Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Präsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende und den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Hon.-Prof. Dr. Dehn und den Hofrat Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*****, vertreten durch Anna Tindl LL.M., Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei J*****, wegen Aufhebung von Schiedssprüchen (Streitwert 219.290,67 EUR), in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1. Der klagenden Partei wird die Wiedereinsetzung gegen das Versäumen der Frist für die Verbesserung der Klage bewilligt. Der Beschluss vom 30. Mai 2018, ON 5, wird aufgehoben.
2. Die Klage wird als nicht zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung geeignet zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Zu 1.
Zwischen der Klägerin und der Beklagten war ein Schiedsverfahren anhängig. Mit Zwischenschiedsspruch vom 11. Mai 2017 bejahte das Schiedsgericht seine Zuständigkeit, mit Endschiedsspruch vom 10. Jänner 2018 verurteilte es die Klägerin zur Zahlung von 144.420 EUR und zum Ersatz der Kosten von 74.570,67 EUR.
Die Klägerin begehrte mit einer von ihrem Geschäftsführer verfassten, am 5. März 2018 beim Obersten Gerichtshof eingelangten Eingabe die Aufhebung dieser Schiedssprüche. Der Senat erteilte einen Verbesserungsauftrag, in dem er unter anderem auf die Anwaltspflicht und die Verpflichtung zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr hinwies. Für die Verbesserung wurde eine Frist von vier Wochen gesetzt, die am 2. Mai 2018 ablief.
Am 4. Mai 2018 langte beim Obersten Gerichtshof die am letzten Tag der Frist zur Post gegebene, von einer inländischen Rechtsanwältin neu formulierte und von dieser unterfertigte Klage ein. Der Senat wies diese Klage und einen weiteren Schriftsatz zurück, weil die Klägerin sie entgegen § 89c Abs 5 Z 1 GOG nicht im elektronischen Rechtsverkehr eingebracht hatte und auch nicht nach § 1 Abs 1c ERV 2006 bescheinigt hatte, dass ihr dies in Ermangelung der technischen Voraussetzungen nicht möglich gewesen wäre.
Der Beschluss wurde der Klägerin am 19. Juni 2018 zugestellt. Am 2. Juli 2018 beantragte sie – nun im elektronischen Rechtsverkehr – die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (erkennbar) gegen das Versäumen der Verbesserungsfrist. Gleichzeitig brachte sie die Klage samt Beilagen im elektronischen Rechtsverkehr ein. Zur Begründung brachte sie vor, dass am letzten Tag der Frist die EDV in der Kanzlei der Klagevertreterin ausgefallen sei. Beim deswegen erforderlichen Einbringen der Klage im Postweg sei eine Bescheinigung der technischen Hindernisse aufgrund eines Versehens minderen Grades unterblieben.
Aufgrund der von der Klägerin vorgelegten Urkunden ist folgender Sachverhalt bescheinigt: Die Klagevertreterin hatte die Klage am letzten Tag der Verbesserungsfrist in elektronischer Form fertiggestellt, einen Ausdruck unterschrieben und einer Angestellten den Auftrag erteilt, die Klage samt Beilagen im elektronischen Rechtsverkehr einzubringen. Danach verließ sie gegen 14 Uhr die Kanzlei, um einen auswärtigen Termin wahrzunehmen. Aufgrund eines Ausfalls der Kanzlei-EDV konnte die Angestellte die Dokumente nicht im elektronischen Rechtsverkehr übermitteln. Sie versuchte die Klagevertreterin telefonisch zu erreichen, was ihr aber nicht gelang. Um die Frist einzuhalten, entschloss sie sich, die Klage samt den Beilagen zur Post zu geben. Dabei dachte sie nicht daran, dass bei dieser Vorgangsweise nach § 1 Abs 1c ERV 2006 eine Bescheinigung der technischen Hindernisse erforderlich war.
Auf dieser Grundlage ist der Wiedereinsetzungsantrag berechtigt: Der Ausfall der Kanzlei-EDV war ein unvorhersehbares Ereignis, das das rechtzeitige Einbringen des Schriftsatzes im elektronischen Rechtsverkehr unmöglich machte. Zwar hätte die Klägerin die Frist auch durch die postalische Übermittlung gewahrt, wenn sie dabei die technischen Hindernisse für das Einbringen im elektronischen Rechtsverkehr bescheinigt hätte (§ 1 Abs 1c ERV 2006). Das Unterbleiben dieser Bescheinigung beruhte aber im konkreten Fall auf einem minderen Grad des Versehens. Denn es ist nachvollziehbar, dass es der Kanzleiangestellten in erster Linie um das Einhalten der Frist ging; das Übersehen der nach § 1 Abs 1c ERV 2006 erforderlichen Bescheinigung war angesichts des Termindrucks und der Nichterreichbarkeit der Klagevertreterin eine entschuldbare Fehlleistung.
