Entscheidungsdatum
28.09.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W237 2191786-2/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Martin WERNER über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch XXXX , sowie XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 31.07.2018, Zl. 1173906302/180542465, zu Recht:
A)
I. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird zurückgewiesen.
II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheids wird gemäß
§ 68 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 58/2018 (im Folgenden: AVG), als unbegründet abgewiesen.
III. Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 (im Folgenden: AsylG 2005), iVm § 9 BFA- Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 56/2018 (im Folgenden: BFA-VG), und § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 (im Folgenden: FPG), sowie § 52 Abs. 9 iVm § 46 und § 55 Abs. 1a FPG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Russischen Föderation, gehört der tschetschenischen Volksgruppe an und ist Sunnitin. Sie reiste erstmalig im November 2017 nach Österreich, wo sie am 15.11.2017 ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz stellte.
1.1. In ihren Befragungen zu diesem Antrag führte sie im Wesentlichen aus, nach Österreich gekommen zu sein, um hier gemeinsam mit ihrem Mann zu leben, der im Jahr 2015 aus Tschetschenien geflohen sei; sie seien traditionell und standesamtlich verheiratet. Ihr Mann habe in Tschetschenien Probleme gehabt und die Beschwerdeführerin befürchte, bei einer Rückkehr nach Tschetschenien seinetwegen ebenso Schwierigkeiten zu bekommen. Ein örtlicher Polizist habe ihrer Mutter gesagt, es bestehe die Gefahr, dass die Beschwerdeführerin wegen ihres Gatten von den Behörden mitgenommen werde, woraufhin sich die Beschwerdeführerin einige Tage bei Verwandten versteckt habe, ehe sie aus der Russischen Föderation ausgereist sei. In Österreich lebten ihr Gatte, der Schwiegervater und zwei Schwägerinnen. In ihrem Herkunftsland seien noch ihre Eltern, der Bruder und einige Verwandte wohnhaft. Sie besuche einen Deutschkurs A1 und habe eine Einstellungszusage einer Dienstleistungsgesellschaft.
1.2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 12.03.2018 sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017, als auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg.cit. ab, erkannte ihr einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 leg.cit. nicht zu, erließ im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 3 leg.cit. iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 145/2017, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017, und stellte gemäß § 52 Abs. 9 leg.cit. fest, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei; schließlich hielt die Behörde fest, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage. Begründend wurde ausgeführt, dass die Identität der Beschwerdeführerin feststehe und sie mit einem Asylwerber, der ebenfalls aus der Russischen Föderation stamme, verheiratet sei. Zu ihren Fluchtgründen führte die Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin ausschließlich aus privaten Motiven ausgereist sei und vorgebracht habe, bei ihrem Ehemann in Österreich leben zu wollen. Die Beschwerdeführerin habe keine Verfolgungshandlungen seitens der russischen Behörden oder Dritter gegen ihre Person behauptet. Die Schilderung der Warnung des Polizisten sei äußert vage und begründe keinesfalls eine asylrelevante Verfolgung. Es sei unglaubwürdig, dass die Polizei die Beschwerdeführerin in einem kleinen Dorf bei Verwandten nicht auffände und sie sich dort zehn Tage versteckt habe. Es spreche darüber hinaus gegen ein Interesse an ihrer Person, dass sie unbehelligt über einen Flughafen das Land verlassen habe.
1.3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde, die das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 29.05.2018 vollinhaltlich als unbegründet abwies. Begründend hielt es fest, die Beschwerdeführerin habe ihren Antrag ausschließlich auf den Umstand gestützt, dass sie befürchte, von Kadyrovs Sicherheitskräften aufgrund der Probleme ihres Gatten im Herkunftsland verfolgt zu werden. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom selben Tag wurde auch die Beschwerde des Gatten der Beschwerdeführerin vollinhaltlich abgewiesen, wobei das Bundesverwaltungsgericht von der Unglaubwürdigkeit seines Fluchtvorbringens ausging. Da die Beschwerdeführerin eigene, von den Problemen ihres Ehegatten unabhängige individuelle Fluchtgründe verneint und wiederholt angegeben habe, mit ihrem Ehegatten in Österreich zusammenleben zu wollen, sei keine asylrelevante individuelle Verfolgung der Beschwerdeführerin anzunehmen.
2. Die Beschwerdeführerin stellte am 11.06.2018 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Folgeantrag auf internationalen Schutz.
2.1. Sie gab im Zuge dieser Antragstellung an, dass sich ihre familiäre Situation seit ihrer Einreise verändert habe. Ihr Mann habe sie verlassen, als sie nach Österreich gekommen sei. Er habe ihr gesagt, sie solle die Asylunterkunft verlassen, weshalb sie zu ihrem Cousin nach Innsbruck gegangen sei. Sie wisse nicht, was sie nun tun solle; nach Tschetschenien könne sie nicht zurück, weil man ihr "den Kopf abreißen würde, bei so einer Schande, die [sie] gemacht habe". Sie fürchte sich deshalb davor, getötet zu werden.
