Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. W***** und 2. H*****, beide: *****, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Lang, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. R***** und 2. H*****, beide: *****, beide vertreten durch Dr. Kurt Kozák, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 1. Feststellung (Streitwert: 8.000 EUR) und 2. Einwilligung in die Einverleibung (Streitwert: 2.000 EUR), über den Rekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 29. September 2017, GZ 53 R 262/16k-95, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Neumarkt am Wallersee vom 21. August 2016, GZ 4 C 56/15v-91, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien sind schuldig, den beklagten Parteien die mit 779,61 EUR (darin enthalten 133,27 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Kläger sind seit „Mitte der 1990iger Jahre“ grundbücherliche Miteigentümer eines Waldgrundstücks, das an ein südlich gelegenes, im Wesentlichen aus Feld/Wiese bestehendes Grundstück grenzt, dessen grundbücherliche Miteigentümer die Beklagten seit „Beginn der 1990iger Jahre“ sind. Strittig ist im Verfahren, ob die Kläger in einem bestimmten Grenzbereich zwischen den beiden – im Grundsteuerkataster eingetragenen – Grundstücken („Waldrand“) in dem von ihnen begehrten Umfang Eigentum an Teilen des Grundstücks der Beklagten (so wie es sich nach den Mappengrenzen darstellt) durch Ersitzung erworben haben. Die Kläger begehren die Feststellung des Eigentumserwerbs durch Ersitzung sowie die Einwilligung der Beklagten in die Einverleibung ihres Eigentums im Grundbuch. Hilfsweise begehren die Kläger die Feststellung, dass sie Eigentümer dieser Grundstücksteile sind.
Die Kläger bringen zusammengefasst vor, dass die im Grenzbereich der beiden Grundstücke befindlichen Bäume, entlang derer die von ihnen behauptete Grundstücksgrenze führen soll, von ihrem Rechtsvorgänger, dem Vater des Erstklägers, gepflanzt worden seien. Sie hätten jene Fläche, auf der sich diese Bäume befinden, gutgläubig besessen, bewirtschaftet und als Wald genutzt. Die Kläger hätten – ebenso wie ihr Rechtsvorgänger – die erforderlichen Durchforstungsarbeiten auch in diesem Bereich des Waldes (Waldrand) geleistet.
Die Beklagten hielten dem entgegen, dass sie ihr Grundstück im Jahr 1991 so erworben hätten, wie im Grundbuch und in den Vermessungsplänen seit dem Jahr 1846 dargestellt, nämlich mit einem im strittigen Bereich geraden Grenzverlauf zum Grundstück der Kläger. Auch den Klägern sei der gerade Grenzverlauf bewusst gewesen. Die auf dem Grundstück der Beklagten befindlichen Bäume seien nicht vom Rechtsvorgänger der Kläger gepflanzt worden, sondern durch Windflug gewachsen und nicht von den Klägern gepflegt worden. Auch sonstige Nutzungshandlungen hätten die Kläger nicht gesetzt.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
Das Berufungsgericht hob infolge der von den Beklagten gegen diese Entscheidung erhobenen Berufung das Urteil des Erstgerichts auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Das angefochtene Urteil sei sekundär mangelhaft: Entscheidend für den Umfang des Eigentumserwerbs an einer Liegenschaft sei der Wille der Parteien, somit, in welchem Umfang das verkaufte Grundstück tatsächlich übergeben worden sei. Bei nicht im Grenzkataster enthaltenen Grenzen sei nicht die Grundbuchsmappe, sondern der in der Natur festzustellende Verlauf der Grenze maßgeblich. Im vorliegenden Verfahren fehlten daher zunächst Feststellungen, aus denen sich ergebe, in welchem Umfang und entlang welcher Grenzen die Parteien ihre jeweiligen Liegenschaften von ihren Rechtsvorgängern rechtsgeschäftlich erworben hätten. Dabei sei zu ermitteln, ob der Parteiwille der Kläger und der Beklagten auf den Erwerb des jeweiligen Grundstücks in Form der – nach dem Vorbringen der Beklagten auch den Klägern bekannten – Mappengrenzen („Papiergrenzen“) oder nach den Naturgrenzen gerichtet gewesen sei.