Zu 2.
Mit der ursprünglich am 5. März 2018 eingebrachten und zufolge Bewilligung der Wiedereinsetzung rechtzeitig verbesserten Klage begehrt die Klägerin die Aufhebung der Schiedssprüche aus den Gründen des § 611 Abs 1 Z 1, Z 4 und Z 5 ZPO. Sie bringt vor, der dem Schiedsverfahren zugrunde liegende Vertrag habe folgende Bestimmung enthalten:
„Jede Streitigkeit, die sich aus der oder im Zusammenhang mit dem Vertrag ergibt, die innerhalb von sechzig (60) Kalendertagen nach der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs in Bezug auf die Streitigkeit nicht freundschaftlich beigelegt werden kann, wird endgültig von einem Schiedsgericht gemäß der zum Datum der Unterzeichnung des Vertrags geltenden Schiedsordnung der Internationalen Handelskammer von drei (3), gemäß dieser Ordnung bestellten Schiedsrichtern entschieden. Der Schiedsspruch des Schiedsgerichts ist für die Parteien endgültig und verbindlich. Das Schiedsverfahren, einschließlich Verhandlungen und Erlassung des Schiedsspruchs, findet im Wiener internationalen Schiedsgericht in Wien, Österreich, statt.“
Diese Schiedsvereinbarung sei „in sich widersprüchlich oder unklar“, was den Aufhebungsgrund nach § 611 Abs 1 Z 1 ZPO verwirkliche: Einerseits solle die Schiedsordnung der Internationalen Handelskammer gelten, andererseits solle das gesamte Schiedsverfahren in Wien stattfinden. Dies sei jedoch in der Schiedsordnung der Internationalen Handelskammer nicht vorgesehen. Daher seien auch die Bestimmung der Schiedsrichter, die „Einziehung/Zahlung“ von Verfahrenskosten, die „Genehmigung“ der Schiedssprüche und die „Unterfertigung und Versand der Schiedssprüche“ aus Paris „geführt und erledigt“ worden. Demgegenüber sei im letzten Satz der Schiedsklausel „klargestellt“, dass das Schiedsverfahren, einschließlich Verhandlungen und Erlassung des Schiedsspruchs, in Wien, konkret im „Wiener internationalen Schiedsgericht“ stattzufinden habe. Darunter werde im internationalen Verkehr das Internationale Schiedsgericht der Wirtschaftskammer Österreich verstanden, was auch der Generalsekretär dieser Institution bestätigt habe. „Somit“ ergebe sich in diesem Punkt ein „klarer Widerspruch und die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung“.
Sollte die Klausel als wirksam angesehen werden, sei jedenfalls der Aufhebungsgrund nach § 611 Abs 1 Z 4 ZPO verwirklicht. Da das Schiedsverfahren in Wien zu führen gewesen sei, hätte auch die Bildung des Schiedsgerichts in Wien erfolgen müssen, gleiches gelte für die „Führung und Koordination des Verfahrens“. Die Verhandlung hätte in den Räumlichkeiten des Wiener internationalen Schiedsgerichts stattfinden müssen und nicht in der Kanzlei der Vorsitzenden des Schiedsgerichts. Im Ergebnis seien die Schiedssprüche daher von einem unzuständigen Schiedsgericht gefällt worden.
Die Schiedssprüche verstießen aus mehreren Gründen gegen den formellen ordre public iSv § 611 Abs 1 Z 5 ZPO. Der Zwischenschiedsspruch zur Zuständigkeit sei der Klägerin trotz mehrfacher Aufforderung nicht zugestellt worden. Der Endschiedsspruch enthalte insofern keine ausreichende Begründung; die Klägerin nehme an, dass das auch für den Zwischenschiedsspruch gelte. Schließlich sei der Klägerin auch das Protokoll der Schiedsverhandlung nicht zugestellt worden.
Die Klage ist aufgrund dieses Vorbringens in entsprechender Anwendung von § 538 ZPO zurückzuweisen.
