TE Vwgh Erkenntnis 2000/2/24 98/21/0184

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Veröffentlicht am 24.02.2000
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §64;
AVG §66 Abs4;
FrG 1993 §17 Abs2 Z6;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §33 Abs2;
FrG 1997 §33 Abs3;
FrG 1997 §40 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des J in Greifenstein, geboren am 24. August 1971, vertreten durch Dr. Walter Anzböck, Rechtsanwalt in 3430 Tulln, Wiener Straße 9, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 22. Jänner 1998, Zl. Fr-382/97, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl/See erließ gegen den Beschwerdeführer eine auf § 17 Abs. 2 Z. 6 des Fremdengesetzes aus 1992 gestützte Ausweisung. Nach Vorlage der dagegen erhobenen Berufung an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland (die belangte Behörde) forderte diese den Vertreter des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 12. Dezember 1997 u.a. auf, bekannt zu geben, wo der Beschwerdeführer derzeit aufrecht polizeilich gemeldet und/oder aufhältig sei bzw. ob er Informationen darüber besitze, dass der Beschwerdeführer mittlerweile das Bundesgebiet verlassen habe. Dieser Aufforderung kam der Vertreter des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 23. Dezember 1997 innerhalb der ihm gesetzten Frist nach; er teilte mit, dass sich der Beschwerdeführer an der Adresse "Jungarbeiterinneninternat Greifenstein, Hauptstraße 2, 4322 Greifenstein" befinde. Mit weiterem Schreiben vom 29. Dezember 1997 gab er in Ergänzung hiezu bekannt, dass sich die Adresse des Beschwerdeführers auf "Lienfeldergasse 60b/22, 1160 Wien" geändert habe.

Mit Bescheid vom 22. Jänner 1998 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den eingangs genannten Ausweisungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl/See keine Folge; sie bestätigte diesen Bescheid mit der Maßgabe, dass die gegenständliche Ausweisung auf § 33 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 4 und 6 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, gestützt werde.

Begründend führte sie aus, dass der Beschwerdeführer am 15. Juni 1997 von Ungarn kommend unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist und unmittelbar danach von Organen der Grenzüberwachung - ohne im Besitz ausreichender Barmittel zu sein - aufgegriffen worden sei. Das Asylverfahren des Beschwerdeführers sei bereits negativ rechtskräftig abgeschlossen, sodass ihm resultierend aus dem Asylgesetz keine Aufenthaltsberechtigung mehr zukommen könne. "Aus diesem Grund" sei seine Ausweisung auch auf § 33 Abs. 1 FrG zu stützen, weil er sich, wie die Einsichtnahme in die "CO-Ausdrucke des Asylwerber- und Fremdeninformationssystems" ergeben habe, nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Auf Grund seines kurzen Aufenthaltes in Österreich und angesichts des Umstandes, dass der Beschwerdeführer keine Verwandten im Bundesgebiet habe, stelle die gegenständliche fremdenrechtliche Maßnahme keinen Eingriff in sein Privat- oder Familienleben dar.

Die Hintanhaltung der illegalen Einreise einer großen Anzahl von Fremden, überwiegend ohne Barmittel und Reisedokumente, liege - so die belangte Behörde weiter - im öffentlichen Interesse; der Einhaltung fremdenpolizeilicher Bestimmungen komme ein großes Gewicht zu. Mit Schreiben vom 12. Dezember 1997 sei der Vertreter des Beschwerdeführers aufgefordert worden bekannt zu geben, wo der Beschwerdeführer derzeit aufrecht polizeilich gemeldet und/oder aufhältig sei bzw. womit er seinen Lebensunterhalt bestreite. Mit Schreiben vom 23. Dezember 1997 bzw. mit Ergänzungsschreiben vom 29. Dezember 1997 habe der Vertreter die Adresse mit 1160 Wien, Lienfeldergasse 60b/22, bekannt gegeben und mitgeteilt, dass der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers vom Evangelischen Flüchtlingsdienst bestritten werden würde. Laut Auskunft des Zentralmeldeamtes Wien vom 20. Jänner 1998 sei der Beschwerdeführer "dort" jedoch nicht gemeldet gewesen; eine telefonische Anfrage beim Evangelischen Flüchtlingsdienst habe ergeben, dass er an der genannten Adresse nicht aufhältig und völlig unbekannt sei. Am 22. Jänner 1998 habe der Vertreter des Beschwerdeführers telefonisch mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer, wie erst jetzt habe in Erfahrung gebracht werden können, "nach wie vor an der erstgenannten Adresse aufhältig" sei. "Daraus" sei der Schluss zu ziehen, dass der Beschwerdeführer, obwohl er sich schon längere Zeit im Bundesgebiet aufhalte, die Behörden seines Gastlandes über seinen Verbleib im Unklaren lasse, "zumal" er nicht einmal seinem Vertreter seinen Aufenthaltsort "ausreichend" mitteile. Somit scheine seine sofortige Ausreise im Interesse der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens erforderlich. Es sei davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer entgegen melderechtlicher Bestimmungen im Inland aufhalte oder bereits das Bundesgebiet verlassen habe. Er habe weiters keine Möglichkeit, im Bundesgebiet einer legalen Erwerbstätigkeit nachzugehen und wäre förmlich gezwungen, sich unter Missachtung der österreichischen Rechtsordnung die Mittel "hiefür" zu besorgen. Dies und die angeführten Umstände rechtfertigten die Annahme, dass seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung erforderlich sei.