2.2. Im Rahmen ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 26.06.2018 gab sie an, dass sie seit Ende April 2018von ihrem Ehemann geschieden sei und es ihr psychisch sehr schlecht gehe. Sie habe sich bereits an einen Psychologen gewandt, allerdings noch keinen Termin erhalten. Zu ihrem Bruder und ihrem Vater, die in Tschetschenien leben würden, habe sie keine gute Beziehung, mit ihrer Mutter stehe sie allerdings in Kontakt und sie würden sich zwei oder drei Mal in der Woche hören. Ihre Mutter habe ihr erzählt, dass ihr Vater und ihr Bruder sehr wütend auf sie seien, weil sie einfach so von daheim weggefahren sei, was als Schande für die Familie aufgefasst werde. Im Kaukasus gebe es eigene Traditionen; wenn die Beschwerdeführerin von ihren Familienangehörigen umgebracht werden würde, zöge man diese nicht zur Verantwortung. Sie bekomme derzeit kein Geld vom Staat, ihr Cousin habe sie bei sich aufgenommen. Die Verwandten ihres Mannes hätten sie nach seiner Ausreise aus der Wohnung geworfen, woraufhin die Beschwerdeführerin zu ihren Eltern zurückgegangen sei. Ihr Vater habe gewollt, dass sie den Kontakt mit ihrem Mann abbreche, was sie jedoch nicht getan habe und heimlich in Kontakt zu ihm gestanden sei. Sie sei deshalb zu ihrem Mann nach Österreich gefahren. Ihr Mann sei nun aber ganz anders und habe sie in Österreich sehr schlecht behandelt; einmal habe er ihr sogar ein Messer vorgehalten. Im Erstverfahren habe die Beschwerdeführerin darüber nichts gesagt, weil sie Angst vor ihrem Mann gehabt habe. Ende April sei es zwischen ihnen zu einem Streit gekommen, wobei ihr Mann ihr eine Ohrfeige gegeben, sie aus der Wohnung geworfen und gesagt habe, sie seien kein Paar mehr. Nach islamischem Ritus sei dies für eine Scheidung ausreichend. Formell sei die Beschwerdeführerin noch verheiratet, sie wolle sich allerdings von ihrem Mann nun (auch offiziell) scheiden lassen. Ihre Mutter habe ihr vor ihrer Ausreise ein spanisches Visum für die Ausreise besorgt, was sie allerdings vor dem Vater und dem Bruder geheim gehalten habe. Auf Nachfrage, wieso die Beschwerdeführerin am 23.04.2018 einen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehrhilfe gestellt habe, führte sie aus, dass damals noch Hoffnung bestanden habe, ihr Bruder und ihr Vater hätten Mitleid mit ihr und würden ihr vergeben. Ihre Mutter habe ihr aber schließlich gesagt, dass sie darauf nicht zu hoffen brauche. Die Beschwerdeführerin wisse nicht, wohin sie alleine nach Russland gehen solle; sie befürchte, dass ihr Vater und ihr Bruder sie überall finden könnten. In Österreich fühle sie sich sicherer, es sei von ihrem Herkunftsort weit weg.
2.3. In einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme am 05.07.2018 brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sie ohne Erlaubnis ihres Vaters und ihres Bruders von Tschetschenien nach Österreich gefahren sei, um bei ihrem Mann zu sein. Sie sei nun jedoch von ihrem Mann verlassen und vor die Türe gesetzt worden. Auf Nachfrage bestätigte die Beschwerdeführerin, dass sie noch immer verheiratet sei. Seit der Trennung von ihrem Mann habe sie psychische Probleme und deshalb stark abgenommen. Bei einem Arzt sei sie nicht gewesen, weil sie derzeit nicht versichert sei. Sie wohne nun bei ihrem Cousin, der bereits seit zehn Jahren in Österreich lebe. Was passieren würde, wenn sie zurück nach Tschetschenien ginge, wisse sie nicht, es sei aber jedenfalls ihr Leben in Gefahr. Auch wenn Russland ein großes Land sei, könnte sie als Tschetschenin außerhalb Tschetscheniens keine Existenz aufbauen und keine Arbeit finden. Tschetschenen hätten nach wie vor Probleme in Russland aufgrund ihres Aussehens und ihrer nordkaukasischen Herkunft.
2.4. Mit Bescheid vom 31.07.2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. I Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 161/2013, hinsichtlich des Status der Asylberechtigten und der subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I. und II.). Gemäß § 57 AsylG 2005, Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017, wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 145/2017, gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017, erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG stellte das Bundesamt fest, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V.); schließlich hielt die Behörde fest, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.).
Die Zurückweisung des Antrags begründete das Bundesamt damit, dass entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vorliege: Der erste Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz sei mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts in allen Spruchpunkten rechtskräftig negativ abgewiesen worden. Im gegenständlichen Verfahren habe die Beschwerdeführerin keinen neuen objektiven Sachverhalt vorgetragen bzw. nicht glaubwürdig weitere asylrelevante Gründe angeführt. Die Beschwerdeführerin lebe von ihrem Ehemann seit 20.04.2018 getrennt, sie wohne derzeit bei ihrem Cousin in Österreich. Ansonsten verfüge sie über keine weiteren sozialen Kontakte im Bundesgebiet. Ihre Eltern und ihr Bruder lebten nach wie vor im Herkunftsstaat, zu ihrer Mutter, die sie finanziell vor der Ausreise unterstützt habe, stehe sie in regelmäßigem Kontakt. Die Beschwerdeführerin habe im Verfahren keine medizinischen Befunde vorgelegt und es habe sich nicht ergeben, dass sie unter einer schwerwiegenden Erkrankung litte. Sie habe im Verfahren angegeben, dass ihr Vater und ihr Bruder bereits vor ihrer Ausreise sehr wütend auf sie gewesen seien, was sie aber bereits in ihrem ersten Verfahren anführen hätte müssen. Da die Beschwerdeführerin schon seit Ende April 2018 von ihrem Mann getrennt gewesen sei und bei ihrem Cousin lebe, ihr Vorverfahren jedoch erst Ende Mai 2018 abgeschlossen worden sei, wäre die Beschwerdeführerin verpflichtet gewesen, den veränderten Sachverhalt bereits im ersten Verfahren mitzuteilen. Zusätzlich habe die Beschwerdeführerin ihre Behauptungen betreffend die Bedrohungssituation durch ihren Bruder und Vater nicht mit Beweismitteln belegen oder plausibel darlegen können. Der Beschwerdeführerin sei es daher auch nicht im Folgeverfahren gelungen, glaubhaft zu machen, dass ihr in ihrem Herkunftsstaat Verfolgung drohe; mangels Vorliegens eines neuen Vorbringens sei es auch zu keiner entscheidungsrelevanten bzw. zu berücksichtigenden Sachverhaltsänderung gekommen. Darüber hinaus erfülle die Beschwerdeführerin nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG. Es sei gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung auszusprechen, weil im Bundesgebiet keine familiären Anknüpfungspunkte vorlägen: Zwar lebe ihr Cousin in Österreich; da die Beschwerdeführerin jedoch selbst in ihrer Einvernahme angegeben habe, soziale Unterstützung und einen Wohnplatz in der Nähe ihres Cousins zu benötigen, könne nicht von einem dauerhaften Abhängigkeitsverhältnis zu ihm ausgegangen werden. Es werde jedoch vom Vorliegen eines schützenswerten Privatlebens in Österreich ausgegangen. Die Beschwerdeführerin sei allerdings illegal eingereist und habe schon zwei unbegründete Anträge auf internationalen Schutz gestellt. Sie halte sich erst seit acht Monaten im Bundesgebiet auf, weshalb die Dauer ihres Aufenthaltes jedenfalls zu kurz sei, um eine Verletzung ihrer Rechte nach Art. 8 EMRK zu erblicken. Sie habe während ihres gesamten Aufenthaltes über keinen Aufenthaltstitel verfügt und sich nur auf das Aufenthaltsrecht nach dem Asylverfahren berufen. Die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung überwögen daher die privaten Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib in Österreich.
