Entscheidungsdatum
27.07.2018Norm
BFA-VG §18 Abs5Spruch
G314 2201751-1/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag.a BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, deutscher Staatsangehöriger, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 22.06.2018, Zl. XXXX, betreffend die Erlassung eines Aufenthaltsverbots:
A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung
zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid
aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer (BF) war von Mai bis Oktober 2012 mit Nebenwohnsitz und von Dezember 2012 bis September 2013, von Dezember 2013 bis August 2014 und von 18.06.2018 bis 27.06.2018 mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet. Im Februar/März 2015 sowie im Juni/Juli 2015 verfügte er jeweils über eine Hauptwohnsitzbestätigung als Obdachloser in XXXX.
Der BF wurde in Österreich zwei Mal strafgerichtlich verurteilt. Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom 06.02.2014, XXXX, wurde er wegen des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt. Die Probezeit wurde anlässlich der Folgeverurteilung auf fünf Jahre verlängert. Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom 11.09.2015, XXXX, wurde er wegen des Vergehens der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB zu einer für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von einem Jahr und einer unbedingten Geldstrafe von 360 Tagessätzen á EUR 7 verurteilt. Die Geldstrafe wurde 2017 vollzogen. In Deutschland sollen gegen den BF mehrere polizeiliche Vormerkungen, ua wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz, bestehen.
Seit April 2017 ist gegen den BF in Österreich ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Urkundenfälschung (§ 223 Abs 1 StGB) anhängig. Im August 2017 wurde beim Bezirksgericht XXXX ein Strafantrag eingebracht. Außerdem ist der BF verdächtig, im April 2018 eine Goldmünze gestohlen zu haben. Ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen Erwerb, Besitz und Überlassung von Methamphetamin am 29.04.2018 wurde von der Staatsanwaltschaft XXXX im Hinblick auf die zu erwartende Verurteilung durch das Bezirksgericht XXXX unter Vorbehalt eingestellt.
Anfang 2018 wurde dem BF die ihm 2015 von der Bezirkshauptmannschaft XXXX erteilte Lenkberechtigung entzogen, weil er die Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen oder die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde vorzulegen, nicht befolgt hatte. Mit Strafverfügung vom 04.04.2018 wurde gegen ihn eine Geldstrafe von EUR 250 verhängt, weil er es unterlassen hatte, den über die entzogene Lenkberechtigung ausgestellten Führerschein bei der Behörde abzuliefern.
Nachdem der BF am XXXX.2018 nach den Bestimmungen des UBG in das Landesklinikum XXXX eingewiesen worden war, wo er sich schon zwischen XXXX.2017 und XXXX.2018 aufgehalten hatte, wurde gegen ihn ein Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbots eingeleitet. Mit Schreiben vom 26.04.2018, das dem BF am selben Tag übergeben wurde, wurde er aufgefordert, zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbots binnen 14 Tagen Stellung zu nehmen; gleichzeitig wurden an ihn konkrete Fragen zu seinem Aufenthalt in Österreich, seinem Privat- und Familienleben und zu seinen Bindungen zu seinem Heimatstaat gerichtet. Der BF erstattete keine Stellungnahme.
Am XXXX.2018 wurde der BF in einem Personenzug von XXXX nach XXXX aufgegriffen, weil er weder ein Ticket noch einen Ausweis bei sich hatte und einen verwirrten Eindruck machte. Eine weitere polizeiliche Amtshandlung erfolgte am XXXX.2018, weil der BF ein Zelt auf fremdem Grund aufgestellt und ein Lagerfeuer entzündet hatte.
Mit dem oben genannten Bescheid wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein dreijähriges Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Das Aufenthaltsverbot wurde im Wesentlichen mit den strafgerichtlichen Verurteilungen des BF in Österreich, seinen "kriminalpolizeilichen Vormerkungen" in Österreich und Deutschland, mehreren Anzeigen (etwa wegen des Lenkens eines PKW ohne Lenkberechtigung), seinem Aufenthalt ohne Wohnsitzmeldung zwischen Juli 2015 und Juni 2018, dem Fehlen einer ordentlichen Unterkunft (er lebe in einem Zelt im Garten seiner Unterkunftgeber) sowie dem Fehlen familiärer, sozialer, beruflicher und sonstiger privater Bindungen in Österreich begründet.
