TE Vwgh Beschluss 2018/10/30 Ra 2018/05/0253

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Veröffentlicht am 30.10.2018
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs1;
AVG §6 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs2;
AVG §68 Abs3;
AVG §68 Abs4;
AVG §68;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision der J D in W, vertreten durch die Rihs Rechtsanwalt GmbH in 1010 Wien, Kramergasse 9/3/13, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 14. September 2017, Zl. LVwG-AV-527/001-2014, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Aufhebung eines baurechtlichen Bescheides (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtrat der Stadtgemeinde K; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

4 Nach ständiger hg. Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Darin ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte. Dieser ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 2.8.2018, Ra 2018/05/0158, mwN).

5 Mit Bescheid des Stadtamtes der Stadtgemeinde K. (im Folgenden: Stadtamt) vom 24. Oktober 2000 wurde gegenüber B., der Rechtsvorgängerin der Revisionswerberin, ein baupolizeilicher Entfernungsauftrag erlassen. Die von B. dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde K. (im Folgenden: Stadtrat) vom 28. März 2001 als unbegründet abgewiesen. Dieser Bescheid wurde nicht bekämpft und erwuchs in Rechtskraft.

6 Mit dem an die "Stadtgemeinde K... Stadtamt, ...- Baubehörde" adressierten (laut Eingangsvermerk bei der "Stadtgemeinde K..." am 10. Juni 2013 eingelangten) Schriftsatz vom 7. Juni 2013 stellte die Revisionswerberin (u.a.) den Antrag, den bescheidförmigen Abbruchauftrag des Stadtamtes vom 24. Oktober 2000 gemäß § 68 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG von Amts wegen aufzuheben.

7 Diesem Aufhebungsantrag wurde mit Bescheid des Stadtrates vom 18. Juni 2014 keine Folge gegeben. Mit dem angefochtenen Beschluss wurde (unter Spruchpunkt 1.) die von der Revisionswerberin gegen diesen Bescheid an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) erhobene Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen und (unter Spruchpunkt 2.) eine ordentliche Revision für nicht zulässig erklärt, dies (u.a.) mit der Begründung, dass gemäß § 68 Abs. 7 AVG niemandem auf die der Behörde gemäß den Abs. 2 bis 4 (des § 68 leg. cit.) eingeräumte Ausübung des Abänderungs- und Behebungsrechtes ein subjektives Recht bzw. ein verfolgbarer Rechtsanspruch zustehe und durch eine Ablehnung der Ausübung dieses Rechtes niemand in subjektivöffentlichen Rechten verletzt sein könne.

8 Die Revision bringt in ihrer Zulässigkeitsbegründung (§ 28 Abs. 3 VwGG) im Wesentlichen vor, dass für die Abänderung und Aufhebung des Abbruchbescheides in erster Instanz das Stadtamt zuständig, der genannte Aufhebungsantrag von der Revisionswerberin ausdrücklich an das Stadtamt gerichtet gewesen und nicht nachvollziehbar sei, weshalb der Stadtrat über den Aufhebungsantrag entschieden habe. Ferner sei eine Weiterleitung dieses Antrages an den Stadtrat im Sinne des § 6 AVG nicht dokumentiert. Die Entscheidung des Stadtrates (offenbar gemeint: dessen Bescheid vom 18. Juni 2014) wäre daher vom Verwaltungsgericht wegen Unzuständigkeit aufzuheben gewesen, dies losgelöst von der Frage, ob der Revisionswerberin ein subjektives öffentliches Recht auf Abänderung oder Aufhebung des Abbruchbescheides zustehe. Soweit ersichtlich gebe es keine Rechtsprechung, wonach die Zuständigkeit im Fall einer Anregung bzw. eine Antrages gemäß § 68 Abs. 2 AVG zu beurteilen sei.