1. § 538 ZPO ist in Verfahren über die Aufhebung eines Schiedsspruchs analog anzuwenden.
1.1. § 616 Abs 1 ZPO sieht vor, dass das Aufhebungsverfahren nach den Bestimmungen über das Verfahren vor den Gerichtshöfen erster Instanz zu führen ist. Dieser Wortlaut verweist auf die §§ 226 bis 430 ZPO. Danach wäre eine Klage, die keinen Aufhebungsgrund geltend macht, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Urteil abzuweisen. Demgegenüber wird im Schrifttum praktisch einhellig die Auffassung vertreten, dass in Analogie zu § 538 ZPO ein Vorprüfungsverfahren stattzufinden hat, das schon vor Streitanhängigkeit zur Zurückweisung der Klage führt, wenn der Kläger keinen tauglichen Aufhebungsgrund behauptet (Fasching, Zivilprozessrecht2 [1990] Rz 2233; Hausmaninger in Fasching/Konecny, ZPO3 § 611 Rz 183; Zeiler, Schiedsverfahren2 [2014] § 611 Rz 45; Rechberger in Rechberger, ZPO2 § 611 Rz 12; ebenso 17 Ob 31/08w).
1.2. Der Senat teilt diese Auffassung.
Die Aufhebungsklage ist eine prozessuale Rechtsgestaltungsklage mit dem Ziel, den – mit Zustellung rechtskräftig gewordenen (Hausmaninger in Fasching/Konecny, ZPO3 § 607 Rz 20 mwN) – Schiedsspruch mit Wirkung ex tunc zu beseitigen (6 Ob 601/87; 5 Ob 123/03d). Sie entspricht daher in Wesen und Funktion einer Nichtigkeits- oder Wiederaufnahmeklage gegen Urteile der staatlichen Gerichte (Fasching, ZPO1 IV 887; Hausmaninger in Fasching/Konecny, ZPO3 § 611 Rz 64). Dies kommt auch in der Gleichbehandlung von Wiederaufnahme- und Aufhebungsklagen für die Aufschiebung der Exekution zum Ausdruck (§ 42 Abs 1 Z 2 EO).
Das bei diesen Rechtsmittelklagen vorgesehene Vorprüfungsverfahren (§§ 538 f ZPO) soll angesichts der typischerweise bereits eingetretenen Rechtskraft verhindern, dass eine von vornherein aussichtslose Klage zu einem langwierigen Verfahren und damit zu unnötiger Rechtsunsicherheit führt. Diese Erwägungen gelten umso mehr für Aufhebungsklagen nach § 611 ZPO. Denn Schiedssprüche sind in formeller Hinsicht bestandskräftiger als Entscheidungen staatlicher Gerichte: Die Klagefrist beträgt hier nach § 611 Abs 4 ZPO – abgesehen vom Aufhebungsgrund des § 611 Abs 2 Z 6 ZPO – nur drei Monate, während die Klagefrist bei Rechtsmittelklagen für jeden Nichtigkeits- oder Wiederaufnahmegrund gesondert zu beurteilen ist (§ 534 Abs 2 ZPO) und bis zu zehn Jahren betragen kann (§ 534 Abs 3 ZPO). Darin ist die Wertung des Gesetzes zu erkennen, dass bei Schiedssprüchen ein besonders hohes Interesse an Rechtssicherheit besteht; die Entscheidung des Schiedsgerichts soll möglichst rasch endgültigen Charakter erlangen.
Dem stünde entgegen, wenn auch unschlüssige Aufhebungsklagen zwingend zu einer mündlichen Verhandlung führen müssten. Denn dadurch entstünden nicht nur unnötige Kosten, sondern der Kläger hätte auch die Möglichkeit, die Durchsetzung des rechtskräftigen Schiedsspruchs durch Aufschiebung der Exekution (§ 42 Abs 1 Z 2 EO) mehr als unbedingt notwendig zu verzögern. Weshalb das anders als bei Rechtsmittelklagen möglich sein sollte, ist nicht erkennbar. § 538 ZPO ist daher analog anzuwenden.
2. Es ist daher iSv § 538 ZPO zu prüfen, ob die Klage auf einen tauglichen Aufhebungsgrund gestützt ist, ob also das als richtig unterstellte Tatsachenvorbringen der Klägerin einen Tatbestand des § 611 Abs 1 ZPO erfüllt. Das trifft hier nicht zu.
