TE Bvwg Beschluss 2018/7/4 W132 2110950-1

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Veröffentlicht am 04.07.2018
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Entscheidungsdatum

04.07.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
VOG §1
VOG §4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W132 2110950-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK als Vorsitzende und den Richter Mag. Christian DÖLLINGER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Michael SVOBODA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Tirol vom XXXX, betreffend die grundsätzliche Bewilligung der Übernahme der entstehenden Selbstkosten für eine psychotherapeutische Krankenbehandlung zwecks Aufarbeitung der am 18.08.2012 erlittenen kausalen psychischen Schädigungen gemäß § 1 Abs. 1 und § 4 Abs. 5 Verbrechensopfergesetz (VOG), beschlossen:

A)

Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin hat am 26.06.2014 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung:

Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) einen Antrag auf Hilfeleistungen nach dem VOG gestellt und angegeben, sie sei am 18.08.2012 von G.A. gestoßen und geschlagen worden. Sie habe dadurch ein Schleudertrauma und psychische Probleme erlitten.

1.1. Zur Überprüfung des Antrages wurden von der belangten Behörde die Krankengeschichte der Beschwerdeführerin und Unterlagen zu den angegebenen Vorfällen mit dem Ergebnis eingeholt, dass die grundsätzlichen Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Heilfürsorge und Psychotherapie vorlägen, jedoch die Diagnose eines breitbasigen Bandscheibenvorfalles zwischen dem 3. und 4. Halswirbelkörpers mit Bedrängung der 3. Nervenwurzel links nicht auf das Verbrechen zurückzuführen sei.

1.2. Die belangte Behörde hat der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 13.10.2014 gemäß § 45 Abs. 3 AVG das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, dazu Stellung zu nehmen.

1.3. Mit E-Mail vom 29.10.2014 hat die Beschwerdeführerin eingewendet, dass nicht nachvollziehbar sei, dass sie weder Schmerzengeld erhalte, noch die Kosten für Physiotherapie übernommen würden.

Am 19.12.2014 hat die Beschwerdeführerin einen ärztlichen Bericht von Dr. XXXX, Facharzt für Neurochirurgie, vom 16.12.2014 vorgelegt und um Berücksichtigung insofern ersucht, dass der Kostenersatz für Arzt- und Therapierechnungen bewilligt werden möge.

1.4. Zur Überprüfung der Einwendungen hat die belangte Behörde ein Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Fachärztin für Unfallchirurgie, basierend auf der Aktenlage, mit dem Ergebnis eingeholt, dass die anhaltenden Cervicobrachialgien nicht auf das Verbrechen als Ursache zurückzuführen seien.

2. Mit dem gegenständlichen Bescheid vom XXXX hat die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die Übernahme der entstehenden Selbstkosten für eine psychotherapeutische Krankenbehandlung zwecks Aufarbeitung der am 18.08.2012 erlittenen kausalen psychischen Schädigungen gemäß § 1 Abs. 1 und § 4 Abs. 5 VOG grundsätzlich bewilligt.

3. Mit dem Bescheid vom 29.06.2015 hat die belangte Behörde die Übernahme der aufgrund der Schädigung vom 18.08.2012 wegen der kausalen Gesundheitsschädigungen "Ellbogenprellung" und Verstauchung der Halswirbelsäule" entstandenen Kosten gemäß § 1 Abs. 1 und § 4 Abs. 2 VOG grundsätzlich bewilligt (Spruchpunkt 1.), jedoch die Übernahme der Kosten für die eingereichten physiotherapeutischen Behandlungen wegen eines HWS-Syndroms in der Zeit von 06.05.2013 bis 28.06.2013, von 29.01.2014 bis 25.02.2014 und die Honorarnote vom 20.05.2014 wegen der Diagnose "Zervikalsyndrom" gemäß § 1 Abs. 1 und § 4 Abs. 2 VOG abgelehnt (Spruchpunkt 2.).

4. Gegen diese Bescheide hat Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben. Ohne Vorlage neuer Beweismittel wurde im Wesentlichen vorgebracht, sie sei von der belangten Behörde dahingehend beraten worden, dass ihr das im Prozess zugesprochene Schmerzengeld bezahlt und Kostenersatz für Arztrechnungen bewilligt würden, wenn sie ein Sachverständigengutachten vorlege, welches das forensische Sachverständigengutachten Dris. XXXX entkräfte. Auch vom Weißen Ring sei sie informiert worden, dass der Staat aus dem Opferschutzfonds Schmerzengeldzahlungen und bestimmte andere Kosten übernehme, damit die geschädigte Person das Geschehene so gut wie möglich abschließen könne und nicht über Jahre hinweg dem Geld "nachlaufen" müsse. Aufgrund dieser positiven Aussichten habe sie von Dr. XXXX als Spezialist für Wirbelsäulenverletzungen und deren Folgewirkungen ein Gutachten erstellen lassen und dieses vorgelegt. Diese zusätzliche finanzielle Belastung sowie den Arbeitsentgang, der durch etliche Therapien und Arztbesuche entstanden sei, hätte sie ohne die Versprechen der belangten Behörde nicht auf sich genommen. Sie sei als alleinerziehende Mutter, bei einem geringen Gehalt als Sekretärin, durch die entstandenen Kosten sehr belastet. Die Untersuchungen im Rahmen der Erstversorgung nach dem tätlichen Angriff seien sehr dürftig gewesen und weit unter den zu erwartenden Umständen geblieben. Wegen der sehr starken Schmerzen an Kopf und Oberkörper habe sich die Beschwerdeführerin an die Urlaubsvertretung ihrer Hausärztin gewandt, welche keine Untersuchung durchgeführt, sondern die Beschwerdeführerin an einen anderen Arzt weitergeleitet habe, welcher sich versichert habe, dass sie durch die Schläge auf den Oberkörper keine inneren Verletzungen erlitten habe. Den vorgelegten Unterlagen könne entnommen werden, dass die Beschwerdeführerin in der gleichen Woche bei einem anderen Arzt gewesen sei, weil sie trotz Einnahme von Schmerztabletten ihrer Schmerzen nicht hätte Herr werden können. Der Hausarzt der Beschwerdeführerin würde bestätigen, dass sie in den 15 Jahren der Betreuung durch ihn, kein einziges Mal unter einem der Symptome gelitten habe, welche augenblicklich nach dem schweren körperlichen Angriff aufgetreten seien. Zweieinhalb Jahre sei das Leben der Beschwerdeführerin sehr eingeschränkt gewesen, bis sie nach vielen Fehlversuchen den richtigen Therapeuten gefunden habe. Diesen Behandlungsblock habe sie Anfang 2015 abgeschlossen und sei seither absolut beschwerdefrei. Dieser Umstand bekräftige die Ausführungen Dris. XXXX.

