TE Vwgh Erkenntnis 1999/9/30 98/15/0005

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Veröffentlicht am 30.09.1999
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

EStG 1988 §20 Abs1 Z2;
EStG 1988 §4 Abs1;
EStG 1988 §4 Abs4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny sowie die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta über die Beschwerde des P S in B, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 12. Februar 1997, Zl. 658-6/95, betreffend Einkommensteuer 1993 zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer betreibt im Rahmen eines Einzelunternehmens einen Großhandel mit Türbeschlägen (Dekorbeschläge), in dem im Streitjahr 1993 ein Umsatz in der Höhe von S 15,3 Mio. erzielt wurde.

Mit Kaufvertrag vom 16. Februar 1994 erwarb er um S 2 Mio. eine Eigentumswohnung. Die Übergabe und Übernahme der Wohnung war bereits im Dezember 1993 erfolgt. Durch Mietvertrag vom 14. April 1994 wurde die Wohnung als Personalwohnung seiner Tochter S, welche seit 1. Jänner 1994 als Büroangestellte in seinem Betrieb tätig war, gegen einen monatlichen Brutto-Mietzins in der Höhe von S 5.000,-- zur Nutzung überlassen. Der Mietvertrag sah weiters vor, dass das Mietverhältnis beginnend mit 1. Jänner 1994 auf unbestimmte Zeit abgeschlossen sei, jedoch spätestens mit dem Austritt der Tochter aus dem Dienstverhältnis enden solle. Die Tochter hatte die streitgegenständliche Wohnung bereits seit 16. Dezember 1991 bewohnt. Sie hatte vom 1. Juli 1991 bis 31. Dezember 1994 für die D-GmbH, deren Gesellschafter-Geschäftsführer der Beschwerdeführer war, gearbeitet.

Der Beschwerdeführer ordnete im Streitjahr 1993 die Eigentumswohnung dem notwendigen Betriebsvermögen zu, da das Überlassen der Wohnung untrennbar mit der Anstellung seiner Tochter im Betrieb verknüpft sei und das Mietverhältnis einem Fremdvergleich standhalte. Die Tochter beendete das Dienstverhältnis im Jahre 1995 und zog am 30. April 1995 aus der Wohnung aus. Mit Mietvertrag vom 30. November 1995 wurde die Wohnung an einen anderen Mitarbeiter des Unternehmens vermietet.

Das Finanzamt wertete bei Erlassung des Einkommensteuerbescheides die Eigentumswohnung als Privatvermögen des Beschwerdeführers und versagte aus diesem Grund dem geltend gemachten Investitionsfreibetrag die Anerkennung.

Der Beschwerdeführer wies in der Berufung unter anderem darauf hin, dass er - wie im Stelleninserat vom 4. Februar 1995 dokumentiert - die streitgegenständliche Wohnung auch an familienfremde Personen überlassen würde. Dies bringe die Fremdvergleichstauglichkeit zum Ausdruck.

Das Finanzamt wies die Berufung unter Hinweis darauf, dass sich die rechtliche Beurteilung des Einkommensteuerbescheides nicht auf Verträge zwischen nahen Angehörigen, sondern auf die mangelnde Qualifikation der Wohnung als notwendiges Betriebsvermögen gestützt habe, mit Berufungsvorentscheidung ab. Entsprechend der bestehenden Judikatur sei es bei Betrieben mittlerer Größe nach der Verkehrsauffassung unüblich, Dienstwohnungen zu vergeben.

