TE Vwgh Erkenntnis 1988/9/22 88/06/0034

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Veröffentlicht am 22.09.1988
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Index

L03507 Gemeindewahl Bürgermeisterwahl Tirol;
L10017 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Tirol;
L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L82007 Bauordnung Tirol;
L85007 Straßen Tirol;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §68 Abs1;
BauO Tir 1978 §18;
GdO Tir 1966 §38 idF 1973/008;
GdWO Tir §67 Abs4 idF 1980/004;
LStG Tir 1951 §37 Abs2 idF 1970/010;
LStG Tir 1951 §50 Abs1 idF 1970/010;
LStG Tir 1951 §54 idF 1970/010;
VwGG §30 Abs2;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):88/06/0035

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Mag. Onder, DDr. Hauer, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hinterwirth, über die Beschwerden des LW in S, vertreten durch Dr. Siegfried Dillersberger, Rechtsanwalt in Kufstein, Maderspergerstraße 8/I, gegen die Bescheide der Tiroler Landesregierung

I) vom 12. Juni 1986, Zl. IIbl-L-1290/5-1986, betreffend Enteignung eines Privatweges (mitbeteiligte Partei: Gemeinde S, vertreten durch den Bürgermeister) (protokolliert zu Zl. 88/06/0035), und II) vom 26. Jänner 1987, Zl. IIb1-L-1290/11-1987, betreffend straßenbaurechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde S, vertreten durch den Bürgermeister) (protokolliert zu Zl. 88/06/0034), zu Recht erkannt:

Spruch

I) Der mit der zu Zl. 88/06/0035 protokollierten Beschwerde angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II) Die zu Zl. 88/06/0034 protokollierte Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 12. Mai 1980 war öffentlich kundgemacht worden, der Gemeinderat der mitbeteiligten Partei habe in seiner Sitzung vom 8. Mai 1980 einstimmig beschlossen, daß gemäß § 37 Abs. 2 lit. a des Tiroler Straßengesetzes u.a. für die schon seit längerer Zeit bestehende Straße Strecke "von Abzweigung Sägewerk NN bis PA (Gp. 195/8), KG S" "die Eigenschaft und Öffentlichkeit als Gemeindestraße festgestellt bzw. zuerkannt" werde. Wer gegen den Gemeinderatsbeschluß Einspruch erheben wolle, müsse dies innerhalb von zwei Wochen tun. Eine Ausfertigung des Beschlusses als Bescheid ist der Aktenlage nach unterblieben. Wohl aber erhob der Beschwerdeführer "Einspruch" gegen die Feststellung, daß das genannte Wegstück öffentlich sei. Dieser "Einspruch" wurde der Bezirkshauptmannschaft zur Entscheidung vorgelegt, die nach der Aktenlage darüber nicht entschieden hat. Nach einer späteren Mitteilung ist die Beschwerde ihr gar nicht zugekommen.

In der Folge fanden Verhandlungen zwischen der Gemeinde und dem Beschwerdeführer statt, die im wesentlichen an der Forderung des Beschwerdeführers nach entsprechenden Lärmschutzmaßnahmen gegen das seinem Bruder gehörige Sägewerk scheiterten; die Gemeinde lehnte dies nämlich wegen der dadurch befürchteten weiteren Verengung des Weges ab.

Der auf Grund eines nicht aktenkundigen Ansuchens der mitbeteiligten Gemeinde ergangene Bescheid des Bürgermeisters vom 6. November 1984 über die Bewilligung zum Ausbau des genannten Straßenstückes auf 5 m mit je 0,50 m Bankett wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes vom 1. August 1985 auf Grund einer Berufung des Beschwerdeführers aufgehoben und die Angelegenheit an die erste Instanz zurückverwiesen. Eine Begründung wurde deshalb nicht gegeben, weil "dem Antrag des Berufungswerbers vollinhaltlich Rechnung getragen" worden sei.

Am 10. Oktober 1985 beschloß der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde, für das genannte Wegstück im Eigentum des Beschwerdeführers (ca. 173 lfm) das Grundeinlösungsverfahren (Enteignungsverfahren) einzuleiten. Dies wurde am 16. Oktober 1985 kundgemacht und gleichzeitig bei der belangten Behörde der Antrag auf Einleitung des Grundeinlösungsverfahrens betreffend die Gp. 195/8 "zum Zwecke der Erstellung einer Gemeindestraße" gestellt.

Hierüber beraumte die belangte Behörde zunächst für 12. November 1985 eine mündliche Verhandlung an, die sie auf Antrag des zu der Zeit bereits rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführers auf den 6. Februar 1986 verlegte. In seinen mit dem Vertagungsantrag verbundenen Einwendungen wies der Beschwerdeführer darauf hin, daß gegen alle Gemeinderatsbeschlüsse Aufsichtsbeschwerden eingebracht worden seien, über diese jedoch noch keine Entscheidung ergangen sei. Überdies sei "die gegenständliche Angelegenheit" auch bei anderen Behörden anhängig.

Bei der mündlichen Verhandlung am 6. Februar 1986 war trotz ordnungsgemäßer Ladung auch des Beschwerdevertreters lediglich der Beschwerdeführer persönlich anwesend. Dabei wurde klargestellt, daß Gegenstand der Verhandlung im Gegensatz zur Kundmachung nicht 1060 m2 seien, sondern lediglich der im Lageplan ausgewiesene Bestand (Fläche zwischen den gelben Linien im blauen Feld) enteignet werden solle.

Der anwesende Grundsachverständige führte aus, daß es sich bei der zu enteignenden Fläche um einen ca. 3 m breiten, von der Gemeinde asphaltierten und öffentlich benützbaren Weg handle, der bereits im Verordnungsplan Zl. VId 3 39/9 vom 11. Dezember 1961 als Fläche mit Bauverbot für Bauten aller Art und im gültigen Bebauungsplan der mitbeteiligten Gemeinde Nr. B 21/01 vom 10. Mai 1981 als Verkehrsfläche ausgewiesen sei. Diese Fläche könne niemals baulich oder landwirtschaftlich genutzt als Lagerplatz verwendet werden und sei daher als "private Verkehrsfläche" einzustufen.