In einem weiteren Schritt seien im fortzusetzenden Verfahren zur Klärung des behaupteten Eigentumserwerbs durch Ersitzung Feststellungen zu treffen, ab welchem Zeitpunkt eine vom ursprünglichen Erwerb abgehobene Ausübung des Sachbesitzes in einer derartigen Form stattgefunden habe, dass der Ersitzungsgegner von seiner Sachherrschaft ausgeschlossen gewesen wäre. Dazu seien präzise Feststellungen zu treffen, auf welche Weise der Rechtsvorgänger der Kläger ab 1963 den Wald und insbesondere den Waldrand bewirtschaftet habe und aufgrund welcher Umstände die Kläger bzw ihr Rechtsvorgänger trotz allfälliger Kenntnis eines geradlinigen Grenzverlaufs davon ausgehen hätten können, dass das Pflanzen von Bäumen jenseits dieser Grenze rechtmäßig gewesen wäre. Für den Fall, dass die Ersitzungszeit noch nicht abgelaufen gewesen sei, seien auch allfällige den Alleinbesitz unterbrechende Akte der Eigentumsausübung durch die Beklagten (Verwendung von Holz aus dem Waldrandbereich zur Errichtung eines Zaunes zur Haltung von Tieren durch die Beklagten) zu berücksichtigen.
Das Berufungsgericht hielt auch die bisherige Formulierung des Klagebegehrens als nicht ausreichend und führte weiters aus, dass ein vom Erstgericht dem Urteil angeschlossener Plan exakt sein müsse und nicht lediglich der „Veranschaulichung im Urteil“ dienen dürfe.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Erheblich seien die Rechtsfragen
a) ob in einem Streit über die Ersitzung von Flächen am Waldrand auch das Betreuen „angeflogener Laubbäume“ als Durchforstungsarbeit eine taugliche Besitzergreifungshandlung darstelle und
b) der Formulierung des Klagebegehrens.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Kläger aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und mit den Anträgen, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, hilfsweise „aufzuheben und in der Sache selbst entscheiden“, hilfsweise aufzuheben und zur Verfahrensergänzung an das Gericht zweiter oder erster Instanz zurückzuverweisen.
Die Beklagten beantragten die Zurück-, hilfsweise die Abweisung des Rekurses.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts unzulässig.
1. Die Vorinstanzen haben übereinstimmend – und von den Parteien im Rekursverfahren nicht in Frage gestellt – die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs in der Begründung ihrer Entscheidungen bejaht, sodass über diese Prozessvoraussetzung eine den Obersten Gerichtshof gemäß § 42 Abs 3 JN bindende Entscheidung vorliegt (RIS-Justiz RS0035572).
2. Die Rekurswerber meinen, die Vorfrage bezüglich des Rechtserwerbs durch die Kläger bzw ihren Rechtsvorgänger stelle sich nicht, weil das Grundstück bereits vor 60 Jahren im Eigentum des Rechtsvorgängers der Kläger gestanden sei und dieser damals schon Durchforstungsarbeiten im Wald und auch am Waldrand durchgeführt habe. Sie sind weiters der Ansicht, dass von einer Unterbrechung der Ersitzungszeit nicht auszugehen sei. Die Rekurswerber stützen sich für ihre Argumentation auf die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen. Sie zeigen damit aber schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage, weil für die Beurteilung ihres Hauptbegehrens, das auf Erwerb des Eigentums durch Ersitzung gerichtet ist, als maßgebliche Vorfrage – wie vom Berufungsgericht ausgeführt – zunächst die Eigentumsverhältnisse aufgrund des rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerbs der Kläger und der Beklagten zu klären sind. Der behauptete Erwerb des Eigentums durch Ersitzung setzt nämlich voraus, dass die Kläger – entgegen ihren Behauptungen – bisher noch kein Eigentum (insbesondere nicht rechtsgeschäftlich) ganz oder teilweise an den von ihnen begehrten Grundstücksteilen im Waldrandbereich erworben haben. Da die diesbezüglich dem Aufhebungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden ist, kann der Oberste Gerichtshof nicht überprüfen, ob sich die vom Berufungsgericht angeordnete Ergänzung des Verfahrens oder der Feststellungen tatsächlich als notwendig erweist (RIS-Justiz RS0042179; E. Kodek in Rechberger4 §
519 ZPO Rz 26).
3. Zu den vom Berufungsgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfragen nehmen die Kläger in ihrem Rekurs inhaltlich nicht Stellung. Selbst wenn das Rechtsmittelgericht zu Recht ausgesprochen hätte, der Revisionsrekurs sei zulässig, im Rechtsmittel aber nur solche Gründe geltend gemacht werden, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, ist der Revisionsrekurs trotz der Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0102059).
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen.
Textnummer
E121278European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0100OB00073.17H.0417.000Im RIS seit
04.05.2018Zuletzt aktualisiert am
04.05.2018