TE Bvwg Beschluss 2018/8/27 W129 2202200-1

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Veröffentlicht am 27.08.2018
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Entscheidungsdatum

27.08.2018

Norm

AVG §14
AVG §39 Abs2
AVG §45 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
SchUG §25 Abs1
SchUG §71
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W129 2202200-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter DDr. Markus GERHOLD über die Beschwerde des minderjährigen XXXX, vertreten durch seine Eltern XXXX und XXXX als Erziehungsberechtigte, gegen den Bescheid des Stadtschulrates für Wien vom 10.07.2018, Zl. 200.002/0365-AHS/2018, beschlossen:

A)

Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG wird der bekämpfte Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Stadtschulrat für Wien zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG

I. Verfahrensgang

1. Der minderjährige Beschwerdeführer besuchte im Schuljahr 2017/2018 die 4. Klasse des GRG Wien XXXX.

2. Am 20.06.2018 entschied die Klassenkonferenz, dass der Beschwerdeführer gemäß § 25 SchUG nicht zum Aufsteigen in die nächste Schulstufe berechtigt sei, weil er in den Pflichtgegenständen Deutsch, Mathematik und Physik jeweils die Note "Nicht genügend" erhalten habe.

3. Gegen diese Entscheidung erhob der Vater des Beschwerdeführers am 22.06.2018 form- und fristgerecht Widerspruch. In diesem wird explizit die Entscheidung der Klassenkonferenz basierend auf den negativen Benotungen (nur) in Deutsch und Mathematik bekämpft. Zur negativen Beurteilung in Physik finden sich keine Ausführungen.

4. Die Lehrkräfte in den Pflichtgegenständen Deutsch, Mathematik, Physik sowie Geschichte ("wenig abgesichertes" Genügend) gaben jeweils eine umfassende Stellungnahme zur erfolgten Beurteilung ab.

5. Am 04.07.2018 führte die belangte Behörde eine mündliche Parteienanhörung durch, bei der dem Vater Gelegenheit gegeben wurde, seinen Standpunkt mündlich vorzubringen und in die Unterlagen Einsicht zu nehmen.

6. Am 06.07.2018 teilte der Vater des Beschwerdeführers per Mail mit, den Widerspruch nunmehr auch auf die negative Beurteilung im Fach Physik zu erstrecken.

Am 09.07.2018 antwortete LSI XXXX per Mail, dass der Vater den Widerspruch im Fach Physik im Rahmen des Parteiengehörs für gerechtfertigt erachtet habe. Auch sei der Widerspruch in Bezug auf die negative Beurteilung in Physik aus zwei Gründen irrelevant: der Vater habe diesen Widerspruch per Mail und nach Ablaufen der Widerspruchsfrist eingebracht.

7. Mit dem angefochtenen Bescheid wies der Stadtschulrat für Wien den Widerspruch gemäß den §§ 25 und 71 SchUG ab.

Begründend führte er im Wesentlichen unter Zitierung der Stellungnahmen der Lehrkräfte der Pflichtgegenstände Deutsch und Mathematik aus, dass die Beurteilungen in den Pflichtgegenständen Deutch und Mathematik zutreffend auf "Nicht genügend" zu lauten hatten. Auch der Pflichtgegenstand "Physik" sei mit "Nicht genügend" zu beurteilen; dies sei jedoch nicht Gegenstand des Widerspruchs gewesen.

8. Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, in der im Wesentlichen auf bestimmte Punkte der Stellungnahmen der Lehrkräfte in den Pflichtgegenständen Deutsch und Mathematik eingegangen wird.

Darüber hinaus wurde vorgebracht, es werde auch der Widerspruch im Fach Physik aufrecht erhalten. Der Vater habe nunmehr erfahren, dass die Lehrkraft eine "ablehnende Haltung" gegenüber seinem Sohn an den Tag gelegt habe.

9. Am 27.07.2018 (eingelangt am 30.07.2018) legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der minderjährige Beschwerdeführer besuchte im Schuljahr 2017/2018 die 4. Klasse des GRG Wien XXXX.

Am 20.06.2018 entschied die Klassenkonferenz, dass der Beschwerdeführer gemäß § 25 SchUG nicht zum Aufsteigen in die nächste Schulstufe berechtigt sei, weil er in den Pflichtgegenständen Deutsch, Mathematik und Physik jeweils die Note "Nicht genügend" erhalten habe.