9 Auch wenn die Rechtsfrage der Zulässigkeit der Überprüfung von Bescheiden gemäß § 68 AVG - soweit ersichtlich einhellig - in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes derzeit dahingehend beantwortet werde, dass einer Partei keine Rechtsmittellegitimation gegen Entscheidungen über darauf gerichtete Anbringen zukomme, gehe die Revisionswerberin davon aus, dass diese Rechtsprechung rechtsstaatlich problematisch sei. Wie sie bereits in ihrer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof aufgezeigt habe, werde ihr durch die Zurückweisung ihrer Beschwerde ihr verfassungsgesetzlich gewährleistetes Grundrecht auf einen wirksamen Rechtsbehelf (Art. 13 EMRK) genommen. Es erscheine daher besonders bedenklich, dass das Verwaltungsgericht die inhaltliche Entscheidung des Stadtrates, der seine Zuständigkeit zu einer inhaltlichen Beurteilung des Antrages der Revisionswerberin angenommen und ausführlich dargelegt habe, weshalb seiner Ansicht nach nicht gemäß § 68 Abs. 2 AVG vorzugehen sei, einer inhaltlichen Überprüfung entziehe.

10 Mit diesem Vorbringen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

11 § 68 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013 lautet auszugsweise:

"Abänderung und Behebung von Amts wegen § 68. (1) Anbringen von Beteiligten, die außer

den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

(2) Von Amts wegen können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.

...

(7) Auf die Ausübung des der Behörde gemäß den Abs. 2 bis 4 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechts steht niemandem ein Anspruch zu. Mutwillige Aufsichtsbeschwerden und Abänderungsanträge sind nach § 35 zu ahnden."

12 Aus dieser Rechtslage folgt, dass eine Partei keinen Rechtsanspruch auf Ausübung des behördlichen Aufsichtsrechtes hat. Die Ausübung des Aufsichtsrechtes kann zwar angeregt, nicht aber erzwungen werden (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa VwGH 14.12.2017, Ro 2016/07/0013, mwN; ferner dazu auch Hengstschläger/Leeb, AVG (Stand April 2018) § 68 Rz 129, 130, mwH auf die hg. Rechtsprechung).

13 Mit dem genannten Antrag vom 7. Juni 2013 begehrte die Revisionswerberin, den bescheidförmigen Abbruchauftrag des Stadtamtes vom 24. Oktober 2000 gemäß § 68 Abs. 2 AVG von Amts wegen aufzuheben. Nach dem klaren Wortlaut des § 68 Abs. 2 AVG ist für ein amtswegiges Vorgehen nach dieser Gesetzesbestimmung "die Behörde, die den Bescheid erlassen hat," (oder die sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde) zuständig.

14 Im vorliegenden Revisionsfall ist der Bescheid des Stadtamtes vom 24. Oktober 2000 in dem ihn bestätigenden Berufungsbescheid des Stadtrates vom 28. März 2001 aufgegangen (vgl. dazu etwa VwGH 19.3.2013, 2012/21/0082, mwN). So tritt nach ständiger hg. Judikatur der Berufungsbescheid in jeder Hinsicht an die Stelle des erstinstanzlichen Bescheides, wodurch Letzterer jede selbstständige rechtliche Wirkung nach außen verliert und ein das erstinstanzliche Verfahren abschließender Bescheid nicht mehr besteht (vgl. dazu auch VwGH 29.5.2008, 2007/07/0040, mwN; ferner etwa VwGH 15.12.2016, Ro 2014/17/0082, und die in Hengstschläger/Leeb, AVG § 66 Rz 93, 94 genannte hg. Rechtsprechung).

15 Dies bedeutet, dass für die Erlassung eines Bescheides gemäß § 68 Abs. 2 AVG im gegenständlichen Fall nicht das Stadtamt, sondern der Stadtrat als Behörde, die den Bescheid - nämlich den im Aufhebungsantrag der Revisionswerberin angesprochenen bescheidförmigen Abbruchauftrag - erlassen hatte, zuständig war. Für eine Zuständigkeit des Stadtamtes bestand nach dieser Bestimmung hingegen keine Grundlage, weil dessen Bescheid vom 24. Oktober 2000 nicht mehr rechtlich existent war. Damit lag es auch in der Zuständigkeit des Stadtrates, über ein amtswegiges Vorgehen nach § 68 Abs. 2 AVG und über ein auf ein solches Vorgehen abzielendes Anbringen zu entscheiden.