Die Körperverletzung habe sie erlitten, weil sie einer Frau und deren Hund beigestanden habe. Dieser Akt der Zivilcourage habe sie in große Bedrängnis gebracht. Einerseits habe sie ihre Gesundheit riskiert und sich knapp drei Jahre um ihre Genesung kümmern müssen. Andererseits müsse sie um ihr Recht auf Schadensgutmachung kämpfen. Aufgrund falscher Versprechungen habe sie sich in große finanzielle Ausgaben (Therapien...) gestürzt. Der psychische Schaden, welcher ihr durch die extreme Gewalteinwirkung und Aggressivität zugefügt worden sei, liege weit hinter ihren finanziellen Sorgen. Das bereits vorgelegte ärztliche Gegengutachten Dris. XXXX belege die Angaben der Beschwerdeführerin.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Mit dem gegenständlichen Bescheid vom XXXX hat die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die Übernahme der entstehenden Selbstkosten für eine psychotherapeutische Krankenbehandlung zwecks Aufarbeitung der am 18.08.2012 erlittenen kausalen psychischen Schädigungen gemäß § 1 Abs. 1 und § 4 Abs. 5 VOG grundsätzlich bewilligt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 9d Abs. 1 VOG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des VOG durch einen Senat, dem ein fachkundiger Laienrichter angehört. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 29 Abs. 1 zweiter Satz VwGVG sind die Erkenntnisse zu begründen. Für Beschlüsse ergibt sich aus § 31 Abs. 3 VwGVG eine sinngemäße Anwendung.

Zu A)

Entsprechend allgemeinen prozessrechtlichen Grundsätzen ist auch ohne ausdrückliche Erwähnung durch den Gesetzgeber das Rechtsschutzbedürfnis bzw. die Beschwer der beschwerdeführenden Partei Voraussetzung für das Eingehen eines Verwaltungsgerichtes in eine Beschwerde. Führt nämlich die Klaglosstellung der beschwerdeführenden Partei in jeder Lage des Verfahrens zu dessen Einstellung, so ist anzunehmen, dass eine Beschwerde von vornherein als unzulässig betrachtet werden muss, wenn eine der Klaglosstellung vergleichbare Lage bereits bei der Einbringung der Beschwerde vorliegt. Eine derartige Beschwerde ist mangels Rechtsschutzbedürfnis zurückzuweisen. Das Rechtsschutzbedürfnis besteht bei der Bescheidbeschwerde im objektiven Interesse der beschwerdeführenden Partei an der Beseitigung des angefochtenen, sie beschwerenden Verwaltungsaktes. Ein Rechtsschutzbedürfnis ist u.a. zu verneinen, wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für die beschwerdeführende Partei ohne objektiven Nutzen ist, wenn die in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen sohin nur (mehr) theoretische Bedeutung besitzen. (VwGH in diesem Sinne 2005/12/0029 05.09.2008)

Jede Beschwerde setzt eine beschwerdeführende Partei und deren "Beschwer" begrifflich voraus. Das Rechtsschutzbedürfnis der beschwerdeführenden Partei besteht bei der Bescheidbeschwerde im objektiven Interesse der beschwerdeführenden Partei an der Beseitigung des angefochtenen, sie beschwerenden Veraltungsaktes. Das objektive Interesse der beschwerdeführenden Partei an der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle gründet in der Beschwer. Eine solche liegt vor, wenn das angefochtene Verwaltungshandeln vom Antrag der beschwerdeführenden Partei an die Verwaltungsbehörde zu deren Nachteil abweicht (formelle Beschwer) oder wenn mangels Antrags die Verwaltungsbehörde die beschwerdeführende Partei durch ihren Verwaltungsakt belastet (materielle Beschwer). (VwGH in diesem Sinne 90/09/0042 26.06.1991)

Es besteht kein rechtliches Interesse der Beschwerdeführerin an der Aufhebung oder Abänderung des angefochtenen, gegenständlichen, Bescheides. Dem Antrag auf Übernahme der Kosten für psychotherapeutische Krankenbehandlung wurde vollinhaltlich stattgegeben. Hieraus folgt, dass sich die dagegen erhobene Beschwerde mangels Beschwer als unzulässig erweist.

Da die Beschwerde zurückzuweisen war, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 erster Fall VwGVG eine mündliche Verhandlung entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige - in der Begründung zitierte - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A) wiedergegeben.

Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist sie nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die nunmehr geltende Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

mangelnde Beschwer, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W132.2110950.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.07.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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