Am 27.06.2018 wurde der BF nach Deutschland abgeschoben.
Gegen den Bescheid richtet sich die Beschwerde des BF mit den Anträgen, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und das Aufenthaltsverbot aufzuheben, in eventu, die Dauer auf die Dauer der Bearbeitung der Beschwerde, längstens jedoch auf sechs Monate, zu begrenzen. Er habe im Juni 2018 nicht im Garten campiert, sondern ein Zimmer im Haus seiner Unterkunftgeber bezogen. Zeitpunkt, Art und Schwere seiner Straftaten eigneten sich nicht zur Begründung eines Aufenthaltsverbots, zumal er die letzte Straftat im November 2014 begangen habe. Er sei im Bundesgebiet immer wieder einer legalen Beschäftigung nachgegangen. Eine Beschäftigung ab 30.06.2018 habe er wegen seiner Abschiebung nicht aufnehmen können. Das Aufenthaltsverbot verletzte seine Rechte nach Art 8 EMRK. Wesentliche Aspekte, mit denen die Erlassung des Aufenthaltsverbots und dessen Dauer begründet worden seien, seien unzutreffend.
Das BFA legte die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo diese am 25.07.2018 einlangten.
Das BFA führte keine Erhebungen über eine allfällige Erwerbstätigkeit des BF im Bundesgebiet (oder andere Gründe für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht) durch. In den vorgelegten Akten befindet sich insbesondere kein Versicherungsdatenauszug des BF. Ebensowenig liegen Ausfertigungen der Strafurteile des Landesgerichts XXXX und des Landesgerichts XXXX oder andere Beweismittel, aus denen hervorgeht, welche konkreten Taten den Verurteilungen des BF zugrunde lagen, vor. Das BFA unterließ Ermittlungen darüber, wann er die Straftaten beging, welche Erschwerungs- und Milderungsgründe jeweils vorlagen und wie er sich seit der Tatbegehung bzw. nach der Verurteilung verhielt. In diesem Zusammenhang wurde z.B. auch der Grund für die Unterbringung(en) des BF nach dem UGB (Selbst- oder Fremdgefährdung) nicht erhoben. Es sind auch keine Informationen über allfällige strafgerichtliche Verurteilungen des BF in Deutschland, über Verwaltungsübertretungen (über die Strafverfügung vom 04.04.2018 hinaus) oder über den Stand des aktuell in Österreich gegen ihn geführten Strafverfahrens aktenkundig.
Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Sachverhalt ergibt sich aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des Gerichtsakts des BVwG. Entscheidungswesentliche Widersprüche liegen nicht vor.
Die (Wohnsitz-) Meldungen des BF gehen aus dem Zentralen Melderegister (ZMR) hervor, seine strafgerichtlichen Verurteilungen in Österreich aus dem Strafregister.
Es liegen keine aussagekräftigen Beweismittel zu allfälligen strafgerichtlichen Verurteilungen des BF in Deutschland vor. Aus "kriminalpolizeilichen Vormerkungen" kann nicht mit der für eine entsprechende Feststellung erforderlichen Sicherheit darauf geschlossen werden, dass der BF straffällig wurde (zumal den vorgelegten Akten auch keine Informationen über den konkreten Inhalt der "Vormerkungen" des BF in seinem Herkunftsstaat entnommen werden können).
Die Feststellungen zum derzeit gegen den BF in Österreich anhängigen Strafverfahren ergeben sich aus den vorliegenden Polizeiberichten sowie aus den Mitteilungen der Staatsanwaltschaft XXXX.