Die im Spruch vorgenommene Änderung ergebe sich aus der Änderung der Rechtslage mit 1. Jänner 1998.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften "sowie" Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die hier maßgebliche Bestimmung des § 33 FrG lautet

auszugsweise:

"Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel

§ 33. (1) Fremde können mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.

(2) Fremde, die weder über einen Aufenthaltstitel verfügen noch Sichtvermerks- und Niederlassungsfreiheit (§ 30 Abs. 1) genießen, können mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie

...

4. innerhalb eines Monates nach der Einreise den Besitz der Mittel zu ihrem Unterhalt nicht nachzuweisen vermögen oder

...

6. unter Missachtung der Bestimmungen des 2. Hauptstückes oder unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist sind und während dieses nicht rechtmäßigen Aufenthaltes binnen einem Monat betreten werden

und wenn ihre sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung erforderlich ist.

(3) Die Ausweisung gemäß Abs. 2 wird mit ihrer - wenn auch nicht rechtskräftigen - Erlassung durchsetzbar; der Fremde hat dann unverzüglich auszureisen.

(4) ..."

Während die erstinstanzliche Behörde die Ausweisung des Beschwerdeführers ausschließlich auf § 17 Abs. 2 Z. 6 des Fremdengesetzes aus 1992 stützte, zog die belangte Behörde neben der Nachfolgebestimmung des § 33 Abs. 2 Z. 6 FrG auch § 33 Abs. 2 Z. 4 und § 33 Abs. 1 leg. cit. als Grundlage für ihren bestätigenden Berufungsbescheid heran. Diese Vorgangsweise begegnet keinen Bedenken; einerseits war es zulässig, die Ausweisung auf eine andere Bestimmung als die erste Instanz zu gründen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1998, Zl. 98/21/0249), andererseits blieb es der belangten Behörde als Berufungsbehörde unbenommen, § 33 Abs. 1 und Abs. 2 FrG kumulativ zur Anwendung zu bringen. Zwar unterscheidet sich eine Ausweisung nach § 33 Abs. 2 von einer Ausweisung nach § 33 Abs. 1 leg. cit. in ihren Rechtswirkungen dadurch, dass ihr ex lege keine aufschiebende Wirkung zukommt (§ 33 Abs. 3 FrG). Auf der Ebene der belangten Behörde, mit deren Entscheidung die Ausweisung jedenfalls durchsetzbar wird (gemäß § 40 Abs. 1 FrG auch eine solche nach § 33 Abs. 1 leg. cit.), verliert sich jedoch diese Divergenz, sodass eine in ihren Konsequenzen widersprüchliche Anordnung nicht (mehr) vorliegen kann. (Vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 5. Juni 1998, Zl. 98/21/0189, in dem nicht beanstandet worden war, dass die Berufungsbehörde die dort angefochtene Ausweisung auf § 17 Abs. 1 und Abs. 2 des Fremdengesetzes aus 1992 gestützt hatte.)