2.5. Die Beschwerdeführerin erhob gegen sämtliche Spruchpunkte des Bescheids fristgerecht Beschwerde. In dieser führte sie aus, dass sich ihre Situation seit Rechtskraft ihres ersten Verfahrens drastisch verändert habe. In diesem Zusammenhang verwies sie auf Länderberichte, die belegten, dass ihre Rückkehrbefürchtungen nachvollziehbar seien. Die Behörde habe sich damit nicht in ausreichendem Maße auseinandergesetzt. Die Beschwerdeführerin sei bereits seit November 2017 in Österreich aufhältig und leide unter psychischen Problemen, ihr psychischer Zustand habe sich drastisch verschlechtert. Sie lebe nach wie vor bei ihrem Cousin, der sie auch finanziell unterstütze, weil sie keine Leistungen aus der Grundversorgung beziehe. Der Beschwerde ist ein Schreiben des Vereins "Frauen helfen Frauen" vom 02.08.2018 angeschlossen, aus dem hervorgeht, dass sie gemeinsam mit einer Mitarbeiterin den Antrag auf einvernehmliche Scheidung von ihrem Ehemann ausgefüllt habe und dieser nun beim Bezirksgericht eingebracht werde.
In einem weiteren Beschwerdeschriftsatz vom 13.08.2018 brachte die Beschwerdeführerin vor, dass es Traditionen und Sitten im Rahmen des Adat gebe, die die Ermordung der Beschwerdeführerin verlangen könnten. Dies sei auch durch den Umstand bekannt geworden, als ein Tschetschene im Auftrag des tschetschenischen Machthabers Kadyrov in Österreich getötet worden sei. Es sei nachzuvollziehen, dass die Beschwerdeführerin nach der Trennung psychisch so beeinträchtigt gewesen sei, dass sie es vergessen habe, die Behörde über die Trennung zu informieren. Vor allem sei sie zu diesem Zeitpunkt nicht vertreten gewesen und habe schlicht nicht gewusst, dass sie dies melden solle. Die Behörde habe es unterlassen, Ermittlungen zu wesentlichen Teilen des die Verfolgungsgefahr und Flucht begründenden Sachverhalts zu tätigen. Es seien Teile ihres Vorbringens ignoriert und konkrete Feststellungen nicht getroffen worden, weshalb die Beweiswürdigung unschlüssig sei. Auch wenn die Behörde von der Unglaubwürdigkeit ihres Vorbringens ausgehe, habe sie sich damit auseinander zu setzen, ob die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation mit maßgeblichen asylrelevanten Verfolgungshandlungen zu rechnen habe. Dazu hätte es einer konkreten Einschätzung des Verfolgungsrisikos dahingehend bedurft, inwieweit den Behörden und Personen in der Russischen Föderation die Ausreise der Beschwerdeführerin bekannt geworden sei und ob daran mit ernstzunehmender Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen geknüpft seien. Ohne diese Feststellungen könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr keine Verfolgungsmaßnahmen seitens der Russischen Föderation bzw. der Machthaber in Tschetschenien zu befürchten habe. Vor allem hätte die Rückkehrsituation im Lichte der aktuellen Länderinformationen einer besonders genauen Prüfung unterzogen werden müssen, um eine Gefährdung nach Art. 3 EMRK ausschließen zu können.
2.6. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte den Verfahrensakt samt den Beschwerdeschriftsätzen dem Bundesverwaltungsgericht am 17.08.2018 vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Anträge auf internationalen Schutz, der Einvernahmen der Beschwerdeführerin vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, der bislang ergangenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid vom 31.07.2018, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, Strafregister, Fremden- und Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
1.1. Betreffend den bisherigen Verfahrensverlauf wird der unter Pkt. I. dargelegte Verfahrensgang festgestellt.
1.2. Zur Person und zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin:
Die Beschwerdeführerin trägt den im Spruch angeführten Namen, ist Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe; sie bekennt sich zum muslimischen Glauben. Sie spricht Russisch und Tschetschenisch, besuchte elf Jahre lang die Grundschule und schloss ein Fernstudium im Bereich Wirtschaft ab; einer geregelten Arbeit ging die Beschwerdeführerin allerdings nicht nach. Sie lebte vor ihrer Ausreise von der Rente ihrer Mutter.
Im Herkunftsstaat leben zahlreiche Verwandte der Beschwerdeführerin, darunter ihre Mutter, mit der sie in regelmäßigem Kontakt steht; außerdem leben auch ihr Vater und ihr Bruder in Tschetschenien.
Die Beschwerdeführerin ist mit einem in Österreich aufhältigen, ebenfalls aus der Russischen Föderation stammendem Asylwerber verheiratet, dessen Antrag auf internationalen Schutz mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.05.2018 wegen Unglaubwürdigkeit seines Vorbringens in allen Spruchpunkten rechtskräftig negativ abgewiesen wurde. Der Ehemann kam bereits Ende November 2014 nach Österreich, die Beschwerdeführerin reiste im November 2017 zu ihm nach.
Die Beschwerdeführerin und ihr Mann leben nicht im gemeinsamen Haushalt, sondern sind seit spätestens Ende April 2018 getrennt; die Beschwerdeführerin stellte kürzlich einen Antrag auf einvernehmliche Scheidung. Derzeit lebt sie bei ihrem Cousin, der sich bereits seit zehn Jahren im Bundesgebiet aufhält. Sie bezieht derzeit keine Leistungen aus der Grundversorgung.
Die Beschwerdeführerin hält sich seit November 2017 durchgehend im Bundesgebiet auf und besuchte einen Deutschkurs auf A1-Niveau, eine Prüfung legte sie jedoch nicht ab. Durch die Trennung von ihrem Mann ist sie psychisch sehr belastet, weshalb sie in psychotherapeutischer Behandlung steht. Die Beschwerdeführerin leidet aktuell unter keinen schwerwiegenden (physischen) Erkrankungen und ist arbeitsfähig. Sie ist strafgerichtlich unbescholten.
