TE Vwgh Beschluss 2018/10/10 Ra 2018/08/0033

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Veröffentlicht am 10.10.2018
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Index

E6J;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

62016CJ0359 Altun VORAB;
62016CJ0527 Alpenrind VORAB;
AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):Ra 2018/08/0242 B 19. Dezember 2018

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der Tiroler Gebietskrankenkasse in Innsbruck, vertreten durch CHG Czernich Haidlen Guggenberger und Partner Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Bozner Platz 4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 2017, Zl. I401 2010380- 1/32E, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei: U GmbH in K, vertreten durch Dr. Bernhard Haid, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Universitätsstraße 3), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde der mitbeteiligten Partei gegen den Bescheid der revisionswerbenden Gebietskrankenkasse vom 6. März 2014 Folge, mit dem diese festgestellt hatte, dass 662 namentlich bezeichnete Personen in näher bezeichneten Zeiträumen auf Grund von Beschäftigungsverhältnissen zur mitbeteiligten Partei als Dienstgeberin der Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen seien. Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass die genannten Personen in den genannten Zeiträumen nicht der Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen seien. Begründet wurde dies damit, dass für die Dienstnehmer Bescheinigungen "E 101" und/oder "A 1" vorgelegen seien, aus denen sich bindend ergebe, dass sie den polnischen Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit unterlegen seien.

5 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6 Die revisionswerbende Gebietskrankenkasse erblickt entgegen diesem Ausspruch eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darin, dass zur Frage der Bindungswirkung von A 1-Bescheinigungen für Gerichte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle, der seinerseits ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gestellt habe. Dieses Vorabentscheidungsersuchen wurde aber mittlerweile dahingehend beantwortet, dass die Bindungswirkung auch für Gerichte gilt (vgl. EuGH 6.9.2018, C-527/16, sowie das im Ausgangsverfahren ergangene Erkenntnis des VwGH vom heutigen Tag, Ro 2016/08/0013 bis 0014). Ebenso wurde in diesem Vorabentscheidungsverfahren geklärt, dass die Bindungswirkung von A 1-Bescheinigungen gleichermaßen dann gilt, wenn sie erst nach der formellen Feststellung der Pflichtversicherung im Aufnahmestaat ausgestellt werden, und dass sie auch rückwirkend zu beachten ist.

7 Soweit die revisionswerbende Gebietskrankenkasse darauf hinweist, dass sich Rechtsunterworfene nicht in betrügerischer oder missbräuchlicher Weise auf diese Bindungswirkung berufen können, ist auf das Urteil des EuGH vom 6.2.2018, C-359/16, hinzuweisen, in dem der Gerichtshof zwar einerseits diesen Grundsatz bekräftigt, aber andererseits auch klargestellt hat, dass ein nationales Gericht des Beschäftigungsstaates die vom Träger des Entsendestaates ausgestellten Bescheinigungen nur dann - nach Durchführung eines Verfahrens gegen die Person, die verdächtigt wird, entsandte Arbeitnehmer unter Verwendung von betrügerisch erlangten Bescheinigungen eingesetzt zu haben - außer Acht lassen kann, wenn der ausstellende Träger nach Vorlage entsprechender, in einem gerichtlichen Verfahren erlangter Beweise nicht innerhalb angemessener Frist eine erneute Überprüfung vornimmt (vgl. Rn 54 bis 56 und sowie 60 und 61 des Urteils; s. auch das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Ra 2016/08/0176). Im vorliegenden Fall behauptet die revisionswerbende Gebietskrankenkasse nicht, dass der Träger des Entsendestaates unter Vorlage von im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens gesammelten Beweisen für ein betrügerisches (oder missbräuchliches) Vorgehen um eine solche Überprüfung ersucht worden wäre.

8 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher - ohne Durchführung eines Vorverfahrens (die mitbeteiligte Partei hat allerdings unaufgefordert eine Äußerung erstattet) - zurückzuweisen.

Wien, am 10. Oktober 2018

Gerichtsentscheidung

EuGH 62016CJ0527 Alpenrind VORAB
EuGH 62016CJ0359 Altun VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018080033.L00

Im RIS seit

16.11.2018

Zuletzt aktualisiert am

12.03.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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