Zur Vorlage eines verbücherungsfähigen Planes wurde dann die Verhandlung unterbrochen und nach Vorlage der Pläne durch die mitbeteiligte Gemeinde die mündliche Verhandlung für den 30. April 1986 anberaumt; die Ladung wurde am 18. April 1986 dem Beschwerdevertreter zugestellt. Wegen Abwesenheit des Vertreters zu diesem Zeitpunkt und der zu kurzen Vorbereitungszeit des Beschwerdeführers selbst wurde die Vertagung der Verhandlung auf einen späteren Termin beantragt, vorsichtshalber wurden aber nachstehende Einwendungen erhoben:

a) Die Enteignung einer Gemeindestraße setze eine rechtskräftige Straßenbaubewilligung voraus, die nicht vorliege.

b) Die Tiroler Landesregierung sei zur Verhandlung nicht zuständig, da die Grundflächen, die für die Herstellung der Gemeindestraße benötigt würden, im Bebauungsplan als Verkehrsfläche ausgewiesen seien. In einem solchen Fall habe gemäß § 18 Abs. 2 TBO der Bürgermeister im übertragenen Wirkungsbereich zu entscheiden, welche Grundflächen abzutreten seien. Tatsächlich sei auch ein Baubewilligungsverfahren beim Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde anhängig.

c) Der Beschwerdeführer habe gegen den Gemeinderatsbeschluß, mit welchem für einen Teil der zu enteignenden Grundfläche die Eigenschaft und Öffentlichkeit als Gemeindestraße festgestellt worden sei, Aufsichtsbeschwerde erhoben, die bisher noch nicht erledigt sei. Ebenso sei gegen den Beschluß auf Einleitung des Grundeinlösungsverfahrens eine nicht erledigte Aufsichtsbeschwerde erhoben worden. Dasselbe gelte für die Aufsichtsbeschwerde gegen den Beschluß des Gemeinderates betreffend Ausbau des Straßenstückes.

d) Zwischen dem Beschwerdeführer und der mitbeteiligten Gemeinde sei grundsätzlich eine Einigung darin erzielt worden, daß unter der Voraussetzung einer angemessenen Ablöse und der Zustimmung zur Bepflanzung mit Bäumen an der Grundgrenze der zukünftigen Straße der Beschwerdeführer dem Bauvorhaben zustimme. Dieser Gemeinderatsbeschluß sei nicht vollzogen worden, sodaß der Beschluß vom 10. Oktober 1985, der zur Verhandlung geführt habe, auf einer offensichtlich unrichtigen Auffassung bzw. Information der Gemeinderäte der mitbeteiligten Gemeinde beruhe.

e) Am 16. März 1986 hätten Gemeinderatswahlen stattgefunden, wodurch sich die personelle Zusammensetzung des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde geändert habe. Es stehe daher gar nicht fest, daß die Anträge dem Willen der Mehrheit des (neuen) Gemeinderates entsprächen.

Da bei der mündlichen Verhandlung am 30. April 1986 der Beschwerdevertreter nicht erschienen war, wurde dem persönlich erschienenen Beschwerdeführer lediglich erklärt, daß auf Grund der Aktenlage entschieden werde.

Mit dem nunmehr zu Zl. 88/06/0035 angefochtenen Bescheid der Tiroler Landesregierung wurde über den Antrag der mitbeteiligten Gemeinde auf Enteignung des bestehenden Privatweges Gp. 195/8, EZ. 263/11, KG S, im Ausmaß von 587 m2 dahin entschieden, daß diese Teilfläche zugunsten der mitbeteiligten Gemeinde für dauernd lastenfrei enteignet erklärt werde. Die für die enteignete Fläche zu leistende Entschädigung werde mit S 20,-- pro m2 festgesetzt. Die Einwendungen des Beschwerdeführers wurden als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Verhandlung habe ergeben, daß der gemäß § 37 Abs. 2 lit. b des Tiroler Straßengesetzes erforderliche Beschluß rechtmäßig gefaßt worden sei und die Voraussetzungen für die Enteignung gegeben seien, zumal der bestehende Weg für den öffentlichen Verkehr benötigt werde und diesem auch bereits diene. Zu den Einwendungen des Beschwerdeführers führte die belangte Behörde aus, daß nicht eine Gemeindestraße enteignet werde und es sich auch nicht um die Herstellung einer Gemeindestraße handle, sondern um die Umwidmung in eine solche, wofür die Zuständigkeit der Landesregierung gegeben sei. Einer Beschwerdeführung gegen den Gemeinderatsbeschluß komme "keine Rechtswirksamkeit" zu, eine Entscheidung darüber sei nicht abzuwarten, zumal die Beschwerde als unbegründet zu beurteilen sei. Punkt d) schließlich könne erst beim geplanten Ausbau der Gemeindestraße von Relevanz sein; das Ansinnen, den inzwischen neu gewählten Gemeinderat mit neuerlicher Beschlußfassung zu befassen, sei durch keine Norm gedeckt. Die Festsetzung der Entschädigung sei auf Grund des Gutachtens des Sachverständigen erfolgt.

Gegen diesen ihm am 1. Juli 1986 zugestellten Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluß vom 29. November 1986, B 769/86, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Während des Enteignungsverfahrens betreffend den bestehenden Privatweg wurde auch das Verfahren über die Baubewilligung für den Ausbau der Gemeindestraße fortgesetzt; der Gemeinderat beschloß in seiner Sitzung vom 10. Juli 1986, das Wegstück auf insgesamt 6 m Breite (5 m Fahrbahn plus jeweils 0,5 m Bankette) auszubauen. Bei der darüber anberaumten mündlichen Verhandlung am 30. Juli 1986 legte der Bausachverständige eine schriftliche Stellungnahme zum Bauvorhaben vor, die sich allerdings nur auf die Durchführung der Arbeiten bezog. Die durch den Vizebürgermeister vertretene mitbeteiligte Gemeinde führte aus, daß sie schon lange Zeit versucht habe, den Vorstellungen des Beschwerdeführers über verschiedene Lärmschutzmaßnahmen nachzukommen, wodurch jedoch Rechte Dritter berührt würden, die ihre Zustimmung verweigerten. Der Weg sei seit Menschengedenken ein Privatweg mit öffentlichem Verkehr, die Gemeinde habe sowohl den Ausbau als auch die Erhaltung entschädigungslos durchgeführt. Mit Bescheid vom 12. Juni 1986 habe die Tiroler Landesregierung die Enteignung der bestehenden Verkehrsfläche im Ausmaß von 587 m2 ausgesprochen. In der Zwischenzeit habe der Beschwerdeführer den bestehenden und enteigneten Weg mit ca. 20 cm starken Pfosten abgegrenzt, die eine starke Gefährdung des öffentlichen Verkehrs auf dieser Strecke darstellten. Die vom Beschwerdeführer angesprochene Bestätigung sei vom Bürgermeister und dessen Stellvertreter deshalb nicht unterfertigt worden, weil sie inzwischen Kenntnis vom Bescheid über die letzte gewerberechtliche Überprüfung erlangt hätten, wonach entgegen den Aussagen des Beschwerdeführers zwischen allen Anrainern eine einvernehmliche Lösung über Lärmschutzmaßnahmen erzielt worden sei.