Gegen diese Entscheidung erhob der Vater des Beschwerdeführers am 22.06.2018 form- und fristgerecht Widerspruch. In diesem wird explizit die Entscheidung der Klassenkonferenz basierend auf den negativen Benotungen (nur) in Deutsch und Mathematik bekämpft. Zur negativen Beurteilung in Physik finden sich keine Ausführungen.

Am 04.07.2018 führte die belangte Behörde eine mündliche Parteienanhörung durch, bei der dem Vater Gelegenheit gegeben wurde, seinen Standpunkt mündlich vorzubringen und in die Unterlagen Einsicht zu nehmen.

Ein Protokoll über den Inhalt dieser mündlichen Parteienanhörung findet sich nicht im Akt.

Am 06.07.2018 teilte der Vater des Beschwerdeführers per Mail mit, den Widerspruch nunmehr auch auf die negative Beurteilung im Fach Physik zu erstrecken. Diesbezüglich wurde die Antwort erteilt, dass der Widerspruch in Bezug auf Physik nach Ablauf der Frist und zudem rechtswidrig per Mail eingebracht worden sei.

Der Stadtschulrat für Wien führte kein Ermittlungsverfahren, ob die negativen Beurteilungen in Deutsch, Mathematik und Physik zu Recht erfolgten.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt A)

3.1.1. Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Diese Vorgangsweise setzt voraus, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. etwa VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063; 18.5.2016, Ra 2016/20/0072 m.w.H.).

3.1.2. Gemäß § 25 Abs. 1 SchUG gilt:

Aufsteigen

§ 25. (1) Ein Schüler ist zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt, wenn er die Schulstufe erfolgreich abgeschlossen hat. Eine Schulstufe ist erfolgreich abgeschlossen, wenn das Jahreszeugnis in allen Pflichtgegenständen eine Beurteilung aufweist und in keinem Pflichtgegenstand die Note "Nicht genügend" enthält. Eine Schulstufe gilt auch dann als erfolgreich abgeschlossen, wenn bei Wiederholen von Schulstufen das Jahreszeugnis in höchstens einem Pflichtgegenstand die Note "Nicht genügend" enthält und dieser Pflichtgegenstand vor der Wiederholung der Schulstufe zumindest mit "Befriedigend" beurteilt wurde.

(2) Ein Schüler ist ferner zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt, wenn das Jahreszeugnis zwar in einem Pflichtgegenstand die Note "Nicht genügend" enthält, aber

a) der Schüler nicht auch schon im Jahreszeugnis des vorhergegangenen Schuljahres in demselben Pflichtgegenstand die Note "Nicht genügend" erhalten hat,

b) der betreffende Pflichtgegenstand - ausgenommen an Berufsschulen - in einer höheren Schulstufe lehrplanmäßig vorgesehen ist und

c) die Klassenkonferenz feststellt, daß der Schüler auf Grund seiner Leistungen in den übrigen Pflichtgegenständen die Voraussetzungen zur erfolgreichen Teilnahme am Unterricht der nächsthöheren Schulstufe im Hinblick auf die Aufgabe der betreffenden Schulart aufweist.

(3) Schülerinnen und Schüler der 1., 2. und 3. Schulstufe sind unbeschadet der Bestimmungen des § 17 Abs. 5 und des § 20 Abs. 8 jedenfalls berechtigt, in die nächsthöhere Schulstufe aufzusteigen.

(4) Schülerinnen und Schüler von Volksschulen und Sonderschulen (Grundschule) sind ohne Rücksicht auf die Beurteilung in den Pflichtgegenständen Musikerziehung, Bildnerische Erziehung, Schreiben, Werkerziehung (Technisches Werken, Textiles Werken), Ernährung und Haushalt sowie Bewegung und Sport zum Aufsteigen in die Volksschuloberstufe bzw. in die 5. Stufe der Sonderschule berechtigt. Abs. 2 lit. a ist auch hinsichtlich der übrigen Pflichtgegenstände an diesen Schulen nicht anzuwenden.

(5) Schüler, die in leistungsdifferenzierten Pflichtgegenständen ein "Nicht genügend" in einer anderen als der niedrigsten Leistungsgruppe erhalten haben, sind berechtigt, in die nächsthöhere Schulstufe aufzusteigen, in der sie jedoch den betreffenden Pflichtgegenstand in der nächstniedrigeren Leistungsgruppe zu besuchen haben.

