 abgewiesen und gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer befand sich in Österreich nur ca. einen Monat lang auf freiem Fuß. Er war zweifach vorbestraft. Er war nicht bereit nach MAROKKO auszureisen und wäre im Fall der Enthaftung im Gebiet der Mitgliedstaaten untergetaucht, wie er dies seit 2011 getan hatte.

Der Beschwerdeführer trat am 12.03.2018 in den Hungerstreik und brach diesen aber am Folgetag ab.

Er war haftfähig und wurde seit 08.08.2017 im Polizeianhaltezentrum XXXX angehalten.

Für den Beschwerdeführer war bereits am 04.07.2017 die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bei der MAROKKANISCHEN Botschaft beantragt worden, die MAROKKANISCHE Vertretungsbehörde hatte allerdings am 26.03.2018 mitgeteilt, dass der Antrag neuerlich übermittelt werden müsse. Das Bundesamt übermittelte den Antrag noch am selben Tag erneut und urgierte im MÄRZ und APRIL 2018 jeweils drei Mal betreffend die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergaben sich aus der hg. mündlichen Verhandlung, den beigeschafften Verwaltungsakten des Asyl- und Schubhaftverfahrens, den Gerichtsakten des Asyl- und Schubhaftverfahrens, Auskünften aus dem ZMR, IZR, SIS, Strafregister und der Anhaltdatei sowie den Auskünfte der Direktion des Bundesamtes betreffend das Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates vom 24.04.2018 und 25.04.2018 sowie aus den amtsärztlichen Unterlagen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Fortsetzungsausspruch

Die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft gemäß § 76 Abs. 1, 2 Z 1 FPG lagen vor: Der volljährige Beschwerdeführer war MAROKKANISCHER Staatsangehöriger und nicht österreichischer Staatsbürger, sohin Fremder iSd § 76 Abs. 1 FPG. Der Beschwerdeführer verfügte weder über ein Aufenthaltsrecht in Österreich, noch in einem anderen Mitgliedsstaat der EU. Sein Antrag auf internationalen Schutz war mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.06.2017, dem Beschwerdeführer zugestellt am 30.06.2017, abgewiesen und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot erlassen worden. Der Beschwerdeführer wurde zutreffend zur Sicherung der Abschiebung in Schubhaft angehalten.

Im Fall des Beschwerdeführers lag weiterhin erhebliche Fluchtgefahr vor: Er entzog sich der Abschiebung durch DEUTSCHLAND durch Weiterreise in anderer Mitgliedstaaten der EU, ebenso der Abschiebung durch die SCHWEIZ nach DEUTSCHLAND, und behinderte die Abschiebung durch die Angabe verschiedenster Identitäten und einer falschen Staatsangehörigkeit, die Nichtvorlage von Dokumenten und die Behauptung, um 15 Jahre jünger und daher minderjährig zu sein. Zudem trat einen Tag lang in den Hungerstreik (§ 76 Abs. 3 Z 1 FPG). Der Beschwerdeführer verfügte über keine soziale Verankerung, die gegen die Annahme von Fluchtgefahr gesprochen hätte (§ 76 Abs. 3 Z 9 FPG).

Mit der Verhängung gelinderer Mittel konnte aufgrund des Vorverhaltens des Beschwerdeführers insbesondere der Verwendung einer Vielzahl von Identitäten, des Aufenthalts in einer Vielzahl von Mitgliedstaaten der EU ohne Aufenthaltstitel über einen langen Zeitraum sowie der Begehung erheblicher Straftaten in einem kurzen Zeitraum in Österreich auch nach Verbüßung einer Freiheitsstrafe während offener Probezeit (§ 76 Abs. 2a FPG), dem Vorliegen einer durchführbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme (§ 76 Abs. 3 Z 3 FPG) dem persönlichen Eindruck, den der Beschwerdeführer vermittelte und seinen Einlassungen in der hg. mündlichen Verhandlung nicht das Auslangen gefunden werden.

Mit der Ausstellung eines Heimreisezertifikates und der Durchführung der Abschiebung innerhalb der Schubhafthöchstdauer war auf Grund der Mitteilungen des Bundesamtes vom 24.04.2018 und 25.04.2018 mit hinreichender Sicherheit zu rechnen, zumal der Beschwerdeführer bereits von XXXX identifiziert wurde.

Die Voraussetzungen für eine mehr als sechs Monate lang andauernde Schubhaft gemäß § 80 Abs. 4 Z 1 FPG lagen vor, weil die Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer zur Durchführung der Abschiebung erforderlich war und der Beschwerdeführer dies mangels Vorlage von Dokumenten und auf Grund der Verwendung einer Vielzahl von Identitäten zu vertreten hatte.

Auch die über acht Monate dauernde Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft war daher auf Grund des Vorverhaltens des Beschwerdeführers wegen des intensiven Kontaktes zwischen der belangten Behörde und der Botschaft auch angesichts des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers verhältnismäßig.

Es war sohin festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig war.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Die Revision war gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil es an einer Rechtsprechung zu § 22a Abs. 4 BFA-VG und § 80 Abs. 4 FPG fehlte.

Begründung der gekürzten Ausfertigung

Gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG kann das Erkenntnis in gekürzter Form ausgefertigt werden, wenn von den Parteien auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof verzichtet oder nicht binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift gemäß Abs. 2a eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 von mindestens einem der hiezu Berechtigten beantragt wird. Die gekürzte Ausfertigung hat den Spruch sowie einen Hinweis auf den Verzicht oder darauf, dass eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 nicht beantragt wurde, zu enthalten.

Diese gekürzte Ausfertigung des nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 25.04.2018 verkündeten Erkenntnisses ergeht gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG, da ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG durch die hiezu Berechtigten innerhalb der zweiwöchigen Frist nicht gestellt wurde.

Schlagworte

Asylantragstellung, Diebstahl, Fluchtgefahr, Fortsetzung der
Schubhaft, Gewerbsmäßigkeit, Identität, mangelnder Anknüpfungspunkt,
Mitgliedstaat, mündliche Verkündung, Schubhaft, Staatsangehörigkeit,
strafrechtliche Verurteilung, Täuschung, Überprüfung,
Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W112.2178048.6.00

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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