Das unter dem Blickwinkel des § 33 Abs. 1 FrG maßgebliche Tatbestandsmerkmal des unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet erachtete die belangte Behörde im Hinblick auf die Ergebnisse der Einsichtnahme in die "CO-Ausdrucke des Asylwerber- und Fremdeninformationssystems" als erfüllt. In Anbetracht dessen, dass der Beschwerdeführer unstrittig unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich eingereist ist und nach der Aktenlage über keinen Aufenthaltstitel verfügt sowie den seinen Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 8. Juli 1997 unbekämpft gelassen hat, hegt der Verwaltungsgerichtshof gegen diese Annahme keine Bedenken.

Auch der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Unrechtmäßigkeit seines inländischen Aufenthalts. Er bringt indes, soweit seine Beschwerde auf § 33 Abs. 1 FrG Bezug nimmt, vor, dass seine Ausweisung einen durch § 37 Abs. 1 FrG nicht gedeckten Eingriff in sein Privatleben darstelle; dass er im Bundesgebiet, wie von der belangten Behörde ins Treffen geführt, keine Verwandten habe, sei für die Beurteilung dieser Frage unerheblich.

Mit dieser Argumentation übersieht der Beschwerdeführer, dass die belangte Behörde einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in sein Privatleben (zumindest auch) deshalb verneinte, weil er sich erst seit kurzem in Österreich aufhalte. Tatsächlich hat seine Aufenthaltsdauer bis zum Bescheiderlassungszeitpunkt nicht einmal acht Monate betragen. Angesichts dessen und in Anbetracht des Umstandes, dass der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren keine besonderen Bindungen zu Österreich aufgezeigt hat, erweist sich aber die behördliche Rechtsansicht, seine Ausweisung bewirke keinen Eingriff in sein Privatleben, als zutreffend (siehe zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach dem Fremdengesetz aus 1992 das hg. Erkenntnis vom 24. April 1998, Zl. 98/21/0145). Daran vermag auch der Beschwerdehinweis auf § 57 FrG nichts zu ändern, weil mit der Ausweisung des Beschwerdeführers nicht darüber abgesprochen wird, ob und gegebenenfalls in welchen Staat er (allenfalls) abgeschoben werden wird.

Die Beschwerde macht im Rahmen ihrer Ausführungen zu § 33 Abs. 1 FrG weiters geltend, dass die belangte Behörde das ihr durch diese Bestimmung eingeräumte Ermessen nicht rechtmäßig geübt habe, weil in Ansehung der bisherigen Verhaltensweisen des Beschwerdeführers eine sofortige Ausreise keinesfalls im Interesse der öffentlichen Ordnung erforderlich sein könne. Dabei verkennt der Beschwerdeführer freilich, dass es im Rahmen einer Ausweisung nach § 33 Abs. 1 FrG - anders als bei einer Ausweisung nach § 33 Abs. 2 leg. cit. - nicht auf das Erfordernis einer "sofortigen Ausreise" ankommt; seine darauf bezugnehmenden Überlegungen gehen daher ins Leere. Davon abgesehen zeigt die Beschwerde nicht auf, was unter dem Blickwinkel des § 33 Abs. 1 FrG gegen die Ausweisung des Beschwerdeführers spräche. Dass er bislang - was in diesem Zusammenhang allein erwähnt wird - weder strafrechtlich noch verwaltungsstrafrechtlich in Erscheinung getreten ist, stellt keinen Aspekt dar, der eine Ausübung des der belangten Behörde gemäß § 33 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessens zu seinen Gunsten geboten hätte. Auch den Verwaltungsakten lassen sich derartige Umstände nicht entnehmen. Im Hinblick darauf liegt der behauptete Ermessensfehler nicht vor.

Zusammenfassend erweist sich die Ausweisung des Beschwerdeführers, soweit sie auf § 33 Abs. 1 FrG gestützt wurde, damit als rechtens. Ob diese Maßnahme auch in § 33 Abs. 2 leg. cit. Deckung fände, kann bei diesem Ergebnis dahingestellt bleiben. Ohne dass auf die darauf bezugnehmenden, die behördliche Annahme eines Meldevergehens bestreitenden Ausführungen in der Beschwerde eingegangen werden musste, war diese daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. Februar 2000

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens Allgemein Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Umfang der Abänderungsbefugnis Auswechslung des Rechtsgrundes

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998210184.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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