Der Beschwerdeführer brachte vor, daß es sich beim Ausbau des Weges bzw. der Straße nicht um den Ausbau eines Gemeindeweges bzw. einer Gemeindestraße, sondern es sich bei den fraglichen Grundflächen teils um seinen Privatweg, teils überhaupt um private Flächen des Beschwerdeführers ohne Wegcharakter handle. Es treffe zwar zu, daß der Gemeinderat am 8. Mai 1980 für die Wegstrecke die Eigenschaft und Öffentlichkeit als Gemeindestraße festgestellt bzw. zuerkannt habe. Dieser Beschluß sei gemäß § 37 Abs. 2 lit. b des Tiroler Straßengesetzes noch nicht rechtskräftig, da der Beschluß erst mit Rechtskraft des Enteignungsbescheides in Kraft treten könnte. Es liege wohl ein Enteignungsbescheid der Landesregierung hinsichtlich einer nicht näher bezeichneten Teilfläche von 587 m2 aus Gp. 195/8, KG S, vor, dieser Bescheid sei aber noch nicht rechtskräftig, da die Frist zur Einbringung der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw. den Verwaltungsgerichtshof noch offen sei, und der Beschwerdeführer werde sie mit dem Antrag, ihr aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, unverzüglich einbringen.

Da somit bisher nicht einmal der Beschluß des Gemeinderates, der den Privatweg des Beschwerdeführers für den öffentlichen Verkehr gewidmet habe, rechtskräftig sei, werde der Antrag gestellt, die Verhandlung unverzüglich abzubrechen. Der Beschluß des Gemeinderates vom 8. Mai 1980 sei aber auch deshalb nicht rechtskräftig, weil der Beschwerdeführer gegen ihn Einspruch erhoben habe und hierüber noch nicht entschieden worden sei. Weiters sei der Antrag auf Ausbau des Straßenstückes vom Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde für diese gestellt worden. Es widerspreche aber jedenfalls der Bestimmung des § 7 AVG 1950, wenn Antragsteller und Behörde ein und dieselbe Person seien. Erst mit Beschluß vom 10. Juli 1986 habe der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde beschlossen, das Wegstück auf insgesamt 6 m Breite auszubauen und die benötigte Grundfläche abzulösen bzw. einzulösen. Gegen diesen Beschluß habe der Beschwerdeführer Einspruch (Aufsichtsbeschwerde) eingebracht, über den ebenfalls noch nicht entschieden worden sei, sodaß ein rechtsgültiger Gemeinderatsbeschluß zum Ausbau des Wegstückes nicht vorliege. Schließlich hätten zwischen ihm und dem Bürgermeisterstellvertreter für die mitbeteiligte Gemeinde Verhandlungen stattgefunden und es sei in der Gemeinderatssitzung vom 23. Mai 1985 über die Bereitschaft des Beschwerdeführers, den benötigten Grund abzutreten und dem Projekt zuzustimmen, berichtet worden, falls ihm von der Gemeinde schriftlich bestätigt werde, daß das Straßenprojekt aufliege und einer Bepflanzung mit Bäumen an der Grundgrenze zur zukünftigen Straße seitens der Gemeinde nichts im Wege stehe. Obwohl dieser Beschluß vom 23. Mai 1985 lediglich durch die Ausstellung einer entsprechenden Bestätigung hätte vollzogen werden müssen bzw. es der antragstellenden Gemeinde freigestanden wäre, ihr Projekt entsprechend zu modifizieren, um so dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zu geben, dem Projekt zuzustimmen, sei dies bisher nicht geschehen. Es handle sich beim Bürgermeister um ein völlig unverständliches Verhalten, da es nur um die vom Beschwerdeführer gewünschte Bepflanzung gehe. Dies sei umso unerklärlicher, als der Beschwerdeführer sich ausschließlich um Lärmschutzmaßnahmen bemühe, hinsichtlich derer zwischen ihm und dem Bürgermeisterstellvertreter bereits eine Einigung erzielt worden sei, die aber nunmehr vom Bürgermeister und dessen Stellvertreter ständig unterlaufen werde. Bei entsprechender Objektivität sei es sicher möglich, zu einer gütlichen Einigung zu kommen.

Mit Bescheid vom 31. Juli 1986 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde gemäß § 50 des Tiroler Straßengesetzes die Bewilligung zum Ausbau der Gemeindestraße auf der Teilstrecke Sägewerk NN - PA unter bestimmten "Auflagen", darunter als Punkt 10, daß die geplanten Maßnahmen unverzüglich nach Baugenehmigung zu beginnen und innerhalb zweier Jahre fertigzustellen seien. Begründend verwies die Behörde auf den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 12. Juni 1986, mit dem die dauernde und lastenfreie Enteignung der bestehenden Verkehrsfläche im Ausmaß von 587 m2 aus der Gp. 195/8, KG S, zugunsten der mitbeteiligten Gemeinde ausgesprochen worden sei. Der Gemeinderat habe am 10. Juli 1986 den Ausbau dieser bestehenden Verkehrsfläche nach dem vorliegenden Projekt beschlossen. Zu den Einwendungen des Beschwerdeführers wurde darauf hingewiesen, daß der Enteignungsbescheid der Tiroler Landesregierung unabhängig von der Möglichkeit der Ergreifung außerordentlicher Rechtsmittel in Rechtskraft erwachsen sei; damit sei auch die Rechtskraft des Gemeinderatsbeschlusses über die Öffentlichkeit dieser Teilstrecke eingetreten. Der Einspruch bzw. die Aufsichtsbeschwerde gegen den Gemeinderatsbeschluß vom 8. Mai 1980 hemme dessen Rechtskraft nicht. Die Berufung auf § 7 AVG 1950 sei irrig, da die Gemeinde im Verwaltungsverfahren durch den Vizebürgermeister vertreten gewesen sei. Daß der Bürgermeister im Gemeinderat den Bauantrag gestellt habe, könne keine Befangenheit darstellen. Der Gemeinderatsbeschluß über den Ausbau sei mit Ablauf der Kundmachungsfrist in Rechtskraft erwachsen, der vom Beschwerdeführer erhobene Einspruch verhindere nicht den Eintritt der Rechtskraft. Zu den über das Verfahren hinausgehenden Einwendungen habe der Vertreter der Gemeinde hinreichend Stellung genommen. Es seien daher die Einwände des Beschwerdeführers als unbegründet abzuweisen gewesen.