1.3 Die allgemeine Situation im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin, speziell in Tschetschenien, hat sich in Bezug auf die bereits im ersten Asylverfahren behandelten Aspekte nicht geändert. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr nach Tschetschenien Drohungen oder Gewalthandlungen von staatlicher oder privater Seite zu erwarten hätten. Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass sie in eine ihre Existenz bedrohende Notlage geriete.
In diesem Zusammenhang wird betreffend die maßgebliche Situation in der Russischen Föderation, insbesondere in Tschetschenien, festgestellt:
Politische Lage
Die Russische Föderation hat knapp 143 Millionen Einwohner (CIA 15.6.2017, vgl. GIZ 7.2017c). Die Russische Föderation ist eine föderale Republik mit präsidialem Regierungssystem. Am 12. Juni 1991 erklärte sie ihre staatliche Souveränität. Die Verfassung der Russischen Föderation wurde am 12. Dezember 1993 verabschiedet. Das russische Parlament besteht aus zwei Kammern, der Staatsduma (Volksvertretung) und dem Föderationsrat (Vertretung der Föderationssubjekte) (AA 3.2017a). Der Staatspräsident der Russischen Föderation verfügt über sehr weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Seine Amtszeit beträgt sechs Jahre. Amtsinhaber ist seit dem 7. Mai 2012 Wladimir Putin (AA 3.2017a, vgl. EASO 3.2017). Er wurde am 4. März 2012 (mit offiziell 63,6% der Stimmen) gewählt. Es handelt sich um seine dritte Amtszeit als Staatspräsident. Dmitri Medwedjew, Staatspräsident 2008-2012, übernahm am 8. Mai 2012 erneut das Amt des Ministerpräsidenten. Seit der Wiederwahl von Staatspräsident Putin im Mai 2012 wird eine Zunahme autoritärer Tendenzen beklagt.
So wurden das Versammlungsrecht und die Gesetzgebung über Nichtregierungsorganisationen erheblich verschärft, ein föderales Gesetz gegen "Propaganda nicht-traditioneller sexueller Beziehungen" erlassen, die Extremismus-Gesetzgebung verschärft sowie Hürden für die Wahlteilnahme von Parteien und Kandidaten beschlossen, welche die Wahlchancen oppositioneller Kräfte weitgehend zunichtemachen. Der Druck auf Regimekritiker und Teilnehmer von Protestaktionen wächst, oft mit strafrechtlichen Konsequenzen. Der Mord am Oppositionspolitiker Boris Nemzow hat das Misstrauen zwischen Staatsmacht und außerparlamentarischer Opposition weiter verschärft (AA 3.2017a). Mittlerweile wurden alle fünf Angeklagten im Mordfall Nemzow schuldig gesprochen. Alle fünf stammen aus Tschetschenien. Der Oppositionelle Ilja Jaschin hat das Urteil als "gerecht" bezeichnet, jedoch sei der Fall nicht aufgeklärt, solange Organisatoren und Auftraggeber frei sind. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hat verlautbart, dass die Suche nach den Auftraggebern weiter gehen wird. Allerdings sind sich Staatsanwaltschaft und Nebenklage, die die Interessen der Nemzow-Familie vertreten, nicht einig, wen sie als potenziellen Hintermann weiter verfolgen. Die staatlichen Anklagevertreter sehen als Lenker der Tat Ruslan Muchutdinow, einen Offizier des Bataillons "Nord", der sich in die Vereinigten Arabischen Emirate abgesetzt haben soll. Nemzows Angehörige hingegen vermuten, dass die Spuren bis "zu den höchsten Amtsträgern in Tschetschenien und Russland" führen. Sie fordern die Befragung des Vizebataillonskommandeurs Ruslan Geremejew, der ein entfernter Verwandter von Tschetscheniens Oberhaupt Ramsan Kadyrow ist (Standard 29.6.2017). Ein Moskauer Gericht hat den Todesschützen von Nemzow zu 20 Jahren Straflager verurteilt. Vier Komplizen erhielten Haftstrafen zwischen 11 und 19 Jahren. Zudem belegte der Richter Juri Schitnikow die fünf Angeklagten aus dem russischen Nordkaukasus demnach mit Geldstrafen von jeweils 100.000 Rubel (knapp 1.500 Euro). Die Staatsanwaltschaft hatte für den Todesschützen lebenslange Haft beantragt, für die Mitangeklagten 17 bis 23 Jahre (Kurier 13.7.2017).
Russland ist formal eine Föderation, die aus 83 Föderationssubjekten besteht. Die im Zuge der völkerrechtswidrigen Annexion erfolgte Eingliederung der ukrainischen Krim und der Stadt Sewastopol als Föderationssubjekte Nr. 84 und 85 in den russischen Staatsverband ist international nicht anerkannt. Die Föderationssubjekte genießen unterschiedliche Autonomiegrade und werden unterschiedlich bezeichnet (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Regionen, Gebiete, Föderale Städte). Die Föderationssubjekte verfügen jeweils über eine eigene Legislative und Exekutive. In der Praxis unterstehen die Regionen aber finanziell und politisch dem föderalen Zentrum (AA 3.2017a).
Die siebte Parlamentswahl in Russland hat am 18. September 2016 stattgefunden. Gewählt wurden die 450 Abgeordneten der russischen Duma. Insgesamt waren 14 Parteien angetreten, unter ihnen die oppositionellen Parteien Jabloko und Partei der Volksfreiheit (PARNAS). Die Wahlbeteiligung lag bei 47,8%. Die meisten Stimmen bei der Wahl, die auch auf der Halbinsel Krim abgehalten wurde, erhielt die von Ministerpräsident Dmitri Medwedew geführte Regierungspartei "Einiges Russland" mit gut 54%. Nach Angaben der Wahlkommission landete die Kommunistische Partei mit 13,5% auf Platz zwei, gefolgt von der nationalkonservativen LDPR mit 13,2%. Die nationalistische Partei "Gerechtes Russland" erhielt 6%. Diese vier Parteien waren auch bislang schon in der Duma vertreten und stimmten in allen wesentlichen Fragen mit der Mehrheit. Den außerparlamentarischen Oppositionsparteien gelang es nicht die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden. In der Duma verschiebt sich die Macht zugunsten der Regierungspartei "Einiges Russland". Die Partei erreicht im Parlament mit 343 Sitzen deutlich die Zweidrittelmehrheit, die ihr nun Verfassungsänderungen ermöglicht. Die russischen Wahlbeobachter von der NGO Golos berichteten auch in diesem Jahr über viele Verstöße gegen das Wahlrecht (GIZ 4.2017a, vgl. AA 3.2017a).