16 Gemäß § 6 Abs. 1 AVG hat die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen und bei ihr eingelangte Anbringen, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen. Nach der hg. Judikatur erfolgt die Weiterleitung eines schriftlichen Anbringens an die zuständige Stelle gemäß § 6 Abs. 1 AVG durch formlose Verfügung (vgl. dazu etwa Hengstschläger/Leeb, AVG I (2. Ausgabe 2014) § 6 Rz 12, mwN) und gilt ein Schriftstück (Anbringen), wenn zwei oder mehrere Behörden eine gemeinsame Einbringungsstelle haben (z.B. ein Gemeindeamt), mit Einlangen bei dieser Einbringungsstelle als bei jeder dieser Behörden eingebracht (vgl. dazu etwa Hengstschläger/Leeb, AVG I (2. Ausgabe 2014) § 6 Rz 11, mwN). Im gegenständlichen Fall ist der Antrag der Revisionswerberin vom 7. Juni 2013 mit der Einbringung beim Stadtamt beim Stadtrat als der zuständigen Behörde eingelangt. Der - von der Revision in der Zulässigkeitsbegründung angesprochenen - Frage, ob im vorliegenden Fall eine Weiterleitung des Antrages der Revisionswerberin vom 7. Juni 2013 an den Stadtrat im Sinne des § 6 Abs. 1 AVG dokumentiert ist, kommt daher keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu.

17 Auch mit ihrem Vorbringen, es sei besonders bedenklich, dass das Verwaltungsgericht die inhaltliche Entscheidung des Stadtrates einer inhaltlichen Überprüfung entziehe, und der Revisionswerberin werde das verfassungsgesetzlich gewährleistete Grundrecht auf einen wirksamen Rechtsbehelf (Art. 13 EMRK) genommen, zeigt die Revision keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf:

18 Da, wie oben dargelegt, eine Partei keinen Rechtsanspruch auf Ausübung des behördlichen Aufsichtsrechtes hat, kann durch die bescheidförmige Zurückweisung eines Antrages auf Aufhebung, Abänderung oder Nichtigerklärung eines rechtskräftigen Bescheides niemand in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt sein. Daraus folgt, dass der Partei, die ein Recht auf Aufhebung, Abänderung oder Nichtigerklärung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG beim Verwaltungsgericht geltend machen möchte, die Beschwerdelegitimation fehlt, sodass Beschwerden gegen die Ablehnung einer aufsichtsbehördlichen Verfügung ohne Rücksicht auf die Form der Erledigung zurückzuweisen sind (vgl. dazu nochmals Hengstschläger/Leeb, AVG (2018) § 68 Rz 130, mwH auf die Rechtsprechung beider Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts; ferner etwa VwGH 14.12.2007, 2006/05/0152, mwN). Was die von der Revisionswerberin behauptete Grundrechtsverletzung anlangt, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger hg. Judikatur (vgl. etwa VwGH 2.8.2018, Ra 2018/05/0198, mwN) Bedenken gegen generelle Rechtsvorschriften keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG begründen können. Abgesehen davon wird in diesem Zusammenhang auf den Beschluss VfGH 27.6.2018, E 3818/2017- 6, mit dem die Behandlung der von der Revisionswerberin gegen den vorliegend angefochtenen Beschluss an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde abgelehnt wurde, hingewiesen, wonach im Hinblick darauf, dass § 68 AVG keine Regelung des Rechtsschutzes enthält, keine (verfassungsrechtlichen) Bedenken dagegen bestehen, dass § 68 Abs. 2 und 4 AVG keinen Rechtsanspruch auf ein Tätigwerden der Behörde einräumen (Hinweis auf VfSlg. 7742/1976, VfSlg. 8277/1978, VfSlg. 8495/1979, VfSlg. 10.042/1984, VfGH 13.9.2013, B 349/2013).

19 Die Revision war daher, weil darin keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt werden, gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 30. Oktober 2018

Schlagworte

Einheit der BehördeIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018050253.L00

Im RIS seit

26.11.2018

Zuletzt aktualisiert am

29.11.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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