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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art130 Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann, LL.M., in der Revisionssache der I s.r.o. in P, Slowakei, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 14. Februar 2018, Zl. LVwG- 2017/12/1633-10, betreffend eine Maßnahmenbeschwerde in einer Angelegenheit des Glücksspielrechtes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Tirol), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit der angefochtenen Entscheidung wies das Landesverwaltungsgericht Tirol eine Beschwerde der revisionswerbenden Gesellschaft (Revisionswerberin), soweit sie sich gegen eine behauptete Aufforderung "den Betrieb sofort zu verschließen, ansonsten jetzt eine Betriebsschließung verfügt und das Lokal zugesperrt und versiegelt werde" richtete, als unzulässig zurück (Spruchpunkt 1.) und, soweit sie sich gegen eine behauptete Hausdurchsuchung in einem näher angeführten "Lokal" richtete, als unbegründet ab (Spruchpunkt 2.). Weiters erlegte das Landesverwaltungsgericht der Revisionswerberin den Ersatz der Kosten des Beschwerdeverfahrens in näher bestimmter Höhe auf (Spruchpunkt 3.). Schließlich sprach das Landesverwaltungsgericht aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei (Spruchpunkt 4.).
2 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden und hat er die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Zum Zulässigkeitsvorbringen der Revision ist zunächst festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, den Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; EuGH 30.4.2014, Pfleger, C-390/12, Rn. 47 ff; EuGH 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C- 464/15, Rn. 31, 35 ff, sowie EuGH 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn 28, 62 ff) erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung der Revision steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12. Mit ihren Ausführungen zum Unionsrecht wirft die Revisionswerberin somit keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG auf, von deren Lösung die Revision abhinge.
5 Die Revision sieht ihre Zulässigkeit hinsichtlich der Frage der Zurückweisung der Beschwerde darin begründet, dass keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes zur Frage bestehe, ob eine Aufforderung zur Einstellung der entgegen den Bestimmungen des GSpG veranstalteten oder durchgeführten Glücksspiele einer Beschwerde iSd Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG zugänglich sei.
6 Besteht der begründete Verdacht, dass im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit Glücksspiele entgegen den Vorschriften des GSpG veranstaltet oder durchgeführt werden, und ist mit Grund anzunehmen, dass eine Gefahr der Fortsetzung besteht, so kann die Behörde gemäß § 56a Abs. 1 des Glücksspielgesetzes (GSpG) ohne vorhergegangenes Verfahren, aber nicht ohne vorher zur Einstellung der entgegen den Bestimmungen des GSpG veranstalteten oder durchgeführten Glücksspiele aufgefordert zu haben, an Ort und Stelle eine gänzliche oder teilweise Schließung des Betriebes verfügen.
7 Die Aufforderung zur Einstellung der Glücksspiele hat der eigentlichen Betriebsschließung voranzugehen. Diese Aufforderung und die damit verbundene Androhung der Betriebsschließung ist nicht durch Bescheid auszusprechen und bildet eine Tatbestandsvoraussetzung für die Verfügung der Betriebsschließung (VwGH 30.3.2016, Ra 2016/09/0023, mwN). Eine von der Behörde sodann gemäß § 56a Abs. 1 GSpG verfügte Betriebsschließung ist - solange kein Bescheid gemäß § 56a Abs. 3 GSpG erlassen worden ist - als Akt verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anzusehen (VwGH 14.3.2018, Ra 2017/17/0937, mwN).
8 Ein durch Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG bekämpfbarer Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt dann vor, wenn Verwaltungsorgane im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen individuell bestimmte Adressaten einen Befehl erteilen oder Zwang ausüben und damit unmittelbar - dh ohne vorangegangenen Bescheid - in subjektive Rechte des Betroffenen eingreifen (vgl. abermals VwGH 14.3.2018, Ra 2017/17/0937). Die Qualität eines behördlichen Befehls als Maßnahme iSd Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG setzt voraus, dass dem Betroffenen eine bei Nichtbefolgen des Befehls unverzüglich einsetzende physische Sanktion angedroht wird (vgl. VwGH 15.12.2014, 2011/17/0333, VwGH 20.12.2016, Ra 2015/03/0048, VwGH 23.2.2017, Ro 2014/07/0081, und VwGH 18.10.2017, Ra 2017/02/0041).