(5a) Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf an allgemeinen Schulen sind berechtigt, in die nächsthöhere Schulstufe aufzusteigen, wenn dies für den Schüler insgesamt eine bessere Entwicklungsmöglichkeit bietet; hierüber hat die Klassenkonferenz gemäß § 20 Abs. 6 zu entscheiden.

(5b) Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf sind berechtigt, im 9. Schuljahr nach dem Lehrplan des Berufsvorbereitungsjahres unterrichtet zu werden, wenn dies für den Schüler insgesamt eine bessere Entwicklungsmöglichkeit bietet; hierüber hat die Klassenkonferenz gemäß § 20 Abs. 6 zu entscheiden.

(5c) Schüler, die eine Sprachstartgruppe oder einen Sprachförderkurs besucht haben, sind berechtigt, im nächstfolgenden Schuljahr die nächsthöhere Schulstufe zu besuchen, wenn dies für den Schüler insgesamt eine bessere Entwicklungsmöglichkeit bietet; hierüber hat die Klassenkonferenz gemäß § 20 Abs. 6 zu entscheiden.

(6) Schüler von Sonderschulen für Kinder mit erhöhtem Förderbedarf und von Sonderschulen für mehrfach behinderte Kinder sind berechtigt, in die nächsthöhere Lehrplanstufe aufzusteigen, wenn sie nach der Entscheidung der Schulkonferenz gemäß § 20 Abs. 8 hiefür geeignet sind.

(7) Einem Zeugnis im Sinne der vorstehenden Absätze ist die erfolgreiche Ablegung einer Prüfung über den zureichenden Erfolg der Teilnahme an einem gleichwertigen Unterricht im Sinne des Schulpflichtgesetzes 1985 gleichzuhalten.

(8) In berufsbildenden Schulen, in denen der Lehrplan Pflichtpraktika und Praktika außerhalb des schulischen Unterrichtes vorsieht, ist der Schüler zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe nicht berechtigt bzw. kann er die lehrplanmäßig letzte Schulstufe nicht erfolgreich abschließen, wenn er das vor dem abgelaufenen Schuljahr vorgeschriebene Pflichtpraktikum oder Praktikum nicht zurückgelegt hat. Diese Rechtsfolgen treten im Falle des § 11 Abs. 10 nicht ein.

(9) Bei der Entscheidung über das Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe gilt ein nachgewiesener mindestens fünfmonatiger und längstens einjähriger fremdsprachiger Schulbesuch im Ausland als erfolgreicher Schulbesuch in Österreich.

(10) Die vorstehenden Abs. 1 bis 8 gelten nicht für Schüler von zumindest dreijährigen mittleren und höheren Schulen ab der 10. Schulstufe. Diese Schüler sind ab der 10. Schulstufe dann zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt, wenn die Semesterzeugnisse über das Winter- und das Sommersemester der betreffenden Schulstufe in den Pflichtgegenständen insgesamt höchstens zwei Nichtbeurteilungen oder Beurteilungen mit "Nicht genügend" aufweisen. Bei insgesamt drei Nichtbeurteilungen oder Beurteilungen mit "Nicht genügend" in Pflichtgegenständen kann die Klassenkonferenz unter sinngemäßer Anwendung des Abs. 2 lit. c die Berechtigung zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe erteilen. Ein Aufsteigen mit insgesamt drei Nichtbeurteilungen oder Beurteilungen mit "Nicht genügend" ist ab der 10. Schulstufe von zumindest dreijährigen mittleren und höheren Schulen höchstens einmal zulässig. Entscheidungen der Klassenkonferenz über die Erteilung der Berechtigung zum Aufsteigen sind den Erziehungsberechtigten unter ausdrücklichem Hinweis auf die einmalige Möglichkeit des Aufsteigens mit insgesamt drei Nichtbeurteilungen oder Beurteilungen mit "Nicht genügend" nachweislich zur Kenntnis zu bringen.

Gemäß § 71 SchUG gilt:

Provisorialverfahren (Widerspruch)

§ 71. (1) Gegen Entscheidungen in den Angelegenheiten des § 70 Abs. 1 ist Widerspruch an die zuständige Schulbehörde zulässig. Der Widerspruch ist schriftlich (in jeder technisch möglichen Form, nicht jedoch mit E-Mail) innerhalb von fünf Tagen bei der Schule, im Falle der Externistenprüfungen bei der Prüfungskommission, einzubringen.