Der Bescheid über den Entzug der Lenkberechtigung und die Strafverfügung vom 04.04.2018 sind aktenkundig. Die Unterbringung des BF im Landesklinikum XXXX kann anhand des E-Mails der PI XXXX vom 25.04.2018 festgestellt werden. Die Amtshandlungen vom XXXX.2018 und vom XXXX.2018 ergeben sich aus den vorliegenden polizeilichen Sachverhaltsdarstellungen.
Die Abschiebung des BF ergibt sich aus dem E-Mail vom 27.06.2018 und ist im Fremdenregister dokumentiert.
Aufgrund der vorliegenden Ermittlungsergebnisse kann nicht festgestellt werden, seit wann sich der BF kontinuierlich in Österreich aufhielt, ob er hier einer legalen Erwerbstätigkeit nachging, auf Arbeitssuche war oder wie er sonst seinen Lebensunterhalt finanzierte, ob er in Deutschland strafgerichtlich verurteilt wurde und ob ihm weitere Verwaltungsübertretungen anzulasten sind. Es liegen keine Beweismittel für die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung, der BF habe wiederholt ein Kraftfahrzeug trotz entzogener Lenkberechtigung gelenkt, vor. Auch der aktuelle Stand oder der Ausgang des gegen den BF geführten Strafverfahrens geht aus dem Inhalt der vorgelegten Akten nicht hervor.
Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
Aufgrund der in § 18 Abs 5 BFA-VG nunmehr auch ausdrücklich angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag des BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen.
Zu Spruchteil B):
Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG (Bescheidbeschwerden) in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2). Gemäß § 28 Abs 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Bescheidbeschwerden in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist dann an die rechtliche Beurteilung gebunden, von der das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Die Zurückverweisungsmöglichkeit gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG ist eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte. Eine Aufhebung des Bescheides kommt nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht oder seine Feststellung durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Behörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Behörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.
Die Verwaltungsgerichte haben nicht nur bei Vorliegen der in den Z 1 und Z 2 des § 28 Abs 2 VwGVG genannten Voraussetzungen in der Sache selbst zu entscheiden, sondern nach Maßgabe des § 28 Abs 3 VwGVG grundsätzlich auch dann, wenn trotz Fehlens dieser Voraussetzungen die Verwaltungsbehörde dem nicht unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063). Wenn die Behörde den entscheidungswesentlichen Sachverhalt unzureichend festgestellt hat, indem sie keine für die Sachentscheidung brauchbaren Ermittlungsergebnisse geliefert hat, ist eine Zurückverweisung gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG zulässig (VwGH 28.03.2017, Ro 2016/09/0009).
Ausgehend von diesen Grundsätzen liegen hier die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung durch das BVwG nicht vor. Weder steht der maßgebliche Sachverhalt fest noch würde seine Feststellung durch das Gericht die Prozessökonomie fördern. Es liegen vielmehr gravierende Ermittlungslücken vor, die Erhebungen notwendig machen, die das BFA als Spezialbehörde rascher und effizienter nachholen kann.
Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose zu erstellen, bei der das Gesamtverhalten des Betroffenen in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH 2013/22/0309). Ein Gesinnungswandel eines Straftäters, der die von ihm ausgehende Gefährdung aufheben oder maßgeblich mindern kann, grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem allfälligen Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (vgl VwGH Ra 2016/21/0233).
Es sind daher - auch ohne dass der BF die geforderte Stellungnahme abgibt ? jedenfalls Ermittlungen darüber durchzuführen, welche Straftaten seinen Verurteilungen zugrunde liegen, welche Strafzumessungsgründe für die verhängten Sanktionen ausschlaggebend waren und wie sich der BF seit seinen Straftaten, die nun schon mehrere Jahre zurückliegen, verhalten hat, um eine entsprechende Gefährdungsprognose erstellen zu können. Dabei sind auch allfällige Verurteilungen in Deutschland und dort gegen den BF erlassene strafgerichtliche Sanktionen sowie allfällige (schwerwiegende) Verwaltungsübertretungen einzubeziehen. In die Gefährdungsprognose ist auch einzubeziehen, wann und warum der BF nach dem UBG untergebracht war, insbesondere, ob dies wegen Selbst- oder wegen Fremdgefährdung erfolgte. Es ist auch notwendig, zu erheben, ob und bejahendenfalls wie lange er die Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet erfüllte (vgl dazu insbesondere §§ 51 ff NAG). Da er erstmals 2012 mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet war, hätten Feststellungen zum anzuwendenden Gefährdungsmaßstab (§ 67 Abs 1 Satz 1 bis 4 FPG oder § 66 Abs 1 letzter Satz FPG) getroffen werden müssen.