In der dagegen erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer zunächst geltend, daß nicht ordnungsgemäß Parteiengehör gewährt worden sei, da der bereits in den anderen Verfahren ausgewiesene Vertreter des Beschwerdeführers zur mündlichen Verhandlung nicht geladen worden sei. Weiters wurden die bereits vom Beschwerdeführer persönlich erhobenen Einwendungen wiederholt und darauf hingewiesen, daß der Bescheid keinen Hinweis darauf enthalte, in welcher Weise sich die Gemeinde die erforderlichen Grundflächen beschaffen werde, sodaß die Festlegung im angefochtenen Bescheid, wonach die geplanten Maßnahmen unverzüglich nach Baugenehmigung zu beginnen seien, jedenfalls gesetzwidrig sei. Das Bauverfahren sei auch insofern mangelhaft geblieben, als nicht klar und eindeutig festgestellt worden sei, welche Grundflächen im einzelnen über die von der Tiroler Landesregierung enteigneten 587 m2 hinaus benötigt und in Anspruch genommen würden.

Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 3. September 1986 wurde der Berufung teilweise stattgegeben und Punkt 10 der Auflagen des Bescheides des Bürgermeisters dahin abgeändert, daß die geplanten Maßnahmen unverzüglich nach Rechtskraft der Baugenehmigung und Erfüllung der im § 56 des Tiroler Straßengesetzes erforderlichen Leistungen zu beginnen und innerhalb zweier Jahre fertigzustellen seien. Im übrigen wurde die Berufung abgewiesen. Begründend führte die Berufungsbehörde aus, daß es sich bei der Bauverhandlung um ein neues Verfahren gehandelt habe, sodaß das Parteiengehör nicht dadurch hätte verletzt werden können, daß der Parteienvertreter von der Behörde übergangen worden sei, weil in diesem Verfahren von der Partei bis zu dem Datum kein Vertreter namhaft gemacht worden sei. Es sei auch vom Bürgermeister kein Bauantrag gestellt worden, sondern vom Vizebürgermeister, der die Gemeinde in Bauverfahren vertreten habe. Richtig sei lediglich, daß im Verfahren vor einer anderen Behörde (Gemeinderat) der Bürgermeister als Mandatar an der Beschlußfassung mitgewirkt habe. Der als "Einspruch" bezeichneten Eingabe, später als Aufsichtsbeschwerde deklariert, komme keine aufschiebende Wirkung zu. Die Erklärung des bestehenden Straßenteilstückes durch den Gemeinderat vom 8. Mai 1980 als öffentlich sei ebenso rechtskräftig wie der Enteignungsbescheid der Tiroler Landesregierung vom 12. Juni 1986. Die enteignete Fläche sei sehr wohl genau bezeichnet, da es sich nach den zugrunde liegenden Plänen eindeutig um die bestehende und bereits asphaltierte Straßenfläche in einer Länge von 173 lfm und dem Ausmaß von 587 m2 handle. Der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof sei auch bisher noch keine aufschiebende Wirkung zuerkannt worden. Die immer wieder vom Beschwerdeführer geforderten Lärmschutzmaßnahmen könnten im Straßenverfahren nicht berücksichtigt werden, da sie in die Zuständigkeit "des Gewerberechtes" fielen. Es sei aber trotzdem bemerkt, daß die Forderungen des Beschwerdeführers Rechte Dritter berührten, gegenüber denen die Gemeinde kein Durchsetzungsvermögen habe. Wie bereits erwähnt, sei dem Bauansuchen ein entsprechender Lage- und Grundeinlösungsplan beigelegen, aus dem eindeutig zu ersehen gewesen sei, daß für den Ausbau der bestehenden und enteigneten Verkehrsfläche über die bereits eingelösten 587 m2 hinaus vom Beschwerdeführer noch 473 m2 beansprucht würden. Der Beschwerdeführer habe vor der mündlichen Verhandlung bestätigt, über das Ausmaß der zusätzlichen Inanspruchnahme vom Grund informiert zu sein und auf eine nochmalige Absteckung der beanspruchten Fläche verzichtet. Die Feststellung des Beschwerdeführers, er sei über den Umfang der beanspruchten Grundfläche nicht im klaren gewesen, sei daher eine reine Schutzbehauptung, da sowohl im Bauverfahren als auch beim Enteignungsverfahren die Pläne aufgelegen seien und der Beschwerdeführer die Kenntnis des Umfanges vor Zeugen bestätigt habe. Lediglich zur Klarstellung sei der Punkt 10 des Bescheides des Bürgermeisters abzuändern gewesen.

Auf Grund der dagegen erhobenen Vorstellung wurde der Bescheid des Gemeindevorstandes mit Vorstellungsbescheid der Tiroler Landesregierung vom 8. Oktober 1986 aufgehoben, da der Vizebürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde, der den Antrag im behördlichen Verfahren vertreten habe, als Behördenvertreter bei der Entscheidung zweiter Instanz mitgewirkt und diesen Bescheid ausgefertigt habe. Einen weiteren Mangel stelle die Tatsache dar, daß weder im Spruch des erstinstanzlichen noch im angefochtenen Bescheid die Einlagezahl, Grundparzelle und das exakte Ausmaß der Grundbeanspruchung angeführt worden seien. Der Hinweis auf das Projekt sei in diesem Fall im Gegensatz zur Kundmachung nicht ausreichend.

Auch der daraufhin ergangene Ersatzbescheid des Gemeindevorstandes vom 15. Oktober 1986 wurde mit Bescheid vom 5. Dezember 1986 von der Gemeindeaufsichtsbehörde behoben, weil entgegen dem vorangegangenen ausdrücklichen Auftrag im Baubescheid Katastralgemeinde, Einlagezahl, Grundparzelle und exaktes Ausmaß der Beanspruchung nicht angeführt worden seien.

Daraufhin führte das älteste nicht befangene Mitglied des Gemeindevorstandes neuerlich eine mündliche Verhandlung am 30. Dezember 1986 durch, bei der die notwendige Beanspruchung durch Pflöcke in der Natur ausgewiesen wurde. Der Straßenbausachverständige wies darauf hin, daß die vorgesehene Ausbaubreite das Mindestausmaß nach der Straßenverkehrsordnung für den öffentlichen Verkehr darstelle. Der Beschwerdeführer führte durch seinen Sohn neben den schon mehrfach vorgebrachten Einwendungen aus, daß der Gemeindevorstand, da sowohl Bürgermeister als auch dessen Stellvertreter im Verfahren befangen seien, nicht mehr beschlußfähig sei (§ 38 Abs. 1 der TGO). Die Beschlußfassung gehe vielmehr in sinngemäßer Anwendung des zweiten Satzes des § 38 Abs. 3 TGO auf den Gemeinderat über, was ausdrücklich geltend gemacht werde. Wegen der bestehenden Schneelage von ca. 1,20 m sei die Ersichtlichmachung der beanspruchten Flächen in der Natur völlig unmöglich. Es werde daher aus diesem Grund die Vertagung der Verhandlung begehrt. Wegen der vom Verfassungsgerichtshof ausgesprochenen aufschiebenden Wirkung seien der Enteignungsbescheid der Tiroler Landesregierung und damit die Erklärung zur Gemeindestraße nicht wirksam geworden.

Der Sachverständige führte dazu aus, daß die Auspflockung mittels eigens markierter Schneestangen ordnungsgemäß nach den im Projekt ausgewiesenen Profilen erfolgt sei. Trotz der gegebenen Schneelage seien Zäune und Hecken sowie Bäume an den Grundgrenzen deutlich sichtbar gewesen. Es sei daher eine entsprechende Orientierung über das Ausmaß der Grundbeanspruchung auch einem Nichtortskundigen leicht möglich. Das in Rede stehende Straßenstück werde zur Zeit bereits als Gemeindestraße mit öffentlichem Verkehr einspurig genutzt, es unterliege keinen besonderen Beschränkungen. Weiters werde festgehalten, daß der Beschwerdeführer weder gegen die Notwendigkeit des Projekts noch gegen die technischen Ausbaumaßnahmen Einwand erhoben habe. Das Projekt stelle den notwendigen Ausbau einer wichtigen örtlichen Verkehrsverbindung aus Richtung A/W zum Ortsteil S bzw. zur P-Landesstraße dar. Die derzeit befestigte Straßenbreite betrage knapp 3 m. Dann regte er noch Projektsergänzungen an, die allerdings der Zustimmung der Anrainer bedürften. Bei fachgerechter Ausführung des Projektes bestehe aus straßenbaulicher und verkehrstechnischer Sicht gegen seine Verwirklichung kein Einwand.

Mit Bescheid vom 9. Jänner 1987 gab der Gemeindevorstand neuerlich der Berufung teilweise statt und änderte den Bescheid des Bürgermeisters gemäß §§ 37, 41 und 50 des Tiroler Straßengesetzes und § 66 Abs. 4 AVG 1950 wie folgt ab:

"1. Die projektsgemäße Ausführung der zur Verbreiterung der Gemeindestraße notwendigen Grundbeanspruchung betrifft die Gp. 195/8 in EZ. 263 II, KG S, im Ausmaß von 473 m2. Die hiefür erforderliche Baubewilligung wird erteilt.

2. Punkt 10 des angefochtenen Bescheides wird behoben. Im übrigen wurde der angefochtene Bescheid bestätigt."

Begründend wurde auf die Behebung der von der Gemeindeaufsichtsbehörde aufgegriffenen Mängel verwiesen. Die im Zuge der mündlichen Verhandlung vom 30. Dezember 1986 vorgetragenen Einwendungen hätten keine neuen wesentlichen Tatbestände zutage gebracht, die nicht schon vorher geltend gemacht worden seien. Die Behauptung, daß bei Schneelage das Ausmaß der Grundbeanspruchung nicht erkennbar sei, sei durch den Sachverständigen eindeutig widerlegt worden.

In der Vorstellung machte der Beschwerdeführer geltend, daß bei der mündlichen Verhandlung, abgesehen von den befangenen Mitgliedern, nur ein Mitglied und nicht der gesamte Gemeindevorstand anwesend gewesen sei. Die Durchführung der Verhandlung, die Entscheidung und der Vorsitz durch das Mitglied seien zu Unrecht erfolgt, da der Gemeindevorstand nicht mehr beschlußfähig gewesen und daher in sinngemäßer Anwendung des zweiten Satzes des § 38 Abs. 3 TGO die Zuständigkeit zur Beschlußfassung auf den Gemeinderat übergegangen sei. Weiters habe das Ansuchen der mitbeteiligten Gemeinde nicht nur die Verbreiterung der Fahrbahn, für die nun offenbar die Baubewilligung erteilt worden sei, sondern auch den Ausbau des bestehenden Straßenstückes betroffen. Dies sei aber im bekämpften Bescheid nicht vorgesehen. Schließlich widerspreche die Durchführung einer Bauverhandlung bei Witterungsverhältnissen, wie sie am 30. Dezember 1986 herrschten, den gesetzlichen Bestimmungen.

Mit dem nunmehr mit der zur Zl. 88/06/0034 protokollierten Beschwerde angefochtenen Bescheid der Landesregierung vom 26. Jänner 1987 wies die belangte Behörde die Vorstellung mangels Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers ab. Begründend wurde dazu ausgeführt, daß am 30. Dezember 1986 die mündliche Verhandlung nach den gesetzlichen Vorschriften durchgeführt und mit Beschluß des Gemeindevorstandes vom 8. Jänner 1987 der Bescheid vom 9. Jänner 1987 erlassen worden sei. Der Beschwerde sei nicht zu entnehmen, auf Grund welcher Gesetzesbestimmungen das gesamte zur Entscheidung berufene Kollegialorgan zur Leitung der mündlichen Verhandlung anwesend sein müßte. Daß aber die Beschlußfassung nicht ordnungsgemäß erfolgt sei, sei weder gerügt worden, noch ergebe sich solches aus dem Akt. Daß nicht der Gemeindevorstand, sondern der Gemeinderat zur Entscheidung berufen gewesen wäre, widerspreche nicht nur der ständigen Spruchpraxis der Tiroler Landesregierung, sondern sei auch durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Februar 1984, Zl. 83/17/0147, bestätigt worden. Der Beschwerdeführer übersehe auch, daß mit Ausnahme der Teilflächen des Beschwerdeführers bereits ein Bescheid mit Teilrechtskraft vorliege, sodaß der Gemeindevorstand nur in diesem Bereich eine Entscheidung zu fällen gehabt habe. Dem § 50 des Tiroler Straßengesetzes könne nicht entnommen werden, daß zur Durchführung der Bauverhandlung die genauen Höhenlagen und das Ausmaß der Grundbeanspruchung in der Natur ersichtlich zu machen seien.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluß vom 18. März 1987, B 168/87, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

In der Ergänzung dieser Beschwerde beantragte der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen unrichtiger Anwendung von Verfahrensvorschriften bzw. Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Er erachtet sich durch grob unrichtige Anwendung der Bestimmungen der Tiroler Gemeindeordnung über die Befangenheit und die Vertretung des Bürgermeisters und Beschlußfähigkeit sowie zufolge grob unrichtiger Anwendung des Tiroler Straßengesetzes und der Tiroler Bauordnung, insbesondere hinsichtlich der Inanspruchnahme von Grundstücken für Straßenbaumaßnahmen, in seinen Rechten verletzt.

Die belangte Behörde erstattete zu beiden Beschwerden eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, wegen des gegebenen persönlichen und sachlichen Zusammenhanges die beiden Beschwerden zur gemeinsamen Behandlung zu verbinden und hat hierüber erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 2 des Tiroler Straßengesetzes, LGBl. Nr. 1/1951, in der Fassung LGBl. Nr. 10/1970 (StrG), sind öffentliche Straßen dem Verkehr von Personen und Fahrzeugen dienende Flächen, die entweder dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind oder in langjähriger Übung seit mindestens 30 Jahren allgemein ohne Einschränkung auf einen bestimmten Kreis von Benützungsberechtigten und unabhängig von einer ausdrücklichen Erlaubnis des Verfügungsberechtigten zum Verkehr benützt werden. Gemäß § 33 Abs. 1 sind Gemeindestraßen alle Straßen, die nicht zu einer anderen Straßengruppe (Bundes-, Landes-, Eisenbahn-Zufahrtsstraße und öffentliche Interessentenwege) gehören. Gemäß § 34 Abs. 2 leg. cit. hat jede Gemeinde innerhalb ihres Gebietes für die Herstellung und ordnungsgemäße Erhaltung der Gemeindestraßen zu sorgen, soweit nicht andere dazu verpflichtet sind. Ebenso hat gemäß § 37 Abs. 1 leg. cit. die Gemeinde dafür zu sorgen, daß sämtliche Gemeindestraßen ordnungsgemäß instandgehalten und etwaige Verkehrshindernisse unverzüglich beseitigt werden.

Gemäß § 37 Abs. 2 sind dem Gemeinderat "insbesondere" vorbehalten:

"a) die Entscheidung über die Öffentlichkeit einer Straße und die Zu- und Aberkennung der Eigenschaft als Gemeindestraße;

b) die Widmung eines Privatweges für den öffentlichen Verkehr als Gemeindestraße, wenn der Eigentümer des Weges und die an demselben auf Grund des Privatrechtes Benützungsberechtigten zustimmen oder die Voraussetzungen der Enteignung vorliegen. In diesem Fall tritt der Beschluß erst mit Rechtskraft des Enteignungsbescheides in Kraft; ..."

Gemäß § 50 Abs. 1 StrG bedarf der Neubau, Ausbau und die Verlegung von öffentlichen Straßen der Bewilligung der Behörde (Straßenbaubewilligung). Gemäß § 50 Abs. 6 leg. cit. ist dies bei Gemeindestraßen der Bürgermeister. Gemäß Abs. 3 ist die Straßenbaubewilligung zu erteilen, wenn die vorgesehene Trasse und technische Ausführung der Straße den bestehenden und voraussehbaren Verkehrsbedürfnissen entspricht und unter Bedachtnahme auf die natürlichen Gegebenheiten geeignet ist, von dem auf ihr bestimmten Verkehr bei Beachtung der straßenpolizeilichen Vorschriften benützt zu werden. Gemäß § 50 Abs. 4 StrG hat der Erteilung der Straßenbaubewilligung eine mündliche Verhandlung an Ort und Stelle vorauszugehen, bei der bei sonstiger Nichtigkeit des Baubewilligungsbescheides ein straßenbautechnischer Sachverständiger beizuziehen ist. Gemäß Abs. 5 können unter anderem Liegenschaftseigentümer, die durch den Bau der geplanten Straße in ihren rechtlichen Interessen berührt werden, im Baubewilligungsverfahren Abänderungen und Ergänzungen der geplanten Trassenführung und der technischen Ausgestaltung der Straße verlangen. Änderungen durch ein Parteienvorbringen dürfen die Wirtschaftlichkeit des Bauvorhabens hinsichtlich der Errichtung und Erhaltung nicht wesentlich und die Leistung, Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs in keiner Weise beeinträchtigen.

Gemäß § 51 Abs. 1 des Gesetzes können zur Herstellung, Erhaltung und Umgestaltung von öffentlichen Straßen samt den zugehörigen oder anläßlich des Baues erforderlichen Anlagen ... oder zur Umwandlung eines für den allgemeinen Verkehr notwendigen Privatweges in eine öffentliche Straße die hiezu unbedingt erforderlichen Grundstücke und Gebäude mit Ausnahme von künstlerisch oder geschichtlich bedeutsamen Bauten und Denkmälern gegen angemessene Entschädigung im Wege der Enteignung in Anspruch genommen werden. Gemäß Abs. 2 erstreckt sich die Enteignung auf die Überlassung des Eigentums oder auf die dauernde oder zeitweise Einräumung, Abtretung, Einschränkung oder Aufhebung von Dienstbarkeiten oder anderen dinglichen Rechten an unbeweglichen Sachen.

Gemäß § 53 Abs. 1 StrG ist für eine Enteignung antragsberechtigt die zuständige Straßenverwaltung.

Gemäß § 54 Abs. 1 StrG entscheidet über die Notwendigkeit, den Gegenstand und den Umfang der Enteignung die Landesregierung.

Gemäß § 18 Abs. 1 der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 43/1978, in der Fassung LGBl. Nr. 19/1984 (TBO), sind Grundflächen, die für die Herstellung oder Verbreiterung von Gemeindestraßen benötigt werden und durch die Festlegung der Straßenfluchtlinien im Bebauungsplan als Verkehrsflächen ausgewiesen sind, an die Gemeinde auf deren Verlangen gegen Entschädigung abzutreten. Dieses Verlangen kann von der Gemeinde erst gestellt werden, wenn die Straßenbaubewilligung nach den Bestimmungen des Tiroler Straßengesetzes rechtskräftig erteilt worden ist. Bei der Erteilung der Straßenbaubewilligung ist die Behörde an die im Bebauungsplan vorgesehene Trasse gebunden.

Gemäß § 18 Abs. 2 TBO hat der Bürgermeister, wenn eine gütliche Einigung nicht zustande kommt, im übertragenen Wirkungsbereich zu entscheiden, welche Grundflächen nach Abs. 1 abzutreten sind.

I. (zu Zl. 88/06/0035)

Dem Beschwerdeführer ist zuzugeben, daß die Behörden der mitbeteiligten Gemeinde durch die Verquickung voneinander getrennter Verfahren und durch die Einleitung später nicht fortgeführter Verfahren die Rechtslage unnötig verkompliziert und wenig durchsichtig gemacht haben; dadurch kann sich der Beschwerdeführer aber ebensowenig beschwert erachten, wie durch die nur teilweise Behandlung seiner Aufsichtsbeschwerden gegen Gemeinderatsbeschlüsse. Letzteres schon deshalb nicht, weil es sich dabei zum Teil um Beschlüsse im Rahmen der Privatrechtsverwaltung gehandelt hat. Offenbar schwebt dem Beschwerdeführer eine weder in der Tiroler Gemeindeordnung noch auch in anderen Gemeindevorschriften vorgesehene Anfechtungsmöglichkeit von Gemeinderatsbeschlüssen vor, auch wenn diese keinen Bescheidcharakter haben und daher auch nicht im gesetzlich geregelten Vorstellungsweg bekämpft werden können. Es ist also rechtlich bedeutungslos, ob Gemeindeaufsichtsbehörden - außerhalb von Vorstellungen gegen Bescheide von Gemeindebehörden - auf Aufsichtsbeschwerden des Beschwerdeführers reagiert haben oder nicht.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist § 18 Abs. 1 TBO nur für die Herstellung oder Verbreiterung von Gemeindestraßen anzuwenden, damit also nur für jenen Teil der künftigen Gemeindestraße, der nicht schon in der Natur als Straße besteht. Nur diesen Teil betrifft jedoch der angefochtene Bescheid am 12. Juni 1986, sodaß eine Anwendung des § 18 TBO ausgeschlossen ist. Damit aber gelten die Vorschriften des § 37 Abs. 2 in Verbindung mit § 54 StrG. Das Enteignungsverfahren wurde daher zu Recht von der Tiroler Landesregierung durchgeführt.

Es trifft auch die Einwendung des Beschwerdeführers nicht zu, daß der Enteignung eine rechtskräftige Straßenbaubewilligung vorangehen müsse. Der Beschwerdeführer übersieht dabei, daß es sich in diesem Verfahren nicht um den Neubau, Ausbau oder die Verlegung von öffentlichen Straßen handelt (§ 50 StrG), sondern lediglich um die Übernahme einer in der Natur bereits bestehenden Verkehrsfläche. Für diese Übernahme ist selbst dann keine Baubewilligung erforderlich, wenn die Straße - wie im vorliegenden Fall - in der Folge verbreitert werden soll; erst dieser Ausbau (= Verbreiterung) bedarf einer Baubewilligung. Die Herstellung eines neuen Straßenbelages einschließlich Untergrund u. dgl. stellt nämlich weder den Neubau noch einen Ausbau von Straßen dar.

Aus dem Zusammenhang zwischen § 37 Abs. 2 lit. b und den §§ 51 ff StrG ergibt sich auch nicht, daß der Gemeinderat zur Prüfung der Voraussetzungen der Enteignung berufen wäre. Handelt es sich doch bei dem im § 37 Abs. 2 lit. b StrG vorgesehenen Gemeinderatsbeschluß um eine Verordnung, wobei die darin ausgesprochene Widmung mangels Zustimmung der Eigentümer des Weges und sonstiger Benützungsberechtigter von einem gesetzmäßig durchgeführten Enteignungsverfahren abhängt; in diesem kann der Eigentümer des Privatweges alle Einwendungen gegen die Widmung für den öffentlichen Verkehr u. dgl. erheben.

Berechtigt ist die Beschwerde jedoch, soweit sie die mangelnde Bestimmtheit des Spruches des Enteignungsbescheides bemängelt. Es ist dem Beschwerdeführer zuzustimmen, daß der Spruch schon deshalb nicht hinreichend bestimmt ist, weil eine Bezugnahme auf konkret vorgelegte Pläne nicht erfolgt ist und bei der letztlichen mündlichen Verhandlung solche Pläne auch noch gar nicht vorgelegen sind. Damit aber hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid vom 12. Juni 1986 mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Im übrigen läßt sich weder der Niederschrift über die Verhandlung vom 6. Februar 1986 entnehmen und ist auch sonst aus der Aktenlage nicht erkennbar, ob die Voraussetzungen für die Enteignung gegeben sind.

II. (zu Zl. 88/06/0034)

Hier macht der Beschwerdeführer zunächst die Unzuständigkeit des in zweiter Instanz tätig gewordenen Gemeindevorstandes mit der Begründung geltend, daß der Bürgermeister und der einzige in der mitbeteiligten Gemeinde vorhandene Stellvertreter befangen gewesen seien, der Gemeindevorstand daher gemäß § 38 Abs. 1 der Tiroler Gemeindeordnung nicht beschlußfähig gewesen sei und damit nach Abs. 3 die Beschlußfassung auf den Gemeinderat übergegangen wäre, was die belangte Behörde aber nicht aufgegriffen habe. Zu dieser Frage hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 19. Juni 1986, Zl. 85/06/0035, BauSlg. Nr. 710, dargelegt, daß § 67 Abs. 4 der Tiroler Gemeindewahlordnung 1973, LGBl. Nr. 63, in der Fassung Nr. 4/1980, eine lex specialis gegenüber dem § 38 der Tiroler Gemeindeordnung 1966, LGBl. Nr. 4, in der Fassung LGBl. Nr. 8/1973, bilde. Nach § 67 Abs. 4 TGWO hat der Bürgermeister, wenn er in erster Instanz den Bescheid erlassen hat und damit für das Berufungsverfahren befangen ist, an seiner Stelle ein Mitglied des Gemeinderates als Vorstandsmitglied einzuberufen, was auch im vorliegenden Fall geschehen ist. Gemäß § 37 Abs. 2 TGO 1966 haben in Fällen der Verhinderung des Bürgermeisters die Bürgermeisterstellvertreter der Reihe nach und bei deren Verhinderung die übrigen Gemeindevorstandsmitglieder in der Reihenfolge ihres Lebensalters zu vertreten. Die Funktion des Vorsitzenden des Gemeindevorstandes ist demgemäß im Falle der Befangenheit des Bürgermeisters und seiner Stellvertreter auf das älteste Gemeindevorstandsmitglied übergegangen, dessen Anwesenheit daher im Sinne des § 38 Abs. 1 TGO an die Stelle der notwendigen Anwesenheit des Bürgermeisters als seines Vertreters tritt. Da unter den gegebenen Umständen auch nicht die Mehrheit der Gemeindevorstandsmitglieder befangen war, lagen die Voraussetzungen für einen Übergang der Zuständigkeit zur Beschlußfassung auf den Gemeinderat nicht vor.

In der Sache selbst verkennt der Beschwerdeführer, wie bereits zu I. ausgeführt, daß unter dem "Ausbau" einer Straße nicht etwa die tatsächlichen Arbeiten an einem schon vorhandenen Straßenstück verstanden werden können. Es besteht daher entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers im konkreten Zusammenhang kein Unterschied zwischen "Ausbau" und "Verbreiterung" der Straße. Mit dem angefochtenen Bescheid ist daher hinsichtlich des bestehenden Weges keinerlei Abspruch erfolgt, was der Beschwerdeführer offensichtlich mißverstanden hat. Eine Baubewilligung kommt ja nur hinsichtlich eines noch nicht in der Natur bestehenden Weges in Betracht, gleichgültig in wessen Eigentum dieser steht. Ob der in der Natur bestehende Weg ordnungsgemäß enteignet worden ist und damit der Widmungsbeschluß des Gemeinderates in Kraft getreten ist, ist ausschließlich Gegenstand des diesbezüglichen Enteignungsverfahrens, worüber unter Punkt I. des Spruches dieses Erkenntnisses abgesprochen worden ist.

Die Baubewilligung setzt ihrem Wesen nach das Vorhandensein einer Gemeindestraße voraus, da nur eine vorhandene Gemeindestraße "ausgebaut" werden kann, was Gegenstand des vorliegenden Bescheides ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Vorstellungsbescheides durch den Verwaltungsgerichtshof ist die Erlassung des letztinstanzlichen gemeindebehördlichen Bescheides, im vorliegenden Fall also der 12. Jänner 1987, an welchem Tag der Berufungsbescheid der mitbeteiligten Gemeinde dem Vertreter des Beschwerdeführers zugestellt worden ist. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 8. September 1986, B 769/86, der gegen den Enteignungsbescheid der belangten Behörde vom 12. Juni 1986 erhobenen Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Nach § 37 Abs. 2 lit. b StrG tritt der Widmungsbeschluß des Gemeinderates erst mit "Rechtskraft des Enteignungsbescheides" in Kraft. Da die Tiroler Landesregierung über die Enteignung in erster und letzter Instanz entscheidet, tritt die formelle Rechtskraft des Enteignungsbescheides bereits mit Zustellung dieses Bescheides ein; dieser Zeitpunkt lag erheblich vor dem Ergehen des maßgeblichen Baubewilligungsbescheides. Gemäß § 85 Abs. 3 VfGG 1953 hat die Behörde im Falle der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung den Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes aufzuschieben und die hiezu erforderlichen Vorkehrungen zu treffen; der durch den angefochtenen Bescheid Berechtigte darf die Berechtigung nicht ausüben. Dies bedeutete für den mit Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bekämpften Enteignungsbescheid, daß die Enteignung während der Dauer der aufschiebenden Wirkung nicht vollzogen werden könnte; der Beginn von Arbeiten an dem nach wie vor im Eigentum des Beschwerdeführers stehenden Straßenstück wäre rechtswidrig. Hingegen hindert die Erhebung einer Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde, auch wenn ihr aufschiebende Wirkung zuerkannt wird, nicht den Eintritt der formellen Rechtskraft (vgl. etwa VfSlg. Nr. 8505). Damit war im maßgebenden Prüfungszeitpunkt wegen der weiterwirkenden formellen Rechtskraft des Enteignungsbescheides von der Wirksamkeit der Widmungsverordnung des Gemeinderates auszugehen. Nach der Sach- und Rechtslage in diesem Zeitpunkt stellt sich die Erteilung der Baubewilligung, gegen die auch sonst seit der Nachholung der erforderlichen Ermittlungen in der Berufungsverhandlung an Ort und Stelle keine Bedenken mehr bestehen, als der Rechtslage entsprechend dar. Die dagegen erhobene Vorstellung wurde dementsprechend sohin zu Recht abgewiesen, sodaß die gegen den Vorstellungsbescheid erhobene Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Im Hinblick auf die Entscheidung in der Sache erübrigte sich ein Abspruch über die Anträge, den Beschwerden im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Die Kostenentscheidungen gründen sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 22. September 1988

Schlagworte

Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der RechtskraftVollzugVerfahrensrechtBegriff der aufschiebenden WirkungRechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1988:1988060034.X00

Im RIS seit

02.08.2018

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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