(2) Gegen die Entscheidung,

a) daß die Einstufungs-, Aufnahms- oder Eignungsprüfung nicht bestanden worden ist (§§ 3, 8, 28 bis 31),

b) betreffend den Wechsel von Schulstufen (§ 17 Abs. 5),

c) dass der Schüler zum Aufsteigen nicht berechtigt ist oder die letzte Stufe der besuchten Schulart nicht erfolgreich abgeschlossen hat (Entscheidung gemäß § 20 Abs. 6, 8 und 10, Entscheidung nach Ablegung von einer oder zwei Wiederholungsprüfungen, jeweils in Verbindung mit § 25) oder zum Übertritt in eine mindestens dreijährige mittlere oder in eine höhere Schule nicht berechtigt ist (Entscheidung gemäß § 20 Abs. 6a),

d) daß die Aufnahmsprüfung gemäß § 31b Abs. 4 nicht bestanden worden ist,

e) daß der Schüler auf der nächsten Schulstufe eine niedrigere Leistungsgruppe zu besuchen hat oder daß sein Antrag auf Umstufung in die höhere Leistungsgruppe für die nächste Schulstufe abgelehnt wird (§ 31c Abs. 6),

f) daß eine Reifeprüfung, eine Reife- und Diplomprüfung, eine Diplomprüfung, eine Abschlußprüfung, eine Zusatzprüfung oder eine Externistenprüfung nicht bestanden worden ist (§§ 38, 41, 42),

g) dass dem Ansuchen gemäß § 26a nicht vollinhaltlich stattgegeben wurde,

h) dass die letztmögliche Wiederholung einer Semesterprüfung (§ 23a) nicht bestanden worden ist,

ist ein Widerspruch an die zuständige Schulbehörde zulässig. Der Widerspruch ist schriftlich (in jeder technisch möglichen Form, nicht jedoch mit E-Mail) innerhalb von fünf Tagen bei der Schule, im Falle der Externistenprüfungen bei der Prüfungskommission, einzubringen. Der Schulleiter (der Vorsitzende der Prüfungskommission) hat den Widerspruch unter Anschluß einer Stellungnahme der Lehrer (Prüfer), auf deren Beurteilungen sich die Entscheidung gründet, sowie unter Anschluß aller sonstigen Beweismittel unverzüglich der zuständigen Schulbehörde vorzulegen.

(2a) Mit Einbringen des Widerspruches tritt die (provisoriale) Entscheidung der Organe in den Angelegenheiten des § 70 Abs. 1 und des § 71 Abs. 2 außer Kraft. In diesen Fällen hat die zuständige Schulbehörde das Verwaltungsverfahren einzuleiten und die Entscheidung mit Bescheid zu treffen.

(3) Die Frist für die Einbringung des Widerspruchs beginnt im Falle der mündlichen Verkündung der Entscheidung mit dieser, im Falle der schriftlichen Ausfertigung der Entscheidung jedoch mit der Zustellung.

(4) Die zuständige Schulbehörde hat in den Fällen des Abs. 2, insoweit sich der Widerspruch auf behauptete unrichtige Beurteilungen mit "Nicht genügend" stützt, diese zu überprüfen. Wenn die Unterlagen nicht zur Feststellung, daß eine auf "Nicht genügend" lautende Beurteilung unrichtig oder richtig war, ausreichen, ist das Verfahren zu unterbrechen und der Widerspruchswerber zu einer kommissionellen Prüfung (Abs. 5) zuzulassen. Die Überprüfung der Beurteilungen bzw. die Zulassung zur kommissionellen Prüfung hat auch dann zu erfolgen, wenn deren Ergebnis keine Grundlage für eine Änderung der angefochtenen Entscheidung gibt.

(5) Für die Durchführung der kommissionellen Prüfung gelten die Bestimmungen über die Wiederholungsprüfung (§ 23 Abs. 6) mit der Maßgabe, dass

1. die Prüfung unter dem Vorsitz eines Schulaufsichtsbeamten oder eines von diesem bestimmten Vertreters stattzufinden hat und

2. der Vorsitzende den Lehrer, der den betreffenden Unterrichtsgegenstand in der betreffenden Klasse unterrichtet hat, oder einen anderen für den betreffenden Unterrichtsgegenstand (das Prüfungsgebiet) lehrbefähigten Lehrer als Prüfer und einen weiteren Lehrer als Beisitzer zu bestellen hat.

Wenn eine Einigung über die Beurteilung des Ergebnisses dieser Prüfung nicht zu Stande kommt, entscheidet der Vorsitzende.

