TE Vwgh Beschluss 2018/9/25 Ra 2016/05/0018

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Veröffentlicht am 25.09.2018
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71;
VwGVG 2014 §33 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision der S R in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Grohmann, Rechtsanwalt in 3500 Krems, Gartenaugasse 1, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 27. Jänner 2016, LVwG-AV-996/001-2015, betreffend Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages und Zurückweisung einer Beschwerde in einer Bauangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevorstand der Marktgemeinde S; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat der Marktgemeinde S Aufwendungen in der Höhe von EUR 201,79 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) in Spruchpunkt I.1. den Antrag der Revisionswerberin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist ab und in Spruchpunkt II.1. die Beschwerde als verspätet zurück. In den Spruchpunkten I.2. und II.2. sprach das Verwaltungsgericht jeweils aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Revisionswerberin angesichts der angeführten, zur Sorgfaltspflicht unvertretener Parteien ergangenen hg. Judikatur (Hinweis ua auf VwGH 27.6.2008, 2008/11/0099, VwGH 26.9.1984, 84/11/0145, und VwGH 25.6.1996, 96/11/0034) durch die falsche Eintragung des Datums (welchen Datums bringe sie nicht vor), die sie als Verfahrenspartei, und zwar auch als nicht juristisch gebildete bzw. unvertretene, treffende erhöhte Sorgfaltspflicht in Bezug auf die Wahrnehmung von Fristen (Hinweis nochmals auf VwGH 26.9.984, 84/11/0145) nicht erfüllt habe. Da sie am Montag, dem 22. Juni 2015, den Bescheid eigenhändig vom Postzusteller übernommen habe und für sie das Zustelldatum damit eindeutig gewesen sei, sei es ihr zuzumuten gewesen, mit dem Beginn des Laufes einer Rechtsmittelfrist zu rechnen und das richtige Datum dieses Zustellvorganges bzw. (nach Lektüre des vollständigen Inhaltes des Bescheides, also auch der zutreffenden Rechtsmittelbelehrung) das genau vier Wochen später (und damit am selben Kalendertag) liegende Datum (20. Juli 2015) zu vermerken. Was das Vorbringen betreffe, wonach die Revisionswerberin das Datum auf Grund von Stress, familiären Problemen und großem zeitlichen Aufwand falsch eingetragen habe, sei darauf hinzuweisen, dass etwa berufliche Überlastung und erhöhter Stress - hervorgerufen durch Wohnungssuche, familiäre Probleme, etc. - nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keinen bloß minderen Grad des Versehens zu begründen vermögen (Hinweis auf VwGH 26.2.2009, 2007/09/0003, und VwGH 25.9.1991, 91/16/0046). Gerade das Wissen um die von der Revisionswerberin selbst beschriebene Situation hätte sie zu besonderer Aufmerksamkeit auch in Bezug auf die richtige Fristvormerkung veranlassen müssen. Die Revisionswerberin treffe damit ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden, weshalb dem Antrag auf Wiedereinsetzung nicht stattzugeben gewesen sei.

6 Die Revisionswerberin führt zur Zulässigkeit der Revision aus, das Verwaltungsgericht habe die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unbeachtet gelassen, wonach an rechtsunkundige Personen ein milderer Maßstab anzulegen sei als an rechtskundige Personen (Hinweis auf VwGH 23.4.1990, 90/19/0179, und VwGH 11.11.1992, 91/19/0302). Da es einer nicht rechtskundigen Person bei besonderer Belastung passieren könne, eine Frist um einen Tag falsch einzutragen, liege hier ein minderer Grad des Versehens vor (Hinweis auf Rechtsprechung des OLG Wien, wiedergegeben in Stohanzl MGA15 zur ZPO, E. 29 und 30). Es sei daher von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen worden; die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes sei in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden.

Mit diesem Vorbringen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

7 Die Frage, ob im Sinn des § 33 Abs. 1 VwGVG ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne grobes Verschulden der Partei zur Versäumung geführt hat, unterliegt grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. VwGH 26.2.2016, Ra 2016/03/0026, mwN). Eine derartige Fehlbeurteilung ist im Revisionsfall nicht ersichtlich, vielmehr hat sich das Verwaltungsgericht an der vom Verwaltungsgerichtshof zu § 71 AVG entwickelten, auf § 33 VwGVG übertragbaren Judikatur (vgl. VwGH 30.5.2017, Ra 2017/19/0113) orientiert.

8 Abgesehen davon hat die Revisionswerberin die von ihr behauptete Abweichung des Verwaltungsgerichtes von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Wiedereinsetzung - wie es geboten wäre (vgl. etwa VwGH 2.8.2018, Ra 2018/05/0197) - in keiner Weise näher begründet, insbesondere hat sie sich nicht mit den vom Verwaltungsgericht zitierten, die Sorgfaltspflicht unvertretener Parteien betreffenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes (nämlich VwGH 26.9.1984, 84/11/0145, VwGH 25.9.1991, 91/16/0046, VwGH 25.6.1996, 96/11/0034, VwGH 26.2.2009, 2007/09/0003, und VwGH 27.6.2008, 2008/11/0099) auseinandergesetzt. So hat der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf unvertretene Parteien ausgesprochen, dass auch sie bei der Wahrnehmung von Fristen eine erhöhte Sorgfaltspflicht trifft (vgl. wiederum VwGH 25.6.1996, 96/11/0034).

Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen. 9 Die Kostenentscheidung beruht im Rahmen des Kostenbegehrens

auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 25. September 2018

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2016050018.L00

Im RIS seit

18.10.2018

Zuletzt aktualisiert am

31.10.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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