TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/15 W170 2201704-1

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Veröffentlicht am 15.10.2018
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Entscheidungsdatum

15.10.2018

Norm

AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs10
BFA-VG §9 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.8
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W170 2201704-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Syrien, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, vom 22.06.2018, Zl. 1032432507/180521528, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, iVm § 58 Abs. 10 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, stattgegeben und der angefochtene, zurückweisende Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige

Beschwerde erwogen:

I. Feststellungen:

1. XXXX wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, vom 18.01.2017, Zl. 1032432507, der - zuvor mit Bescheid vom 05.11.2014 zuerkannte - Status des Asylberechtigten aberkannt, festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukommt, und der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt. Seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Syrien wurde für unzulässig erklärt und ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Dieser Bescheid erwuchs mangels Erhebung einer Beschwerde in Rechtskraft.

2. Gegen XXXX wurde bislang keine Rückkehrentscheidung erlassen.

3. XXXX lebt mit XXXX, mit der er seit 19.08.2017 verlobt ist, zusammen und wurde am 04.05.2017 ihr gemeinsamer Sohn, XXXX, geboren.

4. XXXX stellte am 05.06.2018 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK, über den bislang noch nicht inhaltlich abgesprochen wurde. Die belangte Behörde wies diesen Antrag mit dem angefochtenen Bescheid mit der Begründung als unzulässig zurück, er sei zur Rückkehr verpflichtet und hätten sich seit dem Aberkennungsverfahren keine neuen erheblichen Anknüpfungspunkte zu seinem Privat- und Familienleben ergeben.

II. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus der unbedenklichen Aktenlage, insbesondere aus den beiden genannten Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie dem Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018 (in Folge: VwGVG), hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018 (in Folge: B-VG), in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Wenn die belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, ist Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002, 0003; VwGH 23.06.2015, Ra 2015/22/0040; VwGH 16.09.2015, Ra 2015/22/0082 bis 0084). Eine erstmalige inhaltliche Entscheidung über die zugrundeliegenden Anträge würde demgegenüber den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschreiten (VwGH 12.10.2015, Ra 2015/22/0115).

Gegenstand des nunmehrigen Beschwerdeverfahrens ist daher auf Grund der zurückweisenden Entscheidung in dem im Spruch bezeichneten Bescheid nur, ob diese Zurückweisung zu Recht erfolgte.

2. Gemäß § 55 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 (in Folge: AsylG), ist einem im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK ("Aufenthaltsberechtigung plus" oder "Aufenthaltsberechtigung") zu erteilen, wenn dies zumindest gemäß § 9 Abs. 2 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 (in Folge: BFA-VG), zur Aufrechterhaltung des Privat und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.

Gemäß § 58 Abs. 10 AsylG sind Anträge gemäß § 55 leg. cit. als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht.

Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens; die Schutzwürdigkeit des Privatlebens; der Grad der Integration; die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden; die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts; die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren sowie die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

3. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 22.07.2011, 2011/22/0127; VwGH 05.05.2015, Ra 2014/22/0115) liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste. Vielmehr läge ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nur dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufgewiesen hätten, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK geboten hätte. Nur in einem solchen Fall ist eine - der Sache nach der Zurückweisung wegen entschiedener Sache nachgebildete - Zurückweisung (nunmehr) gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zulässig (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Im gegenständlichen Fall hat sich die belangte Behörde im Spruch des angefochtenen Bescheides ausdrücklich auf § 58 Abs. 10 AsylG als Grundlage für die Zurückweisung bezogen. In Zusammenhang mit dem Spruch und dem Verfahrensgang ("Sie sind zur Rückkehr verpflichtet...") sind die teilweise lückenhaften Feststellungen ("Sie wurden in Österreich wegen Schlepperei rechtskräftig verurteilt. Ihnen wurde deshalb der Status des Asylberechtigten" [sic!]) der Entscheidung zu Grunde gelegt. Tatsächlich geht weder aus dem Akt noch aus dem Aberkennungsbescheid vom 18.01.2017 eine vor Erlassung des verfahrensgegenständlichen Bescheides erlassene, rechtskräftigen Rückkehrentscheidung hervor, es ist also bereits die erste der zwei Tatbestandsvoraussetzungen des § 58 Abs. 10 AsylG, die kumulativ vorliegen müssen um Anträge gemäß § 55 leg.cit. als unzulässig zurückzuweisen, nicht erfüllt. Auch stellt die Tatsache, dass der Beschwerdeführer sich verlobt hat, mit seiner nunmehrigen Verlobten zusammenlebt und mit ihr einen österreichischen Sohn bekommen hat, im Lichte der oben genannten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im Vergleich zum Entscheidungszeitpunkt der Aberkennung des internationalen Schutzes (mangels einer Rückkehrentscheidung kann auch kein Vergleich zum Zeitpunkt ihrer Erlassung angestellt werden) einen geänderten Sachverhalt dar, der eine (ergänzende oder neue) Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht. Die Feststellung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer verfüge über keine Verwandte im Bundesgebiet, ist tatsachenwidrig, da es sich jedenfalls bei seinem Sohn um einen Verwandten handelt.

4. Erweist sich die Zurückweisungsentscheidung als rechtswidrig und kann der dem materiellen Recht entsprechende Zustand nur durch Kassation des zu Unrecht ergangenen Bescheides hergestellt werden, hat die Berufungsbehörde den Bescheid ersatzlos, das heißt ohne darüberhinausgehende Sachentscheidung zu beheben. Dabei handelt es sich um eine "negative" Sachentscheidung. (VwGH 29.04.2015, 2013/08/0136)

Das Bundesverwaltungsgericht war im gegenständlichen Fall dazu berufen, die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung zu prüfen, diese erweist sich mangels Rückkehrentscheidung und mangels unverändertem Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers als nicht gegeben und war daher der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben. Hinweise auf das Vorliegen eines anderen Zurückweisungsgrundes wurden nicht behauptet und waren nicht zu sehen. Die belangte Behörde hat im fortzusetzenden Verfahren noch inhaltlich über den Antrag des Beschwerdeführers abzusprechen.

Insgesamt ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

5. Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 58/2018 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die relevante Rechtsprechung unter

A) zitiert und beachtet, es ist daher weder zu sehen, dass die

gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, es an einer solchen Rechtsprechung fehlt oder die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als uneinheitlich zu beurteilen ist. Daher ist die Revision unzulässig.

Schlagworte

Aberkennung des Status des Asylberechtigten, Behebung der
Entscheidung, ersatzlose Behebung, Familienleben,
Flüchtlingseigenschaft, Kassation, Kumulierung, Privat- und
Familienleben, Privatleben, Rechtskraft der Entscheidung,
Rückkehrentscheidung, Sachverhalt, Schlepperei, subsidiärer Schutz,
Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W170.2201704.1.00

Zuletzt aktualisiert am

23.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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