(6) Der dem Widerspruch stattgebenden oder diesen abweisenden Entscheidung ist die Beurteilung zugrunde zu legen, die die Behörde nach der Überprüfung bzw. die Prüfungskommission nach der Durchführung der Prüfung für richtig hält. Sofern diese Beurteilung nicht auf "Nicht genügend" lautet, ist ein Zeugnis auszustellen, das diese Beurteilung enthält.

(Anm.: Abs. 7 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 75/2013)

(7a) Im Falle des Abs. 2 lit. h hat die Schulbehörde erster Instanz die behauptete unrichtige Beurteilung der Semesterprüfung mit "Nicht genügend" bzw. deren Nichtbeurteilung wegen vorgetäuschter Leistungen zu überprüfen. Wenn die Unterlagen zur Feststellung, dass eine Nichtbeurteilung oder eine auf "Nicht genügend" lautende Beurteilung unrichtig oder richtig war, nicht ausreichen, ist das Verfahren zu unterbrechen und der Berufungswerber zu einer neuerlichen Semesterprüfung unter dem Vorsitz eines Vertreters der Schulbehörde erster Instanz zuzulassen.

(Anm.: Abs. 8 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 75/2013)

(9) Gegen andere als in Abs. 1 und 2 genannte Entscheidungen von schulischen Organen ist ein Widerspruch an die zuständige Schulbehörde nicht zulässig.

3.1.3. Nach Rechtsansicht der belangten Behörde war das "Erstrecken" des Widerspruches auf die negative Beurteilung im Pflichtgegenstand Physik unzulässig, da der Vater dies nach Ablauf der Rechtsmittelfrist für einen Widerspruch und zudem per E-Mail mitteilte.

Damit verkannte die belangte Behörde jedoch, dass sich bereits der ursprüngliche Widerspruch eindeutig gegen die Entscheidung der Klassenkonferenz und somit auch explizit gegen das Nichtaufsteigen richtete. Mit dem eingebrachten (ursprünglichen) Widerspruch trat die (provisoriale) Entscheidung des Schulorganes außer Kraft (§ 71 Abs 2a SchUG) und wurde die belangte Behörde verpflichtet, ein Verwaltungsverfahren einzuleiten.

Für dieses Verwaltungsverfahren sehen die einschlägigen Materiengesetze jedoch kein Neuerungsverbot oder eine Unzulässigkeit der Abänderung des verfahrenseinleitenden Antrages (iSd § 13 Abs 8 AVG) vor.

Somit ist es nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes zulässig, den ursprünglichen (frist- und formgerecht eingebrachten) Widerspruch auf die negative Beurteilung im Fach Physik auszuweiten.

Zwar liegt eine umfassende und gut begründete Stellungnahme der Lehrkraft im Fach Physik vor, die belangte Behörde hat es jedoch verabsäumt, anhand dieser Stellungnahme sowie der im Akt dokumentierten Leistungen (zB Physiktest) ein Ermittlungsverfahren durchzuführen (siehe auch sogleich unter 3.1.4).

3.1.4. Auch in Bezug auf die negativen Beurteilungen in den Pflichtgegenständen Deutsch und Mathematik liegen umfassende und gut begründete Stellungnahmen der Lehrkräfte vor, zudem finden sich im Akt Kopien der Schularbeiten des Beschwerdeführers.

Auch hier hat es die belangte Behörde verabsäumt, ein umfassendes Ermittlungsverfahren durchzuführen. Maßstab für die Leistungsbeurteilung sind die Lehrplananforderungen unter Bedachtnahme auf den jeweiligen Stand des Unterrichts. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass diese Lehrplananforderungen und der maßgebliche Stand des Unterrichts ermittelt und mit den Stellungnahmen der Lehrkräfte abgeglichen worden wären. Auch wurde seitens der belangten Behörde kein Gutachten zu den vor der Schule vorgelegten Leistungen des Beschwerdeführers und den Stellungnahmen der Lehrkräfte eingeholt.

3.1.5. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass die Stellungnahmen der Lehrkräfte prima vista als umfassend, ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei zu qualifizieren sind. Dies enthebt die belangte Behörde jedoch nicht von der Verpflichtung, sich mit diesen Stellungnahmen näher auseinanderzusetzen (insbesondere durch Einholung einer fachgutachterlichen Stellungnahme) und im Rahmen der Beweiswürdigung dazulegen, aus welchen Gründen diesen Stellungnahmen gefolgt wird und nicht den Ausführungen des Beschwerdeführers. Jedenfalls kann in einer bloßen wörtlichen Wiedergabe der Stellungnahmen der Lehrkräfte keine für eine Bescheidbegründung notwendige, ausreichende Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt erblicken werden (vgl. VwGH 06.03.2008, 2007/09/0335).