Das Verfahren am Wahltag selbst wurde offenbar korrekter durchgeführt als bei den Dumawahlen im Dezember 2011. Direkte Wahlfälschung wurde nur in Einzelfällen gemeldet, sieht man von Regionen wie Tatarstan oder Tschetschenien ab, in denen Wahlbetrug ohnehin erwartet wurde. Die Wahlbeteiligung von über 90% und die hohen Zustimmungsraten in diesen Regionen sind auch nicht geeignet, diesen Verdacht zu entkräften. Doch ist die korrekte Durchführung der Abstimmung nur ein Aspekt einer demokratischen Wahl. Ebenso relevant ist, dass alle Bewerber die gleichen Chancen bei der Zulassung zur Wahl und die gleichen Möglichkeiten haben, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Der Einsatz der Administrationen hatte aber bereits im Vorfeld der Wahlen - bei der Bestellung der Wahlkommissionen, bei der Aufstellung und Registrierung der Kandidaten sowie in der Wahlkampagne - sichergestellt, dass sich kein unerwünschter Kandidat und keine missliebige Oppositionspartei durchsetzen konnte. Durch restriktives Vorgehen bei der Registrierung und durch Behinderung bei der Agitation wurden der nichtsystemischen Opposition von vornherein alle Chancen genommen. Dieses Vorgehen ist nicht neu, man hat derlei in Russland vielfach erprobt und zuletzt bei den Regionalwahlen 2014 und 2015 erfolgreich eingesetzt. Das Ergebnis der Dumawahl 2016 demonstriert also, dass die Zentrale in der Lage ist, politische Ziele mit Hilfe der regionalen und kommunalen Verwaltungen landesweit durchzusetzen. Insofern bestätigt das Wahlergebnis die Stabilität und Funktionsfähigkeit des Apparats und die Wirksamkeit der politischen Kontrolle. Dies ist eine der Voraussetzungen für die Erhaltung der politischen Stabilität (RA 7.10.2016).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Russische Föderation - Innenpolitik,
http://www.auswaertiges-amt.de/sid_167537BE2E4C25B1A754139A317E2F27/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html, Zugriff 21.6.2017
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CIA - Central Intelligence Agency (15.6.2017): The World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html, Zugriff 21.6.2017
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EASO - European Asylum Support Office (3.2017): COI-Report Russian Federation - State Actors of Protection, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1489999668_easocoi-russia-state-actors-of-protection.pdf, Zugriff 21.6.2017
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GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (4.2017a): Russland, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat/#c24819, Zugriff 21.6.2017
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GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2017c): Russland, Gesellschaft, https://www.liportal.de/russland/gesellschaft/, Zugriff 11.7.2017
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Kurier.at (13.7.2017): Nemzow-Mord: 20 Jahre Straflager für Mörder,
https://kurier.at/politik/ausland/nemzow-mord-20-jahre-straflager-fuer-moerder/274.903.855, Zugriff 13.7.2017
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RA - Russland Analysen (7.10.2016): Nr. 322, Bewegung in der russischen Politik?,
http://www.laender-analysen.de/russland/pdf/RusslandAnalysen322.pdf, Zugriff 21.6.2017
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Standard (29.7.2017): Alle Angeklagten im Mordfall Nemzow schuldiggesprochen,
http://derstandard.at/2000060550142/Alle-Angeklagten-im-Mordfall-Nemzow-schuldig-gesprochen, Zugriff 30.6.2017
Tschetschenien
Die Tschetschenische Republik ist eine der 21 Republiken der Russischen Föderation. Betreffend Fläche und Einwohnerzahl - 15.647 km2 und fast 1,3 Millionen Einwohner/innen (2010) - ist Tschetschenien mit der Steiermark vergleichbar. Etwa die Hälfte des tschetschenischen Territoriums besteht aus Ebenen im Norden und Zentrum der Republik. Heutzutage ist die Republik eine nahezu monoethnische: 95,3% der Bewohner/innen Tschetscheniens gaben 2010 an, ethnische Tschetschenen/innen zu sein. Der Anteil ethnischer Russen/innen an der Gesamtbevölkerung liegt bei 1,9%. Rund 1% sind ethnische Kumyk/innen, des Weiteren leben einige Awar/innen, Nogaier/innen, Tabasar/innen, Türk/innen, Inguschet/innen und Tatar/innen in der Republik (Rüdisser 11.2012).
Den Föderationssubjekten stehen Gouverneure vor. Gouverneur von Tschetschenien ist Ramsan Kadyrow. Er gilt als willkürlich herrschend. Russlands Präsident Putin lässt ihn aber walten, da er Tschetschenien "ruhig" hält. Tschetschenien wird überwiegend von Geldern der Zentralregierung finanziert. So erfolgte der Wiederaufbau von Tschetscheniens Hauptstadt Grosny vor allem mit Geldern aus Moskau (BAMF 10.2013, vgl. RFE/RL 19.1.2015).
In Tschetschenien gilt Ramsan Kadyrow als Garant Moskaus für Stabilität. Mit Duldung der russischen Staatsführung hat er in der Republik ein autoritäres System geschaffen, das vollkommen auf seine eigene Person ausgerichtet ist und größtenteils außerhalb des föderalen Rechtsrahmens funktioniert. So musste im Mai 2016 der Vorsitzende des Obersten Gerichts Tschetscheniens zurücktreten, nachdem er von Kadyrow kritisiert worden war, obwohl die Ernennung/Entlassung der Richter in die föderale Kompetenz fällt. Fraglich bleibt auch die föderale Kontrolle über die tschetschenischen Sicherheitskräfte, deren faktische Loyalität vorrangig dem Oberhaupt der Republik gilt. Im Juni 2016 beschloss das tschetschenische Parlament die vorzeitige Selbstauflösung, um vorgezogene Neuwahlen im September 2016, wenn auch das Republikoberhaupt gewählt wird, durchzuführen. Die Entscheidung erklärte man mit potentiellen Einsparungen durch das Zusammenlegen der beiden Wahlgänge, Experten gehen jedoch davon aus, dass Kadyrow einen Teil der Abgeordneten durch jüngere, aus seinem Umfeld stammende Politiker ersetzen möchte. Bei den Wahlen vom 18. September 2016 lag die Wahlbeteiligung in Tschetschenien weit über dem landesweiten Durchschnitt. Den offiziellen Angaben zufolge wurde Kadyrow mit über 97% der Stimmen im Amt des Oberhauptes der Republik bestätigt. Unabhängige Medien berichteten über Unregelmäßigen bei den Wahlen, in deren Vorfeld HRW über Druckausübung auf Kritiker des derzeitigen Machthabers berichtet hatte (ÖB Moskau 12.2016). In Tschetschenien hat das Republikoberhaupt Ramsan Kadyrow ein auf seine Person zugeschnittenes repressives Regime etabliert. Vertreter russischer und internationaler NGOs berichten von Gewalt und Menschenrechtsverletzungen, einem Klima der Angst und Einschüchterung (AA 24.1.2017).