2.1. Der Aufhebungsgrund nach § 611 Abs 1 Z 1 ZPO ist (soweit hier relevant) verwirklicht, wenn keine gültige Schiedsvereinbarung vorhanden ist. Die Klägerin macht dazu geltend, dass der Inhalt der Schiedsklausel widersprüchlich und/oder mehrdeutig sei, was zu ihrer Ungültigkeit führe. Das ist aber schon nach dem Wortlaut der von der Klägerin behaupteten Schiedsklausel nicht der Fall. Einen vom Wortlaut abweichenden Konsens der Parteien hat die Klägerin nicht behauptet, sodass ausschließlich die von den Parteien gewählte Formulierung maßgebend ist.
(a) Die strittige Bestimmung enthält bei genauer Betrachtung drei Regelungen:
a. Zunächst ist vorgesehen, dass Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit dem Vertrag durch ein Schiedsgericht zu entscheiden sind. Schon darin liegt die Schiedsvereinbarung ieS, also die Vereinbarung, dass ein allfälliger Rechtsstreit nicht durch staatliche Gerichte, sondern durch ein Schiedsgericht entschieden werden soll.
b. Darauf folgt eine Regelung zur Zusammensetzung des Schiedsgerichts und zur Bestellung der Schiedsrichter: Das Schiedsgericht besteht aus drei Personen, die nach der Verfahrensordnung der „Internationalen Handelskammer“ bestellt werden. Darunter ist – wovon auch die Klägerin ausgeht – die International Chamber of Commerce (ICC) mit Sitz in Paris zu verstehen. Nicht ganz klar ist nach dem Wortlaut, ob das Schiedsgericht auch nach dieser Verfahrensordnung zu entscheiden hat.
c. Zuletzt wird angeordnet, dass das Schiedsverfahren im „Wiener internationalen Schiedsgericht in Wien, Österreich“ stattfinden soll. Diese Formulierung bezeichnet – wie die Klägerin zutreffend vorbringt – die Internationale Schiedsinstitution der Wirtschaftskammer Österreich (VIAC).
(b) Diese Regelungen stehen in keinem Widerspruch zueinander: Dass die Schiedsrichter nach der Verfahrensordnung einer in Paris ansässigen Institution zu bestellen sind, schließt nicht aus, dass das Schiedsverfahren in weiterer Folge an einem bestimmten Ort in Wien geführt werden soll. Die Regelung ist auch nicht mehrdeutig; vielmehr lassen sich aus ihr eindeutige Rechtsfolgen sowohl zur Bestellung der Schiedsrichter (Verfahrensordnung der ICC) als auch zum Sitz des Schiedsgerichts (Wien) ableiten. Dabei wurde der VIAC in der Klausel nicht – wie offenbar von dessen Generalsekretär angenommen – als Schiedsgericht „bezeichnet“ („designated“), sondern es wurde lediglich vorgesehen, dass das Verfahren dort stattfinden sollte. Aus diesem Wortlaut folgt nicht, dass zwingend auch die Verfahrensregeln dieser Institution anzuwenden wären.
(c) Zwar könnte tatsächlich fraglich sein, ob im Schiedsverfahren die Verfahrensordnung der ICC oder aber jene des VIAC anzuwenden war. Darüber hatte aber – wie über jede andere Frage der Gestaltung des Verfahrens – das jedenfalls nach der Verfahrensordnung der ICC zu bestellende Schiedsgericht zu entscheiden. Die Ungültigkeit der Schiedsklausel lässt sich aus dieser durch Auslegung behebbaren Unklarheit nicht ableiten. Der Aufhebungsgrund des § 611 Abs 1 Z 1 ZPO ist daher nicht verwirklicht.
2.2. Die Klägerin hat kein Vorbringen erstattet, aus dem sich ein Widerspruch der Bildung oder Zusammensetzung des Schiedsgerichts mit einer gesetzlichen Bestimmung oder einer Vereinbarung der Parteien ergeben könnte (§ 611 Abs 1 Z 4 ZPO). Vielmehr behauptet sie selbst, dass das Schiedsgericht nach der Verfahrensordnung der ICC bestellt wurde. Das entspricht der oben dargestellten Vereinbarung der Parteien.
2.3. Aus dem Vorbringen der Klägerin lässt sich auch kein Verstoß gegen den formellen ordre public ableiten (§ 611 Abs 1 Z 5 ZPO).