3.1.6. Darüber hinaus erweist sich das gegenständliche Verwaltungsverfahren auch aus folgenden Gründen als mangelhaft:

Zum einen wurde in den Räumlichkeiten der belangten Behörde ein mündliches Parteiengehör durchgeführt, in dessen Rahmen der Vater des Beschwerdeführers sich dahingehend geäußert haben soll, dass er das Nicht genügend in Physik für gerechtfertigt erachte. Zum anderen teilte die Behörde in weiterer Folge per Mail dem Beschwerdeführer ihre Rechtsansicht mit, wonach eine "Ausweitung" des Widerspruches auf das dritte Nicht genügend nicht zulässig sei.

Über das Parteiengehör wurde jedoch kein Protokoll angelegt; auch wurde die Eingabe des Beschwerdeführers über die "Ausweitung" des Widerspruches und die Antwort der Behörde auf diese Eingabe nicht in den Akt aufgenommen. Lediglich aufgrund der Beschwerde, in welcher sich das Mail zur "Ausweitung" des Widerspruches und die Antwort der Behörde in eingescannter Form wiederfinden, konnte das Bundesverwaltungsgericht den Gang des Verwaltungsverfahrens ansatzweise nachvollziehen.

3.1.7. Da somit die erforderlichen entscheidungswesentlichen Feststellungen nicht getroffen wurden, ist der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig geblieben. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass im Verfahren zur Überprüfung einer Beurteilung mit "Nicht genügend" den Schüler keine formelle Beweislast trifft, sondern die Behörde den maßgeblichen Sachverhalt gemäß § 39 Abs. 2 AVG von Amts wegen aufzuklären hat (vgl. Jonak/Kövesi, Das Österreichische Schulrecht, 14. Auflage, Anm. 13 zu § 71 SchUG mit Hinweis zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Es kann auch nicht gesagt werden, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Im weiteren Verfahren wird die belangte Behörde ein umfassendes Ermittlungsverfahren zu führen haben, bei dem alle für die Entscheidung relevanten Beweismittel eingeholt werden (insbesondere ein Fachgutachten zu den ausführlichen Stellungnahmen der Lehrkräfte).

In der Gesamtschau ist der Aufhebung des angefochtenen Bescheides und der Zurückverweisung an die belangte Behörde zur Erlassung eines neuen Bescheides im Vergleich zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht unter dem Aspekt der Raschheit und der Kostenersparnis der Vorzug zu geben. Das erstinstanzliche Verfahren erweist sich aus den dargelegten Gründen insgesamt als so mangelhaft, dass von dem in § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG eingeräumten Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung Gebrauch zu machen war. Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind daher im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.

3.2. Zu Spruchpunkt B)

3.2.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.2.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung auch von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt:

Nach Rechtsansicht der belangten Behörde ist die "Ausweitung" eines Widerspruches nach Ablauf der fünftägigen Rechtsmittelfrist unzulässig. Diese Ansicht ließe sich insbesondere mit dem Gesetzeswortlaut des § 71 Abs 4 erster Satz SchUG ("... insoweit sich der Widerspruch auf behauptete unrichtige Beurteilungen mit ‚Nicht genügend' stützt...") begründen. Nach Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichtes tritt jedoch bereits mit der Einbringung des "ursprünglichen" Widerspruches die Entscheidung des Schulorganes außer Kraft, worauf die Schulbehörde ein Verwaltungsverfahren einzuleiten hat (§ 71 Abs 2a SchUG). In diesem Verfahren besteht nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes kein Neuerungsverbot oder keine vergleichbare Beschränkung, das ursprüngliche Begehren in erweiterter Form vorzubringen.

Soweit ersichtlich liegt diesbezüglich keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Die Lösung der Rechtsfrage ist über den vorliegenden Einzelfall hinaus von grundsätzlicher Bedeutung.

3.3. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Aufstieg in nächsthöhere Schulstufe, Begründungsmangel,
Ermittlungspflicht, Jahreszeugnis, Kassation, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, negative Beurteilung, Parteiengehör,
Pflichtgegenstand, Protokoll, Sachverständigengutachten,
Widerspruch, Widerspruchsfrist

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W129.2202200.1.00

Zuletzt aktualisiert am

22.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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