Gegen vermeintliche Extremisten und deren Angehörige, aber auch gegen politische Gegner, wird hart vorgegangen. Anfang 2016 sorgte Kadyrow landesweit für Aufregung, als er die liberale Opposition in Moskau als Staatsfeinde bezeichnete, die darauf aus wären, Russland zu zerstören. Nachdem er dafür von Menschenrechtlern, aber auch von Vertretern des präsidentiellen Menschenrechtsrats scharf kritisiert worden war, wurde in Grozny eine Massendemonstration zur Unterstützung Kadyrows organisiert. Im März ernannte Präsident Putin Kadyrow im Zusammenhang mit dessen im April auslaufender Amtszeit zum Interims-Oberhaupt der Republik und drückte seine Unterstützung für Kadyrows erneute Kandidatur aus. Bei den Wahlen im September 2016 wurde Kadyrow laut offiziellen Angaben bei hoher Wahlbeteiligung mit überwältigender Mehrheit für eine weitere Amtszeit von fünf Jahren gewählt, wohingegen unabhängige Medien von krassen Regelverstößen bei der Wahl berichteten (ÖB Moskau 12.2016). Im Vorfeld dieser Wahlen zielten lokale Behörden auf Kritiker und Personen, die als nicht loyal zu Kadyrow gelten ab, z.B. mittels Entführungen, Verschwindenlassen, Misshandlungen, Todesdrohungen und Androhung von Gewalt gegenüber Verwandten (HRW 12.1.2017).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (24.1.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation
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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2013):
Protokoll zum Workshop Russische Föderation/Tschetschenien am 21.-22.10.2013 in Nürnberg
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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/334746/476500_de.html, Zugriff 28.6.2017)
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ÖB Moskau (12.2016): Asylländerbericht Russische Föderation
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RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (19.1.2015): The Unstoppable Rise Of Ramzan Kadyrov, http://www.rferl.org/content/profile-ramzan-kadyrov-chechnya-russia-putin/26802368.html, Zugriff 21.6.2017
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Rüdisser, V. (11.2012): Russische Föderation/Tschetschenische Republik. In: Länderinformation n°15, Österreichischer Integrationsfonds,
http://www.integrationsfonds.at/themen/publikationen/oeif-laenderinformation/, Zugriff 21.6.2017
Sicherheitslage
Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, jederzeit zu Attentaten kommen. Zuletzt kam es am 3.4.2017 in Sankt Petersburg zu einem Anschlag in der Metro, der Todesopfer und Verletzte forderte. Die russischen Behörden haben zuletzt ihre Warnung vor Attentaten bekräftigt und rufen zu besonderer Vorsicht auf (AA 21.7.2017b). Den Selbstmordanschlag in der St. Petersburger U-Bahn am 3.4.2017 hat nach Angaben von Experten eine Gruppe mit mutmaßlichen Verbindungen zum islamistischen Terrornetzwerk Al-Qaida für sich reklamiert. Das Imam-Schamil-Bataillon habe den Anschlag mit 15 Todesopfern nach eigenen Angaben auf Anweisung des Al-Qaida-Chefs Ayman al-Zawahiri verübt, teilte das auf die Überwachung islamistischer Internetseiten spezialisierte US-Unternehmen SITE am Dienstag mit (Standard 25.4.2017). Der Selbstmordattentäter Akbarschon Dschalilow stammte aus der kirgisischen Stadt Osch. Zehn Personen, die in den Anschlag verwickelt sein sollen, sitzen in Haft, sechs von ihnen wurden in St. Petersburg, vier in Moskau festgenommen. In russischen Medien wurde der Name eines weiteren Mannes aus der Gegend von Osch genannt, den die Ermittler für den Auftraggeber des Anschlags hielten: Siroschiddin Muchtarow, genannt Abu Salach al Usbeki. Der Angriff, sei eine Vergeltung für russische Gewalt gegen muslimische Länder wie Syrien und für das, was in der russischen Nordkaukasus-Teilrepublik Tschetschenien geschehe; die Operation sei erst der Anfang. Mit Terrorangriffen auf und in Russland hatte sich zuletzt nicht Al-Qaida, sondern der sogenannte Islamische Staat gebrüstet, so mit jüngsten Angriffen auf Sicherheitskräfte in Tschetschenien und der Stadt Astrachan. Laut offizieller Angaben sollen 4.000 Russen und 5.000 Zentralasiaten in Syrien und dem Irak für den IS oder andere Gruppen kämpfen. Verteidigungsminister Schoigu behauptete Mitte März 2016, es seien durch Russlands Luftschläge in Syrien "mehr als 2.000 Banditen" aus Russland, unter ihnen 17 Feldkommandeure getötet worden (FAZ 26.4.2017).