Das BFA hätte daher zumindest Ausfertigungen der Strafurteile des Landesgerichts XXXX und des Landesgerichts XXXX beischaffen müssen, um verlässlich beurteilen zu können, welcher konkreter Taten er rechtskräftig für schuldig erkannt wurde, welche Erschwerungs- und Milderungsgründe für die Sanktionen maßgeblich waren und welche Zeit seither verstrichen ist. Außerdem hätten der ECRIS-Auszug des BF aus Deutschland sowie konkrete Informationen über ihm anzulastende Verwaltungsübertretungen und eine allenfalls von ihm ausgehende Fremdgefährdung beschafft werden müssen, soweit diese Umstände zur Begründung des Aufenthaltsverbots herangezogen werden sollen. Das BFA hat überdies zu erheben, ab wann sich der BF kontinuierlich in Österreich aufhielt und ob und wann ihm ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zukam; in diesem Zusammenhang hätte zumindest ein Versicherungsdatenauszug erstellt werden müssen. Für die Gefährdungsprognose ist auch der aktuelle Stand des gegen den BF anhängigen Strafverfahrens zu erheben oder (zweckmäßigerweise) dessen Ausgang abzuwarten. In diesem Zusammenhang hätten zumindest der bereits vorliegende Strafantrag beigeschafft und die Verantwortung des BF zu den ihm vorgeworfenen Taten erhoben werden müssen.
Im angefochtenen Bescheid wurde nicht dargelegt, auf Basis welcher Beweismittel und welcher beweiswürdigenden Überlegungen das BFA zu dem Schluss kam, dass vom BF auf Basis des anzuwendenden Gefährdungsmaßstabs eine solche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit ausgeht, dass ein dreijähriges Aufenthaltsverbot erforderlich ist. Auf der Grundlage der bisherigen Ermittlungen ist keine abschließende rechtliche Beurteilung des Sachverhalts möglich; dieser ist vielmehr in wesentlichen Teilen ergänzungsbedürftig.
Da zur Klärung des relevanten Sachverhalts zusätzliche Ermittlungen und die Kontaktaufnahme mit diversen Behörden notwendig sein werden und dadurch bedingte Weiterungen des Verfahrens nicht ausgeschlossen werden können, führt es weder zu einer Kostenersparnis noch zu einer Verfahrensbeschleunigung, wenn das BVwG die Erhebungen selbst durchführt, zumal zu tragenden Sachverhaltselementen überhaupt keine Beweisergebnisse vorliegen.
Das BFA wird sich im fortgesetzten Verfahren eingehend mit der Aufenthaltsdauer des BF im Bundesgebiet und der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts, dem anzuwendenden Gefährdungsmaßstab, den konkreten Straftaten des BF und seinem Verhalten seither auseinanderzusetzen haben und in diesem Zusammenhang die erforderlichen Ermittlungsschritte vorzunehmen haben, um anschließend auf dieser erweiterten Grundlage eine mangelfrei begründete Sachentscheidung zu treffen. Der angefochtene Bescheid ist daher gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an das BFA zurückzuverweisen.
Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG, weil schon aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Zu Spruchteil C):
Die Revision war wegen der Einzelfallbezogenheit der Entscheidung über die Anwendung des § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG begründet, nicht zuzulassen (siehe z.B. VwGH 25.01.2017, Ra 2016/12/0109).
Schlagworte
Antragsbegehren, aufschiebende Wirkung, Begründungsmangel,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:G314.2201751.1.00Zuletzt aktualisiert am
13.09.2018