(a) Nach den Behauptungen der Klägerin wurde das Verfahren vom Schiedsgericht nach der Verfahrensordnung der ICC geführt. Nun könnte zwar aus dem letzten Satz der Schiedsklausel abgeleitet werden, dass die Parteien konkludent die Verfahrensregeln des VIAC gewählt hätten. Allerdings ist nach dem Vorbringen der Klägerin nicht erkennbar, weshalb die davon abweichende Beurteilung des Schiedsgerichts gegen Grundwertungen des österreichischen Rechts verstieße. Denn dies setzte einen Verstoß gegen tragende Grundsätze eines geordneten Verfahrens voraus (4 Ob 185/12b; 18 OCg 3/15p). Bei Anwendung einer international anerkannten Schiedsverfahrensordnung, die auf einer nicht unvertretbaren Auslegung einer Schiedsklausel beruht, ist ein solcher Verstoß nicht erkennbar.
(b) In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass ein bloßer Verstoß gegen vereinbarte Verfahrensregeln wegen der taxativen Aufzählung der Aufhebungsgründe in § 611 Abs 1 ZPO für sich allein noch nicht zur Aufhebung führen kann. Das österreichische Recht unterscheidet sich hier von der Konzeption des UNCITRAL-Modellgesetzes, wonach schon der Verstoß gegen vereinbarte Verfahrensregeln (und damit wohl auch die Anwendung falscher Verfahrensregeln) einen Aufhebungsgrund bildet (Art 34 Abs 2 lit a sublit iv Modellgesetz; ebenso § 1059 Abs 2 Z 1 lit d dZPO; vgl dazu Hausmaninger in Fasching/Konecny, ZPO3 § 611 Rz 140 f). Daher wäre für die Klägerin auch nichts gewonnen, wenn man die Regelung über den Ort des Schiedsverfahrens („im Wiener Internationalen Schiedsgericht“) als solche Verfahrensregel auffasst. Der bloße Umstand, dass das Verfahren nicht dort, sondern in der (ebenfalls in Wien gelegenen) Kanzlei der Vorsitzenden des Schiedsgerichts durchgeführt wurde, verstößt als solcher nicht gegen Grundwertungen des österreichischen Verfahrensrechts. Dass der Wechsel der Örtlichkeit für die Klägerin aus bestimmten Gründen unzumutbar gewesen wäre, ergibt sich aus dem Klagevorbringen nicht. Gleiches gilt für die nach dem Klagevorbringen in Paris gesetzten Verfahrenshandlungen. Die Klägerin hat nicht vorgebracht, dass dort eine Anwesenheit der Parteien erforderlich gewesen wäre und dies der Klägerin nicht zugemutet werden konnte.
(c) Die behauptete Nichtzustellung des Zwischenschiedsspruchs führt dazu, dass er zwischen den Parteien nicht rechtskräftig werden konnte (Schumacher in Liebscher/Oberhammer/Rechberger, Schiedsverfahrensrecht II [2016] Rz 10/329; Hausmaninger in Fasching/Konecny, ZPO3 § 607 Rz 20). Damit steht er einer Bekämpfung des Endschiedsspruchs nicht entgegen. Die Nichtzustellung wirkte sich daher in keiner Weise negativ für die Klägerin aus. Ein für die Rechtsstellung der Klägerin jedenfalls irrelevanter Verfahrensmangel bei einem Zwischenschiedsspruch kann den Aufhebungsgrund des § 611 Abs 1 Z 5 ZPO nicht erfüllen.
(d) Die Klägerin macht weiters geltend, dass das Schiedsgericht die Bejahung seiner Zuständigkeit (also das Vorliegen einer Schiedsvereinbarung und die ordnungsgemäße Konstituierung des Schiedsgerichts) nicht begründet habe. Auch darin läge aber kein aufzugreifender Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public: Zwar kann das Fehlen einer Begründung zu einem wesentlichen Streitpunkt einen Aufhebungsgrund bilden (18 OCg 3/16i, ecolex 2017, 130 [Peters 127 ff]). Das gilt aber richtigerweise dann nicht, wenn sich die fehlende Begründung auf Umstände bezieht, die ohnehin auch das Gericht im Aufhebungsverfahren in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu prüfen hat, ohne dabei an die schiedsgerichtliche Entscheidung gebunden zu sein, also insbesondere bei den hier strittigen Fragen der Gültigkeit einer Schiedsvereinbarung (§ 611 Abs 1 Z 1 ZPO) und der Bildung des Schiedsgerichts (§ 611 Abs 2 Z 4 ZPO). Wird ein solcher Aufhebungsgrund im Aufhebungsverfahren aufgrund inhaltlicher Prüfung verneint oder lässt er sich – wie hier – schon aus dem Klagevorbringen nicht ableiten, wäre es bloßer Formalismus, den Schiedsspruch dennoch wegen des Fehlens einer – sowohl für das Gericht als auch für die Parteien irrelevanten – Begründung im Schiedsspruch aufzuheben.