Russland tritt als Protagonist internationaler Terrorismusbekämpfung auf und begründet damit seinen Militäreinsatz in Syrien. Vom Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs 1999 bis ins Jahr 2013 sah es sich mit 75 größeren Terroranschlägen auf seinem Staatsgebiet konfrontiert, die Hunderte Zivilisten das Leben kosteten. Verantwortlich dafür war eine über Tschetschenien hinausgehende Aufstandsbewegung im Nordkaukasus. Gewaltzwischenfälle am Südrand der Russischen Föderation gingen 2014 um 46% und 2015 um weitere 51% zurück. Auch im Global Terrorism Index, der die Einwirkung des Terrorismus je nach Land misst, spiegelt sich diese Entwicklung wider. Demnach stand Russland 2011 noch an neunter Stelle hinter mittelöstlichen, afrikanischen und südasiatischen Staaten, weit vor jedem westlichen Land. Im Jahr 2016 rangierte es dagegen nur noch auf Platz 30 hinter Frankreich (Platz 29), aber vor Großbritannien (Platz 34) und den USA (Platz 36). Nach der Militärintervention in Syrien Ende September 2015 erklärte der IS Russland den Jihad und übernahm die Verantwortung für den Abschuss eines russischen Passagierflugzeugs über dem Sinai mit 224 Todesopfern. Seitdem ist der Kampf gegen die Terrormiliz zu einer Parole russischer Außen- und Sicherheitspolitik geworden, auch wenn der russische Militäreinsatz in Syrien gewiss nicht nur von diesem Ziel bestimmt ist, sondern die Großmachtrolle Russlands im Mittleren Osten stärken soll. Moskau appelliert beim Thema Terrorbekämpfung an internationale Kooperation (SWP 4.2017).
Russland hat den sog. IS erst Ende Dezember 2014 auf seine Liste terroristischer Organisationen gesetzt und dabei andere islamistische Gruppierungen außer Acht gelassen, in denen seine Staatsbürger, insbesondere Tschetschenen und Dagestaner, in Syrien und im Irak ebenfalls aktiv sind - wie die Jaish al-Muhajireen-wal-Ansar, die überwiegend von Kämpfern aus dem Nordkaukasus gegründet wurde. Ausländische und russische Beobachter, darunter die kremlkritische Novaja Gazeta im Juni 2015, erhoben gegenüber den Sicherheitsbehörden Russlands den Vorwurf, der Abwanderung von Jihadisten aus dem Nordkaukasus und anderen Regionen nach Syrien tatenlos, wenn nicht gar wohlwollend zuzusehen, da sie eine Entlastung für den Anti-Terror-Einsatz im eigenen Land mit sich bringe. Tatsächlich nahmen die Terroraktivitäten in Russland selber ab (SWP 10.2015). In der zweiten Hälfte des Jahres 2014 kehrte sich diese Herangehensweise um, und Personen, die z.B. Richtung Türkei ausreisen wollten, wurden an der Ausreise gehindert. Nichtsdestotrotz geht der Abgang von gewaltbereiten Dschihadisten weiter und Experten sagen, dass die stärksten Anführer der Aufständischen, die dem IS die Treue geschworen haben, noch am Leben sind. Am 1.8.2015 wurde eine Hotline eingerichtet, mit dem Ziel, Personen zu unterstützen, deren Angehörige in Syrien sind bzw. planen, nach Syrien zu gehen. Auch Rekrutierer und Personen, die finanzielle Unterstützung für den Dschihad sammeln, werden von den Sicherheitsbehörden ins Visier genommen. Einige Experten sind der Meinung, dass das IS Rekrutierungsnetzwerk eine stabile Struktur in Russland hat und Zellen im Nordkaukasus, in der Wolga Region, Sibirien und im russischen Osten hat (ICG 14.3.2016).
Das Kaukasus-Emirat, das seit 2007 den islamistischen Untergrundkampf im Nordkaukasus koordiniert, ist seit Ende 2014 durch das Überlaufen einiger Feldkommandeure zum IS von Spaltungstendenzen erschüttert und geschwächt. Dem russischen Islamexperten Aleksej Malaschenko zufolge reisten gar Offizielle aus der Teilrepublik Dagestan nach Syrien, um IS-Kämpfer aus dem Kaukasus darin zu bestärken, ihren Jihad im Mittleren Osten und nicht in ihrer Heimat auszutragen. Der IS verstärkte 2015 seine russischsprachige Propaganda in Internet-Foren wie Furat Media, ohne dass die Behörden laut Novaja Gazeta diesem Treiben große Aufmerksamkeit widmeten. Am 23. Juni 2015 rief der IS-Sprecher Muhammad al-Adnani ein ‚Wilajat Kavkaz', eine Provinz Kaukasus, als Teil des IS-Kalifats aus. Es war ein propagandistischer Akt, der nicht bedeutet, dass der IS in dieser Region militärisch präsent ist oder sie gar kontrolliert, der aber den zunehmenden Einfluss dieser Terrormiliz auf die islamistische Szene im Nordkaukasus symbolisiert. Zuvor hatten mehr und mehr ideologische und militärische Führer des Kaukasus Emirats dem ‚Kalifen' Abu Bakr al-Baghdadi die Treue geschworen und sich von al-Qaida abgewandt. Damit bestätigte sich im islamistischen Untergrund im Nordkaukasus ein Trend, dem zuvor schon Jihad-Netzwerke in Nordafrika, Jemen, Pakistan und Afghanistan gefolgt waren. Seitdem mehren sich am Südrand der Russischen Föderation die Warnungen vor einer Bedrohung durch den sogenannten Islamischen Staat. Kurz zuvor hatten die föderalen und lokalen Sicherheitsorgane noch den Rückgang terroristischer Aktivitäten dort für sich reklamiert. Als lautester Mahner tut sich wieder einmal der tschetschenische Republikführer Ramzan Kadyrow hervor. Er rief alle muslimischen Länder dazu auf, sich im Kampf gegen den IS, den er mit Iblis-Staat - also Teufelsstaat - übersetzt, zusammenzuschließen. Für Kadyrow ist der IS ein Produkt anti-islamischer westlicher Politik, womit er sich im Einklang mit der offiziellen Sichtweise des Kremls befindet, der dem Westen regelmäßig fatale Eingriffe im Mittleren Osten vorwirft. Terroristische Aktivitäten im Nordkaukasus, die eindeutig den Überläufern zum IS zuzuschreiben sind, haben sich aber bislang nicht verstärkt. Bis September 2015 wurden nur zwei Anschläge in Dagestan der IS-Gefolgschaft zugeschrieben: die Ermordung des Imam einer Dorfmoschee und ein bewaffneter Angriff auf die Familie eines Wahrsagers. Auch im Südkaukasus mehren sich die Stimmen, die vor dem IS warnen (SWP 10.2015).