Nachdem der Beschwerdeführer den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt hatte, wies die belangte Behörde die Berufung nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung als unbegründet ab. Sie führte im Wesentlichen aus, dass die Zuordnung eines Wirtschaftsgutes zum Betriebsvermögen von seiner Zweckbestimmung, der Besonderheit des Betriebes und des Berufszweiges des Steuerpflichtigen und schließlich von der Verkehrsauffassung abhänge. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Wohnung eigne sich nicht nur zur betrieblichen Verwendung, sondern diene etwa auch als private Vermögensanlage. Nach der Verkehrsauffassung sei es bei Betrieben mittlerer Größe nicht üblich, Arbeitnehmern Dienstwohnungen (entgeltlich) zur Verfügung zu stellen. Eine Ausnahme sei dann gegeben, wenn die außerbetrieblichen Gründe für die Zurverfügungstellung von Wohnungen gegenüber den betrieblichen Erfordernissen entscheidend in den Hintergrund treten würden, oder etwa andere fallspezifische Sachargumente für eine Dienstnehmerwohnung sprächen. Der Beschwerdeführer habe keinen Sachverhalt aufgezeigt, der es geboten hätte, aus besonderen Gründen die Wohnung dem notwendigen Betriebsvermögen zuzuordnen, zudem gebiete weder der Gegenstand des Unternehmens noch die Tätigkeit der Dienstnehmerin eine derartige Zuordnung der Wohnung zum notwendigen Betriebsvermögen. Die Tochter des Beschwerdeführers habe die Wohnung bereits vor ihrem Dienstantritt bewohnt. Der Kauf der Wohnung durch Kaufvertrag vom 16. Februar 1994 beruhe in erster Linie auf Entschließungen der privaten Lebenssphäre, wie auch private Ursachen (Heirat) für den Austritt der Tochter aus dem Unternehmen und in der Folge den Auszug aus der Wohnung im Vordergrund gestanden seien. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der Berufungsverhandlung, wonach für die Einstellung der Tochter deren Fremdsprachenkenntnisse maßgeblich gewesen seien, sei entgegenzuhalten, dass diese zwar diverse Sprachkurse besucht habe, jedoch erst nach ihrem Dienstantritt im Unternehmen des Beschwerdeführers. Deshalb hätten keine betrieblichen Gründe für den Kauf der streitgegenständlichen Wohnung sprechen können. Auch der Umstand, dass die Tochter des Beschwerdeführers drei Jahre vor ihrem Dienstantritt im "Unternehmen des Beschwerdeführers bei der D-GmbH" gearbeitet habe, welche unstrittig mit dem Unternehmen des Beschwerdeführers "verwoben" gewesen sei und bei welcher der Beschwerdeführer als Gesellschafter-Geschäftsführer tätig gewesen sei, spreche dagegen, dass der Beschwerdeführer die Wohnung nur deswegen angeschafft und an seine Tochter vermietet habe, um sie für seinen Betrieb gewinnen zu können. Der Mietvertrag mit dem Arbeitnehmer S im November 1995 sei bei dieser Beurteilung nicht zu berücksichtigen, da der Abschluss dieses Vertrages nicht im Streitjahr 1993 stattgefunden habe. Ebenso sei die Einschaltung eines Inserats für die Beurteilung des streitgegenständlichen Falles ohne Belang. In Zusammenschau dieser Umstände seien daher nichtbetriebliche Gründe für die Anschaffung im Vordergrund gestanden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde, der mit Beschluss vom 30. September 1997, B 769/97, deren Behandlung ablehnte und sie mit Beschluss vom 8. Jänner 1998 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat, nach deren Ergänzung erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich im Wesentlichen gegen die Auffassung der belangten Behörde, wonach der Verkehrsauffassung bei der Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum Betriebsvermögen wesentliche Bedeutung zukomme. Es habe bei den der Judikatur zu Grunde liegenden Sachverhalten jeweils der Verdacht nicht fremdvergleichstauglicher Begünstigungen bestanden. Der Begriff der "Verkehrsauffassung" sei ein Leerbegriff und passe nicht in den Bereich des Steuerrechtes. Im konkreten Zusammenhang habe die streitgegenständliche Frage des Steuerrechtes nichts mit der Verkehrsauffassung der Vertragsparteien zu tun. Dieser Auffassung entspräche auch, dass in der Rechtsprechung zwar der Begriff "Verkehrsauffassung" Verwendung finde, die Entscheidungen jedoch regelmäßig die "Fremdvergleichstauglichkeit" des Geschäftes zum Inhalt hätten.

Mit diesen Ausführungen vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gehören alle Wirtschaftsgüter, die objektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sind und ihm auch tatsächlich dienen, somit betrieblich verwendet werden, zum notwendigen Betriebsvermögen. Dabei sind die Zweckbestimmung des Wirtschaftsgutes, die Besonderheiten des Betriebes und des Berufszweiges des Abgabepflichtigen sowie die Verkehrsauffassung maßgebend (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 1997, 93/14/0196 mwN). Stellt der Betriebsinhaber einem seiner Dienstnehmer für dessen Wohnzwecke eine Eigentumswohnung zur Verfügung, so dient diese dann betrieblichen Zwecken, wenn für die Einräumung der Nutzungsmöglichkeit ausschließlich oder zumindest überwiegend betriebliche Erwägungen maßgebend sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. September 1990, 89/15/0019).

Der Umstand, dass Eltern häufig bestrebt sind, ihren Kindern eine vom ursprünglich gemeinsamen Haushalt getrennte Wohnmöglichkeit zu beschaffen, und dass dafür in der Regel Beweggründe maßgebend sind, die im familiären Bereich wurzeln, schließt noch nicht aus, dass in einzelnen Fällen der Wohnungsbeschaffung die familiären Beweggründe in den Hintergrund treten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. November 1985, 83/14/0217). Überlässt der Betriebsinhaber die Wohnung einem Angehörigen, so muss die Anschaffung der Wohnung nicht außerbetrieblich veranlasst sein, sondern kann auch auf eine betriebliche Veranlassung zurückgehen.

Die betriebliche Veranlassung für die Anschaffung einer Eigentumswohnung, die in der Folge einem Angehörigen des Betriebsinhabers zur Nutzung überlassen wird, kann sich aus dem Dienstverhältnis des Benutzers der Wohnung zum Betriebsinhaber ergeben. Im Falle einer persönlichen Nahebeziehung ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine private Veranlassung auszuschließen und damit eine betriebliche Veranlassung anzunehmen, wenn nach der Verkehrsauffassung die Überlassung von Dienstwohnungen an Arbeitnehmer bei Betrieben vergleichbarer Art üblich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1989, 88/14/0204).

Entgegen dem Beschwerdevorbringen stellt die Rechtsprechung sohin allgemein auf die Verkehrsauffassung, aber nicht auf jene "der Vertragsparteien" ab. Andererseits kommt der "Üblichkeit" einer Gestaltung maßgebliche Bedeutung zu, weshalb durchaus auch eine vergleichende Betrachtung anzustellen ist. Unter der Verkehrsauffassung ist die Auffassung einer Mehrheit urteilsfähiger (vernünftig denkender), persönlich unbeteiligter und verständiger Menschen zu verstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Juni 1988, 88/14/0015).

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist die Schaffung von Werkswohnungen (Dienstwohnungen) bei Betrieben kleinerer und mittlerer Größe nicht üblich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. September 1992, 88/14/0058), wenn sich nicht aus den besonderen Umständen des Einzelfalles anderes ergibt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 10. Juli 1996, 94/15/0013, und vom 20. Oktober 1992, 88/14/0178). Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie den Betrieb des Beschwerdeführers als einen solchen mittleren Betrieb eingestuft hat. Auf Grund der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid weiters dargelegten Umstände lässt sich nicht sagen, dass ein Ausnahmefall vorliegt, in dem die außerbetrieblichen Gründe für die Zurverfügungstellung der Wohnung an die Tochter des Beschwerdeführers gegenüber den betrieblichen Erfordernissen entscheidend in den Hintergrund getreten sind. Zwar ist seine Tochter - worauf der Beschwerdeführer zutreffend hinweist - mit Dienstende aus der Wohnung ausgezogen. Sie hat jedoch schon zu Beginn des Dienstverhältnisses bzw. im davorgelagerten Zeitraum diese Wohnung bewohnt. Der Verwaltungsgerichtshof vermag in Zusammenschau der Umstände des Beschwerdefalles auch unter Berücksichtigung des Vorbringens in der Berufungsverhandlung betreffend die Fremdsprachenkenntnisse der Tochter nicht zu erkennen, dass für die Zurverfügungstellung der Wohnung im damaligen Zeitpunkt ausschließlich oder doch zumindest überwiegend betriebliche Erwägungen maßgebend waren.

Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, dass gerade kleine Betriebe daran interessiert seien, Mitarbeiter möglichst langfristig zu binden, so lässt sich aus diesem allgemein gehaltenen Vorbringen für die Frage der betrieblichen Veranlassung der Anschaffung der Eigentumswohnung nichts ableiten.

Der Hinweis des Beschwerdeführers auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Oktober 1992, 88/14/0178, wonach es der Abgabenbehörde grundsätzlich nicht zustehe, die Angemessenheit eines Aufwandes im betrieblichen Bereich zu überprüfen und die steuerliche Abzugsfähigkeit eines Aufwandes vom Ergebnis dieser Prüfung abhängig zu machen, geht schon deswegen ins Leere, weil im gegenständlichen Beschwerdefall die belangte Behörde nicht gegen die Höhe der getätigten Aufwendungen vorgegangen ist.

Da somit der angefochtene Bescheid frei von der behaupteten Rechtswidrigkeit ist, musste die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 30. September 1999

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Verkehrsauffassung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998150005.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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