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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AsylG 2005 §19 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, in der Revisionssache des S H W B S, vertreten durch Dr. Gerhard Mory, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22. März 2018, L504 2173238-1/5E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Irak, stellte am 27. September 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2 Als Begründung brachte er vor, er habe als Mitglied eines Komitees im Ministerium für Jugend und Sport gearbeitet. Seine Aufgabe sei es gewesen, Kosten für Projekte zu schätzen. Als Unregelmäßigkeiten aufgefallen seien, habe man begonnen, private Firmen mit der Überprüfung zu beauftragen anstatt dies über das Parlament abzuwickeln, wodurch sich die Kosten aber verdoppelt hätten. Der Revisionswerber und sein Arbeitskollege seien dagegen gewesen. Sie hätten gedroht, dies gegenüber dem Parlament aufzudecken. Der Leiter des Komitees hätte dies mitbekommen und den Revisionswerber mit dem Umbringen gedroht. Daraufhin sei der Revisionswerber von einer Gruppe von Männern beobachtet und verfolgt worden. Nach seiner Ausreise habe er erfahren, dass sein Arbeitskollege bei einem Autounfall ums Leben gekommen sei. Er glaube, dass dieser getötet worden sei.
3 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag mit Bescheid vom 14. September 2017 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab. Es sprach aus, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt werde. Weiters erließ die Behörde gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Verwaltungsbehörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
4 Mit dem gegenständlichen Erkenntnis vom 22. März 2018 wies das Bundesverwaltungsgericht ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung die gegen den Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die Revision bringt zunächst zu ihrer Zulässigkeit vor, das Bundesverwaltungsgericht habe zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen. Die in der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien für die Abstandnahme von der Verhandlung seien nicht erfüllt, weil die Beweiswürdigung der Behörde mangelhaft gewesen sei. Sie habe sich unter anderem rechtswidrig auf die Angaben des Revisionswerbers in der Erstbefragung gestützt. Die Erstbefragung habe sich gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 aber nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen. Die Beweiswürdigung sei unschlüssig. Des Weiteren habe der Revisionswerber eine Reihe von Beweismitteln vorgelegt, welche die Richtigkeit seines Vorbringens bestätigen würden. Der Arbeitskollege des Revisionswerbers sei nach der Erstbefragung getötet worden. Es fehle die gebotene Aktualität im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes.
9 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass zur Beurteilung, ob der Sachverhalt im Sinn des § 21 Abs. 7 BFA-VG als geklärt erscheint und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach dieser Bestimmung unterbleiben kann, folgende Kriterien beachtlich sind:
10 Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017-0018).
11 Mit dem Zulassungsvorbringen wird eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nicht aufgezeigt. Es ist nämlich auch auf dem Boden des § 19 Abs. 1 AsylG 2005 weder der Behörde noch dem Bundesverwaltungsgericht verwehrt, im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen Widersprüche und sonstige Ungereimtheiten in den Angaben in der Erstbefragung zu späteren Angaben - unter Abklärung und in der Begründung vorzunehmender Offenlegung, worauf diese fallbezogen zurückzuführen sind - einzubeziehen (vgl. VwGH 2.1.2017, Ra 2016/18/0323, mwN). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte in seiner Begründung seine diesbezüglichen Erwägungen offen. Zudem stützte die Behörde ihre beweiswürdigenden Überlegungen nicht allein tragend auf die gegenüber der Erstbefragung getätigten Angaben des Revisionswerbers und es wurden die vom Revisionswerber vorgelegten Beweismittel und Angaben zum Tod eines Arbeitskollegen durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gewürdigt.
Das Bundesverwaltungsgericht schloss sich den beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl an, wonach das Fluchtvorbringen nicht glaubhaft sei.
12 Wenn der Revisionswerber in diesem Zusammenhang weiters vorbringt, dass die von ihm erhobene Beschwerde substantiiert die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichtes bekämpft habe und damit die Verhandlungspflicht ausgelöst worden wäre, ist dem entgegenzuhalten, dass er in seiner Beschwerde sein schon im verwaltungsbehördlichen Verfahren erstattetes Vorbringen wiederholte und Ausführungen tätigte, welche das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ohnehin bereits in seinem Bescheid berücksichtigt hat.
13 Vor diesem Hintergrund ist das Bundesverwaltungsgericht in vertretbarer Weise von einem geklärten Sachverhalt im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG ausgegangen. Sofern eine fehlende Aktualität des entscheidungswesentlichen Sachverhalts im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes angesprochen wird, zeigt die Revision nicht auf, welche Feststellungen zu einer günstigeren Entscheidung für den Revisionswerber hätten führen können.
14 Soweit die Revision auf einen Widerspruch zur hg. Judikatur betreffend die Wahrunterstellung verweist, genügt es darauf hinzuweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht - im Gegensatz zum Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - seine Entscheidung ausschließlich auf die mangelnde Glaubhaftigkeit des Fluchtvorbringens gestützt hat. Es hat keine Wahrunterstellung vorgenommen und es hat demzufolge auch das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative weder geprüft noch als entscheidungsrelevant angesehen.
15 Ferner wendet sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichtes. Dazu ist auszuführen, dass der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig ist und als solche im Allgemeinen zur Überprüfung der Beweiswürdigung nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt - als Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des VwGH - dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 5.4.2018, Ra 2018/19/0089). Dass dies im vorliegenden Fall gegeben wäre, zeigt die Revision nicht auf.
16 Soweit der Revisionswerber einen Verstoß gegen die Begründungspflicht moniert, vermag die Revision die in der hg. Rechtsprechung geforderte Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht aufzuzeigen (vgl. etwa VwGH 5.4.2018, Ra 2018/19/0154-0156). Die für die Entscheidung relevanten Beweisergebnisse wurden im Übrigen in die Beweiswürdigung und damit in die Sachverhaltsfeststellungen miteinbezogen.
17 In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 28. Juni 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018190271.L00Im RIS seit
09.07.2018Zuletzt aktualisiert am
23.07.2018