Bis ins Jahr 2015 hinein hat Russland die vom sogenannten Islamischen Staat ausgehende Gefahr eher relativiert und die Terrormiliz als einen von vielen islamistischen Akteuren abgetan, die das mit Moskau verbündete Assad-Regime, die ‚legitime Regierung Syriens', bekämpfen. In seiner jährlichen Tele-Konferenz mit der Bevölkerung am 18. April 2015 hatte Präsident Putin noch geäußert, der IS stelle keine Gefahr für Russland dar, obwohl die Sicherheitsbehörden schon zu diesem Zeitpunkt eine zunehmende Abwanderung junger Menschen nach Syrien und Irak registriert und vor den Gefahren gewarnt hatten, die von Rückkehrern aus den dortigen Kampfgebieten ausgehen könnten. Wenige Tage später bezeichnete Außenminister Lawrow den IS in einem Interview erstmals als Hauptfeind Russlands (SWP 10.2015).
Innerhalb der extremistischen Gruppierungen ist ein Ansteigen der Sympathien für den IS - v.a. auch auf Kosten des sog. Kaukasus-Emirats - festzustellen. Nicht nur die bislang auf Propaganda und Rekrutierung fokussierte Aktivität des IS im Nordkaukasus erregt die Besorgnis der russischen Sicherheitskräfte. Ein Sicherheitsrisiko stellt auch die mögliche Rückkehr von nach Syrien oder in den Irak abwandernden russischen Kämpfern dar. Laut diversen staatlichen und nichtstaatlichen Quellen kann man davon ausgehen, dass die Präsenz russischer Kämpfer in den Krisengebieten Syrien und Irak mehrere tausend Personen umfasst. Gegen IS-Kämpfer, die aus den Krisengebieten Syrien und Irak zurückkehren, wird v.a. gerichtlich vorgegangen. Zu Jahresende 2015 liefen laut Angaben des russischen Innenministeriums rund 880 Strafprozesse, die meisten davon basierend auf den relevanten Bestimmungen des russischen StGB zur Teilnahme an einer terroristischen Handlung, der Absolvierung einer Terror-Ausbildung sowie zur Organisation einer illegalen bewaffneten Gruppierung oder Teilnahme daran. Laut einer INTERFAX-Meldung vom 2.12.2015 seien in Russland bereits über 150 aus Syrien zurückgekehrte Kämpfer verurteilt worden. Laut einer APA-Meldung vom 27.7.2016 hat der Leiter des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB erläutert, das im Vorjahr geschätzte 3.000 Kämpfer nach Russland aus den Kriegsgebieten in Syrien, Irak oder Afghanistan zurückkehrt seien, wobei 220 dieser Kämpfer im besonderen Fokus der Sicherheitskräfte zur Vorbeugung von Anschlägen ständen. In einem medial verfolgten Fall griffen russische Sicherheitskräfte im August 2016 in St. Petersburg auf mutmaßlich islamistische Terroristen mit Querverbindungen zum Nordkaukasus zu. Medienberichten zufolge wurden im Verlauf des Jahres 2016 über 100 militante Kämpfer in Russland getötet, in Syrien sollen über 2.000 militante Kämpfer aus Russland bzw. dem GUS-Raum getötet worden sein (ÖB Moskau 12.2016).
Der russische Präsident Wladimir Putin setzt tschetschenische und inguschetische Kommandotruppen in Syrien ein. Bis vor kurzem wurden reguläre russische Truppen in Syrien überwiegend als Begleitcrew für die Flugzeuge eingesetzt, die im Land Luftangriffe fliegen. Von wenigen bemerkenswerten Ausnahmen abgesehen - der Einsatz von Artillerie und Spezialtruppen in der Provinz Hama sowie von Militärberatern bei den syrischen Streitkräften in Latakia - hat Moskau seine Bodeneinsätze bislang auf ein Minimum beschränkt. Somit repräsentiert der anhaltende Einsatz von tschetschenischen und inguschetischen Brigaden einen strategischen Umschwung seitens des Kremls. Russland hat nun in ganz Syrien seine eigenen, der sunnitischen Bevölkerung entstammenden Elitetruppen auf dem Boden. Diese verstärkte Präsenz erlaubt es dem sich dort langfristig eingrabenden Kreml, einen stärkeren Einfluss auf die Ereignisse im Land auszuüben. Diese Streitkräfte könnten eine entscheidende Rolle spielen, sollte es notwendig werden, gegen Handlungen des Assad-Regimes vorzugehen, die die weitergehenden Interessen Moskaus im Nahen Osten unterlaufen würden. Zugleich erlauben sie es dem Kreml, zu einem reduzierten politischen Preis seine Macht in der Region zu auszubauen (Mena Watch 10.5.2017). Welche Rolle diese Brigaden spielen sollen, und ihre Anzahl sind noch nicht sicher. Es wird geschätzt, dass zwischen 300 und 500 Tschetschenen und um die 300 Inguscheten in Syrien stationiert sind. Obwohl sie offiziell als "Militärpolizei" bezeichnet werden, dürften sie von der Eliteeinheit Speznas innerhalb der tschetschenischen Streitkräfte rekrutiert worden sein (FP 4.5.2017).
Für den Kreml hat der Einsatz der nordkaukasischen Brigaden mehrere Vorteile. Zum einen reagiert die russische Bevölkerung sehr sensibel auf Verluste der russischen Armee in Syrien. Verluste von Personen aus dem Nordkaukasus würden wohl weniger Kritik hervorrufen. Zum anderen ist der wohl noch größere Vorteil jener, dass sowohl Tschetschenen, als auch Inguscheten fast alle sunnitische Muslime sind und somit derselben islamischen Richtung angehören, wie ein Großteil der syrischen Bevölkerung. Die mehrheitlich sunnitischen Brigaden könnten bei der Bevölkerung besser ankommen, als ethnisch russische Soldaten. Außerdem ist nicht zu vernachlässigen, dass diese Einsatzkräfte schon über Erfahrung am Schlachtfeld verfügen, beispielsweise vom Kampf in der Ukraine (FP 4.5.2017).
Bis jetzt war der Einsatz der tschetschenischen und inguschetischen Bodentruppen auf Gebiete beschränkt, die für den Kreml von entscheidender Bedeutung waren. Obwohl es momentan eher unwahrscheinlich scheint, dass die Rolle der nordkaukasischen Einsatzkräfte bald ausgeweitet wird, agieren diese wohl weiterhin als die Speerspitze in Moskaus Strategie, seinen Einfluss in Syrien zu vergrößern (FP 4.5.2017).
Quellen: