Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1997 §4;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 98/01/0424Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Pelant und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde 1. der S H in R, geboren am 12. Oktober 1975, und 2. der D H in R, geboren am 14. Oktober 1996, die Zweitbeschwerdeführerin vertreten durch die Erstbeschwerdeführerin, diese vertreten durch Dr. Herbert Gradl, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Domgasse 2, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates je vom 4. August 1998, Zlen. 203.716/6-IV/10/98 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin) und 203.718/6-IV/10/98 (betreffend die Zweitbeschwerdeführerin), betreffend Behebung der den Asylantrag der Erstbeschwerdeführerin zurückweisenden und den Asylerstreckungsantrag der Zweitbeschwerdeführerin abweisenden Bescheide des Bundesasylamtes und Wiederaufnahme dieser Verfahren, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerinnen haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Erstbeschwerdeführerin, eine jugoslawische Staatsangehörige, die am 29. April 1998 in das Bundesgebiet eingereist ist, stellte am selben Tag einen Asylantrag. Die Zweitbeschwerdeführerin, die Tochter der Erstbeschwerdeführerin, reiste mit dieser gemeinsam ein und stellte am 30. April 1998 einen Antrag auf Erstreckung des ihrer Mutter zu gewährenden Asyls.
Mit Bescheiden je vom 9. Juni 1998 wies das Bundesasylamt den Asylantrag der Erstbeschwerdeführerin gemäß § 4 Abs. 1 Asylgesetz 1997 - AsylG, BGBl. I Nr. 76, zurück und den Erstreckungsantrag der Zweitbeschwerdeführerin - nach Verzicht auf Umdeutung in einen eigenen Asylantrag - gemäß § 11 Abs. 2 leg. cit. ab. Die Erstbeschwerdeführerin erhob gegen die Zurückweisung ihres Asylantrages binnen zwei Tagen - somit rechtzeitig gemäß § 32 Abs. 1 AsylG in der damals geltenden Fassung vor Aufhebung der Wortfolge "§ 4 und" durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 24. Juni 1998, G 31/98 u.a. Zlen. - Berufung. Damit galt gemäß § 32 Abs. 1 letzter Satz AsylG auch der den Erstreckungsantrag der Zweitbeschwerdeführerin abweisende Bescheid als angefochten.
Die belangte Behörde hat in der mündlichen Verhandlung vom 24. Juni 1998 diese beiden Verfahren miteinander verbunden. Im Protokoll über diese Verhandlung, in der die Beschwerdeführerinnen durch einen Rechtsanwalt vertreten waren, findet sich folgende Passage:
"Im eigenen Namen sowie namens mj. Dorentina wird nach ausführlicher Rechtsbelehrung, insbesondere hinsichtlich des Tatbestandes, dass ein Antrag auf Aufenthaltstitel seit 2 Jahren gestellt wurde und noch nicht erledigt ist, die Entscheidung gefasst, unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Geltendmachung eines fremdenpolizeilichen Aufenthaltstitels und (kumulativer) Geltendmachung eines in diesem Verfahren nicht gegenständlichen Abschiebungsschutzes gem. § 57 FremdenG vor der jeweils zuständigen Behörde erster Instanz der gegenständliche Asylantrag dem Grunde nach
zurückgezogen"
Am 15. Juli 1998 langte bei der belangten Behörde der Wiederaufnahmsantrag der beiden Beschwerdeführerinnen mit folgendem Inhalt ein:
"Anlässlich der Verhandlung vor dem UBAS vom 24.8.1998 wurde der Asylantrag zurückgezogen, wie wohl dieser Tage vom Verfassungsgerichtshof die Bestimmung der Entscheidungsverpflichtung innerhalb von 48 Stunden als verfassungswidrig aufgehoben wurde. Wir sind daher einem Sach- und Rechtsirrtum unterlegen und beantragen hiemit die Wiederaufnahme des Verfahrens, zumal die Zurückziehung des Asylantrages wenn nicht gesetzwidrig, so doch verfassungswidrig war ..."
Mit den beiden für jede Beschwerdeführerin gesondert ergangenen, jedoch inhaltsgleichen Bescheiden vom 4. August 1998 hat die belangte Behörde in Erledigung der Berufung der jeweiligen Beschwerdeführerin den jeweils bekämpften Bescheid des Bundesasylamtes ersatzlos behoben (Spruchpunkt I) und den Wiederaufnahmsantrag zurückgewiesen (Spruchpunkt II).
In der Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass es aufgrund der Zurückziehung des Asylantrages (bzw. Asylerstreckungsantrages) an einer für das Asylverfahren notwendigen Voraussetzung mangle. In einem solchen Fall sei der mit Berufung bekämpfte Bescheid ersatzlos zu beheben. Eine Wiederaufnahme komme schon deshalb nicht in Betracht, weil kein durch Bescheid abgeschlossenes Asylverfahren vorliege. Überdies sei die Aufhebung der Wortfolge in § 32 Abs. 1 AsylG betreffend die zweitägige Berufungsfrist gegen die Zurückweisung von Asylanträgen gemäß § 4 leg. cit. nicht kausal für die Rückziehung der Anträge gewesen.
Über die gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die Beschwerdeführerinnen stellen nicht in Frage, durch die bei der mündlichen Verhandlung vom 24. Juni 1998 abgegebene Erklärung sowohl den Asylantrag der Erstbeschwerdeführerin als auch den Erstreckungsantrag der Zweitbeschwerdeführerin zurückgezogen zu haben. Sie führen auch keine Argumente gegen die im Hinblick auf das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 1984, Zl. 82/07/0020, unbedenkliche Auffassung der belangten Behörde, dass in einem derartigen Fall der erstinstanzliche Bescheid von der Berufungsbehörde ersatzlos zu beheben sei, ins Treffen.
Gemäß § 69 Abs. 1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen diesen Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:
1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist oder
2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder
3. der Bescheid gemäß § 38 AVG von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.
Vorliegend wurden die über den Asylantrag der Erstbeschwerdeführerin und den Erstreckungsantrag der Zweitbeschwerdeführerin ergangenen erstinstanzlichen Bescheide aufgrund der Zurückziehung der zu Grunde liegenden Anträge jeweils mit Punkt I der angefochtenen Bescheide ersatzlos behoben. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist auch die Wiederaufnahme eines durch einen letztinstanzlichen, rein aufhebenden Bescheid abgeschlossenen Verfahrens möglich (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 1998, E 23 zu § 69 AVG, zitierte hg. Judikatur). Dies käme in einem Fall wie dem vorliegenden etwa dann in Betracht, wenn die Antragsrückziehung durch eine strafbare Handlung herbeigeführt worden wäre.
Für die Zulässigkeit eines Wiederaufnahmsantrages ist erforderlich, dass das wiederaufzunehmende Verfahren bereits im Zeitpunkt der Stellung des Wiederaufnahmsantrages durch rechtskräftigen Bescheid abgeschlossen ist. Ein Wiederaufnahmsantrag, der vor rechtskräftigem Abschluss jenes Verfahrens gestellt wird, dessen Wiederaufnahme begehrt wird, ist auch dann als unzulässig zurückzuweisen, wenn noch vor der Entscheidung über den Wiederaufnahmsantrag das Hauptverfahren rechtskräftig abgeschlossen wurde (vgl. die bei Walter/Thienel a. a.O., E 21 zu § 69 AVG wiedergegebene hg. Judikatur).
Da vorliegend der Wiederaufnahmsantrag bereits am 15. Juli 1998, somit vor Erlassung der angefochtenen, mit ihren Spruchpunkten I das Verfahren beendenden Bescheide, eingebracht wurde, hat ihn die belangte Behörde schon aus diesem Grund im Ergebnis zu Recht als unzulässig zurückgewiesen.
Hinzugefügt sei, dass die Beschwerdeführerinnen auch keinen der in § 69 Abs. 1 AVG aufgezählten Wiederaufnahmsgründe geltend gemacht haben. Das bereits zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 24. Juni 1998, womit die zweitägige Berufungsfrist gegen zurückweisende Asylbescheide gemäß § 4 AsylG aufgehoben wurde, stellt weder eine "neue Tatsache" im Sinn von § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG (vgl. die bei Walter/Thienel, a.a.O., E 169 zu § 69 AVG wiedergegebene hg. Judikatur) noch eine Vorfragenentscheidung im Sinn von § 69 Abs. 1 Z. 3 AVG (vgl. die bei Walter/Thienel, a.a.O., E 239 zu § 69 AVG wiedergegebene hg. Judikatur) dar.
Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 22. Dezember 1999
Schlagworte
Neu hervorgekommene entstandene Beweise und Tatsachen nova reperta nova productaEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998010423.X00Im RIS seit
03.04.2001