9 Das Landesverwaltungsgericht hat im Revisionsfall festgestellt, dass der die Aufforderung aussprechende Behördenvertreter klar zum Ausdruck gebracht habe, dass eine Schließung erst nach einer weiteren Kontrolle erfolgen werde, bei der die Fortführung von verbotenen Glücksspielen festgestellt werde. Da eine unverzüglich einsetzende physische Sanktion (hier: in Form einer Betriebsschließung) nicht angedroht wurde, liegt in der in Rede stehenden Aufforderung keine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt vor. Deshalb stellt sich die von der Revisionswerberin aufgeworfene Rechtsfrage im Revisionsfall nicht.
10 Eine Revision hängt nur dann von der Lösung einer Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG ab, wenn sich die Rechtsfrage innerhalb des Revisionspunktes, also des vom Revisionswerber selbst definierten Prozessthemas, stellt (vgl. in stRsp etwa VwGH 24.4.2018, Ra 2017/17/0925, und VwGH 21.3.2018, Ra 2018/13/0019, und VwGH 29.6.2017, Ra 2017/16/0076).
11 Die revisionswerbende Partei erachtet sich u.a. "in ihrem Recht verletzt, dass sie nur zum Ersatz von Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand im normierten Ausmaß verpflichtet wird". Damit wird kein subjektives Recht bezeichnet (vgl. etwa VwGH 20.11.2014, Ra 2014/16/0019; und VwGH 17.11.2010, 2007/13/0153). Somit verbleiben als taugliche Revisionspunkte die in der Revision geltend gemachten Rechte, in denen sich die Revisionswerberin verletzt erachtet,
dass über ihre Maßnahmenbeschwerde inhaltlich abgesprochen wird und dass in ihrem Betrieb keine Hausdurchsuchung durchgeführt wird.
12 Die betreffend den Ersatz der Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Zulässigkeitsbegründung der Revision aufgeworfene Rechtsfrage stellt sich somit bei der Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses im Rahmen der Revisionspunkte nicht.
13 Gemäß § 50 Abs. 4 GSpG sind die Behörde nach § 50 Abs. 1 leg.cit. und die in § 50 Abs. 2 und 3 leg.cit. genannten Organe zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG erforderlich ist.
14 Das in § 50 Abs. 4 GSpG normierte Betretungsrecht setzt nicht voraus, dass schon vor dem Betreten feststeht, dass eine Übertretung des GSpG stattgefunden habe. Sinn und Zweck der Kontrolle ist es, einen Sachverhalt festzustellen, der die Beurteilung ermöglicht, ob die Bestimmungen des GSpG eingehalten werden. Dieses Betretungsrecht ist von einer Hausdurchsuchung zu trennen: Das bloße Betreten (einer Wohnung oder Geschäftsräumlichkeit), ohne dort systematisch nach etwas zu suchen, ist nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht als Hausdurchsuchung zu beurteilen (vgl. etwa VwGH 22.11.2017, Ra 2016/17/0302, und VwGH 24.4.2018, Ra 2017/17/0924).
15 Das Landesverwaltungsgericht stellte fest, dass die Geschäftsräumlichkeiten und auch deren "hinterer Teil", betreten worden seien, "wo sich auch der Gangbereich mit dem WC, Regalen und Umkleidekabinen befindet, wozu eine Schiebetür geöffnet werden musste", aber bei dieser "kurzen Umschau" weder Glücksspieleinrichtungen aufgefunden noch Spieler angetroffen worden seien. Behältnisse, Schränke udgl. seien nicht geöffnet worden. Die Revision bringt in der Zulässigkeitsbegründung vor, es sei nach Personen und Gegenständen gesucht worden, und entfernt sich damit vom festgestellten Sachverhalt.
16 Soweit eventualiter ("selbst wenn keine Hausdurchsuchung vorgelegen hätte") die Zulässigkeit der Revision damit begründet wird, dass die durchgeführte Kontrolle im Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 50 Abs. 4 GSpG gestanden wäre, stellt sich eine damit aufgeworfene Rechtsfrage im Revisionsfall nicht, weil sie außerhalb des durch die Revisionspunkte abgesteckten Rahmen des Prozessgegenstandes liegt. Die Revisionswerberin erachtet sich zu diesem Spruchpunkt nämlich im Recht verletzt, dass keine Hausdurchsuchung durchgeführt werde.
17 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
18 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 26. Juni 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018160054.L00Im RIS seit
25.07.2018Zuletzt aktualisiert am
28.09.2018