(e) Das behauptete Unterbleiben der Zustellung eines Protokolls mag allenfalls gegen vereinbarte Verfahrensregeln verstoßen haben. Ein Verstoß gegen Grundwertungen des österreichischen Verfahrensrechts kann darin aber schon deswegen nicht liegen, weil auch im staatlichen Zivilprozess eine Zustellung des Protokolls nur auf Antrag vorgesehen ist (§ 212 Abs 5 ZPO gegebenenfalls iVm § 212a Abs 2 ZPO). Dem liegt offenbar die Wertung des Gesetzgebers zugrunde, dass die Parteien aufgrund ihrer Teilnahme an der Verhandlung ohnehin wissen, was darin vorgekommen ist, sodass sie das Protokoll zur Wahrung ihrer Rechte nicht zwingend benötigen. Damit könnte aber auch im Schiedsverfahren die Nichtübermittlung eines Protokolls
– wenn überhaupt – nur dann den Aufhebungsgrund nach § 611 Abs 1 Z 5 ZPO verwirklichen, wenn der Aufhebungskläger die Zustellung urgiert hatte und wegen der dennoch unterbliebenen Übermittlung an der Bekämpfung des Schiedsspruchs gehindert wäre. Ein solches Vorbringen hat die Klägerin nicht erstattet.
3. Der von der Klägerin vorgebrachte Sachverhalt verwirklicht daher keinen Aufhebungsgrund iSv § 611 Abs 1 ZPO. Das führt zur Zurückweisung der Klage, ohne dass ein Verbesserungsverfahren durchzuführen wäre.
3.1. Zwar sind grundsätzlich auch Inhaltsmängel von Schriftsätzen verbesserungsfähig (§ 84 Abs 3 ZPO). Das gilt bei Rechtsmitteln allerdings nur dann, wenn ein notwendiger Inhalt fehlt (vgl § 474 Abs 2 ZPO). Hingegen sind inhaltliche Ausführungen, die wegen sachlicher Unrichtigkeit oder Unschlüssigkeit nicht zum Erfolg des Rechtsmittels führen, nach ständiger Rechtsprechung kein Grund für die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens (RIS-Justiz RS0036173). Denn fehlende Schlüssigkeit ist hier regelmäßig Ausdruck des Umstands, dass dem Rechtsmittelwerber Argumente gegen die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung fehlen; sie rechtfertigt es daher nicht, dem Rechtsmittelwerber faktisch eine Nachfrist für das Ausführen des Rechtsmittels zu setzen (G. Kodek in Fasching/Konecny3 §§ 84, 85 ZPO Rz 44 mwN). Diese Grundsätze gelten umso mehr für Rechtsmittelklagen (10 ObS 146/06b; G. Kodek in Fasching/Konecny3 §§ 84, 85 ZPO Rz 185/1), da sich solche Klagen typischerweise gegen bereits rechtskräftige und daher in noch höherem Maße in ihrem Bestand geschützte Entscheidungen richten. Verbesserungsfähig ist daher auch hier nur das Fehlen eines gesetzlich vorgeschriebenen Vorbringens, etwa der genauen Bezeichnung eines neuen Beweismittels iSv § 530 Abs 1 Z 7 ZPO (dazu 4 Ob 542/95; 7 Ob 306/01b).
3.2. Wegen der funktionalen Äquivalenz können Aufhebungsklagen auch in diesem Punkt nicht anders behandelt werden als Rechtsmittelklagen. Der bloße Umstand, dass das Gericht des Aufhebungsverfahrens – wie hier – die geltend gemachten Gründe als nicht stichhaltig ansieht, ist daher kein Grund für die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens.
4. Aus diesen Gründen ist die Klage in analoger Anwendung von § 538 ZPO als nicht zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung geeignet zurückzuweisen.
Textnummer
E122736European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:018OCG00001.18Y.0821.000Im RIS seit
03.10.2018Zuletzt aktualisiert am
19.03.2021